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Lange war sie nicht mehr einkaufen gegangen. Sie hatte sich zurück gezogen, war mit sich allein geblieben. Einmal die Woche brachte ihr Sohn den Einkauf und sie wusste, dann musste sie kurz aufstehen. Sich die Haare kämmen und mit ein bisschen Wasser Frische ins Gesicht lügen. Essen wollte sie schon, sie hatte ja sonst nichts.

 

Das Leben war schwer gewesen, doch auch das hatte sie nicht einmal so richtig mehr gefühlt. Ein neuer Tag brachte nichts Neues und Freunde gab es für sie nicht. Deshalb hatte sie sich entschieden im Bett zu bleiben. Dort war es warm und sie fühlte sich geborgen. Und einen Fernseher hatte sie da auch. Also gab es genug Geschichten zu sehen und sie konnte, wann immer sie wollte, ins Leben anderer hinein springen. Mit ihnen fühlen, lachen und weinen. Meist schlief sie dann in der Nacht um so besser. Gab es im Film ein Happy End, dann war ihr leicht und sie war glücklich. War dem nicht so, dann grollte sie oft noch lange und es dauerte, bis der Schlaf sie in die Arme nahm. Aber was immer auch geschah, sie war nicht allein, denn sobald sie die Augen öffnete, klangen die Stimmen der Menschen aus dem Fernseher zu ihr.

 

Eines Abends klingelte es an ihrer Tür und es hörte nicht auf. Also war sie aufgestanden, hatte die Tür einen Spalt geöffnet und hinaus geblinzelt. Sofort klang ein kräftiger Kindergesang zu ihr. Nicht gerade schön, aber dafür sehr laut.

„Sankt Martin, Sankt Martin.....“, schallte es durch den Hausflur und als das Lied zu Ende war, reichte ihr eine kleine Hand eine Engelskarte durch den Spalt.

Sie wusste sofort, dass sie dem Mädchen einige Süßigkeiten schenken wollte. Sie erinnerte sich, dass sie auch in Hausfluren gesungen hatte, als sie ein Kind gewesen war. Und der Lohn für den Gesang waren Süßigkeiten gewesen. Also lies sie die Tür den Spalt offen und schlurfte mit den Pantoffeln in die Küche. Dort war nichts zu finden. Sie hatte alles aufgegessen, denn der Film am letzten Abend war herzzerreißend gewesen und die Leckereien hatten sie ein wenig getröstet.

 

„Wenn du nichts für mich hast, ist nicht schlimm. Ich bin die Lisa und wohne hier“, sagte die Kinderstimme leise hinter ihr. Das Mädchen war ihr in die Küche gefolgt. Seine Augen drückten maßloses Staunen aus, als es sich in der Küche umsah, denn das Wort unordentlich würde nicht das Chaos beschreiben, welches dort vorherrschte.

„Ich mache dir Bonbons, willst du?“, fragte sie schnell, denn sie wollte nicht, dass das Mädchen sofort wieder ging. Und so ohne Geschenk, das ging auch nicht. Es nickte staunend. Also holte sie die Pfanne aus dem Ofen. Die war blitzblank, denn sie hatte sie lange nicht benutzt. Im Kühlschrank fand sie noch einen Rest Butter und im Schrank stand Zucker. So hatten sie es nach dem Krieg oft gemacht, allerdings mit Margarine. Die Butter war schnell verlaufen und der Zucker flüssig in ihr. Leicht karamellisiert schmeckten die Zuckerbonbons am besten. Mit einem Löffel holte sie von der Masse aus der Pfanne und zeigte dem Kind wie schnell die schönsten Formen auf einem Teller entstanden.

Lisa erzählte, dass sie sei dem Sommer hier im Haus wohnt und dass sie hörte, die alte Dame im Erdgeschoss sei sehr krank. Deshalb wollte sie für sie singen. Als sie Lisas Frage, ob sie denn sehr krank sei, mit einem Nein beantwortete, geschah etwas in ihr. Sie wollte alles tun, damit sich ihr Leben wieder ändern konnte.

 

Sie hatte ihr Versprechen gehalten und war zu einem Arzt gegangen. Nun gut. Heute steht sie hier im Supermarkt. Weihnachtsmusik klingt dezent von allen Wänden. Die vielen Menschen machen ihr Angst und sie fühlt Panik in sich aufsteigen. Mit einem Griff holt sie die Engelskarte aus ihrer Tasche und schaut sie an. Warum es ihr dann besser geht, dass weiß sie nicht, aber der Blick auf den kleinen Engel hilft. Mit kräftigem Druck schiebt sie den Einkaufswagen in den nächsten Gang. Lisa will sie heute wieder besuchen und heute möchte sie den Tisch für sie decken.

 
Einige Zeit später:
Der Tisch ist gedeckt und der Duft eines Räucherkerzchens liegt in der Luft. Selbst etwas zu backen hat sie noch nicht geschafft, aber die Plätzchen aus dem Supermarkt sind dick mit Schokolade überzogen und schmecken sehr gut.
Sie spürt die freudige Erwartung in sich, als es auch schon klingelt.




Impressum

Texte: Alle Rechte für Text und Zeichnungen by Gabriele Ende
Tag der Veröffentlichung: 09.11.2009

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Meine Weihnachtsgeschichte ist zeitlos und ich widme sie all den Menschen, die mit Mut und Kraft und einem neuen Schritt ins Leben gehen.

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