Sichtweisen…
Mein Blick schweift in die Ferne. Ich stehe inmitten eines weiten Feldes umgeben von flachem Land. So kann ich bis zum Horizont schauen. Die Erdkruste um mich herum wurde beackert und ruht. Erst im neuen Jahr werde ich das Wachsen der kleinen Getreidepflanzen beobachten können. Noch ist tiefer Friede um mich. Kein Bauer stört die Ruhe. Ich liebe diese stille Zeit. Hier ist mein Platz. Ich bin ein Baum, ich atme, ich lebe.
Meine Äste bewegen sich mit dem Wind, sie fühlen sich einfach gut an. Die vielen Blätter geben in ihrer Vielzahl ein Kleid für jeden meiner Äste und umhüllen sie besonders im Winter kuschelig. Nebel hat sich tief über die Wälder in der Ferne gelegt und nährt jedes einzelne Gewächs mit seinem köstlichen Trunk. Sicherlich wird der Nebel auch bald bei mir sein, denn ich bin durstig und mein Blattkleid ist trocken. Deshalb ersehne den Nebel herbei. Und wenn er sich dann ebenso tief über dem Feld ausbreitet, kann ich mich in ihm verstecken und in seinen feuchten Wasserperlen schwingen. Sie tun mir gut. Ich bin für eine kleine Zeit wie ein verborgenes Geheimnis, denn keiner kann mich sehen. Liebvoll erspüre ich meine Äste, die Nadelblätter und den Boden, indem sich meine Wurzeln ausbreiten. Ich fühle Kraft und Stärke durch meinen Stamm pulsieren. Dass ich alleine stehe, macht mich nicht traurig. Ich lebe, ich atme, ich bin ein Baum. Wäre ich ein Mensch, würde ich sagen, ich bin glücklich.
Täglich besuchen mich die Vögel und oft auch die Mäuse und Hasen. Sie erzählen sich von ihren kleinen Erlebnissen. Ihre Geschichten erfreuen mich und lassen mich lächeln. Wie gut, das ich hier stehe. Weit weg von den anderen Bäumen, biete ich ihnen einen Ort zum ausruhen. So erfahre ich viel, ohne dass ich meinen Platz verlassen muss. Fernweh besitze ich nicht. Ich liebe es, meine Wurzeln gerade hier in die Erde zu strecken.
Wenn sich die Nacht über das weite Land senkt, schau ich immer noch einmal in die Ferne, verabschiede die Sonne und begrüße den Mond und die Sterne. Schüttle noch einmal alle meine Äste ganz sacht um mich zu entspannen und anschließend in einen neuen Tag zu träumen.
In diesen Augenblicken erkenne ich das Glück, das in meinem Leben liegt. Die Kraft, die durch meine Wurzeln in mich strömt, und ich wünsche mir, noch viele dieser schönen Tage hier zu stehen.
Die Welt ist um mich und ich bin ein Teil von ihr.
EIN TRAUM…
Um mich der Wind… . ich spüre ihn in mir.
Er wirkt auf mich, wie der Strom der Gezeiten,
wie der Mond, den ich auch in mir spüre.
Dann bin ich der Wind...
... ich bin es, der über alles liebkosend weht, der Bewegung und Berührung bringt,
um dann weiter und weiter zu wehen, es ist ohne Bedeutung.
Mir begegnet eine Rose.
Ich nehme sie in mich auf und wiege sie ganz behutsam. Sie gibt sich mir hin und schon entschwinde ich mit ihrem Duft, wissend, es ist ihr gleich. Sie duftet weiter, bis sie stirbt.
Ich bin der Wind! Ich fühle mich deutlich - unendlich weit - frei!
Da ist ein Baum. Ich werde zum Sturm und reiße an seinen Ästen. Ich spüre sein Spötteln, auch er gibt sich mir hin, ohne Widerstand. Er ist stark und ich tobe mich aus.
Nun bin ich der Baum...
... ich spüre meine Äste und meine Wurzeln. Ich spüre den Sturm, der meine Äste und mich bewegt.
Er hilft mir die Stärke meiner Wurzeln zu erkennen und ich bin ihm dankbar. Ich beuge mich zur Erde und verneige mich gern vor ihm.
Wahrhaftig, ich lächle - ich atme - ich bin ein Baum!
Dann werde ich wieder zum Wind.
Ich fliege zum Meer bis an seine Strände.
Ich sehe das Wasser, die Wellen - sie spielen. Sie sind wie die Kinder. Auch sie kann ich streicheln und spüren. Ich fahr durch sie durch um sie zu trennen, und sehe wie sie sich finden.
Jetzt bin ich es, die da fließt...
... ich bin Wasser und Welle, ich komme und gehe, der Wind ist um mich. Ich freu mich an ihm, doch ich brauche ihn nicht. Ich bin Wasser!
Ich dehne mich aus, um mich dann zu sammeln, zu kugeln, zu rollen und mich zu entspannen, um wieder zu kommen im ewigen Lauf.
Der Wind ist wohl da, ich spiele mit ihm, um mich dann zu trennen, es ist mir egal.
Ich bin wieder der Wind und besuche die Menschen.
Fliege auf sie zu, um auch sie zu liebkosen, zu streicheln. Um sie zu bewegen wie Rose, Baum oder Welle. Sie bemerken mich nicht...
Ich bin ganz behutsam und berühre sie nur mit einem Windhauch - ganz sanft.
Nichts!
Ich bin unermüdlich in meiner Berührung und dann bin ich traurig, denn sie spüren mich nicht.
Da flieg ich weiter zu Rose, Baum und den Wellen.
Es ist nicht von Bedeutung!
Ich bin der Wind und vieles mehr und jetzt muss ich lächeln,
…ich öffne meine Augen und lächle immer noch!
Texte: Alle Rechte für Texte und Bilder bleiben bei der Autorin.
Tag der Veröffentlichung: 05.06.2009
Alle Rechte vorbehalten