Cover

Vorwort




Ich widme dieses Buch, meiner Familie, insbesondere, meinem Zwillingsbruder Tim und meiner besten Freundin, ich hab euch lieb! <3

Ich widme es auch Seliiia die mein Cover so wundervoll erstellt hat :3


Amelie und das Geheimnis des Dorfes

Lara K.

Viel Spaß beim Lesen :)

Teil I


Teil I


Die Entführung

Kapitel 1


Auf dem Platz war viel los. Kutschen fuhren über den Platz. An jeder Ecke wurden Waren angepriesen und in der Mitte des Platzes stand ein Brunnen, umzingelt von Kindern. Kinder, die kein zu Hause hatten, Kinder die keine Eltern mehr hatten und Kinder die ganz allein waren. Und trotzdem liebte ich den Platz, da ich schon seit meiner Geburt hier lebte. Meine beiden Eltern betrieben am Rand des Platzes ein kleines Café. Ich arbeitete dort um meiner Familie zu helfen und unseren Lebensunterhalt zu sichern. Meine Eltern brauchten mich!
Das Café war das einzige am Platz und war deshalb eigentlich gut besucht, wir kamen aber trotzdem nur knapp über die Runden.
Ich hatte noch eine kleine Schwester, Kate, doch sie war gerade erst 5 und deshalb noch viel zu jung um im Geschäft mitzuhelfen, doch meine Eltern meinten, dass sie, sobald sie in die Schule käme, mithelfen könnte.
Wenn ich nicht gerade im Geschäft meinen Eltern half, ging ich mit Kate zum Brunnen. Dort spielte sie dann gerne mit den anderen Kindern. Ich setzte mich dann meistens auf die Stufen des Brunnens und schaute den Kindern einfach nur beim Spielen zu. Es gab mir ein gutes Gefühl, zu sehen, dass sie trotzdem noch Spaß hatten. Manchmal, wenn die Kinder mich baten, sang ich ihnen etwas vor, mal ein kleines Liedchen, oder einfach nur eine Melodie die gerade in meinem Kopf herumschwirrte. Dann setzten sich die Kinder um mich herum und hörten mir einfach nur zu. Sobald ich aufhören wollte, riefen sie, dass ich weiter machen solle. Auch blieben manchmal fremde Leute bei uns stehen, um ein paar Augenblicke ihren Alltag und den Stress zu vergessen und mir einfach nur ein bisschen zu zuhören um dann ihren gewohnten Weg fortzusetzen.
Einmal war eine ältere Frau so begeistert von meinem Gesang, dass sie mir ein bisschen Geld schenkte, wovon ich Brot und Äpfel für die Kinder kaufte. Natürlich hat das Geld bei weitem
nicht ausgereicht, doch immerhin mussten sie an diesem Tag nicht mehr ganz so hungrig sein.
Doch als ich an diesem Tag mit Kate aus dem Café auf den Platz trat, war irgendetwas anders, irgendetwas stimmte nicht. Es war ein komisches Gefühl. Auf den ersten Blick war alles wie immer, die Leute priesen ihre Waren an und mehrere Kutschen fuhren über den Platz. Und dann bemerkte ich es, die Kinder waren verschwunden, sie waren nicht da! Auch Kate schien das bemerkt zu haben, denn sie stupste mich an und fragte mich, warum die Kinder nicht da wären. Leider konnte ich ihr auf ihre Frage keine Antwort geben. Ein paar Augenblicke stand ich schweigend da, dann fiel mir ein, dass ich Rosana fragen konnte. Rosana war eine Obstverkäuferin, die eigentlich immer Bescheid wusste was gerade in unserem Städtchen vor sich ging, da jeder mit seinen Geschichten immer zu ihr kam. Also steuerte ich mit Kate ihren Stand an. Rosana stand hinter ihrer Theke und verhandelte gerade mit einer Kundin, die einfach nicht so viel für das Obst bezahlen wollte. Die Frau dachte wahrscheinlich sie hätte leichte Karten, aber bei Preisen und bei ihrem Obst war mit Rosana nicht zu scherzen. Denn hatte sie sich erst einmal etwas in den Kopf gesetzt, dann blieb sie stur. Und keine 10 Pferde konnten sie dann noch umstimmen. Die Kundin hatte das inzwischen scheinbar auch bemerkt, bezahlte ihr Obst und ging schmollend davon.
Als Rosana mich erblickte fing sie an zu lächeln und kam auf uns zu. Sofort erkundigte sie sich nach unserer Gesundheit und ob im Café alles gut lief. Ich gab wie immer die gleiche Antwort, bestätigte unsere Gesundheit und bewertete die Lage im Café als mittelmäßig. Damit war sie zufrieden. Dann schnitt sie, wie immer wenn wir sie besuchten, einen Apfel in Stücke und teilte ihn unter uns auf. Da ich nicht länger warten konnte, fragte ich sie gleich nach den Kindern und ob sie etwas wüsste. Doch sie konnte mir nur sagen, dass die Kinder auch schon heute Morgen, als sie ihren Stand aufgebaut hatte, nicht da waren.
Das war keine gute Nachricht, denn eigentlich waren die Kinder schon früh auf um am Brunnen zu spielen, oder sich bei den einzelnen Verkäufern ihr Frühstück abzuschwatzen.
Wir überlegten noch eine Weile, doch wir kamen einfach nicht drauf, wo die Kinder sein konnten. Außerdem musste Rosana jetzt weiter arbeiten, da neue Kunden da waren. Ich beschloss mit Kate fürs erste am Platz nachzufragen, ob nicht irgendjemand etwas von den Kindern wüsste. Doch scheinbar hatte niemand etwas bemerkt. Also gingen Kate und ich erstmal in das Café zurück. Dort war gerade nicht sehr viel los und deshalb saßen meine Eltern am Tresen und tranken einen Kaffee. Kate war vom vielen Laufen müde geworden und ging in unsere kleine Wohnung, die gleich über dem Café lag. Ich ging zu unseren Eltern hin und trug ihnen mein Leid vor. Mein Vater hatte auch nicht die geringste Ahnung wo die Kinder sein könnten und meine Mutter auch nicht. Dann fing sie davon zu erzählen an, dass eine neue Familie, mit einem Sohn in meinem Alter, in unser Städtchen gezogen ist, die sehr reich war. Und sie bat mich der Familie einen Besuch abzustatten und einen Willkommenskorb vorbeizubringen, da sie ja potenzielle Kunden wären. Also ließ ich mir von meiner Mutter noch die Adresse sagen und machte mich mit dem Korb auf den Weg.
Als ich schon ein Stückchen gelaufen war, blieb ich plötzlich stehen, da ich etwas gehört hatte. Ich konnte es kaum glauben, aber ich hörte viele kleine Kinderstimmen die mir alle nur zu bekannt vorkamen! Sofort machte ich mich auf den Weg und ging den Stimmen nach. Und als ich um eine Ecke bog, da sah ich sie. Es waren alle da und sie standen im Kreis um Jemanden oder Etwas, ich konnte es aus der Entfernung nicht genau erkennen, herum. Jetzt hörte ich genauer hin und konnte das Spiel einer Gitarre hören. Ich ging noch ein paar Schritte weiter dann hörte ich auch schon wie die Kinder meinen Namen, Amelie, riefen, da sie mich entdeckt hatten.
Sofort liefen alle Kinder auf mich zu und wollten mich umarmen. Ich beugte mich zu ihnen herunter. Um zu sehen ob es ihnen gut ging. Dann nahm ich Mia, die kleinste, sie war gerade mal 4, auf den Arm und stand wieder auf. Nun blickte ich in die Richtung, aus der die Kinder gekommen waren und erblickte einen Jungen, der ungefähr mein Alter hatte.
Er hatte eine Gitarre in der Hand und lächelte mich an. Ich ging auf ihn zu, streckte ihm meine noch freie Hand entgegen und stellte mich vor. Auch er begrüßte mich und stellte sich vor. Er hieß Samuel, sagte aber gleich, dass jeder ihn einfach nur Sam nannte. Auch erfuhr ich, dass er der Sohn der neuen Familie war und überreichte ihm gleich den Korb. Dann bat ich ihn noch ein wenig vorzuspielen, doch er lehnte ab, da er schnell nach Hause müsse, da seine Eltern sicher nicht gut auf ihn zu sprechen waren, wenn sie merken würden, dass er hinaus gegangen war. Ich fand das sehr schade und deshalb fragte er mich ob ich ihm morgen die Stadt zeigen würde. Ich bejahte und wir machten als Treffpunkt den Brunnen und dieselbe Uhrzeit aus. Dann ging er nach Hause.
Als er weg war, ging ich mit den Kindern zum Marktplatz. Dort begrüßten sie alle Leute und gaben den Kindern aus Erleichterung etwas zu essen, da sich sofort herumgesprochen hatte, dass sie weg waren. Und jeder war froh, dass nichts Schlimmes passiert war, da es vor ziemlich genau 10 Jahren schon mal so einen Vorfall gegeben hatte. Zu diesem Zeitpunkt gab es auf dem Marktplatz auch ein paar Kinder ohne zu Hause. Auch sie verschwanden eines Tages und man fand sie später alle in einem Labor, in dem Wissenschaftler Experimente mit ihnen gemacht hatten, wieder. Diese Kinder waren nach dem Vorfall alle verstört gewesen und ein paar kleinere waren sogar gestorben. Die restlichen sind dann mit zunehmendem Alter, alle aus der Stadt gegangen. Dieser Vorfall erschreckte unsere ganze Stadt und jeder war sehr mitgenommen und deshalb sehr froh, als die Polizei die Täter gefasst und eingesperrt hatte. Vor ein paar Monaten war dann zwar wieder etwas Unruhe ausgebrochen, da die Haftierten ihre Zeit abgesessen hatten und freigelassen wurden, doch bisher war nichts weiter passiert und man hatte auch nichts weiter von ihnen gehört.
Auch ich war ziemlich erleichtert, ich hatte die Geschichte zwar nicht ganz mitbekommen, da ich damals noch sehr jung war, aber ich kannte sie. Doch als ich den Kindern dann beim Spielen zusah, beruhigte ich mich.
Plötzlich schreckte ich auf, da die Turmuhr am Platz zu läuten anfing. Ich schaute auf die Uhr. Als ich bemerkte, dass es schon 12 Uhr mittags war, rannte ich zum Café meiner Eltern, da es wieder Zeit zum Arbeiten war. Das Café war proppevoll und ich konnte mich kaum bis zum Tresen durchschlagen. Am Tresen angelangt, schnappte ich mir meine Schürze und begann zu arbeiten. Plötzlich kam meine Mutter zu mir und sagte mir, ich solle die Kunden am Tisch 4 sehr gut behandeln, da es die neue Familie mit ihrem Sohn wäre. Sofort machte ich mich auf den Weg. Sam sah seinen Eltern gar nicht ähnlich und ich bemerkte, dass er sich nun etwas Feineres angezogen hatte. Ich setzte ein Lächeln auf und ging zum Tisch. Dort angekommen verteilte ich die Karten und fragte gleich ob sie schon wüssten was sie zu trinken haben möchten. Sie verneinten und sagten, sie würden noch schauen. Also machte ich mich auf den Weg um andere Kunden zu bedienen. Nach einer Weile blickte ich zu Tisch 4 und sah, dass sie mich riefen. Sofort ging ich zu ihnen um die Bestellung aufzunehmen. Die Familie schien noch nicht gefrühstückt zu haben, denn sie bestellte für jeden von sich ein Frühstücksmenü. Sam wählte das „französische“ Menü mit einem Croissant und Nussnougatcreme. Das war mein Lieblingsmenü. Ich ging in die Küche um die Bestellung aufzugeben und sagte, dass sie für Tisch 4 war und mein Vater wusste sofort Bescheid, da auch er inzwischen bemerkt hatte, welche Gäste wir hatten. Als ich wieder zum Tresen ging wurde ich von hinten angetippt, ich erschrak und drehte mich um. Es war Sam, der sich gleich dafür entschuldigte, dass er mich so erschreckt hatte und dass es ungewollt war. Ich lachte und sagte, dass es nicht so schlimm wäre, da mir das öfter passieren würde. Dann wurde sein Gesicht ernst und er fragte mich warum ich ihm heute Morgen nicht erzählt hatte, dass ich hier arbeiten würde. Ich entschuldigte mich und sagte, dass ich das nicht konnte, da er ja gleich gehen musste. Wir unterhielten uns noch ein bisschen und dann sagte er plötzlich, dass er gehen musste, da er seinen Eltern gesagt hatte, er würde nach der Toilette fragen. Ich lächelte und beschrieb ihm den Weg.
Dann musste ich mich weiter um die Kunden kümmern. Als das Essen von Sams Familie fertig war, brachte ich es zu ihrem Tisch. Ich stellte es ab und fragte ob es noch etwas sein durfte und ob alles passen würde. Die Familie lobte die Schnelligkeit mit der das Essen gekommen war und ich musste etwas grinsen. Dann fragte mich der Vater noch ob ich Sam kennen würde, da wir uns vorhin unterhalten hatten. Ohne zu Sam zu schauen verneinte ich die Frage und sagte, dass er mich nur etwas über das Café im Allgemeinen gefragt hatte. Damit schien der Vater zu frieden zu sein und als ich ging, sah ich wie Sam mir noch einen dankbaren Blick zuwarf.
Als ich am nächsten Morgen auf den Platz mit dem Brunnen kam, war alles wieder in Ordnung, die Kinder spielten wie immer und viele begannen damit ihre Stände aufzubauen.
„Hey Amelie“. Ich erschrak und drehte mich um, doch es war nur mein bester Kumpel Nick. Wir waren hier zusammen groß geworden und kannten uns dementsprechend schon von Kindheitsbeinen an. Mit ihm konnte man einfach alles machen und wir gingen zusammen durch Dick und Dünn. Und meine kleine Schwester hatte sich letzten Sommer Hals über Kopf in ihn verliebt als er ihr einmal das Leben gerettet hatte. Seitdem wollte sie immer dabei sein und fragte auch ständig ob Nick nicht mal zum Essen kommen wollte. Manchmal ging er ihrer Bitte auch nach und kam vorbei. Er half dann auch meistens im Café mit die Kunden zu bedienen. Danach wollte meine Schwester ihm immer ihre Kuscheltiere zeigen und mit ihm Teekränzchen spielen. Ich half ihm dann immer ausreden zu finden, wie z. B. dass er nicht könne, da er auf seine Brüder aufpassen musste. Nick hatte eine große Familie, sein Vater war letztes Jahr gestorben und so musste er nun die meiste Arbeit übernehmen. Nick hatte insgesamt noch 5 Brüder, die alle jünger waren als er. Der kleinste, Mo, war gerade mal 1 Jahr alt und bedarf an extra Aufmerksamkeit von allen. Das war natürlich nicht immer leicht, doch irgendwie hatten sie es bisher geschafft. Nick’s Mutter, Evangeline, war eine etwas rundliche doch sehr gütige Frau und ich war bei ihnen immer willkommen.
„Hey Nick!“
„Musst du heute im Café aushelfen, oder hast du Zeit für mich?“
„Nein, heute habe ich meinen freien Tag, wieso?“
„Okay, dann komm mal mit, ist eine Überraschung!“
Also folgte ich Nick, gespannt, was die Überraschung wohl sein konnte. Wir liefen über den Platz, an der Kirche vorbei, bis zum Stadttor. Dort sprach Nick kurz mit dem Wärter, der dann nickte und das Tor aufmachte. Ich war fast noch nie draußen gewesen. Und so erstaunte mich der Anblick immer mehr. Dort gab es keine engen Gassen, oder Verkäufer die Ihre Karren durch Straßen zogen oder ihre Ware anpriesen, nein dort gab es nur die weite, weite Welt. Felder, Wiesen, übersät von Blumen, leuchtend in allen erdenklichen Farben. Wir liefen ein ganz schönes Stück über die Wiesen, bis wir zu einem einzelnen, riesigen Baum kamen. Nick führte mich um den Baum herum und als ich den Stamm betrachtete, bemerkte ich, dass dort ein großes Loch war. So groß, dass man glatt hindurchklettern konnte. Und das machte Nick auch. Einen Augenblick später war er verschwunden.
„Nick? Wo bist du? Das ist gefährlich, komm sofort da raus!“, rief ich ganz erschrocken.
„Komm auch runter Amelie, das ist voll schön hier!“
Ich schluckte den Kloß in meinem Hals herunter und begann rückwärts den Abstieg in den Baum hinein. Dann stand ich neben Nick in einer Höhle. Innen stand ein Tisch, gedeckt mit zwei Tellern und einem Stück Kuchen. Nick drückte mich auf einen Stuhl, kramte etwas aus der Ecke hervor und begann zu singen: „ Happy Birthday to you …“
Ich hatte heute Geburtstag, nur hatte ich das in der ganzen Aufregung um die Kinder gestern total vergessen. Heute wurde ich 16.
„Jetzt darf ich dich nicht mehr kleine nennen, bist ja jetzt fast schon erwachsen!“ sagte er und grinste mich mit seinem schiefen Lächeln an, dass ich so sehr an ihm liebte.
„Naja du bist ja trotzdem noch älter als ich!“
Das stimmte, Nick war 17 und wurde in einem Monat schon 18. Seine Mutter plante ihn zu Armee zu schicken, da sie dafür Geld und etwas zu Essen jeden Monat zugeschickt bekam. Er wusste das auch, doch er hatte das Thema noch nie angesprochen, da es ihn sehr quälte uns alle verlassen zu müssen, doch er tat es um seiner Mutter und seinen Geschwistern zu helfen. Für einen Moment, blickte er fast schon traurig auf den Boden, als ob er auch gerade daran gedacht hatte, aber im nächsten Moment, lächelte er wieder und begann das Kuchenstück zu teilen.
„Ein Stück für dich und ein Stück für mich!“
Er legte mir mein Stück auf den Teller. Für eine Weile war es ganz still, niemand sagte etwas, wir saßen nur da und aßen schweigend unser Kuchenstück. Dann hielt ich die Stille nicht mehr aus und begann zu reden: „Ist der Kuchen von dir?“
„Ja, sozusagen, das meiste habe ich gemacht, aber meine Brüder wollten auch mithelfen und haben die Streusel draufgetan.“
„Richte ihnen dann später meinen Dank aus, ja?“
„Mach ich!“
Danach war es wieder still. Keiner sagte mehr etwas. Aber das passierte viel zu oft in letzter Zeit. Da wir uns fast täglich sahen, wussten wir schon alles über uns und hatten uns irgendwie nicht mehr viel zu erzählen. Dazu kam ja auch noch dass wir uns in einem Monat vielleicht nie wieder sehen würden. Ich hatte Angst ihn zu verlieren, falls er im Krieg starb. Okay, noch war kein Krieg ausgebrochen, aber beide Länder, unseres „Natuken“ und das andere „Straben“ rüsteten momentan auf. Die beiden Könige stritten schon seit Jahren miteinander, doch langsam schien es ernst zu werden und so sammelte jedes Land alle Männer um sie in den Krieg zu schicken.
Nachdem wir beide zu Ende gegessen hatten, stand Nick auf und gab mir ein Päckchen, das er vorhin aus der Ecke geholt hatte und gab es mir. Ich nahm es in die Hand und machte es auf. Drinnen befand sich ein Amulett, wenn man es aufmachte befand sich im inneren eine Uhr und eine sanfte Melodie ertönte.
„Dankeschön, das ist ein tolles Geschenk!“. Ich sprang auf um ihn zu umarmen. Er erwiderte meine Umarmung und gab mir einen Kuss auf den Haaransatz.
„Das habe ich doch gerne gemacht, für dich.“
Ich wünschte ich könnte ihn einfach so festhalten, bis der Krieg vorüber war, doch das ging nicht. Als wir uns voneinander lösten, blickte er mir in die Augen und auf sein Gesicht kam ein Trauriger Ausdruck.
„Was ist los Nick?“
Nick holte einmal tief Luft und begann zu erzählen.
„Ich war gestern draußen im Garten, um die Wäsche hereinzuholen, als ich zurückkam, stand ein Soldat in der Küche und redete mit meiner Mutter. Sie hatte Tränen in den Augen. Der Soldat ging wieder und meine Mutter berichtete mir was geschehen war. Der Krieg wird ernst und deswegen lässt der König auch schon alle unter 18 Jahre holen, um am Schluss mehr Soldaten zu haben. Deswegen werde ich Heute schon gehen müssen, um in den Krieg zu ziehen. Wenn die Sonne untergeht werde ich von einem Soldaten abgeholt.“. Er schwieg. Keiner von uns wusste was er noch sagen sollte. Plötzlich brach ich in Tränen aus, ich werde also schon heute meinen besten und einzigen Freund verlieren. Nick schloss mich noch mal in seine Arme. Keiner sprach ein Wort. So standen wir lange da. Schließlich wurde Nicks Griff locker und löste sich langsam von mir. Immer noch schweigend stiegen wir aus dem Baum heraus und liefen zum Stadttor zurück. Dort angekommen öffnete der Wärter das Tor und ließ uns durch. Als wir am Brunnenplatz angekommen waren, drückte ich Nick noch einmal ganz fest und verschwand dann in unser Café. Dort erwartete mich eine Überraschung. Alle, die ich kannte, hatten sich hier versammelt um mich zum Geburtstag zu beglückwünschen. Doch das interessierte mich gar nicht. Ich wollte nur allein sein, in meinem Zimmer, mich dort verkriechen und weinen. Ich würde meinen besten Kumpel verlieren. Doch als ich die Treppe hinauflaufen wollte, hielt mich meine Mutter auf und sah mich mit fragendem Blick an.
„Er muss heute schon gehen, heute!“
Mehr brachte ich nicht heraus. Doch meine Mutter verstand und nickte.
„Ich weis mein Schatz, ich weis! Das ist bestimmt sehr schwer für dich aber wenn der krieg zu Ende ist, wird er wieder zurückkommen!“
Das sagte sie so leicht!
„Was wenn er stirbt? Was dann, dann wird er nicht wieder zurückkommen! Dann werde ich ihn nie wieder sehen!“
„Mein Schatz, aber wir können im Moment nichts mehr dagegen machen. Und wenn du ganz fest an ihn glaubst, dann wird er schon zurück kommen! Glaub mir! Er wird dort spüren, dass du an ihn denkst und noch mehr Kraft kriegen, da er seine beste Freundin nicht im Stich lassen will! Aber jetzt weine nicht weiter! Das ist nicht gut für die Haut!“, witzelte meine Mutter herum. Ich fing an zu lachen, meine Mutter hatte mal wieder geschafft mich aufzumuntern, wie immer! Ich sah ein, dass ich wirklich nichts mehr tun konnte und widmete mich meinen Gästen. Als mir fast alle gratuliert hatten, kam Evangeline auf mich zu. Auch sie war nicht gerade in Feierstimmung, doch sie versuchte es zu verbergen.
„Alles Gute Kleines!“
So nannte sie mich schon immer, doch es machte mir nichts aus, ich bedankte mich bei ihr und ließ mich von ihr drücken.
Doch da viel mir Nick wieder ein, ich schaute aus dem Fenster und sah gerade noch, wie Nick auf den Wagen des Soldaten aufstieg und einen letzten Blick zurück warf. Unsere Blicke trafen sich, dann gab der Soldat den Pferden ein Zeichen und sie galoppierten los.

Kapitel 2


Nach ein paar Tagen kehrte in das Dorf wieder Ruhe ein. Fast niemand dachte mehr an den Zwischenfall mit den Kindern und auch ich hatte mich beruhigt und verdrängte den Gedanken an Nick. Es war Mittag und ich saß am Brunnen und sang den Kindern gerade etwas vor. Plötzlich tippte mich jemand an die Schulter, ich erschrak.
„Hi“
Ich drehte mich um und sah Sam.
„Oh, hey Sam!“
„Du hast mir gar nicht erzählt, dass du so gut singen kannst!“
Ich wurde rot. „ Naja, so gut bin ich auch wieder nicht!“
„Doch bist du!“
Ich wurde noch röter. Sam setzte sich neben mich.
„Ich habe dich lange nicht mehr gesehen. Wir hatten doch eine Verabredung! Du wolltest mir die Stadt zeigen, vor 5 Tagen!“
„Oh Gott, das habe ich ja total vergessen! Das tut mir Leid!“
„Ist schon in Ordnung, ich kann es gut verstehen, wenn du nicht mit mir abhängen willst, ich bin ja nur der reiche Schnösel, den keiner leiden kann, da er ja so arrogant ist …!“
Er wollte sich schon umdrehen und gehen, doch ich hielt ihn auf.
„Natürlich will ich mich mit dir treffen, und ich mag dich auch, aber es ist mir was dazwischen gekommen, und deswegen hatte ich es auch total vergessen! Es tut mir echt Leid! Bitte bleib, dann zeige ich dir jetzt die Stadt, jetzt habe ich Zeit!“
Er lächelte und willigte ein. Wir standen auf und ich beschloss ihm meine zwei liebsten Orte zu zeigen. Die eine war eine alte Kirche, die etwas außerhalb der Geschehnisse des ganzen Dorfes stand. Damals hatte es in der Kirche einen riesigen Brand gegeben, danach war nur noch eine Ruine übrig und man baute eine neue Kirche, am Brunnenplatz. Dennoch liebte ich die sie, ich konnte mich einfach nicht von ihr trennen. Als meine Großmutter noch gelebt hatte, das war inzwischen auch über 10 Jahre her, da ist sie mit mir jeden Sonntag in die Kirche gegangen. Obwohl ich damals noch nicht so richtig verstand, was der Pfarrer erzählt hat, bin ich dennoch gerne hingegangen, weil es einfach ein Ort war, an dem ich ungestört nachdenken konnte. Als ich dann erfuhr, dass die Kirche brennt, bin ich sofort hingerannt, da ich es nicht glauben konnte. Erst war ich furchtbar traurig darüber, doch dann entdeckte ich, dass die Kirche mit ein wenig Fantasie wieder aus sah wie früher. Okay heute sehe ich das nicht mehr so, doch damals machte mich der Gedanke glücklich. Außerdem fand ich einen Geheimgang, der unter die Kirche führte. Ich hatte außer Nick noch niemandem davon erzählt. Wir haben dort früher immer gespielt. Jetzt beschloss ich auch Sam diesen zu zeigen, da mir der Ort sehr viel bedeutete.
„Okay, kennst du die Kirche?“, fragte ich.
„Ähm naja, ich kenne schon eine, halt die, die hier am Brunnenplatz steht. Was ist an ihr so besonders?“
„Nein, nicht die, die alte Kirche!“
„Nein, die kenne ich nicht. Ich wohne doch auch erst seit kurzem hier mit meiner Familie!“
„Stimmt. Ja gut, dann zeige ich sie dir!“
Wir liefen über den Platz zum anderen Ende, in Richtung des Südtores. Dann gingen wir ein Stück an der Mauer entlang. Bis wir zu einem riesigen Gestrüpp kamen.
„Da ist sie!“, erzählte ich stolz.
„Wo? Doch nicht etwa das Gestrüpp da, oder?“
„Nein, dahinter! Da ist die Kirche!“, sagte ich und trat durch das Gestrüpp hindurch.
Auch Sam folgte mir, erst zögerte er doch dann schritt er hinter mich durch das Gestrüpp. Und da war sie dann auch, die Kirche, meine Kirche! Es hatte sich nichts verändert, nachdem ich das letzte Mal hier war. Die Kirche sah noch genauso aus, die zwei großen Türme, die in die Höhe ragten und die wenigen Grundmauern, die am Boden noch ihren festen Platz hatten.
„Nicht schlecht!“, Sam war sichtlich beeindruckt. Er ging noch ein paar Schritte vor, ich folgte ihm. Dann blieb er stehen drehte sich zu mir um und fing an zu erzählen: „Die Kirche muss ja mindestens 250 Jahre alt sein, oder zumindest das, was von ihr übrig ist.
Das kann man ganz leicht an dem Stuck erkennen, außerdem ist das Kreuz, an dem Jesus hängt Gabelförmig, das hebt dann noch mal die Epoche hervor!“
Das hätte ich nicht erwartet.
„Wow, woher weist du so viel darüber?“
„Ich interessiere mich schon seit längerem für Architektur und so was halt. Deswegen bin ich darüber auch relativ gut informiert!“
„Was willst du denn später mal werden, Architekt? Der Job würde dir bestimmt Spaß machen!“
„Ja eigentlich schon, aber mein Vater will, dass ich seine Stelle später mal übernehme. Das will ich aber nicht, aber er zwingt mich dazu und wenn ich nicht zu einem seiner Unterrichte komme, dann schlägt er -.“
„Wen schlägt er? Doch nicht etwa dich oder? Das darfst du dir nicht bieten lassen, das geht nicht!“
„Nein nicht mich, ach egal – ich – äh - vergiss es was willst du mir hier jetzt eigentlich noch zeigen?“
Ich merkte, dass Sam nicht darüber reden wollte, also ließ ich ihn in Ruhe, obwohl ich eigentlich schon wissen wollte was da los war.
Also lotste ich ihn um die Kirche herum und versuchte den Geheimgang zu finden.
„Der muss doch hier irgendwo sein… Ah, da ist er ja!“, rief ich, als ich den Geheimgang gefunden hatte. Zwischen mehreren Büschen gab es eine Holzklappe die man nach oben aufmachen musste. Ich packte das Seil, das ich extra daran befestigt hatte, um es leichter aufzumachen und zog an. Die Klappe ging nicht auf. Ich zog noch mal daran, diesmal ein wenig fester. Sie ließ sich immer noch nicht öffnen. Es war aber auch schon ein wenig Zeit vergangen, seitdem ich das letzte Mal da war.
„Soll ich dir helfen?“, bot Sam an.
„Ja, gerne. Irgendwie kriege ich die verdammte Klappe nicht auf!“
Ich trat einen Schritt zurück, damit Sam vorbei konnte, dabei streifte ich seine Haut, sie war warm, ganz im Gegensatz zu mir, die eigentlich immer fror. Er warf mir einen Blick zu und lächelte. Ich lächelte zurück. Dann packte Sam das Seil und zog daran. Die Luke ging auf und Sam starrte ins Dunkle. Aus dem Dunklen starrten zwei riesige Augen zurück. Sam flüsterte irgendetwas, das ich nicht verstand und die Kreatur verschwand. Als er sich zu mir umdrehte klopfte mein herz immer noch wie verrückt. Er schaute mir erst tief in die Augen, dann fragte er: „Ist alles in Ordnung bei dir?“
„Du, du hast mit ihm gesprochen, du hast mit dem Wesen gesprochen!“
„Was? Nein! Da musst du dich wohl verhört haben! Ich wollte gerade etwas zu dir sagen, da hat es sich bestimmt erschrocken und ist weggelaufen! Also, hast du irgendwas, womit wir das Ganze beleuchten können?“
Das hatte ich, noch immer leicht erschrocken, drehte ich mich um, bückte mich und holte aus einem Busch zwei Kerzen und Streichhölzer hervor. Ich gab sie Sam, der sie gleich anzündete. In die Luke hinein führte eine Steintreppe, sie war nicht sonderlich lang. Genaugenommen besaß die Treppe 28 Stufen. Das wusste ich so genau, da ich sie immer wieder gezählt hatte, wenn ich hinuntergegangen bin. Sam ging vor. Als wir unten ankamen, blieb Sam stehen und schaute sich nur um. Der Raum war ziemlich groß. In der Mitte standen 3 Steinsäulen die das Ganze stützten. Ich hatte mich zum Lesen oder Nachdenken immer in die Mitte gesetzt, da ich mich dort am sichersten fühlte, sollte es einstürzen. Ich ging zu einer Truhe, holte eine Decke hervor, legte sie in die Mitte der Steinsäulen und setzte mich drauf. Es war alles noch so wie früher, nichts hatte sich verändert, auch hier nicht.
„Wow, Das ist echt hammer hier! Schau dir die Wände an, selbst dort kann man noch die Überreste von Stuck erkennen!“ Sam ging bewundert an den Wänden entlang, fuhr manchmal auch einfach nur über die noch verbliebenen Reste Stuck drüber. Ich konnte mich dafür nicht so sehr begeistern wie er. Nach einer Weile kam er auf mich zu und setzte sich neben mich auf die Decke. Wir schauten uns an. Nach einer Weile hielt ich seinen intensiven Blick nicht mehr aus und schaute zu Boden. Als ich wieder auf schaute, lächelte er mich mit seinem bezaubernden Lächeln an, das ich schon jetzt, auch wenn wir uns noch nicht solange kannten, sehr an ihm liebte. Ich wurde rot. Dann wanderte plötzlich seine Hand zu meiner und umschloss sie sanft. Nicht fest, ich hätte sie locker rausziehen können, doch ich ließ sie einfach darin liegen. Irgendwann hielt ich die Stille nicht mehr aus, ich wollte irgendetwas sagen, irgendwas, doch mir viel nichts ein. Sam schien das zu spüren, den er fing an zu reden: „ Das ist echt wunderschön hier! Ich beneide dich echt dafür, dass du das hier schon so lange kennst. Wie hast du das gefunden?“ Er schaute mich fragend an.
„Naja, die Kirche ist ja abgebrannt und da ich aber so gerne hier war als kleines Kind, bin ich, sobald man wieder hierher durfte hergekommen und habe geschaut ob noch irgendwas so war wie früher. Da habe ich die Luke im Boden entdeckt. Nick, meinem besten Freund habe ich sie damals dann auch gezeigt. Nur das doofe war, dass sehr viele Leute hergekommen waren um sich das Ausmaß des Brandes anzuschauen. Also waren wir eigentlich nie allein um hier in Ruhe spielen zu können. Doch dann haben wir einen Plan entwickelt um die Leute von hier zu vertreiben. Als das nächste Mal wieder voll viele Besucher kamen hatten wir schon vorher das Gerücht in die Welt gesetzt, dass hes hier spukt. Und dann sind wir in ein leeres Grab gestiegen und haben gewartet. Wie dann ein paar Leute uns näher gekommen sind habe ich angefangen irgendwelche Geräusche zu machen und Nick hat die Grabplatte langsam aufgeschoben und seine Hand durch gestreckt. Das hat die Leute verjagt. Seitdem sind nie wieder welche hergekommen!“
Als ich fertig mit erzählen war fing Sam an zu lachen.
„Das ist cool!“ Danach ließ er meine Hand los und stand auf. Wir sollten langsam gehen, es wird schon dunkel und ich glaube nicht, dass deine Eltern es so toll finden wenn du erst heimkommst, wenn es schon stockfinster ist!“
Ich hatte gar nicht bemerkt, wie spät es schon war. Und wirklich als ich auch aufstand und von der Treppe aus nach oben schaute war es dort schon dunkel. Ich hätte eigentlich auch noch Stunden mit ihm hier sitzen können, meine Hand in seiner, aber er hatte recht, wir sollten uns wirklich langsam auf den Weg machen. Ich seufzte und räumte die Decke auf. Danach stiegen wir die Treppe wieder hinauf, Sam machte die Klappe zu und ich versteckte die Streichhölzer und die ausgepusteten Kerzen wieder hinter dem Busch. Wir liefen schweigend nebeneinander her. Ich dachte die ganze Zeit darüber nach, was unter der Kirche passiert war. Mir ging einfach nicht aus dem Kopf, wie Sam sich plötzlich neben mich gehockt und meine Hand genommen hatte. Mich durchströmte ein warmes Gefühl und ich schaute zu Sam. Der jedoch starrte stur geradeaus, als wäre nichts passiert. Fast schon so als würde es ihm Leid tun. Aber was? Ich verstand es nicht. Als er bemerkte, dass ich ihn anschaute, setzte er ein weniger unheimliches Gesicht auf und zwang sich zum Lächeln. Als wir vor dem Café angekommen waren, blieben wir stehen. Sam beugte sich vor, gab mir einen Kuss auf die Wange und sagte: „Danke für den schönen Tag, schlaf gut!“. Dann drehte er sich um und ging. Ich hatte nicht mal die Chance auch ihm Tschüss zu sagen, da war er schon verschwunden. Ich kapierte es einfach nicht, erst war er total lieb zu mir, unter der Kirche, dann auf dem Weg tat er grad so als hätte er etwas verbrochen und ignorierte mich komplett und jetzt gab er mir zur Verabschiedung sogar einen Kuss auf die Wange! Na das konnte ja noch was werden. Ich holte meinen Schlüssel heraus, sperrte auf und ging ins Café hinein. Innen war es total dunkel. Ich tastete mich an der Wand entlang um den Lichtschalter zu finden. Als ich ihn gefunden hatte schaltete ich ihn an und sah gerade noch aus den Augenwinkeln wie etwas Kleines an der Wand entlang huschte. Ich drehte mich um, doch es war schon verschwunden, doch ich meinte wieder diese hellen grünen Augen gesehen zu haben wie schon heute Mittag bei der Kirche. Ich versicherte mich noch mal, dass auch wirklich kein kleines Wesen hier herumhuschte, dann stieg ich die Treppe zu unserer Wohnung rauf. Zuerst lief ich ins Bad um mich zu waschen. Ich schaute in den Spiegel und erst da bemerkte ich, wie schmutzig ich war. Ich wusch mein Gesicht, ging in mein Zimmer und zog mich um. Dann kroch ich müde in mein Bett. Der Tag hatte mich ganz schön ausgelaugt, Sam und ich waren doch ganz schön viel gelaufen. Ich machte mein Licht aus und schlief sofort ein.

Kapitel 3


Am nächsten Morgen wachte ich schon sehr früh auf. Ungewollt. Meine kleine Schwester Kate kam gerade ins Zimmer. Ihr Gesicht war ganz verheult und sie schniefte. Ich hob meine Bettdecke an um ihr zu zeigen, dass sie in mein Bett kommen konnte. Drei Sekunden später lag sie auch schon neben mir im Bett und kuschelte sich an mich.
„Was ist den los, meine Maus? Hast du wieder schlecht geträumt?“
„A-a-als ich aufge-ge-gewacht bin, da da da ist so ein ganz k-k-komisches Wesen vor meinem B-b-bett gestanden! E-e-es hatte riesige Augen und hat mich a-a-angestarrt.!“. Mehr brachte Kate nicht heraus. Und das schlimmste war, ich konnte schlecht sagen, dass es das Wesen nicht gibt, da ich genau wusste, dass es das gab, da ich es gestern zwei Mal gesehen hatte. So tröstete ich meine Schwester noch ein bisschen, doch sie wollte sich einfach nicht beruhigen.
„Was ist denn los, da ist doch noch was, oder?“
„Naja, gestern a-a-als du weggegangen bist, da kam Tom und hat gesagt, dass Mia weg ist!“
„Was???? Mia ist weg? Habt ihr nach ihr gesucht? Habt ihr sie nicht gefunden?!“ Ich war geschockt. Eins der Kinder war verschwunden. Und diesmal war sie bestimmt nicht bei Sam, da ich ja den ganzen Tag mit ihm unterwegs gewesen bin. Ich wusste nicht was ich tun oder sagen sollte, als Kate nickte.Sie fing wieder an zu weinen. Ich nahm sie tröstend in den Arm. Es klopfte an meiner Zimmertür und meine Mutter steckte ihren Kopf herein. Sie sah, dass Kate und ich weinend im Bett saßen und kam ganz herein, schloss hinter sich die Tür und setzte sich zu uns aufs Bett. Sie nahm Kates Hand und begann sie zu streicheln. Nach einer Weile schaute sie mich fragend an. Ich erklärte ihr, was vorgefallen war. Als sie erfuhr, dass Mia weg war, riss sie die Augen auf. Sie konnte es nicht fassen. Ausgerechnet sie, sie war die jüngste. Und was das schlimmste daran war, es könnte mit den Professoren wieder losgehen. Meine Mutter hatte gerade das gleiche gedacht, denn sie schüttelte nur fassungslos den Kopf. Ich schob mich langsam vom Bett, ging zu meinem Kleiderschrank und kramte etwas zu anziehen heraus. Dann zog ich mich an und wollte schon zur Tür raus, als meine Mutter mich mit der Frage wo ich denn hin wolle aufhielt. Ich erklärte ihr, dass ich noch etwas zu erledigen hätte und verließ mein Zimmer. In der Küche angekommen schnappte ich mir ein Brot, legte eine Scheibe Käse darauf und aß es schnell im stehen. Danach ging ich aus dem Café raus auf den Brunnenplatz. Dort wurde ich schon erwartet. Sam saß am Brunnen und redete mit Lisa, das war eines der Kinder. Sie war 10 und damit eine der ältesten. Als Sam mich bemerkte, stand er auf und kam auf mich zu. Dann blieb er vor mir stehen.
„Ich habe mitgekriegt was passiert ist, das tut mir Leid! Was hast du vor?“
„Ich weis es nicht. Ich schätze mal ich werde mal beginnen Mia zu suchen.“
„Du willst sie suchen? Da wirst du sie doch nie finden. Das Dorf ist viel zu groß dafür! Warte einfach ein paar Tage, sie kommt bestimmt zurück!“
„Was? Du denkst doch nicht ernsthaft, dass Mia seit gestern beschlossen hat mal einen Spaziergang durchs Dorf zu machen und dass sie morgen Abend wieder auftaucht!? Du verstehst das nicht, Mia ist 4, sie ist 4! Ihr könnte alles möglich zugestoßen sein. Wir müssen sofort anfangen sie zu suchen!“ Ich war geschockt. Er meinte das doch nicht etwa ernst, oder?
„Aber Amelie, du brauchst doch ewig, bis du sie findest. Ich denke nicht dass es gut wäre wenn du daraus jetzt so eine große Suchaktion machst. Was wenn sie wirklich von allein wieder auftaucht? Dann war alles umsonst!“ Er meinte es wirklich ernst!
„Eigentlich wollte nur ich nach ihr suchen a-“
„Was? Wir dürfen nicht mitsuchen?“ - „Ja!“ - „Wir wollen auch helfen, schließlich ist sie ja meine Schwester!“, das war Tom. Alle Kinder hatten sich plötzlich um uns gescharrt und boten ihre Hilfe an.
„Ihr wollt alle helfen?“. Ich war froh, dass ich von den Kindern so große Unterstützung bekam.
„Na gut, wenn ihr wirklich alle helfen wollt! Dann machen wir es so: Nina, Johanna und Joe, ihr geht Richtung Osttor und sucht dort, klopft auch an den Häusern. Jessy, Till und Kris, ihr sucht bis zum Nordtor. Klopft auch ihr an den Häusern! Und zu aller letzt Sophie, Mara, Alex und Jasper. Geht ihr zum Westtor. Macht es genauso wie die anderen, an allen Häusern klopfen! Okay, ich übernehme das Südtor. Wir treffen uns wieder hier wenn die Sonne untergeht, ja? Viel Glück, bis später.“ Kaum hatte ich zu Ende gesprochen, da strömten auch schon alle Kinder los in verschiedene Richtungen. Zurück blieben Sam und ich. Als ich zu ihm schaute, bemerkte ich, dass auch er mich ansah, doch diesmal mit einer ausdruckslosen Miene.
„Alles okay bei dir?“, fragte ich ihn. Er schüttelte sich, dann wurde sein Blick wieder klar und ich hatte nicht mehr das Gefühl, dass er durch mich hindurch schauen würde.
„Ja alles okay. Also, gehen wir?“
Ich war überrascht. Ich hätte nicht erwartet, dass er mitkommen wollte, nach alldem was er vorhin noch gegen meinen Plan gesagt hatte. Ich hakte noch mal nach: „Du suchst mit? Ich dachte du fändest die Idee schlecht?“
„Ja ich suche mit!“. Mehr sagte er nicht, sondern lief einfach los in Richtung Südtor.
„Hey warte, bevor wir zum Südtor gehen, muss ich noch wo hin.“ Ich wollte zu Rosana, sie wusste alles. Hoffentlich wusste sie auch wo Mia sein könnte. Sam drehte sich wieder zu mir um und folgte mir als ich zu Rosanas Stand lief. Dort angekommen begrüßte ich sie. Als sie mich bemerkte, grüßte sie zurück.
„Na, wie geht’s dir? Wie läuft das Café?“ Ich gab die gleiche Antwort wie immer und erklärte ihr das Problem. Sie hörte aufmerksam zu. Doch als ich zu Ende geredet hatte, setzte sie eine nachdenkliche Miene auf. Nach einer Weile sagte sie, dass sie uns dabei leider nicht weiter helfen könnte und so verabschiedeten wir uns und setzten unsere Suche fort. Wir gingen zu jedem Haus an dem wir vorbeikamen und klingelten dort. Doch niemand wusste wo Mia war, dafür schob es aber jeder gleich den Professoren in die Schuhe. Ich bemerkte, dass Sam davon bestimmt nichts wusste und nur Bahnhof verstand, also wollte ich es ihm erklären. Aber er unterbrach mich und sagte, dass er über die Geschehnisse bestens informiert sei und schon alles wüsste. Ich war überrascht und fragte ihn, woher er das wüsste, worauf er eine unverständliche Antwort gab. Er sagte er wüsste das, durch seinen Vater der das auch von Jemandem wusste. Das nuschelte er so, dass ich nur die Hälfte verstand. Aber es war mir auch egal, schließlich hatten wir besseres zu tun als über irgendwelche Informationsquellen Sams zu reden. Wir liefen weiter und fragten jede Person an der wir vorbeikamen. Nach einer Weile war ich ganz schön kaputt von dem vielen Laufen und bat Sam um eine kleine Pause. Er willigte ein und so setzten wir uns an den Straßenrand auf eine kleine Wiese und machten Pause. Das tat gut. Meine Beine taten inzwischen ganz schön weh. Ich war es nicht gewohnt solche langen Strecken in einem Stück zu laufen. Irgendwann begannen wir über belangloses Zeug zu reden und ich genoss es einfach nur da zu sitzen mir die inzwischen aufgegangene Sonne ins Gesicht strahlen zu lassen und Sam beim reden zuzuhören.
„Hast du mich gehört? Amelie?“, fragte Sam.
„Was? Äh… nein was hast du gesagt?“
„Ach nein, ist- ist egal. War nicht wichtig!“
„Doch, bestimmt war es wichtig. Was wolltest du sagen? Sorry ich war grade in Gedanken. Also was?“
„Ich hatte dich nur gefragt an was du gerade gedacht hast.“, sagte Sam und schaute mich an.
„An dich.“. Das rutschte mir einfach so raus. Ich wollte das gar nicht sagen. Ich wurde sofort knallrot im Gesicht und schaute weg. Als er nichts sagte, stand ich auf und sagte, dass wir weitersuchen sollten. Doch als ich loslaufen wollte, schnappte er sich meine hand und zog mich wieder zu sich herunter.
„Hey, ist doch nicht so schlimm, ich hab auch vorhin an dich gedacht! Aber ich hoffe doch du denkst über mich nur Positives, oder?“
Ich musste mich wohl oder übel wieder neben ihn setzten, doch ich schaute weg, da mein Gesicht immer noch knallrot war. Als ich nicht antwortete umfasste er mit einer Hand ganz sachte mein Kinn und drehte meinen Kopf ganz sanft, sodass ich ihn anschauen musste. Er lächelte. Zwei Sekunden später küsste er mich. Ich war völlig verblüfft und brachte kein Wort heraus. Er grinste nur und sagte: „Aber jetzt denkst du bestimmt nur Positives von mir, oder?“. Dann stand er auf, zog mich mit sich und meinte, dass wir wirklich weitersuchen sollten. Ich brachte immer noch keinen Ton heraus. Er schaute mich an und grinste wieder. Ich war immer noch baff, dass er mich einfach geküsst hatte. Doch inzwischen glühte mein Gesicht nicht mehr so stark und ich hoffte, dass ich auch nicht mehr so rot war. Also schaute ich ihn vorsichtig an und lächelte. Meine Lippen brannten noch von dem Kuss. Doch es war ein schönes Brennen. Am liebsten würde ich ihm jetzt etwas sagen, um die momentane Stille zu unterbrechen, doch ich wusste nicht was. Als ich immer noch nichts sagte und einfach neben Sam herlief, blieb er plötzlich stehen.
„Hey, hat es dir jetzt etwa die Sprache verschlagen, oder was? Amelie?“
„N-N-nein, hat es nicht, es ist nur, das-das war-“
„Dein erster Kuss?“, half er mir weiter.
Ich nickte und wurde wieder rot.
„Ist dir das jetzt peinlich, oder wieso ist dein Kopf schon wieder so rot wie ne Tomate?“, er grinste wieder.
„Nein es ist nur, naja, da es mein erster Kuss war, war ich bestimmt voll schlecht, ich wusste nicht was ich machen sollte und-“. Sam legte mir seinen Finger auf den Mund um mich zum Schweigen zu bringen.
„Hey, keine Panik! Du warst nicht schlecht ja und für deinen ersten Kuss war’s ziemlich gut okay? Also entspann dich!“. Ich brachte mal wider keinen Ton heraus. Hatte er gerade gesagt, ich war gut? Machte er Witze, ich hatte doch gar nichts gemacht!
„Und wenn du immer noch findest, dass du schlecht warst, ich würde mich zum üben gerne bereitstellen!“, jetzt grinste er wieder. Ich schaute ihn an und wusste nicht was ich darauf antworten sollte. Als ich wieder nichts sagte, nahm er meine Hand und sagte, dass wir weiter müssten. Wir suchten noch eine Weile, aber niemand verlor über das Thema noch ein Wort. Dann kamen wir zur Straße, in der Sam mit seiner Familie wohnte. Ich wollte schon dorthin abbiegen, doch Sam schob mich blitzschnell in eine andere hinein.
„Hey! Was sollte das denn?“
„Tut mir Leid, aber da war mein Vater und der mag es nicht so gern wenn ich mit dir rumhänge!“
„Was? Wieso das denn?“
„Ich hab keine Ahnung, mein Vater ist manchmal sehr komisch.“
Na ja, das war jetzt ja auch egal. Dann suchten wir eben jetzt in dieser Straße. Die Hauptsache war ja, dass wir Mia fanden. Doch die Suche war vergebens. Wir suchten bis Sonnenuntergang nach ihr, doch wir konnten sie nirgends finden. Wir waren sogar bis in den Wald gegangen, doch auch dort konnten wir Mia nicht finden. Also kehrten wir mit schleppendem Schritt zum Brunnenplatz zurück. Dort warteten schon die restlichen drei Gruppen auf uns, doch sie schienen Mia nicht gefunden zu haben. Das waren schlechte Nachrichten. Ich wusste nicht was ich machen sollte. Sam legte tröstend einen Arm um mich und sagte: „Wir können ja jetzt noch mal darüber schlafen und morgen fällt uns bestimmt ein anderer Plan ein.“. Sam hatte recht. Momentan konnten wir nichts für Mia tun. Ich schaute noch mal ob von den Kindern außer Mia alle da waren und lief dann in Richtung Café, da meine Mutter und Kate bestimmt wissen wollten ob wir Mia gefunden hatten. Ich wollte gerade die Tür aufmachen, da rief Sam meinen Namen. Ich drehte mich um und sah, dass er auf mich zu lief. Ich wartete bis er ganz bei mir war, dann fragte ich: „Was ist? Ist Mia aufgetaucht?“
„Nein, ist sie nicht, aber… naja, ich wollte mich noch mal für den schönen Tag bei dir bedanken. Und ich weis nicht, ich bin mir unsicher. Du hast mich nach dem Kuss kein bisschen mehr angeschaut! Habe ich irgendwas falsch gemacht?“, er schaute mich dabei mit einem so verzweifelten Gesicht an, dass ich lachen musste. Sams Gesicht wurde noch unsicherer.
„Nein, du hast nichts falsch gemacht!“, Sam lächelte wieder.
„Und sehr witzig, ich bin ja die, die ihren ersten Kuss bekommen hat, wenn dann hab ich was falsch gemacht. Und ich hab dich nicht angeschaut, weil ich so verblüfft war. Das hätte ich in dem Moment am wenigsten erwartet. Und- und es-“
Ich wusste nicht wie ich es sagen sollte. Sam sah mich fragend an.
„Es- es war naja,-“, ich wurde mal wieder rot. „Es war… schön-“
Sam strahlte wie ein Honigkuchenpferd. Sein Grinsen ging vom einen Ohr zum anderen.
„Das war auch mein Ziel! Du sahst so erschöpft aus, da dachte ich mir gebe ich dir was zu lachen, nur das du nicht gelacht, sondern mich eher entgeistert angestarrt hast!“
„Wir kennen uns ja noch nicht so lange und deswegen war ich eben überrascht, dass es so schnell geht.“
„Okay dann hab ich ne Idee, lass mich dich näher kennenlernen, einverstanden?“
Ich wollte gerade antworten, da kam meine Mutter aus dem Café und strahlte: „Das ist ja eine ganz wunderbare Idee, komm mit rein, das Abendessen ist fertig. Du kannst mit essen wenn du magst!“
Sie hatte uns scheinbar schon eine Weile zugehört. Ich starrte sie entgeistert an, doch sie schob mich und Sam schon ins Haus hinein. Innen angekommen ging sie voraus nach oben ins Esszimmer. Dort sagte sie wir sollen uns setzten. Dann wuselte sie in die Küche um noch ein Service für Sam zu holen. Währenddessen setzen Sam und ich uns. Auch mein Vater und Kate kamen herein. Als mein Vater unsren Gast bemerkte. Kam er um den Tisch herum um ihn zu begrüßen. Sam stand auf und reichte meinem Vater die Hand. Mein Vater lobte Sams Höflichkeit und setzte sich auf seinen Stuhl. Auch Kate begrüßte Sam und setzte sich auf ihren Platz. Inzwischen kam meine Mutter wieder und gab Sam seinen Teller und das Besteck. Dann holte sie aus dem Schrank noch ein Glas für ihn. Als sie damit fertig war, fragte sie was wir trinken möchten und bat mich es aus der Vorratskammer zu holen. Also stand ich auf um die Getränke zu holen. Auch Sam stand auf und bot an mir zu helfen, doch meine Mutter dirigierte ihn auf seinen Stuhl zurück mit der Begründung, dass er Gast sei und nicht helfen müsste. Als ich mit den Getränken zurückkam stand inzwischen auch das Essen auf dem Tisch. Ich stellte die Getränke mit dazu und setzte mich. Ich schaute neugierig in den Topf hinein und bemerkte, dass es Spinat und Rührei gab. Mein Lieblingsessen! Ich verteilte das Essen und tat auch mir endlich was auf den Teller. Dann ergriff ich Sams Hand zu meiner Rechten und die meiner Mutter zu meiner Linken. Als Sam mich verständnislos anschaute flüsterte ich, dass wir vor dem Essen immer beteten. Also beteten wir: „Alle Guten Gaben, alles was wir haben, kommt O Gott von dir, wir danken dir dafür. Amen.“
Nach dem Essen zeigte ich Sam mein Zimmer. Eigentlich wollte ich jetzt mit Sam allein sein, doch meine Schwester Kate kam herein und wollte verstecken spielen. Als ich sie bat rauszugehen und uns in Ruhe zu lassen, rief sie ganz laut nach unserer Mutter. Ich seufzte. Als unsere Mutter kam, sagte Kate zu ihr, dass wir nicht mit ihr spielen wollten und fing an zu weinen. Was dann kam war so was von klar. Unsere Mutter bat uns wenigstens ein bisschen mit einander zu spielen, da Kate ja bald ins Bett müsste. Doch das hätte meine Mutter nicht sagen dürfen, denn jetzt fing das Geschreie Kates erst richtig an. Sie beschwerte sich darüber dass ich immer so lange Aufbleiben durfte und sie nicht. Als meine Mutter ihr sagte, dass sie nicht so schreien sollte, wurde Kate noch wütender und lief weinend aus dem Zimmer raus. Wüste Beschimpfungen kamen aus ihrem Zimmer, die meiner Mutter und mir galten, als sie ihre Tür zuschlug. Meine Mutter warf mir und Sam einen entschuldigenden Blick zu und verschwand dann aus meinem Zimmer um Kate zu trösten. Ich seufzte noch einmal und ließ mich dann auf mein Bett fallen. Sam setzte sich neben mich.
„Also, erzähl mir was von dir!“
„O Gott, wo soll ich denn da anfangen?“
„Am besten von deiner Kindheit an!“
„Okay, also. Ich habe schon immer hier gewohnt und heiße Amelie und bin 16 Jahre alt!“
„Haha sehr witzig. Das habe ich doch schon gewusst!“
Also erzählte ich ihm viel von meiner Kindheit aber auch vom Dorf. Ganz zum Schluss redeten wir sogar über Nick. Und Sam fragte mich ob Nick und ich ein Paar waren. Als ich das verneinte lächelte er mich an! Als ich ihn irritiert ansah, lachte er und sagte: „Dann hab ich ja noch alle Chancen dass das mit uns was wird!“. Jetzt war ich noch mehr irritierter und ich schaute ihn wieder fragend an.
„Naja, ich mag dich, du magst mich, was sollte uns in die Quere kommen?“ Ich war leicht geschockt, dass er das so frei raus mal sagte und antwortete ihm: „Wer sagt, dass ich dich mag?“, das war natürlich nicht ernst gemeint, natürlich mochte ich ihn, sehr sogar, doch Sam setzte ein gekünstelt trauriges Gesicht auf und fragte mit ganz schockiertem Ton in der Stimme: „Du magst mich nicht?“
„Nö!“
„Na gut, wenn du mich nicht magst, dann kann ich auch wieder gehen!“, er stand auf und wollte schon gehen, doch ich hielt ihn am Arm fest.
„Nein, geh nicht, das war nicht so gemeint! Natürlich mag ich dich, sehr sogar!“
Sam drehte sich wieder um kam zurück. Er setzte sich neben mich aufs Bett.
„Okay!“
„Jetzt erzähl du mir aber mal was von dir!“
„Na ja, da gibt’s eigentlich nicht viel zu wissen, ich bin jetzt 17, und habe bis vor kurzem noch in Arcal gewohnt!“
„In Arcal, das ist doch in Straben! Im Hinterland, oder? Dann seit ihr ja ganz schön weit gereist!“
„Ja, wir sind ja per Kutsche gekommen, und die Reise dauerte eine Woche und 4 Tage!“
„Hattet ihr wegen dem Krieg keine Probleme über die Grenze zu kommen?“
„Nein gar nicht!“
Das wunderte mich, normalerweise kam momentan niemand über die Grenze! Na ja vielleicht hatten sie die Leute ja mit Geld bestochen, okay nein, so was sollte ich nicht denken! Wir redeten noch eine ganze Weile über uns und unser Leben, doch als wir dann zum Thema Eltern und ihre Jobs kamen, wurde er ganz still, als ich ihn dann nochmal darauf ansprach, sagte er nur dass es schon total spät war und er gehen müsste, das verblüffte mich aber ich ließ ihn gehen, da ich nicht wusste ob vielleicht irgendwann mal etwas schlimmes passiert war oder so. Ich führte ihn noch nach draußen. Dann standen wir uns gegenüber und wussten nicht was wir sagen sollten. Ich hatte auch nicht damit gerechnet, dass der Abend so abrupt enden würde. Wir standen uns immer noch gegenüber und immer noch sagte niemand etwas. Schließlich brach Sam die Stille und sagte: „Ja okay, dann sehen wir uns ja vielleicht morgen!“, drehte sich um und ging. Ich rief ihm noch Tschüss hinterher, doch er drehte sich nicht mal um. Langsam war ich seine Stimmungsschwankungen satt! Erst küsste er mich, war total glücklich und jetzt das! Ich ging ins Haus zurück in mein Zimmer und wusste nicht was ich tun sollte. Das war ein schrecklicher Tag! Erst verschwand Mia, dann fanden wir sie nicht, dann der Streit mit Kate und schließlich das mit Sam! Hoffentlich würde der morgige Tag besser werden.

Kapitel 4


„Amelie, wach auf! Na los, raus aus den Federn!“
Ich wurde unsanft wachgerüttelt. Neben mir stand Kate und auf ihrer Schulter saß- „Wahhh Kate, auf deiner Schulter!“
„Beruhig dich Amelie, das ist Klock!“
„Klock?“, ich war verwirrt, gestern noch hatte Kate panische Angst vor dem Wesen und heute hatte sie ihm einen Namen gegeben? Ich verstand die Welt nicht mehr.
„Ja, Klock. Er ist mein neuer bester Freund! Heute Morgen war er wieder in meinem Zimmer, aber er hat mir eine Blume geschenkt, schau mal!“, Kate zog hinter ihrem Rücken eine einzelne Sonnenblume hervor. Sie grinste von einem Ohr bis zum anderen.
„Aber Kate, was soll das heißen?“
„Aaaalso, Klock, ist ein Jelfade.“
„Ein Jel-was?“
„Ein Jelfade, das ist eine Mischung aus Affe, Fledermaus und Kaninchen. Vom Affe der Hauptkörper, von der Fledermaus die riesigen Ohren und vom Kaninchen das Flauscheschwänzchen hinten, kuck mal, ist er nicht niedlich!“, Kate nahm Klock von ihrer Schulter runter und hielt ihn mir vor mein Gesicht. Ganz Vorsichtig, schob ich ihn und Kate zurück.
„Aber, woher weist du das denn Kate?“, ich konnte es immer noch nicht fassen.
„Na von Klock!“
„Von Klock?“
„Ja er kann reden, ist aber seeehr schüchtern! Aber das sind Jelfaden immer.“, als ich immer noch ein wenig belämmert Klock und Kate anstarrte, holte Kate noch einmal tief Luft und begann zu erzählen: „Du kennst doch sicher noch die Professoren, die die Kinder entführt haben? Und genau diese Professoren haben auch schon Tierexperimente gemacht und so ist Klock entstanden. Und viele mehr. Aber Klock ist der einzigste der sprechen kann. Jedenfalls ist Klock geflohen, aber er hat sich verirrt und weis nicht mehr so genau, wo seine Familie und alle anderen Jelfaden sind. Und ich habe ihm angeboten zu helfen!“. Damit beendete Kate ihren Bericht. Ich war sprachlos und wusste nicht so recht was ich von dem Ganzen halten sollte. Ich beschloss erstmal aufzustehen und mich anzuziehen. Gesagt, getan. Kate hatte solange gewartet und als ich aus dem Bad zurück kam schaute sie mich erwartungsvoll an.
„Also?“
„Was also?“
„Na, hilfst du mir den Kleinen hier wieder nach Hause zu bringen?“, ich wusste nicht so recht was ich darauf antworten sollte, doch da Kate mich mit einem so mitleidigen Blick anschaute nickte ich.
„Super, dann hol ich ihm gleich mal was zu Essen. Pass du solange auf ihn auf!“
Ich wollte noch fragen, wieso sie ihm jetzt etwas zu essen holen wollte, da er ja nicht hier wohnen würde bis wir ihn heimbrachten, doch da hatte ich mich scheinbar sichtlich getäuscht. Kate war schon verschwunden und ich hörte sie die Treppe runter poltern. Ich bemerkte erst nach einer Weile, dass Kate mir ja gesagt hatte ich solle auf Klock aufpassen. Doch er saß stillschweigend neben mir auf dem Bett.
„Hallo mein Kleiner. Und du kannst wirklich reden?“
Er nickte.
„Aha gesprächig bist du ja scheinbar nicht sehr.“
Wieder nur ein Nicken.
Grade als ich zum nächsten Satz ansetzten wollte, kam auch schon Kate mit einem Riesen Teller Weintrauben zurück.
„Hier Klock, aus dem eigenen Obstgarten!“
Kaum hatte sich Kate mit dem Teller neben mich gesetzt, stürzte sich Klock auch schon darauf und begann gierig die Weintrauben zu verschlingen. Es dauerte nicht lange bis der Teller leer war und Klock sich zufrieden auf den Bauch tätschelnd in Kates Schoß kuschelte. Ich war sprachlos.
„Na du bist aber ein Hungriger gewesen!“, liebkoste Kate ihn, während sie ihm auf den Kopf patschte.
„Kate bleib du hier, ich gehe zu Brunnenplatz und werde heute noch mal nach Mia suchen, ja?“
Kate nickte, stand auf und ging in ihr Zimmer. Auch ich ging aus meinem Zimmer, die Treppe runter und ins Café. Ich wollte schon durch die Tür zum Brunnenplatz, doch meine Mutter hielt mich auf und schmiss mir meine Schürze entgegen.
„Hey, bleib hier, du hast schon gestern blau gemacht, heute brauchen wir dich wieder!“
Seufzend nahm ich die Schürze entgegen und band sie mir um. Dann ging ich zur Theke schnappte mir einen Lappen und begann den gerade abgeräumten Tisch zu putzen. Ich arbeitete noch den ganzen Vormittag durch. Danach hatte ich mir eine Stunde Mittagspause verdient. Kaum hatte ich das Okay von meiner Mutter, zog ich meine Schürze aus und verließ das Café. Ich beschloss erst zu Brunnen zu gehen. Dort warteten die Kinder schon auf mich. Jasper, lief mir entgegen und rief mir irgendetwas zu, dass ich nicht verstehen konnte. Als er vor mir stand wiederholte er es noch mal.
„Tom ist weg, er ist vor ca. einer Stunde Richtung Südtor gelaufen um seine Schwester Mia zu suchen.“
„Oh nein, ihm könnte sonst was passiert sein!“, Ich konnte es nicht fassen, jetzt hatten wir, wenn es schlecht kommt noch ein Kind verloren! Das wurde ja immer schlimmer, vor allem da wir immer noch nicht wussten, wieso Mia weg war oder wer sie mitgenommen hatte.
„Ihr bleibt alle hier, ich gehe zu Sam, vielleicht weis er ja etwas Neues!“. Ich drehte mich um und ging Richtung Süden, zu Sams Haus. Als ich in die Waldstraße einbog, in der das Haus stand, sah ich Sam mit seinem Vater lautstark über etwas diskutieren. Ich versteckte mich schnell hinter einem Busch um nicht gesehen zu werden und lauschte.
„Aber Vater, das kannst du doch nicht machen, sie ist doch noch so klein, nimm dir wen anderes!“
Was!? Hatte ich mich gerade verhört oder stimmte das wirklich, redeten sie etwa über Mia? Ich lauschte weiter.
„Hör mir jetzt mal genau zu, mein Sohn! Nur weil du unfähig bist mir jemanden anderen zu bringen, muss ich sie nehmen! Du musst dich beeilen, unsere Königin, Königin Kataras ist schon sehr sauer auf mich, weil ich so wenige nachliefere. Die anderen sind viel schneller.“. Damit beendete der Vater das Gespräch, stieg in eine Kutsche und fuhr davon. Als er an mir vorbeifuhr presste ich mich an die Wand, damit er mich nicht sah. Dann betrat ich die Straße und sah gerade noch wie Sam das Grundstück betrat.
„Sam! Sam bleib stehen, ich muss mit dir reden, Sam!“
Erst schien es so als würde er mich nicht hören, doch dann drehte er sich doch zu mir um und blieb stehen. So wie ich das auf die Ferne beurteilen konnte, schien er nicht sonderlich erfreut mich zu sehen, ja er sah eher sehr erschrocken aus! Ich lief auf ihn zu, doch je näher ich kam, desto freundlicher wurde sein Gesicht. Und man konnte regelrecht erkennen, wie er seinen Charakterzug änderte und vom abweisenden zum herzlichen Sam wurde. Das fand wiederum ich sehr erschreckend, doch ich sprach ihn nicht darauf an. Ich hatte schon fast vergessen was ich eigentlich von ihm wollte, doch es fiel mir wieder ein.
„Hey Sam, weist du etwas Neues über Mia?“
Für einen kurzen Moment, sah er sehr betroffen aus, doch dann schüttelte er als Antwort nur den Kopf und ich ließ traurig meinen Kopf hängen und drehte mich zum gehen um, da hielt mich Sam fest.
„Willst du mit mir heute Abend essen gehen?“
Ich dachte ich hatte nicht richtig gehört, drehte mich um und starrte ihn fassungslos an. Er wiederholte seine Frage noch einmal und wartete auf meine Antwort.
„Das meinst du doch nicht ernst, oder? Mia ist immer noch verschwunden und alles was du tust ist deinen Kopfschütteln und mich dann nach einem Date zu fragen?!“
„1. Weis ich wirklich nicht wo Mia ist, 2. wollte ich dich damit mal auf andere
Gedanken bringen und 3. Habe ich nie von einem Date gesprochen, ich habe dich lediglich gefragt, ob du mit mir heute Abend essen gehen möchtest!“ Jetzt war ich sprachlos und lief zudem auch noch rot an. Lachend zog mich Sam an sich heran.
„Also?“.
Ich nickte nur und zwang mich zum Lächeln.
„Entschuldigung wegen gestern, ich war irgendwie komisch drauf!“
„Entschuldigung angenommen, unter einer Bedingung.“, ich machte eine kurze Pause, in der Sam mich unsicher ansah, „unter der Bedingung, dass wir ins Grammys gehen!“. Sam schien regelrecht erleichtert das zu hören und nickte: „Versprochen!“. Ich fragte trotzdem etwas stutzig: „Was hättest du denn gedacht, dass die Bedingung ist? Du hast scheinbar was ganz schlimmes erwartet, oder?“
„Nein, nein!“, beruhigte Sam mich. Da fiel mir wieder ein, dass ja inzwischen auch Tom verschwunden war. Doch als ich es Sam sagte, fiel er mir ins Wort und sagte, dass er das schon wüsste, was mich wiederum stutzig machte und fragte woher er es denn wüsste. Er sagte er habe es von seinem Vater erfahren. Diese Erkenntnis nahm ich einfach nur hin. Ich verabschiedete mich von Sam, da meine Mittagspause gleich enden würde und ich im Laden weiterhelfen müsste. Also verabredeten wir uns für 8 Uhr an meinem Haus, er würde mich abholen. Als ich wieder ins Café kam wartete meine Mutter schon mit schlechten Neuigkeiten auf mich.
„Hallo mein Schatz. Ich habe schlechte Neuigkeiten, gerade eben habe ich von einer Kundin erfahren, dass der Krieg jetzt offiziell losgeht, es gab schon erste Tote!“, ich war geschockt und vermutete schon das schlimmste: „Oh mein Gott, ist, ist Nick tot?“.
„Das weis ich nicht, aber wir haben erfahren, dass Herr Martins, der Bäcker tot ist. Zieh dir bitte etwas schönes an, dein Vater und ich möchten kurz rüber gehen und kondolieren. Und nimm deine Schwester bitte mit.“
Ich nickte bloß. Die arme Frau Martins! Die zwei besaßen 2 kleine Kinder, das eine war noch nicht einmal ein Jahr alt! Ich stieg langsam die Treppe rauf, ging in mein Zimmer, holte mein schwarzes Kleid heraus und zog mich um, danach ging ich ins Bad und wusch mich. Als ich damit fertig war klopfte ich an Kates Tür und öffnete sie. Innen saßen Kate und Klock gerade beim Kaffeekränzchen um ihren kleinen Tisch herum.
„Hey Amelie, willst du mitspielen?“
„Nein, dass geht nicht. Kate, du weist doch sicher, dass sich unsere Länder Natuken und Straben gerade sehr stark streiten, ja?“ Kate nickte.
„Und du weist sicherlich auch, dass Nick des wegen geholt wurde, oder? Genauso wie Herr Martins!“, erneutes Nicken von Kate.
„Na ja, und jetzt sind unsere Reiche an einem Punkt angelangt, in dem sie sich nicht mehr nur mit Worten streiten, sondern auch mit Taten, verstehst du?“, wieder nickte Kate nur.
„Und deswegen kämpfen jetzt ganz viele tapfere Männer gegeneinander und leider musste Herr Martins von uns gehen, er ist jetzt oben im Himmel und schaut auf uns herunter!“
Jetzt konnte Kate nicht mehr, sie hatte den Bäcker sehr gemocht, da er ihr immer ein Stückchen Kuchen abgeschnitten hatte, wenn unsere Mutter mit ihr beim Bäcker war um Brot zu kaufen. Kate weinte und weinte und weinte. Irgendwann hatte sie sich einigermaßen beruhigt. Ich ging zum Kleiderschrank und holte ein dunkles Kleid heraus und zog es ihr an. Danach gingen wir zu Klock, der immer noch auf seinem kleinen Stuhl saß und uns anstarrte.
„Klock, meine Schwester und ich, wir müssen kurz weg, es wird nicht lange dauern, wir kommen auch wieder zurück, versprochen.“
„Ich werde hier bleiben, genau hier!“, das war das erste Mal, dass ich seine Stimme gehört hatte. Sie klang nicht menschlich, sondern eher wie ein Singen, dass den ganzen Raum erfüllte und dennoch so leise und lieblich war. Ich war wie gelähmt, denn das hätte ich nicht erwartet. Ich stotterte ein „Okay“ heraus und ging dann mit Kate aus dem Zimmer. Unten angekommen, warteten schon unsere Eltern auf uns. Ich nahm Kate hoch und wir gingen aus dem Café heraus. Mein Vater drehte noch schnell das geöffnet Schild herum und schloss dann zu uns auf. Wir liefen über den Platz Richtung Norden auf die andere Seite und standen schon vor der Bäckerei. Das Licht war an und viele Leute standen im Laden die kondolieren wollten. Mitten in dem ganzen Gewusel drin stand Margarete, die Bäckersfrau. Doch sie schien mit der ganzen Situation etwas überfordert zu sein, denn sie starrte etwas aufgelöst in die Menge und war erleichtert, als sie uns bemerkte. Margarete war gut mit meiner Mutter befreundet, da sie schon früher gemeinsam aufgewachsen waren. Wir drängten uns durch die Menge und als wir bei ihr angelangt waren, fielen sich meine Mutter und sie in die Arme und begannen zu weinen! Als sich beide dann etwas beruhigt hatten, kondolierten auch mein Vater und ich, dann machten wir uns wieder langsam auf den Rückweg, da wir den Laden nicht ewig allein lassen konnten. Zuhause angekommen, merkte ich, dass es doch schon später geworden war und ich überlegte mir schon mal was ich anziehen könnte zu dem Essen mit Sam am Abend. Ich machte in meinem Zimmer meinen Kleiderschrank auf und schmiss der Reihe nach mehrere Klamotten auf mein Bett. Das Grammys war ein recht nobles Restaurant in dem Abend Gardarobe gern gesehen wurde, ganz im Gegensatz zu legerer Kleidung. Nach einer Weile war mein Kleiderschrank leer und ich stellte fest, dass ich nichts zum anziehen hatte! Jetzt brach langsam Panik in mir auf, da ich nicht wusste, was ich denn nun anziehen sollte, da ich ja eigentlich hübsch aussehen wollte! Oh Gott, was sollte ich nur machen? Ich beschloss erstmal meine Mutter zu fragen. So ging ich ins Café runter und suchte meine Mutter, doch sie war nicht da. Also ging ich in die Küche um meinen Vater zu fragen, doch auch der wusste nicht wo sie sein könnte. Erst war ich verzweifelt, doch dann fragte mich mein Vater, um was es denn ginge und ob er auch helfen könne. Ich antwortete mit: „Frauensache“. Doch da hatte mein Vater einen echt guten Vorschlag, er sagte nämlich, ich solle zu Rosana gehen, die wüsste bestimmt eine Lösung für mein Problem. Gesagt, getan. Bei Rosana angekommen, schüttelte ich ihr fast mein ganzes Herz aus, wie wichtig mir Sam war und wie wenig ich doch zum anziehen hätte. Die ganze Zeit sagte Rosana nichts, sie nickte nur und schaute mich verständnisvoll an. Als ich fertig war, sagte sie: „Machen wir einen Deal, du hilfst mir meinen Stand abzubauen und dann helfe ich dir, denn ich habe eine Lösung für dich!“
Solange mir jemand half würde ich in dem Moment alles tun. So half ich ihr beim abbauen ihres Standes. Dann gingen wir zu ihr nach Hause. Bei ihr angekommen bat sie mich in der Küche platz zu nehmen, sie sagte sie müsse schnell etwas organisieren. Kurz darauf, hörte ich sie im Flur telefonieren. Und dann die Treppe hinaufsteigen. Ich war noch nie bei Rosana zu Hause gewesen. Die Küche war zwar nicht sonderlich groß, wie unsere, dafür aber echt schön eingerichtet. An der Wand hingen mehrere Teller mit den verschiedensten Mustern darauf. Die Küchenzeile bestand aus dunklem Holz und der Tisch und die Stühle waren in dem Selben Farbton gehalten, was dem ganzen einen gewissen Charme verpasste. Weiter konnte ich mich nicht umschauen, da in dem Moment Rosana die Treppe herunterkam und es an der Tür klingelte. Als Rosana von der Treppe zu Haustür wuselte, konnte ich erkennen, dass sie etwas Großes in der Hand hielt und ich war gespannt was es war. Sie machte die Tür auf und eine Frauenstimme begrüßte sie. Kurz darauf kam Rosana auch schon zurück in die Küche, sie stellte mich ihrer Frau vor, es war eine gute Bekannte ihrerseits und diese war scheinbar für ihre guten Nähkünste bekannt. Endlich begann Rosana das große etwas in ihrer Hand auszupacken und ich konnte erkennen, dass es ein weißes Kleid war.
„Weist du, Amelie, eigentlich wollte ich es vor Jahren schon meiner Tochter schenken, als sie ihr erstes Date hatte, das war jetzt vor genau 7 Jahren, doch ich bin nie dazugekommen, denn wie du sicher weist, ist sie kurz davor bei einem Kutschunfall ums Leben gekommen. Ich schaute betreten, ich wusste das, diese Geschichte von ihrer Tochter hatte sie mir schon einmal erzählt. Sie tat mir richtig leid.
„Aber weist du, du und Kate, ihr seit mir inzwischen richtig ans Herz gewachsen. Und deshalb möchte ich es dir nun schenken.“. Mit einem Ruck zog sie das Kleid ganz aus der Tasche und zeigte es mir. Es war wunderschön, das Kleid war weiß, bodenlang und trägerlos. Oben war es etwas enger und unten war der Stoff ganz leicht.
„Na los, probier es an!“
Das ließ ich mir nicht zweimal sagen, ich schlüpfte aus meinem T-Shirt und aus meiner Hose heraus und in das Kleid hinein. Leider passte es nicht ganz, doch dafür hatte Rosana ja ihre Bekannte geholt. Diese holte ein Täschchen mit Nähzeug heraus und begann das Kleid an mir abzustecken, dann sollte ich es wieder ausziehen. Sie legte es auf den Tisch und begann zu nähen. Zum Glück musste nicht viel gemacht werden und sie war nach fünf Minuten fertig. Dann probierte ich es noch einmal an und es saß wie angegossen. Rosana schob mich in ihr Schlafzimmer, in dem ein riesiger Spiegel stand. Ich betrachtete mich und staunte. Wow, das Kleid war einfach wunderschön! Vorsichtig zog ich es wieder aus und schlüpfte in meine normalen Klamotten wieder rein. Rosana half mir dabei es wieder in die Tasche zu tun. Danach bedankte ich mich erst bei meiner „Näherin“ und dann fiel ich Rosana in die Arme und gab ihr einen dicken Schmatzer auf die Wange.
„Dankeschön, es ist so wundervoll! Du bist die Beste!“, als ich mich wieder von ihr löste, sah ich, dass sie Tränen in den Augen hatte, die sie aber schnell wieder wegwischte. Dann nahm ich die Tasche vorsichtig hoch und trat aus dem Haus. Beim Gehen drehte ich mich noch einmal um und winkte Rosana zu. Sie stand in ihrer Haustür und winkte zurück. Im Café angekommen entdeckte ich auch meine Mutter, der ich sofort von meinem bevorstehenden Date und dem Kleid erzählte. Sie freute sich riesig für mich und als sie das Kleid sah, konnte sie nur staunen. Den Rest des Tages half ich noch im Café mit. Dann bat ich meine Mutter, dass sie mir die Haare machte. So gingen wir in unsere Wohnung und in das Badezimmer rauf. Dort kramte meine Mutter aus einer Schachtel eine weiße Haarspange heraus und steckte sie mir ins Haar. Dann half sie mir noch beim Anziehen des Kleides. Fünf Minuten später kam mein Vater herauf und sagte, dass Sam unten stand um mich abzuholen. Ich gab meiner Mutter und meinem Vater einen Kuss und versprach ihnen rechtzeitig zu Hause zu sein. Dann ging ich runter ins Café und aus der Tür heraus. Vor mir stand Sam im Anzug und lächelte mich an.

Kapitel 5


Sam klappte die Kinnlade herunter.
„Wow du, du, du siehst ähh… gut aus!“. Ich nahm das jetzt mal als Kompliment, doch auch er sah nicht schlecht aus. Er trug einen dunkelblauen Anzug, bei dem seine strohblonden Haare gut zur Geltung kamen. Erst wussten wir nicht was wir sagen oder tun sollten, doch dann nahm Sam meine Hand und führte mich zu einer Kutsche die ums Eck herum stand. Auf dem Kutschbock saß niemand, doch auf genau den kletterte jetzt auch Sam und half mir vorsichtig hoch. Dann nahm er die Zügel in die Hand und gab den Pferden ein Zeichen loszulaufen. Das Grammys lag im hinteren Bereich der Stadt, im Luxusviertel. Ich war bisher nur einmal dort essen und das war an meinem 7. Geburtstag zu meiner halben Volljährigkeit. Bei uns war das nämlich so, wenn ein Kind 7 Jahre alt wurde, dann erreichte es die halbe Volljährigkeit und durfte im Betrieb der Eltern mitarbeiten. Das ist natürlich immer ein großes Ereignis, da die Eltern dann eine Unterstützung mehr hatten. Und mit seinem 18. Lebensjahr hat man dann die Volljährigkeit erreicht. Dann darf man selbst entscheiden wo man arbeitet und kann Lohn verlangen. Auch bei den eigenen Eltern.
Wir waren den Weg bisher schweigend gefahren. Mal wieder wusste keiner was er noch sagen könnte. Doch dann waren wir endlich da. Sam sprang vom Kutschbock runter, lief um die Kutsche herum und half auch mir runter. Dann übergab er die Zügel dem Portier, der vor der Tür stand und uns die Tür auf hielt. Drinnen angekommen verschlug es mir die Sprache. So pompös hatte ich es nicht in Erinnerung gehabt. Ein Kellner führte uns zu unserem Tisch, Sam schob mir den Stuhl hin und setzte sich dann selbst. Schon wieder schwiegen wir, doch ich konnte das einfach nicht aushalten, also begann ich über belangloses Zeug zu reden: „Hey, ähm… ich wollte mich noch mal bei dir für die Einladung bedanken!“
„Gerne! Erst war ich mir voll unsicher, ob du sie überhaupt annehmen würdest!“.
„Natürlich! So ein Angebot würde ich doch nie ausschlagen! Vor allem von dir nicht!“, den letzten Satz wollte ich eigentlich gar nicht sagen, doch er war mir einfach so rausgerutscht, ohne dass ich etwas dagegen machen konnte. Und zurück nehmen ging ja schlecht. Das war mir jetzt etwas peinlich und wie immer lief ich rot an.
„Oh man ich find es voll süß wenn du immer rot anläufst!“. Na toll, das half mir jetzt auch nicht gerade weiter! Jetzt war Sam wieder zurück und er setzte sein verführerisches Lächeln wieder auf, bei dem ich einfach nur so dahin schmelzen könnte. Der Kellner kam und brachte uns die Speisekarte. Ich nahm sie dankend an und schlug sie auf. Das klang alles so lecker, aber wer die Wahl hat, hat die Qual!
„Kannst du mir irgendetwas aus der Karte empfehlen, Sam?“
„Hast du schon mal Kaviar gegessen?“
„Ka- was? Äh ne denk nicht?“
„Das sind Fischeier!“. Jetzt grinste Sam.
„Fischeier, und das soll schmecken?“
„Ja sogar sehr gut, solange du Salziges magst!“
„Keine Ahnung!“
„Wenn du willst bestell ich Kaviar zur Vorspeise. Weist du schon was du trinken möchtest?“
„Wie wäre es ich lass mich überraschen und du bestellst für mich, da ich keine Ahnung habe was gut ist!“
„Okay!“, gesagt getan. Als der Kellner kam bestellte Sam zu Trinken etwas dass wie Prosecco oder so klang. Als Vorspeise bestellte er dann Kaviar und als Hauptgericht etwas, das sehr fischig zu sein schien. Ich beschloss mich wirklich einfach mal überraschen zu lassen und darauf zu vertrauen, dass Sam schon wüsste, was essbar wäre.
Die Getränke und die Vorspeise wurden gebracht. Prosecco schmeckte richtig gut, auch wenn er etwas auf der Zunge prickelte. Dann probierte ich Kaviar. Okay mit salzig hatte Sam nicht übertrieben, das schmeckte ja nach purem Salz und sonst nach nichts. Aber ich wollte nicht unhöflich sein, verzog mein Gesicht zu einem Lächeln und aß artig weiter. Nach der Vorspeise wurde dann sofort das Hauptgericht gebracht. Und wirklich, es war Fisch, so wie ich es vermutet hatte. Und er schmeckte richtig lecker. Während des ganzen Essens hatten Sam und ich uns zwar ein paar Mal angeschaut aber nie etwas gesagt. Diesmal brach Sam das Schweigen: „Möchtest du noch eine Nachspeise haben?“
„Nein danke, ich bin satt!“
„Okay, dann werde ich jetzt bezahlen!“, Sam rief den Kellner und bezahlte. Dann stand er auf und zog meinen Stuhl zurück, damit ich besser aufstehen konnte. Ich war total baff von seiner Höflichkeit. Das schien er bemerkt zu haben, denn er lächelte mich wieder an. Wir gingen aus dem Grammys heraus nach draußen.
„Was möchtest du jetzt noch machen?“
„Wolltest du mich nicht noch näher kennenlernen?“
„Ja gerne!“, Sam strahlt.
„Dann zeige ich dir jetzt noch einen schönen Ort!“. Ich wollte ihn zum Kristallsee führen. Dieser war auch für seine Größe bekannt. Er lag zwar außerhalb der Stadtmauern, aber inzwischen wusste jeder, wo der geheime Durchschlupf nach draußen war. Wir stiegen wieder in die Kutsche und fuhren Richtung Osten, vom Luxusviertel weg, bis hin zur Mauer. Dort blieben wir stehen. Sam stieg aus der Kutsche aus und half mir herunter. Ich ging zur Mauer und schaute mich um. Wo verdammt noch mal war dieser Durchschlupf? Ich war schon ewig nicht mehr hier. Okay, 3 Schritte nach links, 3. Stein von unten, ah da war es! Ich hatte den Durchschlupf gefunden. Ich trat mit dem Fuß gegen einen Stein, der sich dann löste. Jetzt konnte man den Durchschlupf deutlich erkennen und wir krochen hindurch. Auf der anderen Seite angekommen, griff ich noch einmal nach innen um die Steine wieder so hinzuschieben, dass man das Loch nicht so sehr sehen konnte. Dann stand ich auf atmete tief ein. Ich liebte es außerhalb der Mauern zu sein, dann fühlte ich mich so frei, nicht so umschlossen und gefangen.
„Komm mit!“, sagte ich, nahm Sam bei der Hand und hielt mein Kleid mit der anderen hoch, damit es nicht schmutzig wurde. Es war inzwischen so dunkel, dass man die eigene Hand vor Augen kaum noch sehen konnte. Doch ich glaubte den Weg zum See noch zu kennen, da ich früher manchmal da war. Wir liefen gute 5 Minuten, dann waren wir da. Am See. Mich faszinierte der Anblick immer wieder. Der See lag in einem kleinen Wäldchen. Um den See herum waren Blumen über Blumen, welche jedes Wetter überstanden. Tagsüber war es hier zwar wunderschön, doch abends war es tausendmal besser. Vom See ging ein geheimnisvolles Leuchten aus, sodass man immer noch etwas sehen konnte. Es war still, kein Geräusch war zu hören. Doch das war auch schön, man konnte endlich mal die Stille genießen. Ich hatte alles um mich herum vergessen. In diesem Moment gab es nur noch mich auf der ganzen Welt. Ich betrachtete den See und in mir stiegen Erinnerungen auf. Erinnerungen von Nick und mir. Als wir klein waren sind wir fast jeden Tag im Sommer hier gewesen. Damals war es noch so schön gewesen. Man konnte im See baden. Doch dann hat irgendjemand Müll in den See gekippt und seitdem leuchtet er so komisch und man durfte nicht mehr drin baden. Es sind Gerüchte aufgekommen, dass alle die trotzdem im See gebadet hatten nach 7 Tagen gestorben wären, was ich aber nicht so richtig glauben konnte. Trotzdem ging ich nicht rein, da ich das Schicksal nicht herausfordern wollte. Als ich neben mir eine Bewegung hörte, drehte ich mich um und bemerkte, dass Sam ja auch noch da war.
„Tut mir Leid, ich wollte dich nicht erschrecken!“
„Haha, nein Sam, das ist nicht schlimm, dafür brauchst du dich nicht bei mir zu entschuldigen. Ich war nur so in Gedanken, dass ich total vergessen hatte, dass du ja auch noch da bist. Wenn sich hier jemand entschuldigen muss, dann bin ich das bei dir und nicht umgekehrt!“ Ich setzte mich hin und Sam setzte sich neben mich.
„Worüber hast du nachgedacht?“
„Über früher, als ich noch klein war, bin ich im Sommer fast jeden Tag hierher gekommen um zu Baden. Doch dann hat irgendwann einmal jemand Müll hier rein geschüttet und seitdem darf man hier nicht mehr baden, was ziemlich schade ist.“
„Stimmt, das ist echt schade. Hat man denjenigen eigentlich gefasst?“
„Nein, bisher noch nicht.“
„Oh, achso.“
Ich legte mich hin und schaute in den Himmel. Sam tat es mir nach.
„Wusstest du, dass man den Sternen Namen geben kann?“
„Nein. Das wusste ich noch nicht.“, ich schaute ihn an.“
„Und weist du wie ich meinen nennen würde?“
„Nein wie?“, jetzt war ich gespannt.
„Amelie!“, grinste Sam und strich mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Dann umfasste er meine Wange, stützte sich auf seinen Ellbogen und küsste mich. Ich griff in seine Nacken und wünschte mir, die Zeit würde stehenbleiben. Als er sich von mir löste lächelte er mich an.
„So viel zum Kennenlernen!“, witzelte ich rum.
„Also ich finde ich kenne dich jetzt schon ziemlich gut. Und das meine ich ernst!“
„Haha, sehr witzig.“
Wir lagen noch eine Ewigkeit einfach nur da und schauten in den Himmel. Als eine Sternschnuppe vorbeiflog, wollte ich mir etwas wünschen. Doch ich wusste nicht was. Erst dachte ich daran, dass ich mir wünschen könnte, dass die Zeit für immer stehen bleiben sollte, damit Sam und ich für immer zusammen sein könnten. Doch dann fiel mir Nick ein und mir zeriss es fast das Herz bei dem Gedanken daran, dass ich ihn vielleicht nie wieder sehen würde. Ich konnte mich nicht entscheiden und dann war der magische Moment der Sternschnuppe vorüber und ich wünschte mir nichts. Ich wollte einfach nur den Moment genießen. Ich hörte ein Flattern und bemerkte, dass ein einzelner zitronengelber Schmetterling vorbei flog. Ich betrachtete ihn noch eine Weile, dann drehte ich meinen Kopf wieder in Sams Richtung. Dieser schaute mich an und lächelte. Ich lächelte zurück und gab ihm einen Kuss. Dann setze ich mich auf. Ich war wie in Trance gewesen und hatte die Zeit komplett vergessen. Es war inzwischen tiefste Nacht und ich sollte langsam nach Hause. Meine Eltern machten sich bestimmt schon riesige Sorgen. Auch Sam setze sich auf.
„Was ist los?“
Ich starrte ihn verdutzt an: „ Ähhmmm… ich weis ja nicht ob du es gemerkt hast, aber es ist tiefste Nacht ich sollte langsam nach Hause, meine Eltern machen sich bestimmt schon Sorgen. Denn eigentlich waren wir ja nur zum Essen verabredet gewesen!“
„Ach das geht schon in Ordnung, sie wissen ja, dass ich mit dir zusammen bin, dir kann also nichts passieren!“
Wir lagen noch eine ganze Weile so da und schauten uns einfach nur an, genossen die Nähe des anderen.

Das nächste, an das ich mich erinnern kann, war dass ich in meinem Bett bei mir zu Hause aufgewacht bin. An den Weg nach Hause konnte ich mich nicht mehr erinnern! Aber das war mir eigentlich egal, ich war der glücklichste Mensch auf Erden und wollte meine ganze Zeit nur noch mit Sam verbringen. Mir war es auch egal, dass wir uns kaum kannten. Ich wusste nur eines, er war das Beste, was mir je passieren konnte.
In den nächsten Tagen kehrte wieder etwas Ruhe ein. Ich half meinen Eltern im Laden und verbrachte meine restliche Zeit mit Sam. Ich zeigte ihm das ganze Dorf. Bis auch er es in und auswendig kannte. Wir waren noch öfters am See und auch in der alten Kirche. Und in der Zwischenzeit plante ich eine Überraschung für Sam. Er hatte bald Geburtstag und ich wollte ihm das tollste Geschenk machen was es auf der ganzen Welt gab. Doch ich hatte keine Ahnung was das sein konnte. Ich beschloss eines Tages meine Mutter zu fragen. Ich war gerade in die Küche des Cafes gegangen um meine Schicht zu beginnen.
„Mama, Sam hat bald Geburtstag, was soll ich ihm schenken? Es soll etwas ganz besonderes sein!“
„Hmmmm… was ganz besonderes also? Frag ihn doch später mal, was er so mag vielleicht kannst du so seine Vorlieben herausfinden!“
„Das ist eine super Idee, danke Mama!“, ich wollte gerade aus der Küche verschwinden, als mich meine Mutter noch einmal zurückrief:
„Amelie, was ist eigentlich mit Mia und Tom? Sind sie inzwischen zurückgekehrt?“
„Keine Ahnung!“, was interessierte mich denn das schon. Die Hauptsache war, dass ich jeden Moment meines Lebens mit Sam verbringen konnte.
„Wie, keine Ahnung, was soll das heißen? Habt ihr etwa aufgegeben nach ihnen zu suchen?“, meine Mutter war fassungslos und starrte mich ungläubig an.
Ich wusste nicht so recht, was ich darauf antworten konnte, zuckte nur mit den Schultern und ging aus der Küche heraus.
„Amelie!“, meine Mutter konnte das nicht verstehen, wie denn auch? Sam war mein erster Freund und da war es doch dann klar, dass ich so viel Zeit wie möglich mit ihm verbringen wollte! Da wurden dann eben andere Dinge erst einmal zweitrangig. Ich nahm meine Schürze vom Haken und band sie mir um. Dann begann ich mit meiner Schicht. Der Tag ging nur schleppend voran. Jede einzelne Minute in der ich Gäste bediente, Gerichte servierte oder die Tische wischte, kam mir vor wie eine ganze Stunde. Ich konnte das Ende meiner Schicht kaum erwarten, damit ich endlich mit Sam wegen dem Geburtstagsgeschenk reden konnte. Jede freie Sekunde starrte ich auf die Uhr, die bei uns an der Wand hing. Weshalb ich mir von manchen Gästen schon seltsame Blicke einfing, die nicht verstehen konnten, warum ich es so eilig hatte, da sie ihren Kaffee in Ruhe trinken wollten. Und dann bekam ich von meiner Mutter auch noch die ekelhafteste Arbeit aufgedrückt: Das Putzen der Toiletten! Seufzend nahm ich ihr den Eimer mit den Lappen aus der Hand und machte mich auf den Weg zu den Toiletten. Ich stieß die Tür rückwärts mit meinen Beinen auf und stolperte über … Klock!?
„Klock, was machst du denn hier?“
Klock, der sich gerade wieder aufgerappelt hatte, starrte mich an.
„Klock? Was hast du in der Toilette gemacht?“
Erst jetzt bemerkte ich, dass Klock einen ganz roten Kopf hatte und schon blau anlief.
„Oh Gott Klock!“, schnell trat ich von hinten an ihn heran, warf Eimer und Lappen weg, schlang meine Arme um seinen Körper und presste meine Hände gegen seinen Brustkorb. Er begann zu husten und röchelte, dann purzelte ein verklebter Klumpen aus seinem Mund heraus. Dieser Klumpen sah leider aus wie der hintere Teil einer Maus. Doch so genau wollte ich das jetzt eigentlich gar nicht wissen. Wichtiger war, ob es Klock gut ging. Ich drehte mich um und sah, dass Klock sich gerade hinsetzte. Ich ging vor ihm in die Hocke.
„Hey, alles okay bei dir? Hast wohl etwas zu schnell gegessen.“
„Danke!“, mehr sagte er nicht. Ich war sowieso überrascht, dass Klock überhaupt mit mir redete, da er das sonst nie tat.
„Komm ich bringe dich erstmal hoch zu Kate.
Klock nickte. So nahm ich Klock vorsichtig hoch und versteckte ihn im Eimer und legte den Lappen so auf den Eimer, dass man ihn von außen zwar nicht sehen konnte, er aber dennoch genug Luft zum Atmen bekam. Ich wollte gerade die Tür zur Treppe in unsere Wohnung aufmachen, als ich meinen Namen hörte. Ich drehte mich um und mein Vater stand vor mir.
„Na, hast du beschlossen, deine Schicht früher zu beenden? Das geht nicht, komm bitte sofort zurück, wir brauchen dich jetzt, der Laden ist gerade nahezu überfüllt. Wie schon lange nicht mehr. Ich hab keine Ahnung warum gerade jetzt kurz vor Ladenschluss die Leute so viel kommen, aber es sind viele neue Kunden dabei und die möchte ich nicht durch langsames Personal enttäuschen!“, beim letzten Satz starrte er mich mit seinem eindringlichen Blick an, dem ich noch nie standhalten konnte. Also begann ich irgendein unsinniges Zeug zu reden und bemerkte zu spät, dass mein Vater mich wieder in den Laden geschoben hatte. Ich seufzte, wenn ich jetzt nochmal versuchen würde abzuhauen, dann käme das schon sehr komisch rüber. Ich sollte also lieber meine Schicht noch zu Ende bringen. Also konnte ich nur hoffen, dass es Klock in dem Eimer so gut gefiel, dass er nicht rausschauen würde.
Ich hatte echt Glück. Er blieb die restliche Stunde in seinem Eimer, machte keine Geräusche oder stellte auch nicht sonstigen Unsinn an. So schnell es ging verschwand ich mit dem Eimer nach Ladenschluss in der Wohnung. Als ich die Treppe rauf kam konnte ich es nicht fassen. In der Wohnung herrschte das reinste Chaos. Und mittendrin: Kate.
„Kate!? Was ist denn hier los!? Warum ist es hier so chaotisch!?“.
Kate schaute zu mir hoch und ich sah, dass sie geweint hatte. So schniefte sie los:
„Naja, ich wollte heute mit Klock Kaffeekränzchen spielen, und da, da, dann war er auf einmal weg!“, mehr brachte sie nicht heraus.
„Na das Problem kann ich lösen!“
Ich stellte den Eimer auf den Boden und nahm den Lappen herunter. Keine Sekunde später, lag Klock in Kates Armen und schmuste sich an sie. Kate strahlte von einem Ohr zum anderen.
„Ach Kate, wenn ihr das nächste Mal Kaffeekränzchen spielt, dann kannst du ihm auch mal das Essen beibringen. Dein lieber Klock hat sich nämlich gerade an einer Maus verschluckt und hat keine Luft mehr bekommen!“
Kate starrte mich fassungslos an. Dann begann sie beruhigend auf Klock einzureden und verschwand mit ihm in ihrem Zimmer.

Kapitel 6


Natoll, und was machte ich jetzt mit unserer Wohnung? Die hatte Kate ja fast komplett zerlegt. Nichts stand mehr an seinem Platz. Also begann ich seufzend aufzuräumen. War ja nicht so, dass ich heute nicht schon genug gearbeitet hätte. Doch was sollte ich sonst tun. Wenn unsere Eltern dieses Chaos sehen würden, bekäme ich riesigen Ärger. Auch wenn ich es nicht mal war. Oder was sollte ich sagen: „Ja Kate hat ein neues Haustier namens Klock. Es ist eine Mischung aus den verschiedensten Tieren kann aber trotzdem wie ein normaler Mensch reden. Jedenfalls dachte sie es wäre weggelaufen und hat es gesucht, deshalb ist hier so ein Chaos!“
Nein das geht natürlich nicht! Meine Eltern würden mich für verrückt erklären. Und dann dürfte ich mich wahrscheinlich gar nicht mehr mit Sam treffen. Meine Eltern mochten ihn zwar, aber trotzdem, sagten sie immer, sollte ich meine Pflichten deswegen nicht vernachlässigen. Das nervte mich inzwischen. Ich bin gerade Mal 16, da sollte man doch wohl noch machen dürfen was man wollte!
Endlich hatte ich unsere Wohnung wieder einigermaßen sauber und schaute aus dem Fenster auf die Kirchturmuhr. Oh nein! Ich hatte fast 2 Stunden dafür gebraucht. Es war kurz vor 8 Uhr abends. Jetzt würden mich meine Eltern sicher nicht mehr rauslassen. Dann musste ich wohl morgen erst mit Sam sprechen. Den restlichen Abend konnte ich an nichts anderes mehr denken als an Sams Geschenk. Aber leider fiel mir nichts ein was ich ihm schenken könnte!
Die Tage vergingen und unser Café lief im Moment so gut, dass ich leider keine Zeit für Sam mehr hatte. Ich hatte ihn schon seit einer Woche nicht mehr gesehen. Doch das wollte ich nachholen! Aber wie? In 3 Tagen waren die großen Ferien zu ende und bis dahin musste ich trotzdem noch weiter im Geschäft helfen. Und dann musste ich wieder in die Schule. Das ärgerte mich. Zwar musste ich meinen Eltern dann nicht helfen aber trotzdem konnte ich Sam nicht treffen. Die Schule begann um halb 8 am Morgen und da wir hier keine Schule hatten musste ich früh aufstehen um zur Schule des nächsten Dorfes zu laufen. Dann endete die Schule um halb 6 abends und bis ich daheim war, war es schon zu spät um noch rauszudürfen. Gut, ich konnte froh sein, dass ich überhaupt zur Schule gehen konnte, da Schule sehr teuer war. Viele Kinder aus unserem Dorf konnten nicht zur Schule, weil sie es sich nicht leisten konnten. Meiner Meinung nach sollte Schule für jeden da sein, aber das geht halt nun mal nicht. Vor allem nicht während des Krieges.
Die letzten 3 Tage hatte ich noch viel zu tun. Und hatte wirklich keine Chance Sam zu treffen. Ich plante schon anstatt zur Schule, zu Sam zu gehen und den ersten Tag zu schwänzen, da dieser eh noch nicht wichtig war. Doch ich ahnte, dass das schief gehen konnte. Doch als meine Mutter abends in mein Zimmer kam, spielte sie mir den perfekten Ball zu: „ Amelie, wie du weist ist morgen die Beerdigung von Herr Martins. Deswegen habe ich bei deiner Schule angerufen und bescheid gesagt, dass du erst übermorgen kommen wirst. Die Beerdigung beginnt um 15 Uhr. Bis dahin hast du frei, ich glaube das hast du dir nach diesen stressigen Ferien auf jeden Fall verdient!“
„Okay danke!“, mehr brachte ich im Moment nicht heraus. Meine freie Zeit würde ich dazu benützen um zu Sam zu gehen. Ich ging ins Bett und konnte den morgigen Tag kaum noch erwarten.
Am nächsten Morgen stieg ich rasch aus dem Bett und zog mich an. Als ich auf die Uhr schaute, bemerkte ich, dass es gerade Mal 7 Uhr morgens war und ich schlecht so früh vor seiner Tür stehen bleiben konnte. Ich überlegte was ich tun könnte um mir die Zeit zu vertreiben. Also machte ich den Kleiderschrank auf und legte mir schon mal die Klamotten für die Beerdigung zurecht. Als ich den Schrank zumachen wollte, viel mir etwas aus der obersten Ecke des Schrankes entgegen, das Amulett, das mir Nick zum Geburtstag geschenkt hatte bevor er in den Krieg ziehen musste.
Ich schaute es an und mir kamen die Tränen. Das hatte ich schon ganz vergessen gehabt. Ich hielt es gegen das Licht, dass durch mein Fenster hereinstrahlte. Es schimmerte und glänzte. Ich dachte an Nick und was er gerade machte, stand er gerade jemandem anderen gegenüber und kämpfte mit ihm oder … lebte er überhaupt noch?
Nein so durfte ich gar nicht erst denken. Ich zog mich an und hängte mir die Kette um. Es war inzwischen halb 8 und leider immer noch zu früh. Ich schaute mich in meinem Zimmer um. Was könnte ich noch machen, ich wusste es nicht. Also ging ich erstmal aus dem Zimmer raus und nach unten und dann ganz raus. Jetzt stand ich vor der Tür zu unserem Café und schaute mich um. Noch war nicht viel los. Erst ein paar Leute waren dabei für den großen Sonntagsmarkt ihre Stände aufzubauen, der um 10 Uhr begann. Ich schaute zum Brunnen und sah dort die Kinder. Sie sahen so fröhlich aus. Ich zählte sie und bemerkte, dass Tom und Mia immer noch fehlten. Ich ging zu ihnen. Als sie mich sahen umkreisten sie mich und konnten gar nicht mehr aufhören mich zu umarmen. Doch irgendwie war ich nicht bei der Sache. Ich dachte nur an Sam.
„Amelie? Amelie? Amelie, hey! Weist du etwas Neues von Tom und Mia? Amelie?“
Ich wachte auf wie von einer Trance.
„Hallo Kinder. Nein ich weis nichts Neues, leider. Ich hatte in letzter Zeit sehr viel zu tun!“
„Ja, mit diesem Sam… ich mag ihn nicht und die anderen auch nicht!“
„Was habt ihr denn gegen ihn? Er ist mein Freund!“
„Na ja, er verhält sich ganz komisch und redet immer so… ich weis nicht, ich kann es nicht beschreiben…!“, das war Jasper.
„Echt? Finde ich nicht! Ich mag ihn so wie er ist!“
„Das war ja klar!“
„Jasper?! Sag doch nicht so was. Kommt, vergessen wir das Thema! Ich will euch etwas vorsingen, habt ihr Lust?“
Natürlich hatten sie Lust. Also setzte ich mich auf die Stufen des Brunnens und sang den Kindern ein paar Lieder vor. Es tat richtig gut mal einfach wieder dazusitzen und zu singen. Das hatte ich in letzter Zeit gar nicht mehr gemacht, da so viel dazwischen gekommen war. Erst die Sache mit Nick und dass er in den Krieg ziehen musste, dann das volle Geschäft und schließlich Sam. Ich achtete nicht auf die Zeit, saß einfach nur so da und sang. Bei ein paar Liedern stockte ich, da ich den Text nicht mehr so ganz wusste, doch dann halfen mir die Kinder weiter. Es war so schön. Nach einiger Zeit kroch Paula auf meinen Schoß. Sie war zwar schon 8 aber noch immer sehr verschmust. Sie war sehr ruhig, sagte eigentlich nie etwas. Auch wenn die Kinder spielten, saß sie lieber am Rand und sah ihnen zu. Ich hatte sie damals vor 5 Jahren am Randstein gefunden. Sie hatte geweint. Als ich sie gefragt hatte wie sie heißt, hatte sie nichts gesagt und als ich gefragt hatte ob sie Eltern oder sonst welche verwandten hatte, hatte sie den Kopf geschüttelt. Sie hatte mir so Leid getan. Damals war sie 3 Jahre alt. Ich hatte sie bei der Hand genommen und mitgenommen, zu den anderen Kindern. Erst war sie total schüchtern und hat sich immer hinter meinem Rücken versteckt, aber irgendwann fasste sie vertrauen, nicht nur zu mir, auch zu den anderen und sogar zu Rosana, die manchmal vorbeischaute um bei den Kindern nach dem Rechten zu sehen.
Die Zeit verging und ich spielte noch ein wenig mit den Kindern. Plötzlich schrak ich auf, denn die Kirchturmuhr schlug Punkt 12.
Was, so spät schon? Ich hatte ganz die Zeit vergessen. Es war Zeit zu Sam zu gehen. Ich stand auf und verabschiedete mich von den Kindern. Als ich an Sam dachte, verschwand ich wieder in meiner Welt, einer Welt, in der es nur Sam und mich gab. Niemand anderen sonst, nur wir. Ich fing an vor mich hinzusummen, doch ich bemerkte, dass es ein trauriges Lied war. Ich hörte auf. Dann bog ich in Sam’s Straße ein und sah sein Haus. Ich hatte es noch nie so genau betrachtet. Es war ziemlich groß, schön geschmückt und atemberaubend schön. Ich wusste nicht wieso, aber ich traute mich kaum zu atmen, als ich die Vordertreppe zur Einganstür hinaufstieg. Ich wollte gerade klopfen, als ich eine Glocke bemerkte. Ich zog daran und erschrak. Durchs ganze Haus hallte die Glocke, es war eine kurze aber trotzdem schöne Melodie. Doch sie erinnerte mich eher an etwas Trauriges. Dann war es still. Kurz darauf hörte ich Schritte, die immer näher kamen, dann ein Rasseln, ein Klicken und die Tür wurde aufgemacht.
Vor mir stand ein älterer Herr. Er hatte schwarz, weise Sachen an. Ich vermutete, dass das ein Bediensteter der Familie war. Er starrte mich an, ich starrte zurück. Irgendwie war ich gerade nicht im Stande etwas zu sagen. Nach einer Weile fragte er: „Und Sie sind wer?“
„Ähhh… tut mir Leid! Ich bin Amelie, eine Freundin Sam’s, ist er da?“
„Tut mir Leid, er ist gerade nicht im Haus. Jedoch wird er in ungefähr einer halben Stunde hier sein. Möchten sie hier auf ihn warten?“
Ich schüttelte den Kopf. Irgendwie kam mir der Mann gruselig vor. Ich konnte es kaum beschreiben. Ich ging rückwärts die Treppe hinunter, drehte mich um und ging Richtung Straße zurück. Plötzlich hörte ich eine Stimme aus dem Haus. Es war Sam’s Vater, Er fragte, wer das an der Tür gewesen sei. Und als ich zurückschaute, starrte er mich mit einem misstrauischen Blick an, der mir nicht so ganz geheuer war. Ich beschleunigte meine Schritte und war endlich vom Anwesen herunter und auf der normalen Straße.
Ich lief zurück zum Platz. Dann stieß ich plötzlich mit jemandem zusammen. Es war Sam.
„Tut mir leid, Sam, ich war total in Gedanken versunken und hatte dich nicht bemerkt!“
„Schon gut!“, das war das Einzigste, was Sam zu mir sagte, bevor er schnurstracks weiterging ohne mich eines Blickes zu würdigen und in seine Straße abbog. Das kam mir sehr seltsam vor. Aber vielleicht, hatte er etwas vergessen. Plötzlich wurde ich von der Seite angesprungen. Ich fiel hin, da ich mein Gleichgewicht verloren hatte und schürfte mir den Ellbogen auf. Jedoch nicht schlimm. Ich sah mich um, da ich wissen wollte wer das war, doch ich sah niemanden. Als ich aufstand, bemerkte ich, dass Klock an meinem Bein hing. Ich nahm ihn hoch.
„Klock! Was machst du denn hier!? Du hast mich umgeworfen!“
„Sie sind böse! Rede nicht mit ihnen, sie sind böse, ganz böse. Sie haben meinen Schwestern und Brüdern wehgetan! Gehe nie wieder zu ihrem Haus!“
„Klock! Was redest du da eigentlich? Wer ist böse und hat deinen Schwestern und Brüdern wehgetan?“
„Na Professor Jade!“
„Wer ist Professor Jade?“
„Was? Professor Jade ist der Vater von Sam!“
„Warst du zu lange in der Sonne Klock? Wieso sollte er böse sein, ganz zu schweigen von Sam?“
„Weil sie uns wehgetan haben!“
„Wer ist uns, Klock?“
„Na mir und meinen Geschwistern!“
Ich konnte das ganze irgendwie nicht glauben, doch irgendwo tief in mir drin, wusste ich, dass zumindest ein Teil davon wahr war. Ich hielt Klock immer noch auf dem Arm.
„Komm, wir gehen erstmal nach Hause, die Beerdigung ist bald und ich muss mich noch umziehen.“
Wir gingen nach Hause. Auf dem Weg versteckte ich ihn so gut wie es ging unter meiner Jacke, damit ihn niemand sah. Daheim angekommen ging ich sofort nach oben. Dort übergab ich Klock Kate und ging dann in mein Zimmer um mich fertig zu machen. Ich zog mein Schwarzes Kleid an, das beste Kleidungsstück, das ich besaß. Dann ging ich zum Schlafzimmer meiner Eltern und klopfte an. Sie baten mich herein. Auch sie waren schon fertig umgezogen. Ich fragte meine Mutter, ob sie mir einen Zopf flechten würde. Sie willigte ein. Als mein Zopf fertig war. Ging ich in Kates Zimmer. Sie saß weinend am Boden, das Kleid halb angezogen.
„Was ist denn los Maus?“
„Ich krieg das Kleid nicht zu!“
„Ach, das ist doch nicht so schlimm! Hättest du halt was gesagt, dann hätte ich dir geholfen!“ Dreh dich mal um!“
Ich machte Kate das Kleid zu und wischte ihr mit einem Tuch das tränenverschmierte Gesicht sauber.
„Wo ist Klock?“
„Da drüben!“, sie zeigte auf ihr Bett.
„Ähm… Klock? Wir gehen jetzt zur Beerdigung. Es wäre besser wenn du hierbleibst! Wir kommen ja dann wieder. Schlaf dich aus oder so.!“
Ich wusste nicht so recht, was ich sagen sollte und hoffte einfach nur, dass er hier bleiben würde.
Auf halben Weg nach unten fiel mir auf, dass ich mein Medaillon von Nick vergessen hatte. Ich rannte noch mal hoch in mein Zimmer um es zu holen.

Auf dem Weg zur Beerdigung, waren wir sehr schweigsam und gingen einfach nur nebeneinander her. Zuerst gingen wir in die Kirche. Dort gab es einen Trauergottesdienst. Margarete, die Frau von Herr Martins, sie hatten zwar nie geheiratet, da es zu teuer war, saß vorne in der ersten Reihe. Sie weinte. Meine Mutter ging zu ihr um sie zu trösten und um noch mal ihr Mitgefühl auszudrücken. Es schien als wäre das ganze Dorf erschienen, sogar Sam und seine Familie. Dann begann der Gottesdienst. Der Pfarrer redete von der Vergangenheit vom Jetzt und der Zukunft, dass wir sie gestalten konnten, wenn wir alle zusammen halfen. Schließlich erzählte er etwas über Herr Martins, dass er ein guter Mann, Ehemann, Sohn und Enkelsohn gewesen war. Der Pfarrer redete von guten und schlechten Zeiten. Zum Schluss sangen wir noch ein Lied:

Möge die Strasse uns zusammenführen
und der Wind in deinem Rücken sein,
sanft falle Regen auf deine Felder,
und warm auf dein Gesicht der Sonnenschein.

Dann war der Gottesdienst vorüber und die Gemeinde stellte sich in einer Schlange auf um Herr Martins auf seinem letzten Weg zu begleiten. Am Friedhof angekommen bildete die Menschenmenge einen Kreis um das offene Grab von Herr Martins. Der Pfarrer sagte noch ein paar Worte, dann ließ er die Urne ins Grab hinunter gleiten. Neben dem Grab stand eine Schale mit Rosenblättern. Erst ging Margarete hin, warf ein paar Blüten ins Grab, sagte ein paar Worte und stellte sich an den Rand, dann folgte die restliche Gemeinde.
Wir blieben noch ein bisschen um Frau Martins nach Hause zu bringen. Mama und Frau Martins gingen voran. Ihnen folgte mein Vater, der meine weinende Schwester auf dem Arm trug. Ich konnte sie verstehen, Herr Martins war immer nett zu uns gewesen. Dann kam ich. Ich ging langsam hinter allen her. Und meine Tränen flossen über mein Gesicht, jedoch gab ich keinen Ton von mir. Als wir Frau Martins nach Hause gebracht hatten gingen auch wir nach Hause. Ich war ziemlich nachdenklich geworden. Mir ging das Lied vom Gottesdienst nicht mehr aus dem Kopf. Als ich in meinem Zimmer war sang ich es leise vor mich hin:

Möge die Strasse uns zusammenführen
und der Wind in deinem Rücken sein,


Irgendwoher kannte ich das Lied, doch es wollte mir einfach nicht einfallen woher. Ich machte den Schrank auf und holte meine normalen Klamotten heraus und zog mich um. Dann ging ich kurz in Kates Zimmer um zu schauen ob ich ihr helfen konnte, doch sie hatte ihr Kleid schon ausgezogen und es hang im Schrank. Ich glättete es ein wenig. Dann schaute ich mich um. Wo war eigentlich Klock? Auf seinem normalen Platz, an der Fensterbank saß er nicht. Dort saß er so gerne, da er immer alles im Blick haben wollte. Doch dann entdeckte ich ihn auf dem Schrank. Er starrte auf uns herunter. Als sich unsere Blicke trafen, sah er mich mitleidig an. Ich wusste nicht warum und mir lief ein Schauer über den Rücken.
„Ich gehe draußen noch ein wenig spielen! Amelie, ja?“
„Ja klar Kate, mach das!“

Kapitel 7


„Amelie, holst du bitte deine Schwester vom Platz ab, es gibt Abendessen!“
„Ja mach ich!“
Seufzend zog ich meine Schuhe an. Eigentlich war es ja sehr ungewöhnlich für Kate so spät zu kommen, da sie bisher immer pünktlich zum Essen da war. Aber vielleicht hatten sie auf der großen Wiese außerhalb gespielt und dann dauerte es bis man wieder herlief. Ich machte die Tür auf und trat nach draußen. Ich schaute mich um, die Kinder waren nirgends zu sehen. Also waren sie tatsächlich zur großen Wiese gegangen. Ich machte mich auf den Weg. Währenddessen dachte ich über vieles nach. Über Nick, wie es ihm wohl ging und dass der Krieg bald auch uns erreichen würde. Und über Sam. Wir hatten seit Tagen nicht mehr miteinander gesprochen. Ich wusste nicht mal, ob er ab morgen auch in die Schule ging. Vielleicht sogar in meine Klasse? Ich merkte, dass das ein weiteres Detail war, das ich nicht über Sam wusste und kam zu dem Schluss ihn zu fragen, sobald ich ihn das nächste Mal sah. Ich war am Stadttor angekommen und schaute mich um. Warum war Frederik nicht da? Er war der Wächter des Stadttores. Hmmm… Im Allgemeinen war es sowieso sehr still. Das hatte ich bisher nicht bemerkt gehabt. Auch die Kinder konnte ich nicht hören. Normalerweise hörte man die Kinder immer schon von Weitem beim Spielen. Es war nahezu beunruhigend still. Ich mochte diese Stille nicht. Also ging ich durchs Tor hindurch und betrat die Wiese. Mal wieder erstaunte mich der Anblick der Blumen und Felder, wobei es im Frühling viel schöner war. Denn im Frühling sprießt alles erst hervor. Jetzt jedoch ist vieles vertrocknet. Doch trotzdem konnte ich meinen Blick kaum abwenden. Doch dann bemerkte ich etwas. Genaugenommen fehlte etwas. Die Kinder! So weit konnten sie doch nicht gegangen sein, oder? Ich ging ein ganzes Stück, bis ich an dem Baum angekommen war, in dem Nick und ich damals meinen 16. Geburtstag gefeiert hatten. Doch wo waren bloß die Kinder? Ich lief wieder zurück. In meiner hast stolperte ich als ich durchs Tor lief und fiel hin. Direkt ins Gebüsch hinein. Doch ich landete weich. Zu weich. Ich rappelte mich auf und erstarrte. Ich war auf Frederik gelandet. Er lag da, die Augen starr nach oben gerichtet. Erst wusste ich nicht was ich machen sollte und stand einfach nur da, doch dann wusste ich was zu tun war. Ich drehte mich um und ging zum Wächterturm Dort stieg ich die Leiter nach oben. Ich orientierte mich kurz, dann sah ich sie: Die Notfallglocke. Sie hang in jedem Turm. Normalerweise wurde sie benutz wenn feindliche Truppen die Mauern angreifen. Doch nun war auch ein Zeitpunkt, wo man sie benutzen sollte. Ich umfasste das Seil ganz oben und zog es schwungvoll hinunter. Die Glockentöne hallten über das Dorf und überall konnte man es hören. Sofort erklangen auch die anderen Glocken der anderen Wachtürme. Von meinem derzeitigen Standpunkt aus konnte ich gut erkennen, dass sich die Soldaten auf dem Platz formierten. Es war ein Trupp von 6 Leuten. Dem Standardtrupp. Diese schauten erstmal was vorgefallen war. Ich kletterte vom Turm herunter und wartete darauf, dass der Trupp eintreffen würde. Schließlich hörte man sie kommen. Sie bogen um die Ecke und kamen auf mich zu.
„Wer bist du?“
„Ich bin Amelie, ich habe geläutet. Ich habe nach den Kindern gesucht und habe sie nicht gefunden und als ich zurück kam habe ich Frederik so gefunden.“, ich zeigte auf das Gesträuch. Sofort wandten sich alle dort hin und der Anführer hob ein paar Äste an und erschrak. Er trat ein paar Schritte zurück und drehte sich um. Dann schaute er mich an.
„Was hast du über die Kinder gesagt?“
Ich antwortete ihm: „Die Kinder sind weg! Einfach verschwunden, meine kleine Schwester auch!“
„Wann hast du sie das letzte Mal gesehen?“
„Die Kinder? Eigentlich Heute bei der Beerdigung von Herr Martins. Nach der Beerdigung habe ich meine Schwester dann auch das letzte Mal gesehen, als sie raus ging um mit den Kindern zu spielen. Ich habe aber leider keine Ahnung wohin sie gegangen sind.“ Ich verstummte. Ja, ich hatte keine Ahnung, was sollte ich nur tun?
„Okay wir werden ein paar Trupps zusammenstellen, sie werden Das ganze Dorf durchsuchen. Wenn wir Glück haben, dann spielen uns die Kinder nur einen Streich. Jedoch sieht es leider Gottes nicht danach aus. Der arme Frederik, er war uns immer ein treuer Kamerad gewesen.“. Das letzte jedoch sprach er eher zu sich selbst als zu den anderen.
„Amelie oder?“
„Ja?“
„Amelie, geh bitte nach Hause. Du musst sicherlich morgen wieder in die Schule, das ist der Ort an dem du momentan am sichersten bist, pass auf dich auf!“
Hiermit war ich sozusagen entlassen. Ich drehte mich noch einmal zu Frederik um, wandte mich dann aber zum gehen. Auf dem Weg nach Hause faste ich einen Entschluss. Egal ob ich in der Schule am sichersten war, ich würde nach Kate und den Anderen suchen. Denn eines war sicher, die Kinder waren mit großer Sicherheit nicht mehr im Dorf und dann konnten die Wächter gerne lange suchen, hier würden sie die Kinder nicht mehr finden.
„Amelie, was ist denn los? Wo ist Kate und warum haben die Glocken geläutet?“
„Die Kinder sind weg und … Kate…“, mehr brachte ich nicht zustande. Ich weinte los. Das konnte doch alles nicht wahr sein. Die arme Kate, die armen Kinder. Wo mochten sie in diesem Moment nur sein? Ging es ihnen gut? Meine Mutter nahm mich in den Arm, um mich zu trösten, doch auch ihr liefen Tränen die Wange herunter. Mein Vater stand plötzlich hinter uns und legte seine Hand auf die Schulter meiner Mutter, er hatte alles mitbekommen. Ich löste mich aus der Umarmung und ging hoch in mein Zimmer.
Das war so schlimm. Wo mochten die anderen jetzt wohl sein. Ich schaute aus dem Fenster. Inzwischen war es dunkel geworden, doch zwischen den Häuserreihen durch, sah man die Laternen der Suchtruppen. Ich wollte auch etwas tun! Ich wollte mithelfen, schließlich war es ja meine Schwester! Und natürlich auch die anderen Kinder! Ich setzte mich auf mein Bett und nahm das Amulett von Nick in die Hand, das ich inzwischen jeden Tag trug. Ich machte es auf und die Melodie begann wieder zu spielen. Ich lauschte ihr einen Moment. Dann bemerkte ich, dass in dem Amulett etwas geschrieben stand. Ich versuchte es zu entziffern und kneifte die Augen zusammen um es besser lesen zu können, da die Schrift sehr klein war. Doch dann konnte ich es lesen: „Wenn du nicht mehr weiterweißt, dann schaue niemals zurück, denn sonst wird die Vergangenheit dich einholen, sondern schaue immer nach vorne und öffne dich für die Zukunft.“
Ich atmete noch einmal tief ein, dann stand ich auf und holte meinen Reiserucksack von meinem Schrank herunter und legte ihn auf mein Bett. Dann holte ich Zettel und Stift und machte mir eine Liste von Dingen die ich auf meiner Suche benötigen würde. Das wichtigste waren Klamotten. Dann würde ich sicher noch eine Karte benötigen. Also schlich ich mich ins Schlafzimmer meiner Eltern und ging zum Nachtkästchen meines Vaters. Ich machte die oberste Schublade auf und sah erst einmal ein Riesen Chaos. Ich langte nach ganz unten und meine Finger ertasteten ein altes dickes Papier. Ich zog es heraus. Und tatsächlich, es war die Karte die ich gesucht hatte. Ich wusste dass sich dort auch noch ein Kompass befinden sollte. Als ich noch klein war, hatte mein Vater mit mir immer Schatzsuche gespielt und dafür hatten wir diese Karte und den Kompass gebraucht. Ich hatte dieses Spiel geliebt! Ich wusste gar nicht mehr, warum wir damit aufgehört hatten. Ich ging wieder in mein Zimmer zurück und legte Karte und Kompass auf mein Bett neben den Rucksack. Dann öffnete ich wieder den Schrank und überlegte, was für Klamotten ich am besten alles mitnehmen sollte, sodass es weder zu wenig noch zu viel war. Schließlich packte ich nur eine Hose und einen Pulli ein. Ich machte ja keinen Urlaub sondern war auf der Suche nach den Kindern und meiner Schwester. Ich hörte ein leichtes Tapsen und sah Klock. Er kam gerade zu meiner Zimmertür rein, ging auf mein Bett zu und setzte sich darauf.
„Hallo Klock!“, sagte ich
Er sagte nichts, schaute mich nur an.
„Was ist?“
Wieder schaute er mich nur an. Erst wusste ich nicht so recht, was ich sagen sollte, doch dann erzählte ich ihm von meinem Plan Kate und die Anderen suchen gehen zu wollen. Klock schaute mich daraufhin mit einem so wissenden Blick an, dass man meinte er würde mich gleich belehren wollen.
„Amelie, du hilfst mir doch noch, meine Familie zu finden, oder?“
„Natürlich helfe ich dir, du kannst gerne mitkommen, denn ich habe die Vermutung, dass hinter den Entführern deiner Familie auch die Entführer der Kinder und Kate stecken.“, daran hatte ich noch gar nicht gedacht, doch in dem Moment, in dem ich es aussprach, wusste ich, dass es wahr war. Klock nickte.
Ich packte die Hose und den Pulli in den Rucksack. Dann legte ich die Karte mit dem Kompass darauf. Ich überlegte, was ich denn noch brauchen würde. Geld. Doch, wo sollte ich Geld so schnell herkriegen. Dann fiel mir mein Sparschwein wieder ein. Es stand auf meiner Fensterbank. Ich schüttelte es kurz. Ich sparte schon seit 3 Jahren. Es klimperte auch ganz schön. Dann hob ich es über meinen Kopf und wollte es herunterwerfen. Doch dann hielt ich inne, denn mir fiel ein, dass das ja ein ziemlich lautes Geräusch geben würde. Ich überlegte mir, dass ich einfach behaupten würde, dass es mir versehentlich heruntergefallen war. Ich warf es auf den Boden. Kurz darauf polterte meine Mutter die Treppe rauf. Ich warf den Rucksack schnell hinter mein Bett und auch Klock verschwand unter meinem Bett. Die Tür wurde aufgestoßen und meine Mutter kam atemlos herein.
„Schatz! Alles in Ordnung? Was ist passiert?“. Dann fiel ihr Blick auf das kaputte Sparschwein am Boden.
„Das ist mir aus Versehen runtergefallen!“
„Ach das macht doch nichts, warte kurz.“, sie ging aus meinem Zimmer raus. Als sie wieder kam hatte sie eine Tasche in der Hand.
„Hier, tu das Geld vorerst hier rein. Wir kaufen dir bald ein neues Sparschwein, aber momentan haben wir kein Geld.“
Für einen Moment war ich froh über die Tasche, da ich sonst nicht gewusst hätte, wo ich das Geld hintun hätte sollen. Doch dann wurde ich traurig. Was sollten meine Eltern nur ohne mich machen. Wie sollten sie es schaffen ohne mich als Kellnerin das Café zu schmeißen? Ich schaute zu Boden.
„Was ist den los mein Schatz?“, fragte mich meine Mutter erschrocken.
„Ach weißt du“, stotterte ich ganz verlegen, „ Ich habe das Sparschwein sehr gemocht!“. Ich log meine Mutter an. Das hatte ich bisher noch nie gemacht. Jetzt fühlte ich mich noch schlechter.
„Ach Schatz, mach dir keine Gedanken, du kriegst doch ein Neues!“, versuchte meine Mutter mich zu trösten und ging dann aus dem Zimmer und schloss meine Tür hinter sich.
In diesem Moment kam Klock unter dem Bett hervorgekrochen und setzte sich wieder darauf. Ich holte den Rucksack und legte ihn auf das Bett. Dann hob ich das ganze Geld auf und zählte es. Ich grinste, als ich mit dem zählen fertig war. Insgesamt hatte ich 168 Naten gespart, das war die Währung von Natuken. Die Währung von Straben hieß Benten. Ich machte mir Gedanken darüber wie ich das Geld umtauschen könnte, falls meine Reise mich auch nach Straben führen sollte. Aber das würde ich dann schon hinkriegen. Ich packte das Geld in die kleine Tasche und dann vorne in den Rucksack rein. Ich drehte mich um. Dann sah ich die Scherben von meinem zerbrochenen Sparschwein, die ja immer noch auf dem Boden lagen. Ich ging seufzend aus dem Zimmer und holte Schaufel und Besen aus der Abstellkammer. Dann kehrte ich die Scherben auf und schmiss sie weg. Ich ging wieder in mein Zimmer zurück. Ich seufzte erneut. Ich würde all das hier für lange Zeit verlassen. Mir fiel auf, dass ich nun nicht einmal mehr Zeit hatte mich vom Dorf zu verabschieden, da meine Eltern mich nicht mehr rauslassen würden. Na ja ich würde ja sicherlich wieder zurückkommen, nachdem ich die Kinder und Kate gefunden hatte. Aber was war, wenn ich sie nicht finden würde? Was dann? Was wäre, wenn ich mich verirren würde? Würde mir dann überhaupt irgendjemand helfen? Was wenn ich nie wieder nach Hause käme?
Ich schüttelte meinen Kopf um diese Gedanken loszuwerden. So etwas sollte ich gar nicht erst denken. Ich sollte lieber noch mal kucken was ich noch alles für die Reise benötigen werde. Etwas zu essen wäre nicht schlecht. Ich beschloss mir ein paar Brote in der Küche zu machen, wenn meine Eltern zu Bett gegangen waren. Dann viel mir auf, dass ich auch etwas zu trinken bräuchte. Aber ich erinnerte mich daran, dass wir im rechten Küchenschrank hinten noch ein Wassergefäß hatten. Das würde ich füllen und auch mitnehmen. Außerdem glaubte ich inzwischen nicht mehr daran, dass ein einzelner Pulli mir langen würde, vor allem für die kalten Nächte. Also holte ich meine Jacke von der Garderobe und legte diese neben den Rucksack auf mein Bett. Ich setzte mich wieder auf mein Bett, neben Klock. Ich hatte fast alles eingepackt und es gab keinen Weg mehr zurück, sonst würde ich meine Schwester nie wieder finden. Und die anderen Kinder auch nicht. Wo seid ihr nur? Ich kramte noch einmal die Karte aus dem Rucksack und breitete sie vor mir aus. Ich beschloss als erstes in unser Nachbardorf Lagua zu gehen. Dort würde ich mich erkundigen wollen, ob auch hier Kinder entführt wurden. Den Rest wollte ich spontan auf meiner Reise planen, da sich Pläne immer wieder veränderten. Ich hörte die Schlafzimmertür meiner Eltern zugehen. Jetzt wartete ich noch 10 Minuten, dann ging ich runter in die Küche. Zuerst holte ich das Brot aus der Vorratskammer. Wir hatten immer einen Leib noch in Vorrat. Ich teilte ihn in zwei Hälften. Die eine verstaute ich wieder in der Vorratskammer, die andere wollte ich mitnehmen. Ich hatte eingesehen, dass es handlicher war, einfach das Brot im Stück mitzunehmen, anstatt jetzt noch einzelne Scheiben zu beschmieren. Dann machte ich den Küchenschrank auf und griff nach ganz hinten. Tatsächlich war dort noch das Wassergefäß. Ich musste nur gut darauf aufpassen, da es leicht zerbrechlich war. Vielleicht sogar zu zerbrechlich? Ich war so dumm! Wie konnte ich das vergessen? Während der Schulzeit und für den Weg dorthin hatte meine Mutter extra einen Wasserbeutel gekauft. Doch wo war der? In meiner Schultasche. Die stand von meiner Mutter schon voraussichtlich fertig gepackt im Flur. Ich machte sie auf und holte den Wasserbeutel heraus. Dann sah ich dort auch noch zwei belegte Brote. Die würde ich mitnehmen, das konnte ja nicht schaden. Dann entdeckte ich an unserer Wand noch eine Handlaterne hängen. Es war sogar noch eine nagelneue Kerze drinnen. Das Feuer würde ich schon von irgendwo auftreiben. Ich nahm das ganze Zeug mit in mein Zimmer und packte gefüllten Wasserbeutel, die Brote und das halbe Brotleib in den Rucksack. Dann packte ich die Karte, die immer noch ausgebreitet auf dem Boden lag auch wieder ein. Die Lampe würde ich in der Hand tragen. Ich würde morgen früh aufbrechen müssen.

Teil II


Teil II


Die Reise

Epilog


Ich bin noch dran das Buch weiterzuschreiben und werde schnellstmöglich mehr Seiten veröffentlichen!

Liebe Grüße Lara K.

Impressum

Texte: Lara K.
Bildmaterialien: Seliiia
Tag der Veröffentlichung: 25.12.2012

Alle Rechte vorbehalten

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