"Hey Lucy...wach auf! Du kommst zu spät in die Schule." flüsterte eine Stimme neben meinem Ohr. Ich murmelt etwas unverständliches und drehte mich auf die andere Seite.
Carly, die Freundin meines Onkels schmunzelte und ging aus dem Zimmer.
Vor knapp acht Wochen waren meine Eltern bei einem Autounfall ums Leben gekommen, und seitdem lebte ich bei meinem Onkel Peter in London.
Da ich ursprünglich aus Deutschland kam, war der Umzug anfangs schwer gewesen, doch ich hatte einfach eine Veränderung gebraucht.
Heute war nun mein erster Schultag auf der Classic Arts Academy im Zentrum von London.
Das mit dem Englisch sprechen war kein Problem gewesen, da meine Mum in England geboren worden war, und ich seit meiner Geburt Deutsch und Englisch perfekt sprechen konnte.
Seufzend quälte ich mich aus dem Bett und ging ins Bad, um erstmal zu duschen. Ich hatte mein eigenes Bad neben meinem Zimmer. Mein Onkel hatte ziemlich viel Geld (Er war Anwalt), und wohnte in einer schönen Altstadtwohnung. Nachdem ich mit duschen fertig war ging ich zu meinem Kleiderschrank. Ratlos stand ich davor. Was trug man am ersten Schultag an der Classic Arts Academy??? Ich hatte anfangs wie wild protestiert, doch Peter und Carly hatten darauf bestanden, dass ich diese blöde Schule zumindest für ein Jahr lang besuchte.
Naja, heute war wenigstens nur die Aufnahmeprüfung...niemand hatte gesagt, dass ich die bestehen würde. Aber Peter hatte ich versprochen mein Bestes zu geben.
Schließlich entschied ich mich für was ganz schlichtes: Weißes Top, schwarze Röhrenjeans, und weil ich es dann doch nicht lassen konnte; ein rot-schwarz kariertes Hemd, dass mir viel zu groß war.
Ich kämmte meine schwarzen langen Haare noch schnell durch.
Sollte ich mich nun schminken?
Ich machte es einfach. Ich nahm eigentlich immer ziemlich viel Kajal, Wimperntusche und grauen Lidschatten, das betonte zwar meine grünen Augen nicht, aber egal. Make up brauchte ich nicht.
Skeptisch betrachtete ich mich nun im Spiegel.
"Lucy! Komm dein Bus fährt gleich!!!" rief Carly von der Küche. Hups, da hatte ich mich mit der Zeit vertan. Schnell kramte ich noch irgendwelche Socken aus der Schublade, zog meine heißgeliebten Chucks an und rannte in die Küche.
Dort schnappte ich meine uralte Converse Tasche und einen grünen Apfel. "Ciao, bis heute Nachmittag!" rief ich und rannte die Treppe hinunter.
Gerade noch rechtzeitig schaffte ich es den Bus zu erwischen.
Ganz außer Atem setzte ich mich auf eine freien Platz holte Kopfhörer und iPod hervor, und stellte Linkin Park ganz laut.
"Classic Arts Academy" verkündete die monotone Haltestellenansage eine halbe Stunde später. Seufzend stieg ich aus und fand mich vor einem riesigen alten Gebäude wieder."The Classic Arts Academy" stand in großen altmodischen Buchstaben auf einem Schild über dem Eingang.
Ich seufzte noch einmal, packte meine Kopfhörer wieder ein und betrat meine neue Schule zum ersten mal.
Drinnen sah es genau so aus, wie ich es vermutet hatte. Ich stand in einem mit Marmorfliesen ausgelegten Foyer, von dem aus zwei gewundene Treppen ins obere Stockwerk führten.
An den riesigen Fenstern mit Goldrahmen hingen schwere rote Samtvorhänge.
Eine Menge junger Leute , manche auch in meinem Alter, standen in der Eingangshalle und unterhielten sich angeregt miteinander. Ratlos sah ich mich um und entdeckte eine kleine Sitzecke, wo die neuen saßen und genauso verwirrt wirkten wie ich.
Ich setzte mich auf einen der Stühle und wartete mit den anderen neuen auf den Direktor.
Nach einer Weile verschwanden die anderen Schüler und nur noch ich und ca. 25 andere saßen in der Sitzecke und schwiegen verlegen.
Immer wenn mir langweilig war, beobachtete ich gerne die Leute um mich herum. So wie auch jetzt. Die wirkten alle relativ...naja, wie soll ich sagen...brav. Die meisten Jungs trugen ein Hemd, dass ordentlich in die schwarze Anzughose gesteckt war; Die meisten Mädchen trugen Röcke und eine Bluse. Ich würde wohl am ersten Tag schon allen auffallen. Na toll...
"Guten Tag Ladys und Gentlemen, mein Name ist Harry Forbes" begrüßte uns ein Mann im schwarzen Anzug, der soeben durch eine Glastür in den Raum geschritten war.
"wenn sie mir bitte folgen würden!" sagte er und verschwand durch dieselbe Tür, durch die er gekommen war.
Wir standen alle auf und liefen ihm hinterher. Wir gingen durch einen langen Korridor von dem einige Türen zu den Klassenzimmern führten. "Wir an der Classic Arts, unterrichten natürlich Vormittags die ganz typischen Fächer, wie Mathe, Englisch und Geschichte, aber Nachmittags bekommt ihr Musik, Tanz und Theater dazu." erklärte er während wir zu einem Raum gingen, vor dem wieder einige Stühle standen. "Setzen sie sich bitte, wir fangen an mit den Prüfungen. Miss Sophie Anston fängt an. Wir machen es nach der alphabetischen Reihenfolge."
Ein blondes Mädchen mit einem Geigenkoffer in der Hand stand auf und folgte ihm in den Raum. Nachdem alle anderen fertig waren, kam ich endlich dran. "Und nun, last but not least: Miss Lucy Webster!"
Ich betrat einen altmodischen Raum, mit hoher Decke und echtem Parkettboden. An einem langen Tisch saßen Mr. Forbes, eine ältere Frau, die aussah, als hätte sie einen Stock verschluckt und mich mit strengem Blick musterte und ein hübscher junger Mann, mit etwas längeren schwarzen Haaren und einem gut gepflegten Dreitagebart. "Soooooo, Miss Webster. Das sind die jeweiligen Fachlehrer für Theater, Mrs. Cooper, und für Tanz, Mr. Watson." sagte Mr. Forbes "Ich bin Zuständig für den Fachbereich Musik.
Und da fangen wir auch gleich an: Welches Instrument spielen sie denn?" fragte er mich. "Ähh, ich spiele Gitarre, Schlagzeug und Klavier" antwortete ich zögernd.
"Wow," meinte Mr. Forbes beeindruckt. " Dann spiel doch mal was auf dem Flügel vor." sagte er und deutete auf den riesigen polierten Flügel, der in der Ecke stand.
Ich spielte alle drei Instrumente schon seit ich fünf war...meine Eltern waren beide musikalisch gewesen. Bei dem Gedanken an sie musste ich beinahe wieder heulen, doch ich konnte mich zum Glück zusammenreißen.
Ich spielte das Stück, dass ich selber für meine Eltern komponiert hatte. Dabei ging es mir immer besser.
Als ich fertig war, applaudierten die Lehrer. "Sehr schön, sehr schön." murmelte Forbes, während er Notizen auf sein Blatt kritzelte." Und kannst du singen?" wollte er dann wissen.
"Was?!" rief ich erschrocken. Von Vorsingen hatte ich gar nichts gewusst! "Ähh..." stotterte ich verlegen vor mich hin. "Keine Panik, sing einfach irgendein Lied, dass du magst..." meinte Mr.Watson beruhigend und sah mich mit seinen stechend blauen Augen an. "Hmm, okay..." sagte ich, während ich fieberhaft überlegte welches Lied ich nehmen sollte. Schließlich entschied ich mich für
"A pocketful of dreams" von Billy Talent.
Nachdem ich fertig war applaudierten die Professoren wieder höflich, doch dieses mal sahen sie nicht allzu begeistert aus.
Naja, egal.
Danach kam die Prüfung für Theater, bei Mrs. Cooper...irgendwie hatte ich schon von Anfang an ziemlichen Respekt vor ihr gehabt, was sich jetzt als durchaus angemessen erwies.
Die alte Frau gab mir die unterschiedlichsten Monologe, die ich so gut ich konnte in der jeweiligen Stimmung vortragen musste.
Dabei musterte sie mich immer mit dem gleichen strengen Blick, der es unmöglich machte, einzuschätzen ob ich gut oder schlecht gewesen war.
Bei der Prüfung für Tanz war ich am schlechtesten. Ich hatte einen hip hop und einen klassischen Tanz vorbereitet...bei hip hop lief es eigentlich noch ganz okay, aber beim klassischen Ballett, versagte ich voll und ganz.
Naja...Mr.Watson war auf jeden Fall nett, aber auch sehr streng.
Nachdem ich aus dem Raum draußen war atmete ich erstmal tief durch. Geschafft! Endlich!
Da ich noch etwas Zeit hatte, beschloss ich ein bisschen durch London zu schlendern.
Nach einer halben Stunde war mir zu kalt zum draußen sein und ich setzte mich in ein Starbucks Cafe.
Die Bedienung (ein Typ, der nur ein, zwei Jahre älter schien als Ich) kam zu meinem Tisch um meine Bestellung aufzunehmen. "Einen Karamell Machiato, bitte." Sagte ich freundlich. "Okay..." murmelte er während er die Bestellung auf seinen Block kritzelte. "Na, ganz alleine hier?" fragte er mich grinsend. "Ja, ich bin neu hergezogen aus Deutschland..." antwortete ich und fühlte mich plötzlich wieder ziemlich einsam..."Oh je du arme..." meinte er mitfühlend, "aber hey, in London lernt man schnell nette Leute kennen...Mich zum Beispiel!"
Ich musste auch grinsen.
"Soll ich dir meine Nummer geben? Ich treff mich heute Abend mit ein paar Freunden im Danny's...du kannst ja mitkommen." schlug er vor. "Wow...Ähm, Gerne! Danke." sagte ich dankbar und nahm den Zettel mit seiner Nummer entgegen.
Wir unterhielten uns noch ein wenig, während ich meinen Machiato trank, dann verabschiedete ich mich und ging nun aufgemuntert nach Hause.
Dort angekommen ging ich in mein Zimmer wo ich mich sofort aufs Bett schmiss. Erst dort zog ich mir Schuhe und Jacke aus und schaltete den Fernseher ein.
Auf Vox TV liefen gerade die Simpsons.
Seufzend lehnte ich mich zurück und konnte endlich entspannen.
Die Ergebnisse der Prüfungen würden erst in ein paar Tagen kommen und solange war meine Mission: Neue Freunde finden! Heute Abend war doch schon mal ein guter Anfang.
Texte: keine
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Lektorat: keine
Übersetzung: keine
Tag der Veröffentlichung: 12.07.2012
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