EINLADUNG
Nun wurde es wahrlich Zeit, alle Einladungskarten, die ich bereits im letzten Monat besorgt hatte, auszuschreiben.
Schließlich rückt die Gold´ne meiner Eltern immer näher und kaum ein Verwandter weiß bislang, dass es ihm vergönnt ist, daran teilzuhaben.
„Die reichen nicht aus“, meinte mein Vater, als ich die 15 Karten nebst Umschläge auf dem Küchentisch ausbreitete, „Ich habe 49 Gäste auf meiner Liste.“
„Naja, mal sehen wie weit wir kommen. Es sind ja auch viele Paare dabei und unsere eigene Familie kannste ja abziehen, denke ich mal. Ich fahre nachher nochmal los und kaufe noch Karten“, lenkte ich ein, „Aber wir müssen jetzt mal inne Puschen kommen, lass uns anfangen. Schreibst du mit aus?“
Ganz weit lehnte sich mein Vater nach hinten. „Lass mich damit in Ruhe, ich bin nervös genug! Ich streiche die Namen auf der Liste ab.“
Also nahm ich eine Karte, schlug sie auf und las das bereits Vorgedruckte.
„Zu unserer Goldhochzeit am................
um.................................
laden wir herzlich ein.
..................................
.................................. „
„Hm“, grübelte ich, „da ist ja gar keine Zeile oben vorgesehen, wohinein man die Namen der Einzuladenden schreiben kann...“
„Zeig mal her.“ Mein Vater überflog die Zeilen und war in Gedanken mit Sicherheit bei allem Anderen, nur nicht beim Ausschreiben der Einladungen. „Da unten sind doch zwei leere Zeilen, da schreibst du : AN WALTRAUD.“
„Nein, Papa, dahin schreibe ich WO die Feier stattfindet. Wir nutzen einfach die leere Seite, da schreibe ich dann : Liebe/lieber Sowieso..., um Rückmeldung bis 01.09.12 wird gebeten. Und dann setzt ihr eure Unterschrift darunter.“
Mit einem schweren Schnaufen verschränkte der Herr des Hauses die Arme. „Ja, dann mach nu mal. Aber Mutter unterschreibt nicht, ich unterschreibe für uns beide. Deren Schrift kann kein Mensch lesen.“ (Anm.: Er sagte natürlich nicht DEREN Schrift, sondern DIE IHRE Schrift...aber das macht sich nicht gut in meinen Augen und tut mir persönlich weh.) „Und warum sollen die sich überhaupt zurückmelden? Dann is unser Telefon ja nur noch am Klingeln!“
Manchmal möchte ich in solchen Situationen beide Hände vor´s Gesicht schlagen.
„Ihr solltet schon wissen, für wie viele Personen eingedeckt und gekocht werden darf, meinst du nicht auch?“
So langsam näherten wir uns nun dem Fertigstellen der ersten Einladung. Bis – ja bis... „Wird BISMARKSAAL wirklich nicht mit CK geschrieben?“. Das erschien mir wirklich äußerst komisch.
(Werden doch gleichnamige Straßen hier in der Nähe alle mit einem CK geschrieben.)
„Ich fahr mal schnell mit dem Rad hin und gucke auf das Schild.“
„Nee Papa, lass, wenn das so auf der Visitenkarte steht...“
„Nein, ich fahre schnell hin, gib mir mal ´nen kleinen Zettel und ´nen Stift.“
Nach 15 Minuten, die ich dazu nutzte, weitere Karten auszuschreiben, natürlich nur bis BISMAR, denn ich wartete ja noch auf das CK, also nach 15 Minuten war er zurück und zeigte mir den Zettel.
Da stand wirklich „BISMARKSAAL“, also ohne CK.
„Das ist ja komisch Papa.“ Er schmiss die Jacke auf einen freien Stuhl. „Ja, die denken nachher, du kannst nicht mal Bismarck schreiben. Schreib das jetzt mit CK und basta!“
Na, das hätte ich auch gleich machen können, aber er wollte sicher nur mal raus hier und sich die Birne frei radeln...
Nachdem schon ein gut Teil der Karten ausgeschrieben und unterschrieben war, fing mein Vater freiwillig an, einige Umschläge mit Adressen zu versehen.
Wie gesagt, er fing an...und kam genau bis „An Horst und ….“
Man sah, wie es in seinem Hirn arbeitete. „Erika! Komm von deine Sendung da weg und hilf uns mal!! DICH geht dat wohl alles nichts an, Hauptsache, du kannst deine Kitschsendung da gucken!“
Ich hörte ein leises Stöhnen aus dem Wohnzimmer und dann stand die Mutter mit verwuschelten Haaren in der Küche. „Ich war GERADE ein bisschen weggedrusselt. Von wegen, mich geht das alles nichts an...WER hat denn den Saal klargemacht und die Gästeliste erarbeitet?“
„Jaja, mach nur so weiter, dann können wir uns das Kartenschreiben sparen“, fuchtelte Vater mit der unbestiftelten Hand herum, „Sag doch mal, wie heißt Horst´n Seine?“
Meine Mutter hatte nun wieder ihr „ICH FASSE ES NICHT – GESICHT“ aufgesetzt.
„Ist das MEIN Freund oder DEINER? Mensch, die heißt Karin.“
„Karin mit IE?“
Ich schaltete mich ein. „Is gut Muddi, leg dich man wieder hin.“ Und zu meinem Vater:“Karin wird nur mit kurzem I geschrieben, auch wenn es sich lang anhört.“
Der nächste Umschlag.
„An Klaus und....“ Er schlug sich mit der Hand vor die Stirn. „Das macht mich noch wahnsinnig! Mann, ich weiß doch, wie die heißt!!!“
Er tat mir nun echt ein bisschen Leid, wie er da so mit seinem Gedächtnis kämpfte.
„Erikaaa! Wie heißt Klaus Seine?!“
Aus dem Wohnzimmer kam zurück :“Wie heißt die Frau von Fred Feuerstein?“
DAS wusste ich nun wieder. „Wilma!“
„Mit einem oder mit zwei L?“, fragte mein Vater.
“Das kommt ganz darauf an, was du damit ausdrücken willst, Papa. Aber der Name wird nur mit einem L geschrieben.“ Na, da hatte ich ja seinen Geschmack getroffen. Er haute sich auf die Schenkel. „Wo haste denn man so was nur liert?“ (gelernt) Na wo habe ich so was wohl gelernt, dreimal darf man raten...
Beim nächsten Umschlag sah es anfangs schon besser aus. Er schrieb „An Rolf-Günter und Christi...“ Dann stand er auf und holte sein großes altes Rätsel-Lexikon aus der Schublade.
„Nee Vadder, nun aber hier weiter schreiben! Du willst doch JETZT nicht Rätseln???“
„Quatsch. Ich will gucken, ob Christine mit IE geschrieben wird.“
„Du, das kommt ganz darauf an, wie die Eltern das damals haben wollten. Es geht sowohl, als auch. Da hilft dir jetzt das Lexikon nicht viel.“ Ich atmete gaaanz tief ein und aus.
Wir entschieden uns für die Variante ohne E.
Nachdem wir uns bei der Schreibweise des Namen „Volkhard“ auf ebendiese einigten, waren die Karten soweit fertig und es standen immer noch 10 Namen auf der Liste.
Ich warf mir die Jacke über und die Autoschlüssel in die Tasche. „Fahre mal schnell zum Pfennigpfeiffer, Karten holen.“
Da sprang mein Vater auf, zückte seine Geldbörse, zählte seine Habseligkeiten und freute sich plötzlich. „Ich komme mit. Mein Angelfritze hat gestern erzählt, dass die da Kopflampen für Angler haben. Ganz Billige. Ich will doch nächste Woche auf Aal.“
Und so fuhren wir los, um zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen.
Der Tag rückte voran und ich sah hin und wieder auf die Zeitanzeige meines Handys, in der Sorge (oder Hoffnung), ich könne vielleicht meinen Zahnarzttermin um 17 Uhr nicht wahrnehmen.
Wir rollten zurück auf den Hof, als meine Mutter verwirrt aus der Tür kam. „Wo wart ihr denn hin?“
„Frau, guck du mal schön deine Serie. DICH tragen sie nochmal raus, ohne das du was merkst. Wir waren Karten kaufen und eine Kopflampe für Aal-Angeln.“
„Ich habe keine Serie geguckt, ich hatte doch Ulla am Telefon, weil ich die Adresse von Elli verlegt habe. SOWAS kümmert dich ja nicht, Hauptsache alle in Gange bringen und Angeln!“
ER stampfte mit dem Bein auf. „Ich bringe die Karten zurück! Mach uns mal lieber ein paar Schnittchen und hör auf, an mir herum zu mosern. Habe ich nicht heute früh das ganze Gemüse für die Suppe geschnippelt? Ich nehme dir doch nu wirklich jede Menge Arbeit ab!“
„Wenn du das Gemüse noch kleiner schneidest, kann ich auch gleich ´ne Cremesuppe draus stampfen...“, murmelte meine Mutter und verschwand im Keller, um Marmelade zu holen.
„Dieses Weib!“, schimpfte ihr Mann. Und ich fragte mich nicht zum ersten Mal, wie es sein kann, dass diese Beiden in Kürze ihre Goldhochzeit feiern.
Als wir wieder am Küchentisch saßen, packte mein Vater zuallererst mal seine schöne neue LED-Kopflampe aus. „Guck doch mal, die hat 100.000 Stunden volle Leuchtkraft!! Dat sind ja...Mensch, die kann ich ja mit ins Grab nehmen!“, freute er sich ob der langen Leuchtkraft der Lampe.
„Naaa, so lange wird sie wohl nicht halten. Und nun lass uns weiter schreiben“, antwortete ich und legte auch gleich los mit der nächsten Karte.
Hierbei handelte es sich um die Einladung an meine Kusskusine, ihren LAP und den Mischlingshund. Ich setzte über das übliche „Bitte um Rückmeldung....“
„Euch steht zur Übernachtung die „Rumpelkammer“ unter´m- Dach-juchhee zur vollsten Verfügung.“
Das brachte meinen Vater, als er die Unterschriften leistete, ins Schwitzen. „Da können wir doch Keinen unterbringen! In unserem uralten Schlafzimmer, neben dem Rumpelboden. Wie sollen die Jungen denn nachts im Dunkeln zur Toilette finden?“
„Das klappt schon, als kleines Kind hat Monique ja auch rauf und runter gefunden“, nahm ich ihm die Bedenken.
Aber er hakte nach. „Ja, nur, eigentlich wollen Mutter und ich doch da oben schlafen? In unseren Betten schnarchen doch Ulla und Elli.“
„IHR schlaft auf keinen Fall da oben! Hömma, ihr seid keine 60 mehr! Ihr schlaft im kleinen Oma-Zimmer. Ein Gästebett kriegt ihr von Naukis. Dat is schön bequem und die Toilette gleich nebenan. Außerdem hat Nachbar Jürgen schon gesagt, du kannst auch bei ihm im Gästezimmer schlafen, damit du deine Ruhe hast.“
Empört legte mein Vater den Kuli aus der Hand. „Soweit kommt´s noch! In meiner goldenen Hochzeitsnacht schlafe ich außerhalb!! Kommt nicht in Frage.“
Ich musste direkt grinsen. „Hoho, da hat wohl einer was vor?“
Man soll es nicht glauben, aber gegen 16 Uhr hatten wir alle Karten ausgeschrieben.
Da grübelte es in meines Vaters Hirn wieder tüchtig.
„Was ist denn noch?“, fragte ich skeptisch.
„Und was ist mit Kusine Doris? Muss ich die nicht auch einladen?“
„Ich denke nicht. Die erkennst du ja nicht mal, wenn sie vor dir steht. Schönen Gruß auch an Frau Möricke vonne Sparkasse. So, ich glaube, wir haben es jetzt.“ Ich drückte mein Kreuz durch und legte alle Briefe auf einen Stapel.
Da besah er sich die Gästeliste, die wirklich ein bisschen kreuzdiequer aussieht. „Die schreibe ich nochmal ins Reine“, meinte er. „Am besten, in zweifacher Ausfertigung.“
„Weshalb denn bitte in zweifacher Ausfertigung?“, staunte ich.
„Auf der einen Liste trage ich dann ein, WER uns WAS geschenkt hat. Naja, nu guck nich so. Man muss das doch ungefähr wissen. Irgendwann sind wir ja wieder dran mit Schenken. Unsere Neffen und Nichten haben ja auch alle noch goldene Hochzeit.“
Als ich nichts sagte und die rechte Seite meiner Oberlippe verräterisch zuckte, grinste er.
„Ach so. Dann bin ich ja schon unter der Erde, wa. Aber denk an meine LED-Kopflampe, ich finde euch alle, egal wo ihr dann feiert.“
Texte: by laemmchen
Bildmaterialien: by laemmchen
Tag der Veröffentlichung: 19.07.2012
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