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Eigentlich ist es ganz leicht, einen Beitrag zu schreiben, in dem Portugal eine Rolle spielt.
Man muss nur einmal mit einer Mutter darüber reden.
Ich sprach kurz mit Meiner darüber.

„Du immer mit deinem Bockrex. Putz lieber mal wieder deine Fenster.“
Wobei ich sagen muss, dass meine Mutter um den Zustand meiner Fenster gar nicht wissen kann.
„Es heißt BookRix, Mama.“
„Sag ich ja.“
„Und? Was fällt dir nun zu Portugal ein?“
„Wieso denn überhaupt? Kannst du nicht einfach wieder was über Papa schreiben?“
„In diesem Fall eher nicht. Ich sagte doch, es geht in diesem EM-Thread...“
„Wo??“
„In der Gruppe Kurzgeschichten, in der Abteilung „Europameisterschaft 2012“, verbesserte ich mich, „ geht es um den Beitrag, den der Fußball für Völkerfreundschaft, Völkerverständigung, Freundschaft und Respekt leisten kann. Nix Ausländerfeindlichkeit, nix Ausgrenzung von Minderheiten, nix Politik, alle Menschen werden Brüder, wenn das runde Leder rollt. Weißte?“

Meine Mutter verdrehte die Augen. „Na, dass DIR da nicht selbst gleich was zu einfällt! Ich sage nur Parkfestspiele.“

Ich überlegte kurz und kam zu dem Schluss, in diesem Jahr gar nicht zum Parkfest gegangen zu sein. „Aha. Und in welchem Jahr war das Ereignis, das du meinst?“

„Du warst in der 10. Klasse und ihr habt dort gesungen.“

„Portugiesisch???“

„Nein, ihr habt doch nur englisch gesungen!“

Na so kamen wir nicht weiter. Und ich brauchte doch einen Bezug zu Portugal.

Schweigend pflückten wir Erdbeeren.

„Mama, muss ich ´nen Chip nachwerfen, oder redest du freiwillig weiter? Was war denn da nun?“

„Na, die ausländische Musikgruppe, die nach euch gespielt hat.“

„Jaaaaaaaa? Und?“

„Kind, das hast du ja anscheinend sehr schön verdrängt“, kam es seitens meiner Mutter.

Ich hatte plötzlich keine Lust mehr auf dieses Frage-Antwort-Spiel. Auch wollte ich vielleicht gar nicht wissen, was ich da so erfolgreich verdrängt hatte.
Oder doch?

Zurückgekehrt an den Hauptaustragungsort meiner gedanklichen Schwerstarbeit bat ich sofort GOOGLE um Hilfe.
„Portugal Musikgruppen“
Als eines der ersten Stichwörter sprang mich „FADO“ an.
Fado, hm.
Da dachte ich, ich kenne viele Gruppen...
Noch nie gehört.
Ich las und lernte, dass es sich bei FADO keineswegs um eine „Gruppe“ handelt, sondern um eine melancholische Liedform, die die Sehnsucht verherrlicht.
Der Fado entsteht nicht am Klavier oder an der Gitarre, nein, der Fado entsteht in der Seele – das ist die Magie dieser urigsten aller portugiesischen Musikrichtungen...
Aber am häufigsten, so las ich, sei der Fado direkt in jedem portugiesischen Landsmann anzutreffen. In jedem von ihnen stecke nämlich diese Melancholie, kombiniert mit der ungestillten Sehnsucht nach Liebe, Glück, Größe und auch Leiden. Hachjaaa...
Denn, so hieß es weiter, Leiden sei in Portugal eine Kunst an sich. Aha...
Und nichts könne besser diese Leidensfähigkeit erzählen, als eben ein Fado.
Youtube bescherte mir dann das entsprechende akustische Lehrmaterial.
Was HAB ich gelitten !
Vor meinem geistigen Auge sah ich ein paar adrette Jungs, urig bemantelt und ihre „guitarra portuguesa“ inbrünstig zupfend, auf der Bühne im Park stehen.



Es wurde Zeit, meine alte Kindergarten- und Schulfreundin anzurufen.
„Addi, meine Schöne, sag einmal, du kannst dich doch an unseren letzten Auftritt bei den Parkfestspielen erinnern?“ Bei Addi muss ich nicht in Frage stellen, ob sie sich daran erinnert. Die erinnert sich auch daran, wie mein Schlafkissen im Kindergarten aussah.

„You came in through the door - like the Trojan Horse...“, sang sie mir auch spontan ins Ohr.
Ich musste natürlich sofort einstimmen, brach dann aber nervös ab, denn es ging hier ja um Portugal.
„Jaja, dat waren noch Zeiten. Aber sag mal, nach uns spielte doch diese portugiesische Band, oder?“
Addi lachte.
Ach du Schreck! Da war also wirklich etwas, das ich verdrängt hatte.
Ich schwieg erstmal.
„Mann, Lämmchen, dass du vergesslich bist, dass du Manches durcheinander bringst, das weiß ich ja. Aber kannste mir mal sagen, was Portugiesen damals auszeichnen sollte, in der DDR zu singen?
Die durften doch gar nich, du Schaf. Vielleicht hat die DDR damals den Befreiungskampf des mosambikanischen Volkes gegen die portugiesische Kolonialherrschaft unterstützt??“

„Eins, setzen. Maaann Addi, was du noch so alles weißt.“ Ich ging auf und ab mit meinem Telefon am Ohr. „Das mit der portugiesischen Gruppe kommt ja nicht von mir, sondern von meiner Mutter“, wollte ich mich verteidigen.
„Nee, nee, Fräulein, deine Mutter lass mal schön außen vor“, lachte Addi.

Na bravo. Sie glaubte mir kein Wort. Und eigentlich hatte meine Mutter auch tatsächlich nur von einer „ausländischen Gruppe“ gesprochen, wenn ich mir das recht überlegte.
„Das ist jetzt auch eigentlich nebensächlich. Ich wollte nur wissen, was mit der Gruppe, die nach uns spielte, los war. Es waren doch aber wenigstens Ausländer, oder?“
„Siescha dat“, lachte Addi, „Das waren die mosambikanischen Marrabenta-Tänzer in ihren Baströckchen , mit diesen großen Schilden. Und du warst tierisch begeistert und hast hinter diesem Halbvorhang mitgehampelt.“
Ich nickte grüblerisch mit dem Kopf. „Die Marrabenta-Tänzer. Hm...“
„Und? Erinnerst du dich jetzt?“, fragte Addi.
„So vage“, log ich.
„Ich könnte mich immer noch wegschmeißen, wenn ich daran denke, Lämmchen! Wie dich der Vortänzer nach vorn geholt hat und du...hihihihahaha....“

„Sag mal, kennst du FADO?“, fragte ich versonnen.

„Jepp, aber das ist nun wieder was Portugiesisches“, grinste Addi durch den Hörer.

„Ich weiß.“

Impressum

Texte: by laemmchen
Bildmaterialien: by t-online-Newsticker und Google
Tag der Veröffentlichung: 27.06.2012

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Mein "EM - Strafarbeitswerk" als Pate für Portugal

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