Mein Vater hatte vor einer Weile seinen großen Garten abgegeben.
Meine Mutter meinte, es wäre an der Zeit, nun wo er 76 Jahre alt ist, endlich auch mal was am Haus zu machen.
Ja, ich denke auch, mit 76 wäre es an der Zeit.
Allerdings schleicht sich bei mir ein komisches Gefühl ein...
Er kommt auf sonderbare, wenn auch nicht gerade hausverschönernde Ideen.
Überhaupt scheint ihm am Haus als Solchem nicht das Meiste zu liegen.
Ich kann auch fehl gehen. Eventuell ist es momentan wirklich wichtiger, zum Beispiel Schuh-Einlegesohlen aus Teppichresten herzustellen.
„Hier, guck mal, die Grünen. Jürgen wollte den Teppich wegschmeißen.“
Nein! Doch nicht DIESEN wunderschönen Teppich, ne?
Den hätte ich mir auch im Ganzen noch in meine Wohnung gelegt. Aber wer denkt denn schon daran, mal zu fragen, ob ICH den Teppich vielleicht hätte haben wollen?
Man muss halt Prioritäten setzen und Schuh-Einlegesohlen sind auch sehr schlecht im Handel erhältlich.
Daher weisen viele Teppichreste, die auf dem Dachboden meiner Eltern gelagert werden, jetzt ebenfalls fußsohlenförmige Löcher auf.
Nicht, dass Jürgens Teppich nicht für alle Schuhe meiner Eltern gereicht hätte, aber mein Vater wollte gern Sohlen in verschiedenen Farben haben.
Ja, er macht jetzt wirklich manchmal merkwürdige Dinge.
Ich muss dazu sagen, dass mein Vater immer ein akkurater Handwerker und Tüftler war. Nur hat sich sein Sinn für das Schöne wohl etwas verschoben.
Dies fiel mir zum ersten Mal vor einem guten Jahr auf.
Nachbar Jürgen bot ihm eine gut erhaltene Kommode an. An der war alles in Ordnung...Bis mein Vater sie in die Mangel nahm.
Da ich diese Kommode bekommen sollte, wollte er sie noch extra fein machen. Das „extra fein“ war eigentlich nur ein Türknopf.
Insgesamt hat das Möbelstück vier Knaufe. Und einer von denen war ein Nachgemachter, da der Originalknauf wohl verloren ging.
Ich hätte damit leben können. Mein Vater nicht.
Er nahm die drei wunderschönen Originalknöpfe und den einen Nachgemachten ab und ersetzte sie durch uralte viereckige Riesenknaufe. Quadratisch, praktisch, gut...und so hässlich.
„So. Nun sind es wieder vier Gleiche. Mal gut, dass ich sowas immer aufhebe.“ Er war sehr zufrieden.
Muss ich erwähnen, dass meine Mutter die von ihm entsorgten Türknöpfe vor dem Verbrennen im Waschküchenofen gerettet hat? Ich habe sie heimlich wieder angeschraubt.
An mein kleines Weihnachtspferdchen mag ich gar nicht denken. Es ist ein Schaukelpferdchen aus bemaltem Styropor und wegen seiner Leichtigkeit nicht sehr standfest. GEWESEN.
Hätte ich es doch einfach mit Kaugummi standsicher gemacht...
Nun steht es auf einer Art Eisenbahnschwelle und ist mittels einer riesigen Schraube dort verankert. Also Kraft hat mein Vater, dass muss ich ihm lassen. DIE Schraube singt kein Pastor mehr los.
Leider hat seine Sehkraft nachgelassen und er trägt nun schon immer öfter eine Brille.
Vor Kurzem leistete er sich eine Neue, da er mit der Alten immer unsicherer wurde beim Autofahren.
Wenn er das schon zugibt, nehme ich an, dass er schon sehr, sehr schlecht sehen konnte.
Aber, wie gesagt, nun hat er ja seine neue Brille.
Ich gehe davon aus, dass seine neu erlangte Sehstärke Schuld war an folgendem Erlebnis.
Bei einem Einkauf im Supermarkt trennten wir uns kurzzeitig.
Als ich mit zwei Tüten Milch zum Einkaufswagen zurück kam, unterhielt sich mein Vater dort lebhaft und herzlich mit einer Frau. Das kam mir schon komisch vor, denn ich wusste gar nicht, dass mein Vater unsere ehemalige Sparkassenleiterin kennt.
Als wir wenig später im Auto saßen, grinste er über das ganze Gesicht. Ich sah ihn schief an. „Was is so witzig, Papa?“
„Na, dass ich meine Cousine mal wieder getroffen habe. Und dann noch beim Einkaufen, so ein Zufall.“
Ratter, ratter....Seine Cousine? Hatte ich gar nicht gesehen. „Echt? Wo hast du sie denn genau gesehen?“
Nun schaute er mich schief an. „Du hast ihr doch selber guten Tag gesagt! Bist du aber durcheinander.“
Ach du dickes Ei ! Meine Gedanken überschlugen sich und ich fragte schnell: “Hast du sie zur Begrüßung geküsst?“
Verschmitzt meinte er, sowas würde er nicht mal mehr bei meiner Mutter freiwillig tun und er hätte sie nur angedeutet umarmt.
Ich war für´s Erste erleichtert. „Und, habt ihr euch nett unterhalten?“
„Ja, so ein bisschen halt. Ich habe sie gefragt, mit wem sie denn unterwegs ist und was sie Schönes einkaufen will.“
Nun hielt ich es nicht mehr aus. „Papa, das war nicht deine Cousine, das war Frau Möricke, die ehemalige Sparkassenleiterin.“
Beinahe hätte er das Lenkrad losgelassen. „Was is los?! Das war doch Doris. Ich kenne doch gar keine Frau Möricke!“
„Jetzt schon, Papa. Und sie dich auch. Na hoffentlich denkt sie nicht, du wolltest sie anbaggern.“
Nach vielem Hin und Her meinte er schließlich, er würde von nun an auf gar Niemanden mehr zugehen, ja er würde überhaupt nicht mehr einkaufen gehen.
Letzteres hat sich zum Glück nicht bestätigt.
Ein waches Auge auf die nächsten väterlichen Bastelergebnisse und Erlebnisse hat
Euer Lämmchen
Texte: by laemmchen
Bildmaterialien: by laemmchen
Tag der Veröffentlichung: 04.02.2012
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