„WAS kochst du da?“
„Gulasch.“
Mein Sohn nickt. Aber ich sehe, er weiß überhaupt nicht, was er auf dem Teller zu erwarten hat.
Ich helfe nach. „Dieses gewürfelte Fleisch in der megaleckeren Soße, in die du die Kartoffeln so gern drückst.“
„Aaahhh! Ja. DAS geht ja schnell Mutter, gell. Die Fleischwürfel in die Soße schmeißen und dann backen lassen“
Ich wische das Messer ab. „Oder so, ja.“
Er ist kein ganz Dummer und bemerkt meinen Zynismus.
„Ja, dann erkläre es mir doch!“
Wo soll ich denn, bitte, da anfangen?
Er steht da, als wenn er demnächst eine Abhandlung über GULASCH schreiben müsste.
„Ähm, also, es wird nicht gebacken, sondern gekocht.“
„Also mit Wasser?“, fragt er nach.
Ich merke, er meint es in diesem Moment ernst. Er will mir wieder ein vermeintliches Familiengeheimnis entlocken. Er findet es immer so anheimelnd, etwas zu erfahren, von dem er annimmt, dass es etwas ganz Familiäres sei und mindestens aus der Zeit vor 1945 und/oder aus Pommern stammt.
„Auch mit Wasser, ja. Aber es fängt SO an.“
Und da setzt er sich wieder und guckt, als wenn ich ihm gleich ´ne Meerschweinchengeschichte vorlesen werde.
Ich nehme eine bequeme Haltung ein und beginne zu erklären.
„Gulasch ist ein wahnsinnig leckeres Essen, du kannst es mit Kartoffeln, Spätzle, Knödel oder Weißbrot geniessen.“
„Das ist praktisch, Mutter.“
„Ja, das ist praktisch. Also wir nehmen 1 Kilo Schweinefleisch.“
„Ist das teuer?“
„Junge, das muss jetzt eine Nebenrolle spielen, es geht um´s Rezept! Also. Und dann nehmen wir ein Kilo Rindfleisch.“
„Ist das teuer?“
„Ja, das ist schweineteuer!“
„Weshalb rastest du jetzt so aus, Mutter?“
„ICH RASTE NICHT AUS, ICH WILL DIR NUR ERKLÄREN, WIE GULASCH GEHT!!!“
„Ja, ist gut, was ist nun mit dem Schwein und dem Rind?“
Ich weiß, wie gutes Gulasch gemacht wird, bitte, aber diese Zwischenfragen...
„Zuerst schneidest du das Rindfleisch in mundgerechte Stücke.“
„Ist es dabei egal, wie groß der Mund ist?“
„Nein, wir gehen hier von ganz, ganz kleinen Mündern aus, gaaaanz kleinen Mündern. Versuche doch mal, einen so kleinen Mund zu machen und sei einen Moment still.“
...
Schweigen.
Ich wische mir die Augen. Nicht des Schweigens wegen, ich schneide eine Zwiebel.
„Wenn es dich zu sehr mitnimmt, dann machen wir lieber morgen weiter“, schlussfolgert mein Sohn also falsch.
„Morgen, mein Sohn, morgen soll das Gulasch fertig sein. Ich sollte also besser weiter machen.“
Er steht auf und schaut mir zu.
„Oma hat gesagt....“
„Oma? Ja dann frag doch Oma nach dem Rezept, wenn du meinst, ich mach es nicht richtig!“
Er setzt sich wieder.
„Habt ihr euch gestritten?“
„Wer?!“
„Oma und du.“
Ich zwinkere und wische mir die Augen. „Oma und ich? Ich streite doch nicht mit OMA!!“
„Dann ist gut. Was brauchen wir denn noch für das Gulasch?“
„Was hat Oma denn gesagt?“, frage ich nebenher.
Er stopft sich eine Mentholi und geht ans Fenster.
„Setz dich bitte nicht ins Fenster, ich kann da gar nicht hingucken!“
„Oma sagt: Kilo Fleisch gleich Kilo Zwiebel.“
DAS ist ja vielleicht gemein!! DAS hat sie von mir! Und ich wiederum habe es von einer ehemaligen Fast-Schwiegermutter.
„Das stimmt absolut. Ein gutes Gulasch machst du nur, wenn du genau so viele Zwiebeln nimmst, wie Fleisch“, antworte ich beschäftigt.
Aus dem Küchenfenster bläst mir eine Mentholzigarettenwolke entgegen.
„Ist echt gut, wenn man von seiner Mutter was lernen kann.“
„Ja. Aber manchmal lernen Mütter auch von ihren Kindern“, möchte ich einwerfen und tu dies auch.
Er springt aus dem Küchenfenster. Nicht nach draußen, sondern zurück auf den Boden der Küche.
„Nimmst du jetzt wirklich zwei Kilo Zwiebeln? Die passen doch gar nicht in den Topf?“ „Nicht, wenn ich sie im Stück reinwerfe. Der Topf, falls dich mal jemand fragt, heißt übrigens Bräter.“ Diese Bemerkung kommt gänzlich ohne Unterton aus, da er schließlich nicht wissen kann, was er noch nicht gelernt hat.
„Bräter. Aber man KOCHT das Gulasch, sagtest du vorhin.“ Er setzt sich wieder.
„Jaja. Aber das kommt erst später. Zuerst BRÄT man das Fleisch scharf an. Wenn du also das Rind...“
„Nee Mutter, das ist ja schlimmer als deutsche und englische Grammatik zusammen! Geht das nicht einfacher?“
Ich halte inne. „Ja. Büchse auf.“
Sein Handy klingelt.
„Jo Morten, was geht.... Morgen Mittag is gebongt....Ja meine Mutter kocht schon vor.... Wä? Was typisch Deutsches...“
Ich werde zwei Zentimeter größer. Jaja, da soll der Morten aus Oslo mal kommen. So ein Gulasch kann er mal suchen, das gibt’s in den teuersten Restaurants nicht.
„Mutter?“
„Ja?“
„Kannst du morgen Spaghetti Bolognese für Morten und mich machen?“
Texte: Rechte am Text und am Cover liegen bei mir
Bildmaterialien: .
Tag der Veröffentlichung: 20.10.2011
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