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"Es war ein verdammter Sonntagvormittag wie immer - nur Luna war nicht da."
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Ich hatte wirklich schon Haustiere, die nicht zu jedermanns Pullover passen.
Hund, Katze, Meerschwein, Ratte, Maus, Elefant…Nein, Elefant stimmt nicht, zwinker ;)
Wie sollte ein Elefant wohl auf meinen Balkon kommen?

Bei einem Neanderthaler sieht es da natürlich anders aus. Für den ist so ein bisschen Fassadenklettern ein Klacks.
Und – auf wessen Balkon legt er sich zum Ausruhen nieder?

Ich hätte ihn natürlich gern übersehen, so wie den toten Schmetterling, der neulich auf der Balkonbrüstung lag. Aber den hat der Wind mitgenommen.

Nur an diesem Sonntagvormittag lag eben ein Neanderthaler auf meinem Balkon. Und dabei dachte ich kurz zuvor noch :“Wieder mal Sonntag, toll. Was hat der, was ein Montag nicht auch hätte.“

Naja, eben einen Neanderthaler.

Ich hockte mich also, mit etwas Abstand, neben ihn und schaute zu Boden. So hat es Dian Fossey auch gemacht.

Ich stand noch mal auf. Irgendwie sollte ich schon etwas in der Hand halten, wenn er aufwacht…
Insektenspray.
Naja, es gibt leider noch kein Neanderthalerspray. Und wenn es das geben würde – ich hätte Bedenken gehabt, es einzusetzen.

Dann regte er sich und ich hörte zum ersten Mal diesen Hammerdröhnton. „Wrrroooluuu.“

Ich war gar nicht da, ich hielt mir die Augen zu.

„Wrrroooluuu!“

Ja schön, wrrrooooluuu! Wenn ich nur gewusst hätte, was das bedeutet!
Ich kann euch nur sagen: Das ist die schönste und intensivste Artikulation gewesen, die ich je gehört habe.

Ich würde in der Tat keinen fremden Menschen in meine Wohnung lassen.
Aber hier sah die Sache schon etwas anders aus.
Is ja kein Mensch, so ein Neanderthaler, gell.
Vielleicht wird er mal einer, wer weiß das schon.

Aber in diesem Moment war er eben kein Mensch.
Und wenn man kein Mensch ist, muss man auch keinen Wohnsitz angeben, keinen Ausweis haben, keiner Krankenkasse oder anderen Glaubensrichtungen angehören.

Und so kam es, das Neander und ich drei Monate miteinander verbrachten.

Er war ein stiller Beobachter meines häuslichen Lebens.
Er hatte noch diese… animalische Intuition. Wenn ihr versteht?

Ging es mir nicht gut, hockte er sich vor mich hin und „wrrroooluuu“te.
War mir danach Streicheleinheiten zu verteilen, hielt er so still, wie nur ein hypnotisiertes Kaninchen still halten kann.

Wir „lausten“ uns.
DAS war ein Spaß! Ich wusste nicht, dass Lausen sooo entspannend sein kann.

Nur an den verdammten Sonntagen, da musste ich Neander immer für eine gewisse Zeit verlassen.
Gottesdienst, you know?
Ich liebe Gott und seinen Sohn. Aber seit ich Neander hatte, wollte ich ums Verrecken nicht mehr aus der Wohnung gehen.

Freunden erzählte ich, ich hätte jetzt einen Welpen, Luna, den könne ich noch nicht allein lassen.

Unbewusst nannte ich Neander nun immer öfter Luna. Das entsprach auch in etwa seinem Mondgesicht und hatte immerhin eine Silbe im Namen, die er total gut beherrschte.

Wenn ich von den Gottesdiensten zurück kam, saß Luna-Neander immer vorwurfsvoll auf dem Balkon.

Ich wusste bis dato auch nicht, dass man vorwurfsvoll da sitzen kann. Aber er konnte es.
Die Schultern, die Ohren, das leicht aufgestellte Haar, alles sagte: “Reiche ich dir nicht aus? Warum gehst du sonntags zu Gott?!“

Dann war es immer an der Zeit, meine beiden Feuersteine zu nehmen und sie ihm hin zu halten.

Zack zack zack…. Und schon hatte mein Luna-Neander alle 10 Teelichter angefeuert.
„Wrrroooluuu.“, schnurrte es in seinem Brustkorb. Er war der Gott über das Feuer…
Und ich tat es den Lichtern gleich und flackerte und schien und lehnte mich an seine Schulter.

Warum ich in der Vergangenheitsform schreibe?
Am 08. Mai ging ich wieder zum Gottesdienst.
Als ich zurück kam…


Impressum

Tag der Veröffentlichung: 12.05.2011

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
30. Wortspiel

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