Cover

...

Espenlaub


Dort, wo ich noch bis vor einigen Monaten wohnte, gibt es eine gewaltig große und alte Zitterpappel.
Und das es sie immer noch gibt, ja das…. ist NICHT mein Verdienst.
Hätte aber beinahe sein können…

Vor 16 Jahren :

„Habt ihr DAS schon gehört? Die wollen ernsthaft unsere Pappel fällen!“

Ruth hat ganz rote Bäckchen vor Aufregung.
Seit 30 Jahren wohnt sie nun schon hier – und ungefähr so lange gibt es auch die Pappel auf dem Hof, direkt hinter dem Garagentrakt.
Sie ist höher als unser fünfstöckiges Haus und rauscht, was das Zeug hält.
An ihr vorbei müssen alle, die hinter den Garagen ihren Garten haben. Aber auch wer nicht an ihr vorbei geht, kann sie nicht übersehen und überhören.
Sie ist DER Sauerstofflieferant im Umkreis von … na ja, so ungefähr von drei Straßenzügen.
Und sie reinigt seit Jaaahren die Luft von den ekligen Staub- und Abgaspartikeln, welche vom nahe gelegenen Eisenwerk zu uns herüber wehen.

So manch Einem fiel schon mal der ein oder andere Ast beinahe auf den Kopf, denn der Wind zaust oft ordentlich in den alten, teilweise morschen Ästen.
Ich hingegen profitiere von den freiwillig hergegebenen Schätzen, denn ich mache so langsam aus dem Arbeitsgarten einen Naturgarten. Da können die Zweige, Äste und Stöcke gar nicht spektakulär genug aussehen!
Mein Raumteiler (Alles Vergangenheit, alles überstanden!!!!) kann dem leider so gar nichts abgewinnen.

Das ist sicher ein Grund von vielen, weshalb er jetzt dazu kommt und Ruth noch mal fragt: “Ernsthaft? Wann denn? Nicht das ich mein Auto dann hier zu stehen habe.“
Wir Mädels schauen uns mal wieder ungläubig an.
Ruth zuckt mit den Schultern, sie weiß es nicht genau.

Am nächsten Tag, Raumteiler ist zur Spätschicht, finden wir uns auf dem Hof zusammen.
WIR, das sind Ruth, ich, die kleine ältere Frau Krause mit ihrem kleinen Hund (der hebt so gern sein Beinchen an der Pappel), ein sehr dunkelhäutiger Mitbewohner und seine Frau nebst Kind.
Eine mächtige Streitmacht.
Alle anderen Bewohner tangiert das Thema entweder nicht, oder sie haben einen Raumteiler, der gerade frei hat…

„Es soll übermorgen schon passieren.“, jammert Ruth, deren Mann bei der Polizei arbeitet und der es ihr unter dem Siegel der Verschwiegenheit verraten hat. Uhrzeit, alles dabei.

Wir sind aufgeregt und haben echt Angst, dass übermorgen unsere alte Pappel fallen wird.

„Wir können uns anfassen und einen Ring um die Pappel bilden!“, sagt die kleine, alte, mutige Frau Krause und sieht ihren vertrockneten kleinen Hund an, als ob von seiner Zustimmung etwas abhinge.
Unser netter knackebrauner Mitbewohner nickt. „Das ist eine gute Idee. Reichen wir um Baum herum, um dicken Stamm?“
Der dicke Stamm wird alsdann von uns eingenommen.

„Ja, aber wir müssen uns schon mit dem Gesicht nach außen aufstellen.“, meine ich und mir flattern die Büxen vor Angst.
Der Pappel flattern auch die Blätter und ich liebe sie in diesem Moment noch mehr.

Als die anderen Kampfgefährten gegangen sind, setzen Ruth und ich uns in ihren Garten und schwelgen in Erinnerungen.
„Weißt du noch, wie eure Pinky (Katze) stundenlang in der Espe saß und nicht herunter wollte?“, fragt sie mich.
Ich lächle. „Ja, weil sie unbedingt dieses Eichhörnchen haben wollte, aber das schlaue Tierchen ist dann über die Garagendächer abgehauen.“
„Genau.“
Wir rauchen eine Mentholi.
„Und weißt du noch, wie du den blanken Hintern von Peter gesehen hast, als er so nötig aus der Hose musste und dachte, hinter der Pappel sieht ihn niemand?“, gicker ich los.
Der Blick aus unseren Küchenfenstern ist nämlich fantastisch, müsst ihr wissen.
„Oh nein, das vergesse ich bestimmt nicht.“ Ruth hält sich theatralisch die Augen zu.
Und dann sagen wir beide fast zeitgleich :“ Und wie sich der Nachbar immer so schön ärgert, wenn die Äste in seinen Garten fallen.“
Naja, so eine Pappel weiß eben auch, wer mal ein bisschen Aufregung vertragen kann, gell.

Der Nachmittag wird alt und der Abend jung.
Und wir beide sind mittlerweile die Helden schlechthin. Auch Dank des Rotweins.
„Na, die sollen nur kommen, mit ihren Hebebühnen und Motorkettensägen!“, droht Ruth bereits mit der Faust.
Auf dem Nachhauseweg bin ich so weinselig, dass ich an der Pappel, wenn auch nicht mein Nachtlager, dann doch mein Zwischenlager aufschlagen will.
Ruth, einiges an Jahren und Erlebnissen älter als ich, zieht mich hoch und meint nur:“ Heute Nacht passiert noch nichts. Lass uns hoch gehen. …piep… kommt gleich von der Schicht.“

An besagtem Tage und zu besagter Uhrzeit stehen Ruth, Frau Krause, und all die anderen (wenigen) Freiwilligen nebst meiner Ängstlichkeit Händchen haltend an der Pappel.

Nichts passiert.
Niemand kommt, weder nach einer Stunde, noch nach zwei Stunden.
Wir beschließen, dass Ruth mit ihrem Mann telefonieren soll.

Wenig später erfahren wir von Ruth, dass diese Aktion abgeblasen wurde. Vorerst gänzlich.
Nun würde ich euch gern erzählen, was oder wer den Ausschlag dafür gab.
Ich habe es aber schlichtweg vergessen. Ich weiß es nicht mehr. So einfach ist das.
Wahrscheinlich waren wir damals einfach dermaßen froh, dass wir diese Kleinigkeit nicht weiter abgespeichert haben.
Vielleicht hatte ja auch einer von den Mutigen damals gepetzt? Und die Baumfäll-Verantwortlichen hatten Manschetten, uns gewaltsam vom Baum zu zerren?

Ich werde Ruthchen noch mal befragen…

Impressum

Texte: Text by Laemmchen
Tag der Veröffentlichung: 27.04.2011

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Den "Grünen Riesen"

Nächste Seite
Seite 1 /