Wenn sich in unserer kleinen Stadt zwei betagtere Männer begegnen und du hörst den Wortwechsel "Ich geh zur Waschküche. Kommste mit?" , dann denk dir nichts heldenhaftes dabei. Die wollen nicht, emanzipierterweise in einen Waschsalon mit dem rustikalen Namen "Waschküche".
Das sind einfach begeisterte Anhänger von meiner Eltern Waschküche.
Meine Eltern haben auf ihrem allerliebsten "Anwesen" allerlei Stallungen. Die da sind : Wohnhaus, Veranda, Terasse, Hundezwinger, Hühnerstall, Schnittholzlager, Kaninchenfutterlager, Fahrradstall, Garage und - eben die Waschküche.
Mit viel Einsatz und Nervenverlust verschönerten sie immer mal wieder, "mit ohne" Geldpolster unterm Kopfkissen, den ein oder anderen Bereich ihres Anwesens.
Zuletzt die Waschküche. Nu isses auch schon wieder ein paar Tage her...
Was war meine Mutter erfreut über die neu gestylte Waschküche. Da würde ihr die große Wäsche doch viel lockerer von den Händen gehen... Sischa dat! ....
Mein Vater indes reinigte und umsorgte den alten Bollerofen in dem wunderschönen Refugium. Er sägte, hackte, zerstückelte Holz aus aller Herren Höfe. Alte Möbel, die nun den Weg allen Holzes gehen sollten.
Beim ersten Mal wars noch Unwissenheit.
"Erika", so stellte er seiner Frau in Aussicht, "Gleich kannst du dich in aller Wärme hier tummeln und vielleicht willst du ja hier in Zukunft auch bügeln?"
Nun schickte der Bollerofen die schönsten Wölkchen in den herbstlichen Himmel. Wisst ihr, wie Indianerstämme, die weit ab vom Schuss leben, sich verständigen? Genau. Jürgen, der Nachbar - und erklärter Ziehsohn meines Vaters, sah die Rauchschwaden und sich genötigt, mal nach dem rechten zu sehen.
Und so waren es schon zwei, die vor dem Bollerofen standen. Der Nachbar staunte nicht schlecht. „Das sieht ja aus wie neu hier! Da freut sich deine Frau aber, wa? Also, ich denke, wir sollten die neu gestaltete Waschküche erst mal einweihen. Ich hol mal´n Sechserpack rüber. Bin gleich wieder da.“
Ratter ratter ratter... Ein Sechserpack? Da brauchts aber eine gute Grundlage. Und so hielt mein Vater Ausschau nach meiner Mutter. „Erika! Erika! Hast du grad ne Hand frei? Machst du mal ein paar Schnittchen für Jürgen und mich?“
Meine Mutter hätte nun zwar lieber gleich einmal die große Wäsche in „ihrer“ neuen Waschküche gemacht, aber das würde sie ja immer noch schaffen.
Und so traf auch gleich, kurz nach Jürgen und dem (dann doch) Kasten Bier, das Tablett mit den Schnittchen ein. Erika staunte nicht schlecht, als sie die beiden Herzbuben gemütlich am Tisch sitzen sah. „Wollt ihr euch länger versammeln? Warum setzt ihr euch denn nicht in die Veranda, da ist es doch gemütlicher.“
„Das geht jetzt nicht mehr. Da wohnt doch jetzt Rudi, Und Jürgen hat eine Meerschweinchenallergie.“
„Jaja, von wegen.“, murmelte meine Mutter. „Dann geht doch auf die Terrasse. Wofür haben wir die denn sonst? Ist doch so schön da.“
„Ja, aber da steht doch immer dein Wäscheständer!“ „M E I N Wäscheständer? Toll. Da hängen d e i n e Buxen drauf, mein lieber Mann. Nimm sie doch ab.“ „Liebe Frau, das habe ich schon gemacht. Aber du hast ja gleich wieder hundert Handtücher hingehangen.“
Nun gab meine Mutter klein bei. In den Hundezwinger oder den Hühnerstall wollte sie die Jungs dann doch nicht verweisen.
„Aber stellt den Kasten Bier in den Keller! Wie sieht denn das aus. Wenn einer kommt.“ (Ja wie sieht das wohl aus?? Ach nee...)
Dann eilte sie ins Haus zurück, um wenigstens noch ihre Lieblingsseifenoper zu Ende zu gucken.
Nun ist es recht praktisch angelegt, von der Waschküche, nur durch eine Schiebetür getrennt, führen fünf Stufen hinunter in den Keller ....
Jürgen und mein Vater brachten also den Kasten Bier hinunter.
Nun, einmal im Vorratslager gelandet, beschloss man, doch mal „ganz kurz“ nach dem Rumtopf zu sehen. Eine Kelle war schnell zur Hand, da sie bereits auf dem Teller neben dem Rumtopf lag. Na, wenn das keine Einladung ist...
....... „Hm – und die Kirschen, hicks.. die sind ja, hm... „
Während des klopfte es im Wohnzimmer, wo meine Mutter tief in die Handlung ihrer Seifenoper eingetaucht war, am Fenster. Sie schrak vom Sessel hoch und öffnete das Fenster. Peter, der Bekannte von schräg gegenüber wollte nur wissen, ob sich das alte Bett, welches er letztens auseinandergenommen und her gebracht hatte, denn gut verheizen lässt. „Na warum denn nicht? Aber du kannst ihn ja selber fragen, geh mal zur Waschküche.“ „Ach habt ihr die jetzt fertig gemalert? Na Erika, da kannst du ja in Zukunft.....“ Der Rest ging im Knarren der Hoftür unter.
Dort angekommen traf Peter auf die beiden fröhlichen Freunde und pfiff anerkennend. Wohl auch um die neu hergerichtete Waschküche zu loben. „Ich sei, gewährt mir die Bitte, in eurem Bunde der Dritte:“
Nach kurzer Zeit zückte Peter sein Handy. Mein Vater war nun nämlich Willens, allen Männern der Stadt Zuflucht , Wärme und Rumtopf zu geben. Er hieß seinen Kumpel, mittels dessen Handy den gemeinsamen Freund Horsti her zu befehligen.
Klingelingeling, da kam er dann auch angeradelt.
Längst waren die Schnittchen Geschichte und man behalf sich bereits mit selbsteingelegten Gürkchen und Halberstädter Würstchen aus dem Keller.
Es ging ans Witze erzählen. Wer keinen wusste, hatte Pech. Wer einen wusste, hatte Glück, er durfte dann jedes Mal den Bollerofen mit einem Stück des zersägten Bettes bestücken.
Was war das wohl für eine Mordsgaudi ... Jedenfalls für Jürgen. Da er Lehrer ist, hört er von seinen Schülern täglich mehr oder minder stubenreine Witze.
Etwa gegen 18.30 Uhr (ca. zwei Stunden danach) trudelte auch ich mal wieder bei meinen älteren Herrschaften ein, um sie für die geleistete Maler- und Aufräumarbeit in ihrer Waschküche zu loben.
Ich hörte bereits am Hoftor : “Oooh du schöhöhöner Wehehesterwald, Eukalyptusbonbon...“
Na, damit kriegt man mich ja.. Wo man singt, da lass dich ruhig nieder. Böse Menschen kennen keine Lieder. Ausgebremst wurde ich allein von meiner Mutter. „Geh da jetzt blos nicht rein!“ „Hallo Schnuddelmutsch! Ich grüße dich auch.“, und schmatzte ihr erst mal einen drauf. Sie erzählte mir in Kürze, was sich bisher zugetragen hat. Und das sie nun Bedenken hätte, denn mein Vater könne doch „gar nichts mehr ab“! „Ich könnte doch nur mal kurz die Lage überprüfen. Vielleicht kann ich Papa ja rauslocken.“, bot ich an.
Eigentlich finde ich es mehr als unangenehm, auf eine Gruppe angetrunkener Männer zu stoßen. Aber bevor die meinen ganzen Erbteil versaufen? Der schöne Kellerbestand! Und ab dafür...
„..Sie war das allerschönste Kind, das man in Polen find, aber nein, aber nein, sprach sie, ich küsse nie!“ , schwoll mir dreistimmig (mindestens) entgegen.
Das erste was ich sah, war der glühende Bollerofen und die ebenso glühenden Augen meines Vaters. Und schon setzte er an :“Ei wer pommt denn da, ei wer pommt denn da?“ Und Ziehbruder Jürgen :“Komm, Schwesterchen, du kennst doch bestimmt einen Witz?“ „Wenn ja, krieg ich dann meinen Papa wieder?“ Das sollte reichen. Allgemeines Schenkelklopfen.
Ich zog wieder von hinnen, da ich von Seiten meines Vaters keinerlei Bereitschaft erkannte, diese Runde aufzuheben. Nun mussten schärfere Geschütze aufgefahren werden. „Mama, hol mal Brigitte rüber. Die ist resolut, die bringt zumindest Jürgen dazu, aufzustehen.“
Als Brigitte dann kam, verabschiedete ich mich.
Ich erfuhr am nächsten Tag, das es noch einer weiteren Stunde und einer weiteren Ehefrau bedurfte, die Runde aufzulösen.
Mein Vater räumte am Tag danach ganz brav die Waschküche auf und reparierte den Bollerofen.
Der Rumtopf und die Kiste Bier aber waren dahin.
Nie wieder trug sich Derartiges in meiner Mutter Waschküche zu.
Jedenfalls nicht mehr so extrem.... Die Waschküche dient aber seither noch immer als Stammtisch.
Und manchmal darf meine Mutter auch darin waschen.....
07.02.2010
Heute erfuhr ich, dass mein Vater die Besucher der Waschküche dahingehend erzogen hat, dass diejenigen, welche keine eigenen Getränke mitbringen, einen Euro auf den Tisch legen.
Nun habe ich Bedenken, dass sich bald das Gewerbeaufsichtsamt melden könnte...
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Tag der Veröffentlichung: 23.10.2009
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