Ich erinnere ich gut an die Zeit, in der der Alkohol mein Leben bestimmte und mein täglicher Begleiter war.
Mein Vater trank jeden Tag, schon als kleines Mädchen machte mir das zu schaffen, denn wenn er von der Arbeit kam, stand sein Alkoholspiegel fast auf Null, er bekam schlechte Laune und kurz drauf war er weg. Ging er doch sonst so gemütlich und langsam, der Weg zur Kneipe am Ende der Straße war immer sehr schnell geschafft. Kaum war er vor der Türe, so war er einen Augenblick später nicht mehr zu sehen.
Da scheint er sich wohl zu fühlen, aber warum? Ich konnte es nicht verstehen, sagte er auch immer wieder „ Da gibt es Leute mit denen man sich unterhalten kann, was soll ich zu Hause?“
Ok, meine Mutter arbeitete immer schon, sie hatte Ihr eigenes Geschäft, welches direkt unter unserer Wohnung lag, aber Zeit hatte sie nie, da musste ich ihm Recht geben.
Wenn mein Vater dann Abends spät aus der Kneipe kam, war er stark alkoholisiert, schwankte stark und seine Aussprache war sehr undeutlich. Wenn es doch nur das gewesen wäre, wäre meine Kindheit wie die vieler anderer Kinder gewesen, aber so einfach hat er es uns nicht gemacht.
Kaum zu Hause, fing er Krawall an, wegen Kleinigkeiten, wegen Lappalien, immer wieder jeden Tag dasselbe und immer wurde ich durch sein Schreien wach und fing bitterlich an zu weinen. Niemand war da der mir Trost spenden konnte, mich einfach mal in den Arm nahm, ich saß aufrecht in meinem Bett und hatte Angst er würde es wieder tun.
Ja, er tat es, er schlug auf sie ein, schließlich gab sie ihm Widerworte. Das durfte sie nicht, nein er war der Herr des Hauses und alles musste so sein, wie er es verlangte.
Warum sollte er es sich gefallen lassen? Schließlich ging er den ganzen Tag hart arbeiten, da durfte man doch verlangen das einem zu Hause das Leben schön gestaltet wird und einem die Wünsche von den Augen abgelesen wurden. Ja genau so wie es Mutter damals nach dem Tod des Vaters auch mit ihm und seinen Brüdern gemacht hatte.
Sie schreite auf und weinte bitterlich, voller Furcht, aber sie blieb stumm und sagte nichts, machte was er von ihr verlangte, nur damit endlich Ruhe einkehrt, damit de Nachbarn nichts mitbekommen und bald würde er auch schon auf der Couch liegen und schlafen, dann kann sie in Frieden ins Bett gehen.
Ja so ging es Tag ein Tag aus, immer und immer wieder. Wieso hat er nicht mal mit uns gespielt? Warum war er immer nur für andere da? Wieso ging er immer in die Kneipe?
Niemand konnte mir eine Antwort geben.
So oft hat Mama da gesessen vor lauter Verzweiflung wollte sie die Scheidung einreichen, aber nie hat sie es getan, WARUM MAMA?
Wir hätten es so schön haben können…….
Die Jahre vergingen, ich wurde zum Teenager, und immer noch begleitete mich Tag ein Tag aus der Alkohol. Immer wieder musste ich die Ausbrüche meines Vaters miterleben, sah wie meine Mutter darunter litt, doch ich konnte ihr nicht helfen, ich hatte noch nicht die Kraft mich vor sie zu stellen, war ich doch tief im innersten ein kleines Kind, das jeden Abend wach im Bett saß und darauf wartete, das er Heim kam und sie anschrie, sie schlug, sie dann weinte und alles so machte, wie er es verlangte.
Ich schwor mir, niemals wirst du einen Mann an deiner Seite haben, der das mit dir macht, kein Mann wird dich jemals schlagen. Mein Mann sollte fürsorglich und liebevoll sein, sich rührend um die Kinder kümmern, wenn er von der Arbeit kam und täglich ein wenig mit ihnen spielen, bevor sie glücklich in die Betten gingen, doch was wurde aus meinen guten Vorsätzen?
Mit 15 Jahren lernte ich einen Mann kennen, der vierzehn Jahre älter war als ich. Ich hatte mich in ihn verliebt, so glaubte ich zu diesem Zeitpunkt.
Er hatte eine eigene Wohnung, hatte einen festen Arbeitsplatz, und Abends trank er sich sein Feierabendbierchen.
Das allein hätte mich abschrecken müssen, doch er war doch ANDERS!
Wenn er getrunken hatte, wurde er so lustig, machte Witze und kam bei allen gut an.
Ich wartete täglich auf ihn, nach drei Jahren verlobten wir uns, zogen zusammen, ein Jahr später heirateten wir, alles lief perfekt, ich hatte meine Ausbildung, wir wohnten in einer kleinen Wohnung und hatten unser Leben im Griff.
Egal wohin wir fuhren immer war er angetrunken und sein Bier brachte er sich von unterwegs mit. Immer hatte er wenigstens drei Flaschen dabei. Niemand lud uns noch gerne ein, warum auch sie wussten ja was passieren würde. Er hatte die Flaschen bald leer, schickte mich Nachschub holen und das Ende des Besuchs zog sich bis spät in die Nacht hinein.
Dann kam der Tag an dem ich bemerkte, das er gar nicht arbeiten ging, er fuhr all die Jahre nebenbei Taxi, aber seinen festen Job hatte er verloren. Warum?
Nun ja er war jung, er würde schnell was neues finden, durch den Nebenjob kam ja immer noch genug Geld rein.
Doch irgendwann machte sich eine Ungewissheit breit, und dich fing an nachzufragen. Doch darauf reagierte er sehr empfindlich, er würde schon alles regeln.
Ok dachte ich wenn er es sagt, dann brauche ich mir keine Sorgen zu machen.
Heute denke ich wie blauäugig ich doch war.
Jeden Morgen war er so träge, ich versuchte ihn zu wecken doch vergebens, im Schlafzimmer roch es stark nach Bier. Als ich ihn endlich soweit hatte das er aufstand, meinte er nur kühl „Dann fahr ich halt in die Spätschicht.“
Nach einer Weile rief sogar der Betrieb früh morgens schon an, wo der Herr bliebe, er könne bald die Koffer packen und sich einen anderen Job suchen….
Wo war er geblieben der Mann, der sich um seine Familie sorgte…
Nun war ich fast 21 Jahre, stand vor der Geburt meines ersten Kindes und mein Mann wurde von Tag zu Tag träger. Aber ich gab die Hoffnung nicht auf, das es nur eine Phase war, die ganz bald vorüber war.
Aber es kam so wie es kommen musste. Er verlor seinen Job, wurde noch viel träger und trank immer mehr. Von dem wenigen Geld was wir nun zur Verfügung hatten drehte ich jede Mark zwei und auch dreimal um, aber er schoss es zum Fenster raus, und ich musste zusehen, das mein Kind nicht zu kurz kam bei seinen Höhenflügen.
Selbst vor dem Ersparten für unser Kind machte er keinen Halt.
Ich habe es ein paar Jahre ausgehalten, doch dann ertrug ich es nicht mehr. Ich ging alle Wege um in ein eigenes Leben starten zu können. Alles heimlich, denn ich hatte Angst vor dem was kommen würde, würde er es erfahren.
Ich nahm vor lauter Angst vor dem Aus so viel an Körpergewicht ab, das selbst meine Mutter sich schon Sorgen machte, doch was sollte ich ihr sagen? Ich habe meinen Mann Jahrelang in Schutz genommen, sollte ich ihr jetzt sagen das ich sie all die Zeit belogen hatte? NEIN!
Ich schaffte den Absprung, aber es hatte lange gedauert. Ich fühlte mich so hilflos, so alleine, wollte mich jemandem anvertrauen, doch wo waren all meine Freunde?
Seit ich meinen Mann kennen gelernt hatte, hatte ich keine Freunde mehr, ich habe sie alle im Stich gelassen, aber warum? Ja , ich wollte doch nur für meine Familie da sein, stand 100% hinter ihr, aber wo bin ich dabei geblieben?.... irgendwo ganz weit hinten.
Nach langem Überlegen sprach ich dann doch mit meiner Mutter darüber, sie hatte es schon geahnt, doch nie etwas gesagt, aber sie stand hinter mir, versprach mir das ich in der Zeit, bis ich eine Wohnung hatte bei ihr bleiben konnte, ich war so dankbar!
Nun gab es kein zurück, ich sah mit eine Wohnung an, sie war groß genug und ich nahm sie sofort, auch wenn sie nicht die schönste war, aber ich würde es uns schon nett machen dachte ich mir als ich durch die einzelnen Räume ging.
Ich malte mir aus wo was stehen würde, ja ich hatte den Entschluss gefasst, das sollte unser neues Heim werden. Ich unterschrieb den Mietvertrag.
An dem Tag als ich die Möbel aus der Wohnung holen wollte, hatte ich meine Geschwister mit Partnern zur Unterstützung bei mir, sie wollten helfen beim auseinanderbauen und transportieren.
Als ich in die Wohnung kam, war niemand da, also hatte er sich auf und davon gemacht, ich habe mich gefreut, das das so reibungslos ablief doch ich hatte mich geirrt… nachdem wir die erste Fuhre weggeschafft hatten und zurück an der gemeinsamen Wohnung ankamen, stand er hinter der abgeschlossenen Türe.
An seiner Stimme hörte man schon das er betrunken war.
Nur ich durfte die Wohnung betreten, meinte er. Ok dachte ich geh alleine rein und wenn der Moment passt lässt du die anderen herein, dann kann er nicht anders.
Als ich in der Wohnung war, sah ich das Elend vor mir, sturz betrunken war er, kaum noch in der Lage sich grade zu halten. Er diskutierte lauthals mit mir und griff mich an.
Er stieß gegen meine Schultern, so das ich zurückflog gegen den Türrahmen, ich spürte diesen tiefen Schmerz, wohl weniger den Schmerz an sich, nein es war die Erinnerung an meine Kindheit, in der meine Mutter das täglich von meinem Vater zu spüren bekam.
Wut stieg in mir auf, ich hatte mich schnell wieder gefangen, stieß ihn bei Seite und drückte die Klinke runter so das man von außen dagegen stoßen konnte.
Mein Schwager wollte ihn beruhigen, doch er wurde aggressiv…
Wir haben ihn links liegen lassen und die letzten Teile aus der Wohnung geschafft.
Nun ging es in die neue Wohnung. Unterwegs brach ich in Tränen aus, wieso hatte ich mich so in diesem Menschen täuschen können? Wie konnte er sich so gut verstellen? Heute hatte ich ihn das erste mal wirklich kennen gelernt.
Am Abend saß ich in meiner Wohnung, doch was hatte ich? Im Grunde nichts…
Das was ich aus der Wohnung geholt habe, waren meine persönlichen Sachen, die Zimmer von den Kindern und den Trockner.
Von meiner Mutter habe ich eine Couch vom Dachboden geholt, da stand auch ein kleiner Fernseher, ja und die Küche habe ich mir neu gekauft, das erste was ich selbst angeschafft habe, ok, auf Raten, doch das würde ich in kürzester Zeit bezahlt haben.
Das was ich an Geld hatte musste ich ja erstmal in die Renovierung der Wohnung stecken, die war jetzt frisch renoviert, man roch noch leicht die Farbe, aber ich empfand es nicht als unangenehm, sondern als sehr angenehm, es war neu, es war mein, ja MEIN!
Nach etwa 1,5 Jahren war meine Wohnung endlich komplett eingerichtet, und wir konnten uns richtig wohl fühlen. Oft habe ich zu hören bekommen das ich dumm sei, mir nicht das Geld für die Möbel beim Amt geholt habe, aber ich wollte das nicht. Ich hätte mich geschämt, ja geschämt, … warum weiß ich selbst nicht, doch ich hatte es geschafft.
Doch jetzt kam eine Zeit auf mich zu, in der ich mich selbst nicht wohl fühlte. Warum wusste ich selbst noch nicht.
Es ging mir doch gut, ich ging vormittags in einem Haushalt putzen, hatte genügend Geld zur Verfügung und gönnte mir was ich wollte. Oft ertappte ich mich Abends dabei, das ich immer öfter Essen bestellte, ja ich belohnte mich für das was ich geschafft hatte, was sprach auch dagegen?
Nach zwei Jahren mit meinem Kind fühlte ich mich aber so einsam, ich kaufte mir einen Computer, legte mir einen Internet- Anschluss zu damit ich nicht ganz von der Welt abgeschottet war, denn ich konnte ja nicht von zu Hause weg, da war ja noch mein Kind, was ich nicht in die Hände eines Fremden geben wollte, damit ich raus kam. Was dann auf mich zukam hätte ich mir nie zu träumen gewagt, so viele Dinge, die ich im Internet entdeckte.
Foren, Chats und Communitys, und vor allem Singleseiten. Männer die mich gerne kennen lernen wollten, viele fielen mit der Türe ins Haus und sagten das sie nur das eine wollten, aber das war nicht das was ich wollte.
Ich suchte die Geborgenheit, die ich nie hatte, einfach mal in den Arm genommen werden, Liebe spüren, merken das man gebraucht wird, damit der Partner glücklich ist.
Dann kam er auf mein Profil, seine Augen haben mich fasziniert, wir schrieben miteinander.
Er hatte so eine charmante Art an sich, so liebevoll konnte er sein, doch er hatte auch bereits eine gescheiterte Ehe hinter sich und mit der Zeit erfuhr ich wieso diese in die Brüche gegangen war. ---------- ALKOHOL -------
Ein Stich ins Herz und meine Vergangenheit holte mich ein.
Doch dann erfuhr ich das er für sein Kind dem Alkohol den Kampf angesagt hatte und seit drei Jahren trocken war. Ich wollte diesem Mann kennen lernen der sein Leben umgestellt hatte um sein Kind sehen zu dürfen.
Wir lernten uns recht schnell kennen und ich verliebte mich auf Anhieb in ihn.
Doch er wollte es nicht, er hatte Angst noch mal allein gelassen zu werden, noch mal tief zu fallen, denn das wäre sein Untergang, der direkte Weg zurück in die Hände seines Feindes
den Alkohol.
Es gab einen langen Weg den ich gehen musste um ihm zu beweisen das ich es ernst meinte, und nach einen guten halben Jahr war auch er bereit es zu versuchen eine Beziehung mit mir zu beginnen.
Jetzt sind wir fast zwei Jahre zusammen, er hat mir einen Heiratsantrag gemacht und ich bin die glücklichste Frau auf Erden.
Nach wie vor geht er in die Selbsthilfegruppe, um nicht wieder rückfällig zu werden, weshalb ich sehr stolz auf ihn bin.
Natürlich wird es in unserer gemeinsamen Zukunft Höhen und Tiefen geben, aber wir werden sie gemeinsam meistern und den Weg gemeinsam gehen.
Tag der Veröffentlichung: 20.07.2009
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