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Kurz-Krimi

Das Telefon schrillte grell in die Stille des Raumes. Michael, in seine Arbeit versunken, hebt gedankenverloren den Telefonhörer ab: „Ja, ja ist schon gut. Mache das nur so. Du weißt ja Bescheid!“ Sagt er und ist schon wieder bei seinen Büchern. Aus zwei großen schwarzen Lederkoffern nimmt er Band für Band heraus und macht eine Liste von den Büchern. Bei dem einen oder anderen verweilt er länger. Vor allem beim neuesten Krimi hätte er sich beinahe festgelesen. So spannend! Man fand eine Leiche mit abgehackten Händen...Nein, Michael

konnte nicht weiterlesen. Da war die Verabredung in der Eck-Kneipe! Mit Karli hatte er noch einiges für die Frankfurter Buchmesse zu besprechen. Morgen gehörten sie zur Standbesetzung ihres Verlages. Und jetzt am Abend beschäftigte sich Karli bei einer Flasche Bier fast nur mit diesem fragwürdigen Individuum. Schmierige Haare, liederliche Kleidung. Er sprach mit einem komischen Akzent. Karli drehte dabei immer nervös an seinem dicken Siegelring. Wollte etwa der Fremde diesen haben?. Fast im Streit trennten sich die beiden Verleger sehr spät.

 

Am nächsten Morgen schien es, dass Michael als Allererster die Messehalle III betrat. Er war extra von seinem Domizil am Rande von Frankfurt sehr zeitig aufgebrochen, musste er doch aus seinem Korridor diese zwei schwarzen Lederkoffer mit den Ausstellungsbüchern transportieren. Außerdem hatte er es verschlafen und war in großer Hektik losgegangen.

Die Lampen warfen ein diffuses Licht. Seine Schritte hallten. „Mein Gott“, sagte er sich,

„wenn hier jemand hinter dem Vorhang einer Koje hervorkäme mit einem Messer...“Es war gespenstisch in der großen leeren Halle! Michael schüttelte weitere Gedanken von sich ab.

Er stellte die Lederkoffer hin, sie waren so schwer! Warum fühlt sich der eine nur so eiskalt an? Dann war er an seinem Stand angekommen. Mit Mühe wuchtete er die Koffer auf den

Tisch. „Verdammt,“ sagte sich der Verleger, „so ein lautes Geräusch!“ - Wieder war es still.

Michael wollte nun die Bücher in die Regale stellen. Er öffnete den einen schwarzen Koffer.

Und erschrak fast zu Tode!

 

Eine Hand sprang ihm entgegen! Die Finger gespreizt – als ob sie nach ihm greifen wollten! Das Licht flackerte. Totenstille! An dem einen Finger ein Siegelring! Michaels Gedanken rasten. Wo war Karli? Längst hätte er hier sein müssen. Jetzt hörte Michael viele Geräusche und Stimmen, die Kollegen anderer Verlage trafen ein. Seine Gedanken rotierten: Was ist

hier los? Wer hat die Hand abgehackt? Wie kommt sie in den schwarzen Lederkoffer? Was soll ich machen? Fast mechanisch griff er zum Handy und wählte die 110.

 

In nicht allzu langer Zeit war sein Stand unauffällig, doch hermetisch abgeriegelt. Draußen nahm die Buchmesse ihren Lauf, hier in der Koje wurde Michael verhört – als Mörder. Seine Tascheninhalte musste er leeren und neben sich legen. Behutsam legte er das Handy aus der Hand.

 

Der Inspektor der Kriminalpolizei fragte mit sehr ernstem Ton: „Und sind sie sich sicher, dass dies der Siegelring ihres Kollegen Karli ist?“ Nein Michael war sich gar nicht sicher.

 

Da schrillte sein Handy! Der Inspektor griff sofort danach, meldete sich aber nicht. Er hörte eine aufgeregte Stimme am anderen Ende der Leitung: „Schwarzer Lederkoffer... zur Untersuchung einer ganz speziellen Fraktur... Siegelring Eigentum der Ehefrau... großes

Versehen... Bitte um schnellsten Austausch...“

Wieder und wieder ließ sich der Kriminalist den Namen des Anrufers sagen. Er beendete das Gespräch. Der Hauch eines Lächelns huschte schemenhaft über sein Gesicht. Dann fragte er Michael streng: „Welchen Beruf hat ihr Bruder? Und wie ist sein Vorname?“ Die Antwort war: „Mein Bruder Hans ist Pathologe“ „Was ist sein spezielles Aufgabengebiet?“ „Er seziert Leichenteile mit besonderen Krankheiten.“ „Hat ihr Bruder einen Schlüssel zu ihrem Korridor?“ Wieder eine Frage, und die Antwort darauf: „Ja, er übernachtet manchmal bei mir oder er stellt auch Sachen bei mir ein.“ – „Wie hier in ihrem Fall,“ sagte der Inspektor, „einen schwarzen Kühlkoffer, der für´s pathologische Labor bestimmt war, während sie, Michael, in der Eck-Kneipe waren. Als Verleger haben sie dann den falschen Koffer mitgenommen.“ In Sekundenschnelle hatte Michael die Situation durchdacht und platzte förmlich mit der Frage heraus: „Da hätten doch drei Koffer in meinem Korridor stehen müssen? – Sofort wurde ein Polizist in die Wohnung des Verlegers beordert. Und er fand das gewisse Etwas auch, halb hinter einen Vorhang.

 

Das Verhör brach der Kriminalbeamte ab. Der erstaunt wartende Karli wurde aufgeklärt. Die Regale konnten mit allen Büchern gefüllt werden. Die Frankfurter Buchmesse war gerettet. Für Michael und den Verlag.

Und wo die sezierte Hand im Kühlkoffer hinkam, kann man sich denken ...

 

 

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Tag der Veröffentlichung: 20.11.2016

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