Er hieß Joseph. Wir nannten ihn aber "heiliger Joseph", auch wenn er das gar nicht gern hörte. Zum einen trug er einen gepflegten Kurzbart, und zum anderen hatte er etwas Vertrauen erweckendes an sich. Joseph war einer, zu dem man aufschauen konnte. Er hatte eine mittelgroße Statur. Für meine Begriffe war er "dröge". Ein Mann ohne Esprit, auch wenn er den einen oder anderen gern mal zum Besten hielt.
Seine Frau war keine "Maria", eher eine "Zicke", dünn und sehr groß. Wir mochten sie nicht. Oft holte sie ihn von der Arbeit ab. Sie hatten keine Kinder. Joseph liebte seine Frau über alles. Einen Seitensprung konnte man sich bei ihm nicht vorstellen. Er war prinzipientreu - eben ein Mathematiker.
Wir waren eine Gruppe der zehn jüngsten Mitarbeiter im Institut, alle so um die Dreißig. In der Mittagspause saßen wir meistens zusammen an einem Tisch in der Kantine. Eines Tages kam das Thema "was finden Männer wirklich sexy" auf den Tisch. Zu meinem Erstaunen war es nicht der Busen oder der Po. Kriterien wie Naürlichkeit und Freundschaft standen an oberster Stelle. Auch Fröhlichkeit war sehr gefragt. Ich war erstaunt, denn nichts schien Männer mehr anzumachen als gute Laune. Lachen macht also sexy! Für Joseph waren Verläßlichkeit und Intelligenz ausschlaggebend.
An einem Freitag verabschiedeten wir uns nach Dienstschluß. Es stand ein warmes, sonniges Wochenende bevor.
Am Montag früh dann eine lebhafte Begrüßung. Jeder erzählte, wie er die beiden Tage verbracht hatte. "Na, Joseph, wie war`s bei Dir?" Als Letzter war er an der Reihe. Da er zögerte, waren alle Augen auf ihn gerichtet. Man hätte eine Stecknadel zu Boden fallen hören. Dann sagte er - und ein Glitzern lag in seinen Augen: "Ich hatte Gruppensex".
Alle waren erschüttert. Unser "heiliger" Joseph und Gruppensex. "Weiß das Deine Frau?" Tausend Fragen auf einmal! "Na klar, sie war doch dabei!"
"Wieso das?" Und Joseph anwortete: "Zwei sind eine Gruppe - in der Mathematik!"
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Tag der Veröffentlichung: 03.07.2009
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