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Vergangenen Freitag war ich wieder einmal etwas in Eile. Diesmal besonders, da gleich im ersten Schulblock eine Schulaufgabe anstand, zu der ich nicht zu spät kommen durfte. Dennoch wollte ich zwischen Arbeit und Schulbeginn schnell noch einige Kleinigkeiten einkaufen (schließlich muss bei einem schriftlichen Test auch der Zuckerpegel gehalten werden). Es regnete, und so steuerte ich den der Eingangstür am nächsten gelegenen, freien Parkplatz an.
Zielgenau parkte ich in Maßarbeit ein, denn mein Nachbar zur Linken machte sich breit. Ja, er schaffte dies, obwohl es sich um einen kleinen Corsa handelte, und obwohl dieser zu seiner linken zwei völlig leergefegte Behindertenparkplätze hatte. Ja, ich gebe zu, ich dachte doch tatsächlich einen Moment lang so etwas wie „Uh, wieder eine Frau, die dem Vorurteil alle Ehre macht, dass wir nicht einparken könnten…“

Im Supermarkt sammelte ich rasch ein, was ich brauchte und begab mich zur – einzigen geöffneten - Kasse. An derselbigen saß ein Azubi und zog die Waren im Zeitlupentempo über den Scanner, offenbar aber bemüht. Geduldig wartete ich, schließlich fängt jeder mal klein an. Der Herr vor mir in der Schlange jedoch, der Optik nach hätte man ihn für einen etwas in die Jahre gekommenen, vielleicht Hartz IV-empfangenden Türsteher halten können, moserte in einer Tour – in einer für den Kassierer gut hörbaren Lautstärke - über die langsame Arbeitsweise und versuchte halbherzig, mich in ein Gespräch zu verwickeln.
Ich ging nicht darauf ein. Nicht nur, weil ich mich nicht so gerne mit offensichtlich mieslaunigen, herabsetzenden Leuten unterhalte, sondern auch, weil meine Aufmerksamkeit von zwei Schlümpfen in Anspruch genommen wurde, die gerade an der Reihe waren. Schlümpfe meint hier übrigens Jugendliche, die etwas gangstaaa-mäßig gekleidet waren, mit verkehrt herum auf den Köpfen sitzenden Caps und Baggy-Jeans. Meistens erwartet man von derlei Schlümpfen aufschlümpf-, äh, aufmüpfiges Verhalten. Diese beiden hingegen, das muss man sagen, waren höflich und freundlich. Ganz im Gegensatz zu dem mindestens dreimal älteren Herren direkt vor mir. Was mir am meisten ins Auge sprang, waren jedoch nicht ihre unerwartet guten Manieren, sondern ihr Einkauf: zwei Tetrapaks Schokomilch und eine Tüte Gummibärchen!  Ich musste schmunzeln. Der minimal gepflegt aussehende Türsteher-Verschnitt (es befand sich übrigens kein Rasierutensil auf dem Band) sah es und kam wohl zu einer Fehlinterpretation, denn nun versuchte er wieder, sich mit mir zu unterhalten. Nun musste ich an das denken, was mein Deutschlehrer, der, aufgrund seiner optischen Ähnlichkeit insgeheim Einstein genannt, zum Thema Interpretation zu sagen pflegte: „Interpretation ist Hebammenarbeit! Das, was drin steckt, herausholen, und nicht irgendwas reinstecken!“
Leider wich mein Schmunzeln dadurch einem Grinsen. Doch ehe das Stoppelgesicht zu weiteren Tiraden ansetzen konnte, war er auch schon an der Reihe und ließ sich anschließend ordentlich Zeit beim Einpacken, sodass ich vor ihm den Laden verließ. Mir ist wirklich schleierhaft, wie jemand, der es offenbar kein bisschen eilig hat, sich derart über eine kleine Verzögerung ärgern kann.

Gerade als ich zum Ausparken ansetzte, wurde der Kofferraum des benachbarten Corsas geöffnet. Von keinem anderen als dem Mosermann! Er blickte etwas ungläubig von seinem Fortbewegungsmittel auf meinen Jetta und wieder zurück. Ehe er mein erneutes, diesmal schon ziemlich breites Grinsen schon wieder missverstehen konnte, parkte ich aus. Mein letzter Blick fiel auf die Firmenwerbung, die sich auf der Heckscheibe des Corsas befand:

Rent-a-Man
Begleitservice


Und die Moral von der Geschicht?
1. Wieder einmal die Bestätigung: es gibt durchaus auch Männer, die nicht ordentlich einparken können! Nicht einmal, wenn die Größe der Seifenkiste indirekt proportional ist zu der des Parkplatzes.
2. Es gibt zuvorkommende Schlümpfe. (War zwar irgendwo anzunehmen, jedoch ist eine Begegnung mit ihnen beinahe so unwahrscheinlich wie eine mit E.T.) Und es kommt durchaus vor, dass sich diese vorbildlicher verhalten als Erwachsene, die’s eigentlich besser wissen sollten.
3. Schlümpfe mögen Schokomilch. (Ich hätte ja eher auf Rum getippt, vielleicht noch auf Bier, bei sehr jungen Schlümpfen zumindest auf Cola!)
4. Nicht jedem sieht man seine berufliche Laufbahn an.
5. Hebammen haben einen verdammt schwierigen Job.

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Tag der Veröffentlichung: 19.12.2011

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