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-Flug FR3631-

Kurz nach Sieben. Der Handyweckton der nach dreimaligem unterdrücken zum vierten mal erschallte, schreckte die wieder eingeschlafene Henriette nun endgültig auf. Leicht gequält aber dennoch zügig schälte sie sich aus der wohligen umarmung der Bettdecke um ein paar Sachen scheinbar wahllos aus dem Schrank, diversen Schubladen und von der Couch in einen offen auf dem Boden liegenden Koffer zu befördern und schließlich im Bad zu verschwinden.
Der zugegeben individuelle, wenn auch etwas aus der Form geratene blass blaugraue Loriot Schlafanzug war einem paar Jeans und einem Wollkleid gewichen als sie es wieder verließ . Schnell verschwand die von der aufwühlenden in die Kissen übertragene Vorfreude der Nacht zerzauste blonde Mähne, unter einer farblich aufs Kleid abgestimmten Strickmütze und sie saß mit Schminktasche bewaffnet hinterm Steuer.



Es war noch dunkel und das Innenlicht ergänzte seine Kollegen an Front und Heck, um den Innenspiegel an jeder Ampel bei seiner wahren Bestimmung, der Schminkkontrolle zu unterstützen.
Als sich die nicht unerhebliche Strecke, schnöde gerade gezogener Autobahn dem gelben Lichtkegeln der Außenbeleuchtung folgend ihrem Ende näherte, viel es ihr wieder ein.
Unterstützt von 175 zurückgelegten Kilometern die sich wie eine Packetschnur gleicher Länge um ihren Hals zu legen schien.
Da war noch was.
Eingezäunt und von blinkenden Begrenzungsleuchten der Landebahnen kündigte sich nicht nur das Flughafengebäude schemenhaft an.
Flugangst. Zum Teufel damit.

Umgeben von Menschenscharen die sie nicht wahrnahm, starrte sie allein durch die riesigen Scheiben hinaus aufs Flugfeld. Das Auto war geparkt, die Tasche für 30¤ aufgegeben. Gleich würde sie durch einen engen Schlauch einsteigen in einen dieser weißen Himmelsstürmer und weiterhin würde sie, wenn sie sich traut. Starren, durch eine vielfach kleinere Scheibe hinaus in die Welt die sie hinter sich zu lassen hoffte. Ihre Gedanken würden eingefroren, wie das Glas durch das sie sieht, auf Wärme warten das sie enteist.
Es lief in den vergangenen Monaten nicht alles so vorhersehbar wie das Muster ihrer Flugangst.
Zum Teufel damit.



Wie gerne würde sie das brillante Funkeln der frühen Sonnenstrahlen auf den silbernen Schwingen in ihre Erinnerungen eintragen. Dem Wind lauschen der die Thermik bestimmt und den Jet wie an unsichtbaren Fäden schwebend zu seinem Bestimmungsort bringt, während er leise flüsternd sein Lied für sie singt. Doch in den Sitz gepresst und mit geschlossenen Augen kann sie an die Romantik solcher Momente nur im Traume glauben.
Realistisch war da nur Beklemmung. Zum Teufel damit.

Lautstark meldete sich die Stimme der sich offensichtlich auf Kriegspfad befindlichen dauergrinsenden Grinsekatzen Stewardess:
Was möchten sie trinken?
Henriette war wohl in ihren noch nicht getauten Gedanken versunken, hatte sie doch die Vorankündigungen zu dieser Frage überhört. Den krakeelenden Bon Jovi Kevin der nach gelungenem Start seine Performance, in seinem Kinderenglisch, stehend auf dem Sitz zum Ärger einiger und zur Belustigung weniger seiner Konzertbesucher zum besten gegeben hatte und schließlich bei jedem Schluck aus seiner brüllend bestellten KOLLAA! mit einem „mmhahh“ klarstellte wie gut sie ihm schmeckte.



Nicht zu vergessen die dauer kichernden, sich mit Prosecco in Plastikbechern zuprostenden, augenscheinlich erneut auf der zum privat Bad umfunktionierten Bordtoilette nachgetuschten Lästermäuler 2 Reihen vor ihr. Welche auch ohne die Sprechanlage zu benutzen im gesamten Flugzeug ihren Ekel über den sich von Sitz D bis F 53 ausbreitenden, zugegeben dicken Menschen ergossen.

Was trinken?
wurde die Frage nun schon drängender.
Ohne nachzudenken orderte Henriette einen Tomatensaft. Warum wird in Flugzeugen wohl soviel Tomatensaft getrunken?, ging ihr durch den Kopf während sie in ihrer Tasche nach einem Kaugummi gegen den Druck auf ihren Ohren suchte und instetig hoffte zumindest eine Tavor, wo auch immer die herkommen sollte, würde ihr in die Finger fallen. Finden konnte sie verflixt und zugenäht weder das eine noch das andere. Immer wenn sie im Blindflug, denn mit ihrem Blick fixierte sie seid geraumer Zeit das Muster des Stoffes der Rückenlehne vor ihr, die Innenseite der Tasche von links nach rechts und das ganze in der Gegenbewegung durchfurchte, schien da nur eine Menge Papier zu sein . Nichts das sich wie eine Packung Kaugummi anfühlte. Raus damit, beschloss sie beinahe tatkräftig und beförderte ungeschickt eine Ladung Papier aus der Tasche teils auf ihren Schoß, teils auf den Boden. Na toll.

Den Blick von der überaus unfasszinierenden Rückenlehne ziehend, beugte sie sich vor um die heruntergefallenen Blätter aufzuheben.
Sie nahm ihre immer noch schwitzig um die Armlehne geschraubte zweite Hand zur Hilfe um den Papierhaufen in Augenschein zu nehmen und ihn bei nächster Gelegenheit irgendwo verschwinden zu lassen.
Die Seite die zuoberst lag weckte bei genauerem hinsehen ihr Interesse. Auf ihr schien ein Glas Tomatensaft abgebildet zu sein, das sobald es leer war, direkt wieder gefüllt wurde. Sie wischte sich die Augen.
Wieder das selbe Bild diesmal unterstützt durch ein schnorcheliges Schlürfgeräusch, das wie es schien daherrührte das der Tomatensaft durch den in ihm steckenden, lässig am Glas lehnenden Strohhalm scheinbar ins Nichts gesaugt wurde. Sie blickte sich um, wollte jemanden beim trinken durch einen Strohhalm erblicken.
Nichts. Niemand.

Ihr Blick wanderte zurück.
Sie las den Text unter dem Bild, der sie war sich sicher, gerade eben noch nicht da war.
Durch geringeren Druck wie in großer Höhe, verändert sich das Geschmacksempfinden. Psychologen vermuten das auch der sogenannte „me too Effekt“, also eine Art Gruppenzwang nicht ganz Unschuldig ist.


war dort zu lesen.
Henriette ließ die Hände zurück an die Armlehnen schnellen um in altbekannter Schraubstockmanier nie wieder loszulassen. Hatte sie ihren Verstand verloren? Ihr Blick wanderte dennoch zurück auf ihrem Schoß zum darauf thronenden Blatt.
Umblättern


stand dort.
Sie konnte nicht anders, löste die Schraubzwingenhände von den Armlehnen und las die zweite Seite.
Flugangst ist ein Zeichen von Intelligenz. Menschen die darunter leiden, verfügen fast immer über ein äußerst kreatives Vorstellungsvermögen. Viele Schriftsteller wie z.B. Ildiko von Kürthy leiden an ihr.


Aber die ist nicht da, ich bin hier die einzige mit Flugangst und niemand ist da der sich um mich kümmert. Dachte Henriette trotzig.
Umblättern.


Sie tat wie ihr geheißen ohne einen Gedanken an die Unsinnigkeit ihres Handelns zu verschwenden. Realismus? Zum Teufel damit.
Flugzeuge sind Vollversammlungen zitternder, Wodka aufstoßender, in ihre Polstersessel schwitzender Kreaturen. Fluggesellschaften
wissen das und meinen jeden noch so kleinen Fitzel der die Synapsen mit dem falschen Futter versorgen könnte ausmerzen zu müssen. Sieh dich um.


Henriette ließ ihren Blick durch die Gänge schweifen sah aber nicht viel und wandte ihren Blick wieder auf den Zettel.
Das war Rhetorisch gemeint:-)


Henriette verstand kein Wort mehr.
In den Bordmagazinen zum Beispiel steht zwar eine Menge Klatsch und Tratsch aber von Promis die in einer Bar „abgestürzt“ sind, steht da nichts. Die Worte „Brand“ oder gar „Explosion“, wirst du auch nicht finden.
Am besten gefallen mir aber Kinofilme.
Wer im Flugzeug „der Englische Patient“ sieht, wird nicht erfahren wie Kristin Scott-Thomas schwer verletzt in eine Höhle gelangt.
In „sechs Tage, sieben Nächte“ verschlägt es Harrison Ford auf eine einsame Insel...wie er da hingekommen ist? Nun, die verantwortlichen Flugzeugabstürze, werden für diese Fassungen herausgeschnitten.
Im James Bond Film „Stirb an einem anderen Tag“, wird der Schluss, eine ZWANZIG minütige Sequenz in der ein Jumbo Jet nach und nach im Flug zerfetzt wird und schließlich in einen Berg kracht, digital so bearbeitet, das das Ende der Airline-Version ohne Flammen und Crash auskommt.
Die Fluggesellschaften sterilisieren nicht nur ihre Klos, nein. Sogar unsere Gedanken. Ist doch klar das das ein guter Nährboden für Flugangst ist. In Krankenhäusern wirst du ja auch nicht erst entlassen wenn du völlig Gesund bist, der Abschließende genesungs Prozess findet zu Hause statt. Zu Recht. Nette Umgebung und die Besucher sind auch nicht so schnell wieder weg.


Henriette schob die Blätter zur Seite um zur Toilette zu gehen, jedoch nicht ohne einen erneuten Blick darauf zu werfen.
Da wird sich jemand beim Dezember Spaziergang freuen wenn er den vereisten Haufen braunes als ersten Schnee vom Himmel fallen sieht:-)


Sie kehrte nahezu Entspannt von der Bordtoilette zurück, im Gang kam ihr die Grinsekatzen Stewardess der man scheinbar die Klammern hinter den Ohren entfernt und durch welche unter dem Kinn ersetzt hatte entgegen. Die Reste ihrer aufgesetzten Miene transportierte sie wohl in der gut gefüllten Kotztüte in ihrer Hand oder hatte ihr etwa jemand mit den, auf dem Boden vor Bon Jovi Kevin‘s Bühne liegenden Lappen, auf die sich gerade der ebenfalls nicht lächelnde Steward Stewart stürzte das Lächeln aus dem Gesicht gewischt? Henriette war es gleich. Sie stopfte ihr Sagrotan zurück in die Tasche und widmete sich ohne weitere umschweife den Zetteln.
RADIO PROGRAMM 2,

stand da in Großbuchstaben.
Sie wühlte ohne zu wissen warum wieder in ihrer Tasche und fand einen schicken rosafarbenen Mp3 Player, der sie verwunderte. Instinktiv schaute sie wieder auf die Zettelwirtschaft auf dem freien Sitz neben ihrem.
Schon Gut. Du solltest nur nicht denken, das du allein mit deiner Flugangst bist. So oft wie an dich gedacht wird, müsstest du eigentlich an chronischem Schluckauf leiden.


Aus dem neuen rosa Freund der nun ihrer war, zog sie kurzerhand die Ohrstecker heraus, stopfte sie in das Bordradio und wählte lächelnd Programm 2.
In ihren Gehörgang schnulzte R. Kelly die Zeilen „I beliefe I can Fly...“. Sie zog die Zettel zu sich ran und las weiter.
...lustigerweise hat Kelly neben seiner vorliebe für kleine Jungs keine fürs Fliegen und das nicht erst seid seine Exfrau bei einem Flugzeugunglück ums Leben kam. Da haben die Airliner wohl das reinigen unserer Assoziationen und den Hang zu Klatsch und Tratsch vergessen.
Angst kann einen beflügeln oder fesseln und jetzt schnall dich an, wir Landen!


Das bitte Anschnallen Zeichen leuchtete auf. Aus den Boxen ertönte die Stimme des Piloten, der pflichtbewusst die Landung inklusive Ortszeit London ankündigte und 7 Minuten später war es geschafft. Ein wohlig warmes Gefühl machte sich in Henriette breit. Sie öffnete die trotz kaum noch verbliebener Angst seid dem Beginn des Landeanflug geschlossenen Augen und sah erstaunt auf ihre Bettdecke die Cumuluswolkengleich aufgetürmt bis zum Kinn hochgezogen auf ihr lag. Ein Traum schoß es ihr durch den Kopf. Nur ein Traum.





-zu lang-

Als Henriette in meinem Traum realisierte das Sie träumte schreckte ich auf.
Mein Körper kam mir verkleidet vor, mit den Klamotten eines anderen. Badesachen im Winter, dazu ein Motorradhelm.
Was für ein Idiot.
Schwerer Kopf mit verwirrten Gedanken
eingeölt mit kaltem Schweiß.
Kein Lichtstrahl, kein Geräusch.
Die Zeit auf dem Mobiltelefon sagte es ist Sieben.
Es gab keinen vernünftigen Grund warum nicht die Bettdecke vom Boden über den Fremden werfen und versuchen den Scheiß zu vergessen. Noch zwei oder drei Stunden schlaf.
Ich war krankgeschrieben, mal wieder.
Die verwirrten Gedanken begannen den Traum zusammenzusetzen. Ich kannte Ihn bereits.
Hatte es schließlich wenig anderes in den vergangenen Wochen gegeben über das ich nachgedacht hatte als über diesen Tag.
Henriette, seit Anfang des Jahres meine nicht mehr als eine Freundin, Exfreundin flog heute nach London. Jetzt war Dezember und die Freundin war gecancelt, genauso wie der Sitzplatz neben Ihr. Wir sind getrennt, wie Siamesische Zwillinge die blöderweise nur ein gesundes Herz hatten.
Leider hinderte das und der Motorradhelm meinen Kopf nicht daran täglich eine Überdosis Henriette mit besten Grüßen an die Synapsen zu schicken.
Wer hilf Ihr mit der Flugangst während ich eigentlich neben Ihr sitzen sollte?
In welchen Arm sollte Sie sich krallen, auf welche Brust ihren Kopf legen. Wer krault ihre Armbeuge und erzählt dabei versaute Geschichten über das Sexorama in den Wolken um Sie vor Ihrer Angst zu schützen? waren meine Gedanken als ich unbemerkt zurück in den Traum glitt.



Ein Deja vu der grinsenden Grinsekatzen Stewardess begrüßte mich an Bord.
Eine Zeitschrift?


Ich wich mit den Worten: Ich bin nicht mal Indianer.

erschrocken einen Schritt zurück und schmunzelte in mich hinein.
In meinen Träumen verwirre ich gerne Menschen mit scheinbar unsinnigen Antworten, die diesmal der Kriegsbemalung der Grinsekatze abgeleitet war. Einen Traum lenkt das in neue Bahnen und auch in der Realität sorgt das für Heiterkeit.
Rauchen Sie die lieber mit dem Häuptling.


Fügte ich, der Grinsekatze zugewandt hinzu und begab mich mit Henriette an der Hand zu Unseren Sitzen.
Über Ihrem Kopf thronte ein überdimensionales Fragezeichen.
Etappenziel erreicht prostete ich mir mit imaginärem Champagner selbst zu. Solange Sie so abgelenkt ist haben Flugkatastrophenszenarien keinen Platz.
Henriette schaut mich fragend an.
Wenn ich Stewardessen sehe muss ich immer an Sexorama denken. Kennst Du etwa nicht die Geschichte vom Sexorama in den Wolken?


fragte ich ohne die Antwort abzuwarten.

Es gab mal einen Flugkapitän, den nennt Seine Crew bis heute nur die Friedenspfeife. Er hatte neben der Affinität für Indianer, die Angewohnheit sich vor jedem Start von einer der Stewardessen die Pfeife rauchen zu lassen. Einmal hatten Sie das gesamte Flugzeug voll mit einer Anti Flugangst Seminar Gruppe, die schwitzend und voller Angst auf ihren Sitzen hin und her rutschte während Ihre Blicke an die Rückenlehne des Vordermannes genagelt waren.
Nachdem Friedenspfeife die Sicherheitscheckliste mit dem Copiloten durchgegangen war, sollte wie immer eine der Stewardessen zu Ihm kommen. Er setzte sich also wie üblich seinen Federschmuck auf den Kopf und machte noch schnell seine Begrüßung während er wartete. Als er allen einen angenehmen Flug gewünscht hatte stand auch schon eine Squaw in Gestalt der Stewardess in der Tür. Er ließ das Mikro ungeachtet wo es hinglitt aus der Hand gleiten und öffnete seine Hose, damit Sie gleich loslegen konnte. Wie Sie beim rauchen ihren Kopf vor und zurück bewegte, so feuerte Sie auch Ihren Arsch hoch und runter. Der Pilot, der nicht wußte
das jedesmal wenn Sie Ihren Arsch nach unten pilotierte die
Sprachtaste des Mikro betätigt wurde, stimmte sich mit lautstarkem Indianergeheule und Feuerwasser getränkten Anfeuerungsrufen auf den Frieden ein der ihn gleich ereilen sollte. Sein unfreiwilliges Publikum wurde dabei durch die Unterbrechungen, jedesmal wenn der Arsch nach oben feuerte und die Mikrotaste freigab, dermaßen in Stimmung gebracht, das es nur eine Frage der Zeit war bis die gesamte Kabine, als käme statt Luft ein Aphrodisiakum aus den Lüftungsschlitzen, nur noch aus Paaren bestand die die Finger nicht mehr voneinander lassen konnten. Leute die sich vorher nicht kannten torpedierten mit ihren Schwänzen aufeinander ein, nackte Brüste blitzten hier und da. Keinen interessierte es mehr ob Sitznachbar oder Sitznachbarin.
Jegliche Art von Moral schien mit der Friedenspfeife
verraucht zu sein. Es war ein herrliches Sexorama in den
Wolken, das den Teilnehmern bis heute peinlich im Gedächtniss blieb.
Als die Stewardess fertig geraucht und die Pfeife wieder gereinigt war, machte Sie sich daran mit Ihren Kolleginnen die Getränkekontainer in die Gänge zu schieben um einen nackten Haufen, schwitzender und stöhnender Passagiere vorzufinden, die ebenfalls gerade voneinander ablassend begannen sich Ihre Kleidung wieder zurechtzurücken während Sie sich verschämt umsahen. Es war allen klar das das was in diesem Flugzeug passiert ist, dieses Flugzeug NIE verlassen wird. Keiner der Passagiere sprach je ein Wort darüber aber auch keiner hatte je wieder Angst vorm Fliegen. Das Sexorama in den Wolken war alles was ihnen durch den Kopf ging wenn Sie ein Flugzeug bestiegen.
Eine feine Mischung aus Scham und Erregung.



Bevor die obligatorische Frage: Woher kennst Du die Geschichte, wenn doch Niemand darüber gesprochen hat?
gestellt werden konnte war ich bereits wieder wach.

Ich hatte viel darüber nachgedacht wie ich Henriette bei Ihrer Flugangst helfen konnte ohne bei Ihr zu sein.
Das hatte ich mir nämlich verboten.
Kontaktsperre auf Lebenszeit.
Zumindest schien Lebenszeit die angemessen Größenordnung in anbetracht der Tatsache, das die Gedanken an Henriette in den vergangenen Monaten scheinbar nur mit dem erkennbaren Muster, ständig! da waren.

Das ich in meinen Träumen nun unsichtbarer Gast war, war allerdings auch für mich neu.
Selbst hier versuchte ich mich wohl an die selbstauferlegte Kontaktsperre zu halten.
Dabei sollten meine Träume doch eigentlich der Ort sein an dem ich frei sein konnte. Der Ort der den Schutz bietet, den es in der Realität nur gibt, wenn man den Großteil der Gefühle
im Niemandsland der Gleichgültigkeit belässt.
Meine Träume.
Als Kind tauchte ich ständig in Sie ein. Um so älter man wurde umso weniger Gelegenheit hatte man Sie zu besuchen. Doch wenn man Sie brauchte ließen Sie diesen Ort entstehen.


-Zeitsprung-

Ich bemale mir diesen Ort täglich neu, doch die vollgemalten Tapeten an den nicht vorhandenen Wänden zeigen altbekannte Spuren und sich wiederholende Muster, wenn man nur genau hinsieht. Kritzeleien und Belanglosigkeiten, verdrängte Szenerien die meine Schritte verfolgen, wie Mona Lisas lächeln die Besucher des Louvre. Manches wirkt weit entfernt wie Höhlenmalerei anderes Abstrakt, ohne das es bei oberflächlicher Betrachtung mehr offenbart als das schwarze Quadrat von Kasimir Malewitsch. Impressionen die je nach Perspektive neue Einblicke gewähren. Kurz denke ich an das vor mir liegende, nur um festzustellen das derjenige, der vergisst wo er herkommt es niemals dort schaffen wird, wo er hingeht.

Ich sehe einen alten maroden Bollerwagen der wie ausrangiert in einer der unteren bereits eingerissenen Ecke einer vergilbten Tapetenbahn darauf wartet aus seinem Dornröschen Schlaf erweckt zu werden. Die bunten Farben und die floralen Muster der Stoffe, die ihn vor langer Zeit wohnlich gemacht haben, sind längst verblichen und heruntergekommen. Ich tue ihm den Gefallen und mein Herz zeigt ihn mir genauso wie damals, als ich mit ihm um die Häuser zog und mal hier, mal dort wie ein Zigeuner kampierte.



Sollte die Reise weiter gehen als bis zum Ende der Auffahrt des Hauses meines Opas, diente ein grüner Plastik Trecker oder ein Kettcar als Zugmaschine. In meiner Phantasie waren es beides große zottelige Brauereipferde, die meinen Wohnwagen von Stadt zu Stadt zogen. Die Nachbarn, mir fremde Personen, ich kehrte schließlich nur selten in ein und denselben Ort zweimal ein, winkten mir zu und freuten sich immer mich zu sehen. Ich brachte wohl ein bisschen Leben in ihren sonst sehr eintönigen Alltag um es vorsichtig auszudrücken. Ein wildes Kind, lange bevor dieses Wort durch die „Wilden Kerle“ metrosexualisiert wurde, das den der keinen Platz machte lautstark aus dem Weg brüllte aber nicht minder Hilfsbereit den ein oder anderen Einkauf auf seinen Erkundungstouren miterledigte. Sie wunderten sich weder darüber das ich auf ihren Garagendächern lag, noch störte es sie das ich dabei Kirschen von ihren Bäumen aß, vielleicht hatten sie auch Mitleid mit dem Enkel des zornig wirkenden alten Mannes, der für mich der beste Opa auf der Welt war und eigentlich nur keine Lust verspürte mit verstaubt Konservativen über ihre Vorgärten zu lamentieren.

Wahrscheinlicher aus meiner Sicht als damals 4 Jähriger war es wohl der Respekt vor dem schwarzen Dobermann Philo, der eigentlich Philotes hieß, was wie ich erst heute weiß Freundschaft oder Zuneigung bedeutet und ein Kind der Mutter Nacht ist, der mich auf Schritt und Tritt begleitete.
Philo war mein Goldenes Ticket für Charlies Schokoladenfabrik, weil ungeachtet der immerwährenden Sorge meiner Oma, es für meinen Opa als Sicher galt das mit Philotes an meiner Seite nichts passieren konnte. Philo war der letzte Hund meines Opas. Nach dem Tod seiner Frau, meiner Oma sechs Jahre in der Zukunft von diesem Punkt an dem ich mich befand, wurde er noch verschlossener als er es schon vorher war und dachte wohl er würde für die kurze Zeit die er noch hatte bevor er Oma folgen sollte keinen Hund mehr überleben. Die kurze Zeit betrug letztlich 16 Jahre. Nicht sonderlich viele Leute kamen an ihn heran, um ihn so kennenzulernen wie ich ihn kannte und ich kann nur sagen das es mir für diejenigen sehr leid tut. So hart und teilweise auch jähzornig er wirkte, wollte er mit ganzem Herzen immer nur das andere nicht Fehler begingen, die er bereits für sie erfahren musste. Sein Schicksal führte ihn in Kriegsgefangenschaft bis nach Sibirien in ein Arbeitslager. Die kleine Familie blieb allein in Breslau zurück. Er war ein stolzer und aufrichtiger Mann auch als er aus Russland zurückkehrte war er das noch, doch diese Zeit hat ihn auch verändert sagte meine Oma. Sein spitzbübisches Wesen war zwar noch vorhanden, doch kam es weit seltener zum Vorschein. Kriege verändern Menschen und dienen nur selten, wenn überhaupt positiven Veränderungen. Mein Schicksal der Genetik traf mich unausweichlich mit seinem eigensinnigen Sturkopf und seiner Schlitzohrigkeit, was uns zwar öfters aneinander rauschen ließ, mich aber wohl auch zu einem seiner besten Freunde machte, zwischen denen da bin ich mir sicher, nichts im bösen stehen geblieben ist. Mein Sturkopf trieb vor allem meine Oma zu Lebzeiten an den Rande des Wahnsinns. Man stelle sich einen kleinen Rotzlöffel vor der selber entscheiden wollte, ob er heute in den Kindergarten geht oder doch lieber seiner lieblings Beschäftigung, dem Tagträumen nachhängen wollte. Ich gewann meist ohne für mich große Anstrengung, sowohl diesen Kampf als auch wenige Stunden später die Zuneigung meiner Oma wieder zurück, um mir dann Nachmittags gleich den nächsten Fight zu liefern,
weil ich partout nicht in den nächst gelegenen Lebensmittelmarkt wollte.
Die Fleischwarenfachverkäuferin bestand nämlich auf ihrer Annahme das ich, bestätigt durch meine langen Haare ein Mädchen sein müsste, was mich rasend vor Wut machte, wenn sie der „kleinen Dame“ mit ihren roten Fingern, die aus ihren weißen Kittel ragend wie verbrühte Würstchen wirkten, eine Scheibe Wurst über die Theke reichen wollte. Ich nehme an wegen ihr bin ich Vegetarier geworden. Eventuell hat auch meine Abneigung gegen Bayern München etwas mit ihren Fingern und dem Kittel zu tun aber das ist auch nur eine Vermutung.



Bevor der Kindergarten in dem ich, soweit ich mich erinnere eher ein Außenseiter war, vollends seine Notwendigkeit für mich einbüßte machte ich dort meine erste Erfahrung mit Regeln. Ich kannte keine, ließ mir keine aufzwängen und wenn es jemand versuchte, hasste ich sie, ihn und die ganze Menschheit. Ein Teufelskreis. Nicht für mich, ich bin nicht nachtragend aber wohl doch für die Erzieherinnen. Eine weitere Vermutung meinerseits, seid mir gibt es männliche Kindergärtnerinnen. Ich war kein Kind das andere verprügelte oder ihnen drohte wenn es nicht das Spielzeug bekam mit dem ein anderer gerade spielte, nein in dieser Beziehung war ich sehr diplomatisch. Das Problem bestand wohl eher in meinem Tatendrang und meiner blühenden Phantasie die mich, beflügelt von der Langeweile über Bilderbücher und basteln für Mutti, zu noch mehr Taten drang. Es war schwer mich zu beschäftigen oder besser soweit zu bremsen das ich mit meinen Ideen den anderen Kindern keine Flausen in den Kopf setzte oder ihnen gar Angst machte. Meine Parade Disziplin war es Monologe aus Comics zu rezitieren. Vorzüglich gelang mir das mit Flüchen von Kapitän Haddock, dem Rum saufenden Gefährten von Tim dem Reporter und seinem Hund Struppi, deren Hörspiele ich fast fehlerfrei auswendig mitsprechen konnte, was ich wiederum nutzte um die entsprechenden Comic Bücher laut „lesend“ vor meine Nase zu halten und so den Eindruck erweckte wirklich lesen zu können. Ganz abwegig war es nicht, ich konnte bereits einfache Sachen lesen, dennoch wirkte es nicht nur wenn die Familie bei Opa und Oma eingekehrt war auf viele doch sehr überraschend bis befremdlich, weil ich mir auch große Mühe mit dem exakten umblättern der Seiten gab auch wenn, wie ich kurze Zeit später feststellte die Texte nicht komplett identisch waren. Ich war mit allen Wassern gewaschen! Soviel stand Fest. Bis ich zum Beispiel herausfand wie die Achsschematik des Zauberwürfel, der Anfang der 80er Jahre sehr beliebt war funktionierte, löste ich die auf meinem Exemplar nur aufgeklebten Farbfelder ab und klebte sie neu auf. Natürlich unter dem Tisch, dessen Seiten durch eine Tischdecke undurchsichtig waren. Ein teuflisches Genie schlummerte in mir. Ich verstand es Menschen um den Finger zu wickeln und Fähigkeiten, die ich zweifelsohne besaß, listig noch verblüffender Aussehen zu lassen. Als einziges Enkelkind, das bei Oma und Opa wohnte hatte ich allerdings einen schweren Stand beim Großteil meiner Verwandtschaft. Man mied mich. Aus heutiger Sicht betrachtet ist dieser Neid, der es ohne Frage war mehr als lächerlich. Natürlich waren Oma und Opa mir näher als den anderen Enkeln, schließlich wohnte ich bei ihnen. Sie waren der Ersatz für meinen Erzeuger und für meine Mutter, die keine Zeit für mich hatte. Neidisch konnten sie aber materiell betrachtet nur auf das wöchentlich erscheinende Yps Heft das ich zusammen mit Opa dann auch prompt kaufte sein. Ansonsten wurden von ihm alle Enkel gleich behandelt. Ich liebte diese Hefte und vor allem die Gimmiks die sie enthielten, den Solar Zeppelin nutzte ich um zu testen was passiert wenn man ihn in eine Hochspannungsleitung fliegen lässt. Das Mini-Mikroskop das überall dabei war ließ mich die Ameisen auf der Terrasse genauer betrachten. Zu ihrem Pech wurden sie mir schnell langweilig und ich beschloss sie alle zu töten.
Ich hatte vor allem 2 Methoden die mir gefielen, die langsame und qualvolle, bei der ich erst für einige Minuten mit einem Gummihammer an mehreren Stellen der Terrasse vorsichtig klopfte, um möglichst viele von ihnen heraus zu locken und sie dann mit dem Hammer einzeln oder in der Gruppe zu erschlagen. Diese Methode war besonders zur Zeit der fliegenden Ameisen sehr gut anzuwenden. Die zweite Methode war die Wassermethode, die ich wohl nicht näher beschreiben muss. Ich war kein Tierhasser, eigentlich ganz im Gegenteil, eine meiner liebsten Beschäftigungen war das beobachten unterschiedlicher Tieren im Wald und ich beschäftigte mich Stunden mit Schmetterlingen und wünschte nichts mehr als auch so tänzerisch Fliegen zu können aber diese Ameisen weigerten sich mir eine Armee aufzustellen um Spinnen zu fangen, wie ich das aus Biene Maya kannte. Zudem war ich ein 4 Jahre altes Monster dem Niemand sagte lass das sein. Es hätte aber wohl auch nichts gebracht.

Im Kindergarten wurden meine Abenteuer unters Volk gebracht, ich ließ kein Detail aus und drückte mich gerne aus wie es wohl eher ein Erwachsener machen würde. Zum besagten Außenseiter machte mich aber wohl eher meine seltene Anwesenheit denn diese naseweis Attitude. Mein letzter Tag im Kindergarten war ein sonniger Tag anfang August. Wie gewöhnlich ließ ich mir auf dem kurzen Weg sehr viel Zeit und blieb immer wieder stehen um in den hinter den Häusern liegenden Gärten die man von dem kleinen Waldstück das direkt an unser Haus grenzt und durch das ich immer ging gut einsehbar waren, meine Neugier zu stillen. Während ich Vogelbeeren und kleine Steine die ich aufsammelte und mit meiner zum Geburtstag vor wenigen Tagen neu errungenen Fischfutter Zwille gegen Geräteschuppen und Gartenzwerge schoss, betätigte Philo sich als Jagdhund und stöberte nach Kaninchen. Mein Opa hatte mir die Zwille mit dem Hinweis sie unsichtbar zu machen zugesteckt. Ich wusste auch ohne seinen mit einem Augenzwinkern unterlegten Rat, sehr gut wie Notwendig das war, deshalb trug ich seid ein paar Tagen immer eine kleine Umhängetasche in der sie ungesehen verschwand, wenn ich Menschen in meiner Gegenwart witterte. Der bevölkerte Schulhof den ich überqueren musste lag genau vor mir und war so ein Ort. Ich steckte sie also in die Tasche, schickte Philo nach Hause und passierte einige Schülergruppen. Der Kindergarten lag auf der gegenüber liegenden Straßenseite und war von einer hohen Hecke umgeben. Lediglich ein grünes Holztor und der Eingang auf den ich nun zusteuerte waren freigeblieben. Ich betrat den hell erleuchteten aber ausgestorbenen Flur durch die buntbemalte Glastür und schleuderte meine Schuhe über die sauber aufgereihten der anderen Kinder hinweg, so das sie einigermaßen nah beieinander liegend mit einem wumms als sie an die Wand krachten zum liegen kamen. Eine der Türen im Flur öffnete sich und eine der beiden Praktikantinnen die seid ein paar Tagen die Kindergärtnerinnen unterstützte bewegte plump ihren unförmigen Leib mit ihrem ihr eigenen stampfenden Gang an mir vorbei, um die Schuhe gerade zu richten. Auch schon da? Fragte sie Missgelaunt. Seid ich ihr gesagt hatte das es nicht nötig sei ihr Gesicht mit dem auf der Nasenspitze thronenden und seine Untertanen auf der übrigen schwartenähnlichen Haut verteilten Pickel Majestät im Abstand von 5 Zentimetern vor mein Gesicht zu halten um mir etwas mitzuteilen, weil sich zum einen meine Ohren rechts und links meines Gesichts befinden und ich zum anderen sehr gut damit hören kann, sprach sie glücklicherweise nur noch das Nötigste mit mir. Ich trottete also hinter ihr in unseren Gruppenraum in dem gerade gefrühstückt wurde. Sehr schön! Dann konnten wir gleich raus in den Garten dachte ich und setzte mich an den Tisch an dem Luca mit ein paar anderen Kindern saß deren Namen ich nicht kannte, grüßte in die Runde und wartete darauf das die anderen es Luca gleich taten und ihre Butterbrotsdosen in ihren Taschen verstauten. Es verging eine Weile in der ich mir mit ihr grinsend Blicke austauschte. Sie wusste genau was in meiner Tasche war, weil wir bereits gestern den heutigen Tag geplant hatten. Das Pickelgesicht kam zu uns herüber, den Blick auf meine Tasche gerichtet fragte sie wirsch Nix Essen? Ich schaute sie nicht an, schüttelte aber meinen Kopf. Sie ging durch die Reihen und als sie feststellte das alle fertig waren, klatschte sie in die Hände und forderte alle auf sich vor dem hinausgehen noch die Hände zu waschen. Tumultartige Zustände brachen aus als der erste gefolgt von der grölenden Horde die Tür erreichte und sie aufstieß um zum Waschraum zu laufen. Ich ging zur Tür die zum Garten führte verfolgt von den Blicken der Praktikantin. Ich nickte ihr zu um ihr zu verstehen zugeben das ich warte und nicht einfach rausgehe, ohne Hoffnung das die leere Nussschale die anstelle von Hirnmasse einsam in den weiten ihres Quadratschädels schwamm das Zeichen deuten konnte.
Ich blickte hinaus vorbei an dem aufgetürmten mit Gras bewachsenen Erdhügel durch den eine Betonröhre verlief, hinüber zum Tor das kaum den Blick auf die Straße zuließ und freute mich. In meinem Kopf lief schon alles ganz genau ab. Das ich nicht über mögliche Konsequenzen nachdachte, kann ich mir als heutiger Beobachter sehr gut nachsehen. Ich betrachtete mein 4 Jähriges Selbst wie es da stand und für ihn nichts wichtigeres als die Zwille in seiner Tasche gab und die Aussicht damit gegen Drachen zu kämpfen. Ich musste über meine damalige naive aber phantastische Phantasie schmunzeln und wartete mit leichtem Stolz erfüllt, wissend auf den weiteren Verlauf. Luca legte von hinten ihre Arme um meine Taille um mich hochzuhieven. Ich wand mich frei und boxte trocken gegen ihren Oberarm. Sie war im Gegensatz zu den anderen Mädchen alles andere als zimperlich und steckte es ohne mit der Wimper zu zucken weg. Die Türen waren offen und wir liefen raus. Die meisten der anderen Kinder versammelten sich um die Erzieher und wollten von ihnen bespaßt werden und so hatte uns Niemand im Blick. Zielstrebig aber mit einem Auge beobachtend was hinter uns vonstatten ging schlichen wir zum Zaun. Durch den üppigen und dichten Wuchs der zahlreichen Bäume und Sträucher war es nicht allzuschwer, zudem kam das wir uns öfters am Tor aufhielten und die Schüler auf dem Schulhof gegenüber beobachteten wie sie Fußball spielten oder heimlich in den Gebüschen rauchten. Wir sprachen nicht während Luca und ich das Tor an den Scharnieren zu stemmen begannen. Klack. Es war direkt ein Kinderspiel. Bedächtig blickten wir kurz zurück um zu sehen ob jemand schaute und huschten, das nun schräg hängende Tor nicht weiter beachtend geduckt im Schutze der Hecke zügig zur nächsten Ecke. Unser Ziel vor Augen doch ohne jegliche Eile gingen wir schweigend den kurzen Weg bis zur Hauptstrasse, überquerten sie und befanden uns nun nur noch wenige hundert Meter vom Waldrand entfernt. Dies war nicht so ein kleines Wäldchen wie jenes das an unser Grundstück grenzte, dies war die Wildnis! Vor ein paar Wochen hatte ich einen alten Bunker gefunden und über Tage beobachtet. Es tauchten keine Kinder oder sonstwer auf die ihn mir hätten streitig machen können und so begann ich mit meinem Wagen allerlei mir nützlich scheinende Materialien dort hin zu schaffen und ihn bis zum Ende der Sommerferien in denen der Kindergarten geschlossen und Luca bei ihrer Oma in Marseille verbrachte herzurichten. Zusätzlich hatte ich eine Menge an Maßnahmen ergriffen um ihn zu tarnen. Ich zerrte morsches Gehölz und Astwerk herbei und drapierte es so gut es ging um die sichtbaren Teile des Bunkers zu verdecken. Im inneren fegte ich den über die Jahre zusammengekommenen Dreck zusammen und sorgte unter anderem mit einer Campingleuchte und zwei Angelhockern, sowie einem Baumstumpf als Tisch dafür das man es sich hier gemütlich machen konnte.



Wir sind da! Sagte ich ein wenig Stolz an Luca gewand. Sie sah sich um und an ihrem Blick erkannte ich das die Tarnung ihren Zweck erfüllte. Ich hob das Tarnnetz das ich vor dem Eingang befestigt hatte zur Seite und mit einem Lachen war Luca im Bunker verschwunden. Es gefiel ihr augenscheinlich, doch ihr Blick fixierte wieder meine Tasche. Ich hatte ihr von der Fletsche erzählt und nun wollte sie sie ausprobieren. Wir beschäftigten uns über Stunden mit dem umherschießen unterschiedlichster Materialien die wir vom Waldboden aufsammelten um die Armada aus Drachen und Riesen die uns gefangen nehmen wollten zu verscheuchen und kehrten schließlich erschöpft aber siegreich zum Bunker zurück um etwas zu trinken. Es dürften gut und gerne zwei bis drei Stunden vergangen sein seid dem wir aus dem Kindergarten getürmt waren. Ich hätte nicht darüber nachgedacht aber Luca war sich scheinbar wesentlich klarer über unser Handeln als ich. Meinst du die suchen uns? fragte sie ohne meine Antwort abzuwarten. Bestimmt haben sie unsere Eltern verständigt. Mein Plan war löchrig und Luca war das von Beginn an klar, doch war sie mitgekommen. Warum? Ich zuckte mit den Schultern und wollte etwas sagen ohne zu wissen was. Luca kam mir zuvor indem sie sich zu mir beugte und ihren Mund an meinen drückte. Sie lachte und sagte jetzt sind wir wie die Erwachsenen, nahm mich an der Hand und zog mich hinaus. Nachdem der Eingang wieder gut verborgen war liefen wir zu Luca nach Hause. Ihre Mutter war im Garten und sah uns schon von weitem. Mit einem wissenden Unterton bat sie uns in die Küche. Sie hatte Waldmeister Wackelpuddding und Vanille Soße vorbereitet. Ich hab deinem Opa bereits bescheid gegeben das er sich keine Sorgen machen soll und das du bei uns bist. Ich war etwas erstaunt denn ich war ja gerade erst gekommen, sagte aber Danke! Wie ich später erfuhr hatte Luca ihrer Mutter gesagt sie würde anstatt in den Kindergarten zu mir gehen um eine Entdeckung die ich im Wald gemacht hatte zu erkunden. Sie war so süß mit ihren goldenen Korkenzieherlöckchen und den Sommersprossen auf der Stupsnase doch dahinter verbarg sich ein mindestens so Teuflisches genie wie ich eines war. Der Kindergarten war für uns nun Vergangenheit. Merkwürdigerweise gab es abgesehen vom Rauswurf keine Ansprache oder sonstigen Ärger und doch war ich mit diesem Tag um eine Erfahrung reicher, Regeln müssen zwar nicht unweigerlich befolgt werden aber die Konsequenzen hat man zu tragen. Die nächsten Wochen verbrachten Luca und ich täglich zusammen mit Philo im Wald unsere Freundschaft sollte erst viel später ein jähes Ende finden. Bis dahin gab es immer wieder Phasen in denen ich in Sie und Phasen in denen Sie in mich verliebt war aber bis zum 12.12.1993, 12 Jahre später wurden wir nie ein Paar.

Ich wachte mit Tränen in den Augen auf.
Der Fremde als der ich mich vor dieser Reise fühlte war wieder ich geworden und ich beschloss eine Dusche zu nehmen um mich sauber und erfrischt bis zum Abend mit der Gegenwart zu beschäftigen.

Impressum

Texte: Cover Artwork und alle Illustrationen umgesetzt von Sodapop Curtis für Labor.Goodfellow
Tag der Veröffentlichung: 13.04.2010

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