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Bucket list

Bucket list


1.Kapitel Elmo goes America


Hey, mein Name ist Ellie, naja eigentlich heiße ich Elinore Jaska Sue Haas, aber ich denke ihr versteht wieso ich mich einfach nur Ellie nenne. Meine

Eltern haben leider ein Faible für abgedrehte Namen, darunter mussten mein Bruder und ich leider jahrelang leiden, aber mit der Zeit gewöhnt man sich dran.

Aber bevor ich abschweife: Dies soll unter gar keinen Umständen so eine Eigentlich-bin-ich-ein-ganz-normales-Mädchen-aber–nachts-verwandle-ich-mich-in-eine-Elfe-Story werden, aber mal abgesehen davon, dass ich mich nachts natürlich nicht in ein geflügeltes Wesen mit spitzen Schühchen und langen glänzeden Haaren verwandeln kann, trifft das perfekt auf mich zu: Ich bin ein ganz normales Mädchen und ich hätte niemals gedacht, dass mir das passieren würde, was mir passiert ist.

Keine Sorge, ich werd euch nicht lange zappeln lassen: Ich hab vor zwei Wochen erfahren, dass ich Krebs habe. Im Endstadium. Und noch mindestens drei Monate zu leben.

Zuerst wollte ich es nicht glauben, dass ausgerechnet mir, einem Mädchen aus einem Kaff namens Hildesheim, so etwas passiert. Dann irgendwann, als meine Mutter angefangen hat zu weinen, hab ich es auch endlich realisiert, aber irgendwie konnte ich nicht weinen, ich weiß nicht wieso, aber mir lief nur eine einzige Träne übers Gesicht und dann war Schluss. Ende.

In meinem Kopf begann sich alles zu drehen und ich konnte einfach keinen klaren Gedanken mehr fassen.

Schon irgendwie witzig, dass ich nur von dem Ding in meinem Kopf erfahren habe, weil ich mich einen Tag zuvor mit dem Fahrrad gelegt hatte und deswegen zur Sicherheit noch ein MRT gemacht wurde… Tja die meisten Dinge fallen einem einfach so vor die Füße und man weiß nie, wer sie geworfen hat. Naja in meinem Fall war es wohl das Schicksal, das mal wieder nichts Besseres zu tun hatte…

Jedenfalls hab ich ziemlich schnell beschlossen, keinen auf deprimierte Krebskranke zu machen, sondern einfach mein Leben weiter zu leben und meiner Familie damit einen Gefallen zu tun.

„ Ellie! Frühstück!“, meine Mutter rief aus der Küche.

Ich wühlte mich durch meine gefühlten tausend Kissen, bis ich endlich meine Füße auf den Boden setzten konnte. Dann stieß ich mich von der Bettkante und wankte, die Augen noch halb zu, zu meinem Fenster, zog die Gardinen zur Seite, öffnete das Fenster und genoss die frische Samstagmorgenluft.

Langsam gewöhnten sich meine Augen an das helle Licht und ich machte mich auf den Weg in die Küche, wobei ich gezielt den Spiegel an meinem Schrank mied: Den Anblick wollte ich mir erstmal ersparen.

Ich drückte die Klinke von meiner Tür herunter und diese öffnete sich quietschend. Auf dem Flur streckte ich mich ausgiebig und setzte meinen Weg fort.

In der Küche saß mein kleiner Bruder Lennox schon am Tisch, während meine Mutter noch ein paar Sachen aus dem Kühlschrank kramte. Naja klein ist gut, genauer gesagt war er gerade 16 geworden und vor einer Woche war das erste Mal in der Disko gewesen. Jaja, sie werden so schnell groß.

„Morgen, Schlafmütze“, grinste mein Bruder, „ Wie geht´s Melvin?“

Das hätte ich vielleicht erwähnen sollen: ich hab das Ding in meinem Kopf, das mich demnächst umbringen wird Melvin genannt. Nach einem Jungen, der mich im Kindergarten immer geärgert hat.

„Meinen Kopfschmerzen nach zu urteilen geht´s dem blendend …“, murmelte ich verschlafen und ließ mich auf den Stuhl fallen.

Mein Bruder wandte sich wieder seinem Marmeladen-Brötchen zu, dennoch entging mir seine besorgte Miene nicht.

Ich schnappte mir ein Brötchen aus dem Korb, griff mit der einen Hand nach der Butter und mit der anderen das Marmeladenglas, welches wohl platziert neben dem Teller meines Bruders stand.

Wir beide waren ziemliche Fanatiker, was dieses klebrige Zeug anging.

„ Und, schon aufgeregt, mein Schatz?“, wollte meine Mutter wissen, die sich neben mir auf den freien Stuhl gesetzt hatte.

Ach ja, schon wieder was vergessen: Meine beiden Freunde, mein bester Freund und ich hatten vor ein paar Jahren eine super Idee gehabt: eine Bucket list. Auf der standen viele ziemlich schräge, aber auch ziemlich geniale Sachen, die wir im Laufe unseres Lebens gemeinsam durchziehen wollten.

Tja, wir hatten die Rechnung ohne das unberechenbare Etwas namens Schicksal gemacht, welches mir einen nicht mehr zu behandelnden Tumor in den Schädel gepflanzt hatte.

Also mussten wir unsere Pläne umschmeißen und heute ging es endlich los, auf große Reise. Unser erster Stopp: die USA und mit unseren Longboards die Westküste entlang. Von Los Angeles nach San Diego.

Das Geld haben wir im Laufe der Jahre angespart und jetzt war es wirklich nen ziemlich großer Batzen.

„ Naja…“, stieß ich zwischen den Marmeladenbrötchenstücken in meinem Mund hervor.

Meine Mutter lächelte, doch ihre Augen sprachen eine ganz andere Sprache. Als ich schließlich den letzten Krümel meines Brötchens genüsslich verspeist hatte, sprang ich auf und wollte in mein Zimmer trotten, doch meine Mutter hielt mich sanft am Arm fest: „ Und hast du dir das auch wirklich gut überlegt? Ich mein ja nur, es wäre wirklich besser wenn du die…“, sie räusperte sich, „ …verbleibende Zeit, hier verbringst. Hier hätten wir alle ein Auge auf dich und wenn was passiert dann…“

„ Mama!“, unterbrach ich sie, „ Darüber haben wir doch jetzt bestimmt schon tausend Mal gesprochen: Ich zieh das durch. Das ist es was ich mir schon mein ganzes Leben lang wünsche…zwar nicht unter diesen Umständen, aber umso schneller desto besser. Vor meinem Tod muss ich doch noch was erlebt haben!“

Das Gesicht meiner Mutter war auf einmal kalkweiß. Sie mochte es nicht, wenn ich so sprach. Aber ich fand es einfach nicht richtig so zu tun als ob nichts wäre. Ich werde nun mal sterben, daran lässt sich nichts mehr ändern.

Vorsichtig löste ich mich aus der Umklammerung meiner Mutter, gab ihr einen Kuss und hechtete dann in mein Zimmer um mir was Passendes zum Anziehen heraus zu kramen.

Es waren nicht mehr viele Klamotten in meinem Schrank, desto voller war jedoch meine Reisetasche.

Schließlich, nach einem Blick aus dem Fenster, entschied ich mich für meine verwaschene Every-day Jeans, mein Lieblings T-shirt plus Strickcardigan und meine roten Chucks.

Nachdem ich mich angezogen hatte, konnte ich dem Blick in den Spiegel nicht mehr entkommen, denn meine Haare schrien förmlich nach einer Bürste.

Ich ging in die Hocke, um aus der Kommode meine Bürste zu fischen und bewegte mich dann in Richtung Spiegel.

Ich erkannte mich selbst gar nicht mehr wieder. Ich hatte in den vergangenen zwei Wochen mindestens sieben Kilo abgenommen und leider sah man das auch: Meine Jeans, die mir eigentlich immer perfekt gepasst hatte, saß nun an manchen Stellen ziemlich locker und mein T-shirt hing auch ziemlich labbrig an mir herunter. Aber das war noch gar nicht gegen mein Gesicht. Ich hatte eigentlich immer ein rundes Gesicht gehabt und der Babyspeck an meinen Wangen, war nie ganz verschwunden, doch jetzt hatte ich gar nichts kindliches mehr in meinem Gesicht: Das runde Gesicht war nicht mehr rund sondern oval, der Babyspeck war Augenringen gewichen und meine Haare hingen stränig und glanzlos im Gesicht, obwohl ich mich gegen eine Chemo entschieden hatte, weil es sowieso schon zu spät war.

Aber genug, ich hatte mir nämlich eins geschworen: täglich nur eine Minute an Melvin zu denken. Keine Sekunde länger. Den Rest meines Lebens würde er mir nicht auch noch zerstören.

Ich steckte die beiden nervigsten Stränen mit einer Spange nach hinten, nahm dann meinen Kaki Rucksack vom Bett, packte die letzten Medis hinein und warf noch einen letzten Blick in mein geliebtes Zimmer. Doch als meine Augen über mein Bett streiften, stach mir ein rotes kleines Buch ins Auge.

Ich rannte zum Bett und steckte es in meinen Rucksack. Fast hätte ich es vergessen. Alles umsonst.

Nachdem ich den Schreck überstanden hatte, marschierte samt Reisetasche zur Tür hinaus in den Flur, wo auch schon mein Longboard auf mich wartete.

Dieses schnappte ich mir und schob es zwischen die beiden Rucksackgurte um es besser transportieren zu können.

Meine drei Begleiter müssten eigentlich gleich kommen und mich abholen. Wir wollten von Hannover nach Los Angeles fliegen. Dort würde dann ein früherer Schulfreund meiner Mutter unsere Koffer sowie Reisetaschen in Empfang nehmen und schon mal nach San Diego vorfahren, wo er sich vor fünfzehn Jahren niedergelassen hatte.

Dann wollten wir mit unseren Longborads die Strecke von Los Angeles nach San Diego in mindestens vier Tagen schaffen und dann ein, zwei Tage dort verbringen um dann mit dem nächsten Flieger nach Alaska zu fliegen und dort eine Schlittenhund-Tour zu machen und die Polarlichter zu sehen.

Naja lange Rede kurze Sinn, wir hauen in den nächsten paar Wochen richtig auf die Kacke.

Plötzlich hörte ich ein Hupen von draußen.

Ich riss mich von meinen Gedanken los, öffnete schwungvoll die Tür und mein Mund verzog sich zu einem breiten Lächeln: Da saßen sie. Die drei Personen mit denen ich die nächsten Wochen verbringen würde. Die drei Personen die schon immer für mich dagewesen waren und die drei Personen die es einfach immer schafften mich zum Lächeln zu bringen. Camille, Sander und Matteo.

„ Na los, Haas! Nicht trödeln! Ich will den Flieger nicht verpassen!“, grinste Sander, der nebenbei gesagt, früher, Extremspießer( Ist das überhaupt ein Wort?) gewesen war.

Erst, als er mit seiner Familie zu uns zog, haben wir ihm beigebracht, was Freizeit wirklich heißt. Außerdem ist er seit ein paar Monaten mit meiner besten Freundin Camille, genannt Cami, zusammen, die einfach das komplette Gegenteil von ihm ist. Schrill, abgedreht und hat einen Hang zu bunten Klamotten. Trotzdem sind sie irgendwie ein süßes Paar, vor allem, wenn siie versucht ihm den obersten Knopf seines, wieder mal bis oben zugeknöpften Hemdes, aufzumachen.

„ Genau, Haas, er will den Flieger nicht verpassen, damit er nicht schon wieder eine Nacht mutterseelenallein am Flughafen verbringen und dann am Morgen von seinen Eltern abgeholt werden muss!“, lachte Matteo, sprang aus dem Auto und kam mit ausgebreiteten Armen auf mich zu.

„ Das war einmal! … Einmal, das ich für immer aus meinem Kopf verbannen möchte…“, gab Sander kleinlaut zu und seine Wangen nahmen die Farbe von Pink Lady Äpfeln an.

„ Sei nicht so gemein, Matte!“, grinste ich und viel ihm um den Hals.

Matteo.

Matteo. Matteo. Matteo. Matteo. Mein allerallerbester Freund auf der ganzen Welt. Wir hatten uns damals im Kindergarten kennengelernt. Ich hab euch ja von Melvin erzählt, tja und Matteo war der Einzige gewesen der mich damals verteidigt und auf mich aufgepasst hat, als Melvin seine Streiche an mir ausprobiert hat.

Ich kann mich noch daran erinnern als wäre es gestern gewesen: Melvin hatte Greta geschickt um mir zusagen, die Kindergärtnerin würde in der Küche auf mich warten, um mir mein Getränk zu geben, was natürlich gelogen war. Stattdessen, wartete Melvin in der Küche hinter der Tür auf mich.

Es kam wie es kommen musste: Ich ging nichtsahnend in die Küche, die Tür viel zu und Melvin setzte sein Verarscht-Hosenscheißer-Lächeln auf. Im nächsten Moment flog eine, mit rote Beete gefüllte, Luftballonbombe auf mich zu und traf mich mitten im Gesicht. Die ganze, stinkende Suppe lief an mir herunter und hatte mein nagelneues Kleid durchtränkt. Leise liefen mir die Tränen über die Wangen, doch bewegen oder gar schluchzen konnte ich nicht.

Ich hab Melvins gehässiges Lachen immer noch im Ohr. Geschmacklos der Kerl.

Doch dann kam Matteo in die Küche gestürmt, er hatte, wie er mir danach erzählt hat, das Gespräch zwischen Melvin und Greta belauscht und wusste über den Plan Bescheid.

Deshalb war er auch nicht allein, nein, Matteo wäre nicht Matteo, wenn er nicht auch einen Plan gehabt hätte: Er hielt seine SuperSoaker74(Damals eine ziemlich coole Wasserpistole) in den Händen, starte Melvin, in seiner damals viel zu großen Hose an und zitierte seinen absoluten Lieblingsfilm „Stirb langsam“: „ Yippieyayey Schweinebacke!“

Dann feuerte er wie wild drauf los. Und natürlich war die Pistole nicht mit Wasser gefüllt sondern mit Slushieis.

Noch während Melvin kreischend am Boden lag, trottete er zu mir hin, reichte mir ein Handtuch und versprach feierlich: „ Der wirft nie wieder mit ner Rotebeetebombe auf dich. Versprochen.“

Ich lächelte: „ Kleiner Fingerschwur?“ Und reichte ihm den Finger.

Er lächelte auch. Sein schiefes, verschmitztes Matteo Lächeln: „ Kleiner Fingerschwur.“

Und er hakte seinen Finger ein.

Dann sah er mich an und sein Grinsen wurde noch breiter: „ Weißt du eigentlich, dass du wie Elmo aus der Sesamstraße aussiehst?“ Dann nahm er seinen Zeigefinger, fuhr damit über meinen Arm und steckte ihn sich dann in den Mund: „ Schmeckt aber lecker!“

Und das meine Damen und Herren, war meine erste Begegnung mit Matteo Rosswald und der Beginn einer wunderbaren Freundschaft. Leider wurde ich den Spitznamen auch nicht mehr los.


Als er mich wieder losließ und auf dem Boden absetzte, nahm er mich mit kritischem Blick, von oben bis unten ab und entschied dann, an Sander, unseren Fahrer, gewandt: „ Es wird doch unseren Zeitplan nicht durcheinander bringen, wenn wir gleich beim Drive in vorbei fahren, oder? Ich hab hier jemanden, der einen doppelten Cheeseburger echt gut gebrauchen könnte.“

Ich warf ihm einen genervten Blick zu und boxte ihn in die Schulter, bevor ich Cami umarmte die aus dem Auto, einem quietschroten Beetle, gestiegen war.

„ Heute ist es soweit! Endlich geht´s los!“, quiekte sie aufgeregt.

Sie hatte ihre dunklen Haare zu einem lockeren Pferdeschwanz gebunden und ihre braunen Augen leuchteten. Sie hatte eine typische Stupsnase, deshalb passten ihre schmalen Lippen nicht ganz in ihr Erscheinungsbild. Sie war viel größer als ich, mindestens anderthalb Köpfe, weshalb ich mich früher immer fett neben ihr gefühlt hatte.

Heute trug sie eine pinke Basecap mit einem großen A darauf. Dazu ein weißes Hängerchen mit einer dieser Jacken darüber, die aussahen wie Regenmäntel. Das Orange der Jacke passte nicht so ganz zu der weißen Hotpants und den grünen Vans, aber das interessierte sie herzlich wenig. Je mehr Farben, desto besser.

„ Ich hol grad noch meinen Kram, wenn ihr so lange noch warten wollt“, grinste ich, drehte mich auf dem Absatz um und spazierte in Richtung Haustür.

Plötzlich spürte ich eine Hand auf meiner Schulter: „ Hey warte, einem Krüppel wie dir, traue ich keine 30 Kilo zu.“ Matteo war mir gefolgt und spazierte nun vor mir ins Haus.

Drinnen hörte ich die Stimme meiner Mutter: „ Ach Matteo, ich hab dich gar nicht gehört! Alles klar bei dir? Geht´s mit eurem Haus voran?“

Ich hatte die Tür erreicht und blieb nun im Ramen stehen.

„ Logisch, mein Vater ist inzwischen im Wohnzimmer angekommen und will es grau streichen, meine Mutter wehrt sich aber strikt dagegen und setzt sich für weiß ein“, er lehnte sich gegen das Treppengeländer.

„ Hm…Schwierig…ich glaube ich würde deiner Mutter beipflichten und ein helles weiß bevorzugen, aber grau wirkt nicht so schmuddelig nach einer gewissen Zeit. Also … Wie wärs wenn ihr die beiden Farben einfach mischt? Ach nein, das geht ja auch nicht. Und was wenn ihr….“

„ Mama! Ich glaube Matteo interessiert sich nicht wirklich für deine Farbvorstellung für sein Wohnzimmer….“, unterbrach ich sie.

„ Oh tut mir leid, wenn ich dich genervt habe, Matteo. Aber Ellie, sei nicht immer so Vorlaut!“, sie hatte wieder die Falte auf dem Gesicht, die sie bekam wenn sie Lennox oder mich zurecht wies.

„Genau Ellie! Sei nicht immer so Vorlaut!“, Matteo konnte sich sein Grinsen nicht verkneifen.

„Haha…“, ich drehte mich zu ihm und hob eine Augenbraue.

„ Na dann will ich mal nicht weiter stören“, er nahm meine Reisetasche und klemmte sich mein Board unter die Achseln.

„ Ach du störst doch nicht“, meine Mutter machte zwei Schritte auf ihn zu und mit den Worten „ Komm mal her“ umarmte sie ihn.

Der überrumpelte Matteo ließ die Taschen wieder fallen und klopfte meiner Mutter zwei Mal auf den Rücken.

Ich nahm in der Zeit meinen Rucksack und wollte unbemerkt zum Auto schleichen, doch meine Mutter hatte sich zu schnell von Matteo gelöst und mit einem „ Elinore Jaska Sue, du bleibst schön hier!“ hielt sie mich an meiner Jacke fest.

„ Also, du hast alles eingepackt, Medikamente sind auch drin und genug zu trinken hast du auch?“ Sie wirkte etwas besorgt.

„ Ja, ja und ja“, erwiderte ich lächelnd.

„ Gut, ich hab dir die Liste mit den Krankenhäusern auf eurer Route aufgeschrieben und in die vorderste Tasche von deinem Rucksack gepackt, falls irgendetwas ist, geht ihr bitte sofort ins Krankenhaus.“

Matteo, der neben mir stehen geblieben war, nickte ernst.

„ Machen wir“, ich schlang meine Arme um meine Mutter und drückte sie ganz fest. Sie flüsterte mir ein „ Pass bitte auf dich auf!“ ins Ohr, bevor ich sie loslassen konnte.

Mein Bruder kam plötzlich aus der Küche getrottet, nickte Matteo kurz zu und nahm mich auch in den Arm, was er sonst sehr, wirklich sehr, sehr selten tat.

Außerdem war es auch sehr deprimierend für mich, denn er war jetzt schon zwei Köpfe größer als ich. Obwohl ich stolze 1,62 groß war. Kein Kommentar.

Dann rief meine Mutter noch meinen Vater, der in der Garage an seinem Auto schraubte. Auch er nahm mich in den Arm und drückte mir einen Kuss auf die Wange.

„ Wenn irgendwas ist, ruf an“, er sah mich mit großen Augen an.

„ Auch nachts um halb drei?“, das fragte ich nur, weil ich wusste, dass meinem Vater sein Schlaf heilig war.

„ Auch nachts um halb drei“, bestätigte er lächelnd.

Dann nahm er meinen Bruder mit und die beiden verließen den Flur. Ich konnte es ihnen nicht übel nehmen, denn ich wusste, dass sie beide Abschiede verabscheuten.

Endlich drehte ich mich um und wollte mit Matteo zum Auto gehen, als meine Mutter ihn zurück hielt.

„ Ellie, geh ruhig schon mal zum Auto, Matteo kommt gleich nach.“

Verwirrt leistete ich Folge und rief meiner Mutter noch eine Abschieds-hab-dich-lieb zu.

Ich warf mir meinen Rucksack ganz um die Schulter, weil ich merkte, dass ich ihn mit einer Schulter nicht mehr tragen konnte.

Als ich dann endlich am Auto ankam, waren Cami und Sander gerade dabei, die Reiserouten noch einmal durchzugehen: „ Also von San Diego dann nach Fairbanks und da bleiben wir wie lange?“ Wollte Sander wissen.

„ Drei Tage und dann geht’s mit dem nächsten Flieger weiter nach China.“

Als sie mich bemerkten, wollte Sander von mir wissen: „ Wo bleibt denn Matte schon wieder?“

„ Meine Mum, wollte noch mit ihm sprechen. Und bevor du fragst: Nope, ich hab keine Ahnung was sie von ihm will“, kam ich ihm zuvor.

„ Na dann“, er sah nachdenklich aus und sein Blick schwiff ab.

Hinter mir hörte ich die Haustür zu schlagen und Matteo kam grinsend auf uns zu.

Seine braunen Haare kräuselten sich heute ganz besonders, was ihn immer zu Weißglut trieb, denn er hasste seine Locken. Seine grasgrünen Augen strahlten in der hellen Morgensonne noch mehr als sonst. Seine vollen Lippen waren immer noch zu einem Lächeln verzogen und durch das grüne T-shirt zeichneten sich seine Muskeln ab, ich fragte mich immer, woher er die überhaupt hatte, denn er spielte nur Fußball und fuhr Longboard.

Er trug heute eine graue Hose und seine abgenutzten schwarzen Lieblingschucks.

Er stellte meine Tasche und das Board ab und öffnete schwungvoll den Kofferraum.

„ Hey Bro, das ist das Auto von meiner Mum! Ich will keinen Kopf kürzer werden, wenn sie sieht, dass irgendwas im Arsch ist.“

„ Entspann dich Bro “, Matteo lud meine Reisetasche und mein Board in den sowieso schon überfüllten Kofferraum, bevor er, unter dem scharfen Blick Sanders, den Kofferraum wieder übertrieben vorsichtig zu machte und sich danach tief verbeugte.

Das brachte sogar Sander zum Lächeln und er schrie ausgelassen: „ Los jetzt! Alle einsteigen in das Auto ins Paradies!! In den nächsten Wochen will ich keinen mit schlechter Laune erwischen!! Yeehaw!“

Ich konnte mich nicht mehr halten und prustete los: „ Dein Ernst? Yeehaw?“

„ Ich hab gestern Toystory geguckt und „Yeehaw“ erschien mir als guter Catchphrase… Aber jetzt steigt endlich ein!“

Das ließ ich mir nicht zweimal sagen und hüpfte auf den Rücksitz, neben Matteo.

Noch einmal brüllte Sander seinen neuen Kampfspruch und fuhr dann mit Vollgas vom Hof. Ich warf noch einen letzten Blick zurück, dann drehte ich mich um und genoss den Fahrtwind in meinem Gesicht. Und ich schwöre es lag der Geruch von Abendteuer in der Luft.






2. Kapitel



Hannover war zum Glück nicht weit weg. Dennoch mussten wir ein Weilchen fahren. Doch das machte mir nichts aus, ich liebte lange Autofahrten über alles.

Nur so konnte ich mich wirklich richtig entspannen. Ich liebte es den vorbeiziehenden Bäumen hinterher zu blicken, die verschiedenen Farben der Autos zu begutachten und einfach meine Gedanken kreisen zu lassen.

Denn beim Schicksal, das konnte ich wirklich richtig gut. Deshalb merkte ich auch erst jetzt das Matteo, nun schon zum fünften Mal meinen Namen rief, naja eigentlich eher sein Name für mich: „ Elmo! Elmo!“

„ Hm was?“, ich musste mich schweren Herzens von meinen Gedanken trennen und drehte mich zu ihm um.

„ Wo warst du diesmal?“, wollte er lächelnd wissen.

„ Och, hier und da…Manchmal glaube ich, meine Gedanken wissen mehr als ich…“, immer noch ein bisschen abwesend wickelte ich eine Strähne, die mir ins Gesicht gerutscht war, immer wieder um meinen Finger, bis ich das Gefühl hatte es wär kein Blut mehr drin. Dann ließ ich los und die Strähne drehte sich acht Mal bis sie wieder neben meiner Wange hing.

Matteos Lächeln wurde breiter: „ Bei dir könnte das sogar hinkommen“, er kramte in seinen Taschen und murmelte dabei: „ Wo ist er denn? Ich hab ihn doch eingesteckt…“

„Was suchst du denn?“, neugierig beobachtete ich ihn.

„ Ich hatte doch noch deinen IPod um mir „Jazz“ anzuhören, er zog meinen alten IPod aus der Tasche und hielt ihn mir hin, „ du hattest Recht, es ist das beste Album von Queen.“

Unsere Liebe zu Queen war die Sache, die uns noch mehr zusammen geschweißt hatte. Und jetzt mal im Ernst Queen ist doch der Hammer oder?

Ich nahm das zerkratzte Ding aus seiner Hand und Steckte ihn in die Tasche meines Cardigans: „ Lieblingssong?“

„Hmm… Lass mich überlegen…Ich glaub „ Don´t stop me now“, er sah mich erwartungsvoll an.

„Du nimmst mich auf den Arm! Ich hab diesen Song schon mindestens 100 mal gehört!“, ich lachte, sodass sich Cami und Sander kurz nach uns umdrehten, dann aber ihr Gespräch über, ich glaube ich hörte das Wort „Strandbekleidung“, fortsetzten.

„ Hundertundzwölf mal“, er lachte auch.




 


 


 




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Tag der Veröffentlichung: 16.08.2015

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