Hallo :)
Dieses Buch ist die Fortsetzung von Wiedersehen mit Folgen. Edward und Bella sind mehr Nebenfiguren geworden, aber es geht ja auch um Robert Knight, Bellas Bruder.
Für alle Neueinsteiger empfehle ich meine anderen FF zuerst zu lesen.
>Wenn die Sonne scheint und Wiedersehen mit FolgenWenn der Teufel erwacht
Robert Knight, Lord Sommerfield, stand in dem Raum, in dem seine Schwester noch vor ein paar Minuten gefangen gehalten wurde. Er hatte eben sechs Menschen umgebracht und es tat ihm nicht einmal leid. Seine dunkle Seite hatte ihn wieder einmal übermannt. Nichts war schlimmer, als dass seine Schwester diese Seite an ihn gesehen hat. Jetzt war sie in der Obhut seines besten Freundes, Lord Stratton. Bei ihm war sie sicher, nicht bei ihm selbst. Bei ihm wäre sie der ständigen Gefahr ausgesetzt, irgendwann von ihm getötet zu werden.
Er hob die Waffe und schoss auf die gegenüberliegende Wand. Jetzt würde niemand daran zweifeln, dass er Selbstmord begangen hatte. Was Stratton nicht wusste, war, dass im Speisezimmer noch eine Leiche lag. Knight hatte genau sechs Stunden bevor Edward die Polizei informieren würde. Bis dahin würde er hier die Spuren beseitigen. „Wie es aussieht Williams, werden Sie keine angemessene Beerdigung bekommen.“ Jetzt sprach er schon mit Toten. Wie verrückt ist das denn?
Gemächlich wanderte Knight durchs Haus und suchte nach Alkohol. Er fand guten alten Brandy und musste lachen. „Oh. Ein göttlicher Jahrgang.“ Er nahm sich ein Glas, schenkte sich was ein und trank einen Schluck. Nebenbei goss er den Rest über die Leichen. Wieder bei Williams blieb er stehen und trank sein Glas aus. „Wiedersehen Williams. Ich konnte dich mieses Stück Dreck eh nie leiden.“ Nachdem die Leiche nass war, zog Knight eine Streichholzschachtel aus seiner Tasche. „Jetzt bin ich auch noch ein Feuerteufel. Hm. Der Name gefällt mir. Hat was, nicht wahr, Williams? Ach. Du kannst ja gar nicht mehr reden. Pech gehabt.“
Das angezündete Streichholz ließ er auf den toten Williams fallen und begab sich pfeifend zu den anderen. Als auch diese brannten, suchte er Brandbeschleuniger. In relativ guter Laune kippte er den Brandbeschleuniger auf alles leicht Entzündliches. Immer noch pfeifend nahm er wieder ein Streichholz und zündete die Gardinen an. Er verschwand erst, nachdem er sicher war, dass niemand den Brand stoppen konnte. Sein Pferd hatte Stratton mitgenommen, also musste er zu Fuß gehen. Dann hörte er in der Nähe Pferde wiehern. Mhm. Wunderbar. Gott, du liebst mich ja doch.
Na ja, nicht ganz. Das Pferd konnte man nur als alten Klepper bezeichnen. „Mein Junge, du siehst ja beschissener aus als ich mich fühle.“ Das Tier reagierte mit einem Schnauben. „Musst früher ein schönes Tier gewesen sein, was? Tja, es wird Williams nichts aus machen, wenn ich dich mitnehme. Der zerfällt grad zu Staub.“ Mit sichren Bewegungen saß er auf das Tier auf und trieb ihn zum Schritt an. „Wir haben keine Eile. Ich muss erst mal überlegen, wo wir die Nacht verbringen.“ Das war wirklich eine gute Frage. Auf der Straße würde er jedenfalls nicht schlafen.
Ob ihn Sarah willkommen hieß? Sie war immer so ausdrucksstark wenn sie sich wiedersahen. Die Vorstellung gefiel ihm ungemein. Nicht nur ein warmes Bett, sondern auch eine reizende Geliebte. Er seufzte frustriert. Zu schade, dass er eben Selbstmord begangen hatte. Es wäre anstrengend sich vor Stratton zu verstecken, nur weil Sarah ihre Klappe nicht halten konnte. Also schieden seine Frauenbekanntschaften als Unterschlupf aus. Wohin dann? Die Qual der Wahl. Plötzlich bemerkte er, dass es unnatürlich ruhig war. Er ließ den Gaul langsamer werden und horchte.
Banditen. Auf die hatte er ja nun gar keinen Bock. „Kommt schon raus. Ich bin eh schon angepisst.“ Zu siebt kamen sie aus ihrem Schlupfloch und Knight lehnte sich lässig zurück. Das wird sehr interessant. Dreizehn Morde in einer Nacht. Das bricht seinen bisherigen Rekord. „Geld her.“ „Welches Geld? Hab nichts bei.“ Die Truppe war ein schwacher Haufen, dass konnte sogar ein Blinder sehen. Rostige Waffen, alte Klepper, oh Mann, die machten ja nicht mal einem Kind Angst. Die Typen mochten es gar nicht, dass er sich auf ihre Kosten amüsierte. Den einen Mord mehr oder weniger, was soll’s.
Mit einer ruckartigen Handbewegung riss er den erstbesten Reiter vom Pferd und stürzte sich auf ihn. „Nananana. Geht man so etwa mit Leuten um? Einfach aus dem Dickicht hervorpreschen und einem eine rostige Waffe vor das Gesicht halten. Gar nicht nett.“ Der Kerl machte sich fast in die Hose, als Knight ein Messer aus seinem Stiefel hervorzog und es ihm an die Kehle drückte. „Für dich zum Mitschreiben. Niemand überfällt mich ohne ungestraft davonzukommen. Ich könnte dir jetzt einfach so die Kehle durchschneiden und dich verbluten lassen, als wärest du ein Schwein. Das willst du doch nicht, oder?“
Der Typ schüttelte wie wild sein verlaustes Haar und Knight lächelte teuflisch. „Schade, aber ich muss dich leider umbringen.“ Mit einem gezielten Schnitt, durchtrennte er die Kehle und stand auf. Die anderen starrten auf ihren verblutenden Mitstreiter, ehe sie den Blick auf ihn hefteten. „Leider müsste ihr alle sterben. Tut mir echt leid, aber ihr habt euch einfach zur falschen Zeit den falschen Ort ausgesucht.“
Hmm. Wie schaffe ich jetzt die Leichen weg? Knight sah von seinem letzten Opfer auf und betrachtete die Gäule. „Ich töte ungern Tiere, aber es ist einfach zu auffällig, wenn ich euch frei lasse.“ Williams Gut müsste noch brennen. Einige verkohlte Leichen mehr fallen den dämlichen Polizisten eh nicht auf. Mit den Leichen und den Gäulen machte er sich auf den Weg zurück zu dem brennenden Haus. Er schmiss die Leichen einfach durch die Fenster rein und führte die Pferde in den kokelnden Stall. Nachdem er die Tiere erlöst hatte, nahm er sich sein Pferd und schritt gemächlich zu dem Ort des Überfalls.
Es war nicht viel Blut und es würde eh bald regnen, sodass er sich in Ruhe auf dem Weg machen konnte. Dumm nur, dass seine Kleidung geradezu mit Blut durchtränkt war. Die von Läusen verseuchte Kleidung dieser Möchtegernbanditen hätte er niemals getragen. Tat ihm ja leid, aber er hatte auch seinen Stolz. War es nicht schlimm genug, dass er jetzt wahrscheinlich auf der Straße schlafen musste? Verdammt! Er hatte nicht mal Geld! „Großartig, Knight! Wenn du das nächste Mal fuchsteufelswild das Haus verlässt, denk gefälligst an Geld!“ So eine Scheiße.
„Tja, mein Freund. Sieht aus, als wenn wir ziemlich aufgeschmissen sind.“ Plötzlich hörte er ein Knurren. „Nicht das noch! Verfolgt mich heute das Pech oder was?“ Eine räudige Kreatur kroch vor ihm aus dem Unterholz. „Riechst wohl Blut was?“ Das Vieh blickte ihn bloß blöde an. „Mann. Ich muss wirklich irre sein, wenn ich mich schon mit Tieren unterhalte.“ Diese Viecher hatten auch noch den Nerv zustimmend zu Schnauben! „Wie bin ich nur hierher gekommen? Steh im Wald mit einem alten Klepper und einer räudigen Töle. Ich glaub das einfach nicht.“
Das Ende einer Existenz
Es war eine Nacht wie jede andere. Der Gestank des Blutes und der anderer Ausdünste lag in der Luft. Knight blickte auf seine Geiseln hinab und lächelte kalt. Es würde ihnen noch leid tun, sein Revier betreten zu haben und er würde jede Minute davon genießen. Seine Männer standen etwas abseits von ihm und warteten. Sie blieben immer weg von ihm, hielten ihn für verrückt und krank. Manchmal konnte Knight ihnen nicht widersprechen, schließlich verstümmelte er seine Geiseln auf brutalste Weise, ehe er sie laufen ließ.
Wenn sie in Angst vor ihm lebten, kamen sie ihm nicht zu nahe. Und das war auch ganz gut so. Nach sieben Monaten hatte er sch einen grausamen Namen gemacht. Crow, die Krähe. So nannten sie ihn, weil er sich angeblich von den abgetrennten Körperteilen ernährte. Völliger Humbug, aber was soll’s. Wenn es die Leute auf Abstand hielt, soll es ihm recht sein. Manche glaubten sogar, dass er bis in die Seelen seiner Opfer sehen konnte und so ihre Grausamkeiten erkannte. Dass er sich einfach nur gut über sein Opfer informierte machte wohl keinen bleibenden Eindruck.
In den letzten Monaten hatte er sich jedoch Feinde gemacht. Mächtige Feinde, denen man besser aus dem Weg ging. Diese Feinde lieferten sich jetzt schon wochenlang mit ihm Kämpfe, obwohl ihre Anzahl stark dezimiert wurde. Man konnte vieles über ihn sagen, aber nicht, dass er dumm war. Vor solchen Kämpfen plante er alles bis ins kleinste Detail, setzte sich mit den Risiken auseinander und fand Lösungen. So konnte ihn so gut wie nichts überraschen.
Diese Vollidioten machten nie einen Hehl daraus, dass sie kamen. Überraschung war hier für die ein Fremdwort. Mindestens zwanzig Typen kamen gerade die Gasse hinunter gelaufen und Knight musste lächeln. Seine Falle hatte so eben zugeschnappt. „Schönen Abend, Dazzler.“ Der Anführer blickte verächtlich zu ihm auf, weil Knight auf einer Mauer stand. „Spar dir die Worte, Crow. Du weißt, warum ich hier bin.“ Wer wusste es nicht? Dazzler hatte Schmuggelware an ihn verloren, die er jetzt zurückverlangte. „Ich hab keine Ahnung wovon du redest, Dazzler.“ „Das weißt du genau! Wo ist meine Ware!“ Knight legte den Kopf schief und sah überrascht seinen Gegenüber an. „Hast du etwa was verloren?“
Das brachte Dazzler zur Weißglut und der Kampf konnte beginnen. Auf ein Zeichen hin, umkreisten Knights Leute die Bande und schlachteten sie geradezu ab. Als Knight Dazzler den Todesstoß geben wollte, fiel plötzlich etwas vom Dach. Knight konnte nur jede Menge Stoff sehen, dass am Boden lag. Doch dann kamen Augen zum Vorschein. Grüne Augen. Die Augen von Kahlen McKinley. Was machte sie hier? Dann wurde Knight bewusst, dass sie mitten im Kampf waren. Beschützend stellte er sich vor das verrückte Mädchen und wehrte die Angriffe ab.
Kahlen McKinley verfluchte sich für ihr Pech. Gott verdammte Mauer. Hatte sie nicht noch etwas halten können? Dann wäre es ihm nie aufgefallen, dass sie sich versteckt hatte. Kahlen sah auf den breiten Rücken vor ihr, der sie vor den Angreifern abschirmte und bewunderte Robert Knight wie nie zuvor. Er war einfach göttlich. Wie er sie versuchte zu beschützen, traumhaft. Plötzlich legten sich eine Hand auf ihren Mund und zog sie hoch. Sie schrie so laut sie eben konnte und Knight drehte sich zu ihr um. Seine Augen waren pechschwarz statt braun. „Das würde ich an deiner Stelle nicht tun, Dazzler.“ Seine geknurrten Worte ließ ihren Körper wundervoll erzittern. Sie sollte eigentlich Angst haben, aber solange sie ihn ansah, verspürte sie dieses Gefühl nicht.
„Dieses kleine Täubchen kam ja schon wie gerufen.“ Kahlen stieg ein ekelerregender Gestank in die Nase und verzog das Gesicht. Noch bevor sie was tun konnte, ging ein Ruck durch den Körper hinter ihr und die hand auf ihrem Mund löste sich. Sie drehte sich rechtzeitig um, um zu sehen, dass ein Messer direkt im herzen des Kerls steckte. Überrascht sah sie Knight an, ehe ihr schwarz vor den Augen wurde.
Knight fluchte lauthals, als sie zu Boden glitt. Super! Das hatte ihm grad noch gefehlt. „Boss?“ Knight drehte sich zu seinen Leuten um. „Was ist!“ Sie zuckten vor ihm zurück, zeigten aber auf die Toten. „Die Bullen kommen. Kann sie schon hören.“ Knight horchte in die Umgebung und tatsächlich kamen sie. Was jetzt? Er konnte Kahlen nicht einfach hier liegen lassen, mitnehmen konnte er sie aber auch nicht. „Verschwindet alle! Haltet euch ein paar Tage versteckt.“ „Und was ist mit dir?“ Gute Frage? „Ich komm schon allein klar.“
Seine Leute verschwanden so schnell ihre Beine sie tragen konnten und Knight stand inmitten eines Gemetzels mit einer bewusstlosen Lady. Wie willst du da rauskommen, Knight? Neben ihm regte sich etwas in der Dunkelheit und kam schnell näher. Es war der räudige Köter, den er vor Monaten aufgegabelt hatte. Missgeburt, wie Knight ihn so schön rief. Ein Wolfshund, der ihm immer hinterher kam. „Na mein Freund. Kommst leider zu spät, alles vorbei.“ Das Vieh schnüffelte an seiner Hand und knurrte, als sie Bullen näher kamen. „Geh lieber.“
Mit einem Winseln verschwand er wieder in den Straßen. Knight wandte sich zu seine, eigentlichen Problem. Kahlen McKinley. „Das wirst du mir büßen, Mädchen. Und wenn ich als Geist dein Leben zur Hölle mache, aber dafür wirst du bezahlen.“ Die Polizei brüllte, dass er stehen bleiben sollte, was Knight auch tat. Während sie ihn festnahmen, blieb sein Blick stets auf das bleiche Gesicht gerichtet. Meine Rache wird äußerst süß sein. Du wirst dir wünschen, mir nie begegnet zu sein.
Der verlorene Sohn kehrt heim
Knight saß also wieder in New Gate. Einige erkannten ihn wieder und begrüßten ihn fröhlich. Gibt doch nichts schöneres, als mit einem Haufen Vollidioten auf sein Ende zu warten. Man steckte ihn in eine Zelle, die bereits den Geruch des Todes verströmte. „Da hat sich einer leider aufgehängt.“, teilte man ihm nebenbei mit und Knight lächelte. Wie schön. Nach gut zwei Stunden wurde es draußen laut. Jemand brüllte den Wärter an. Knight spitzte die Ohren, um etwas zu verstehen.
„Sie lassen mich sofort zu ihm!“ Knight legte den Kopf schief. „Stratton?“ Das gibt es doch nicht. Was machte er denn hier? Er legte den Kopf an die Gitterstäbe, um etwas zu sehen, aber die Tür war leider geschlossen. Plötzlich öffnete sie sich und der Wärter kam herein. Ihm folgte ein sehr zorniger Stratton und hinter diesem eine blasse und hochschwangere Isabella. Seine Schwester? Hier in New Gate? Knight sah beide schockiert näherkommen und wich zurück, als der Wärter die Tür öffnete.
„Sie können gehen.“ Gehen? Hatte der nicht mitbekommen, dass Knight ein dutzend Menschen getötet hatte? Verständnislos wandte er sich an seinen Freund, der ihn mit geballten Fäusten ansah. Seine Schwester hatte Tränen in den Augen und fasste nach Strattons Hand. „Robert?“ Scheiße, er hatte sich oft das Wiedersehen vorgestellt, nur nicht so. Vor Scham senkte er seinen Kopf, als er die Zelle verließ. Ohne sich umzudrehen ging er voraus, durch das Tor. Er blieb erst stehen, nachdem er sich von dem Ort entfernt hatte.
„Wie habt ihr mich gefunden?“ Eine berechtigte Frage, immerhin hatte er sich nie bei ihnen gemeldet. Knight hatte angenommen, dass sie ihn für tot hielten. Die Familiengruft hatte er einen Monat nach seinem Verschwinden aufgesucht. Die hatte sich aber als leer erwiesen. Knight hatte angenommen, dass seine Schwester ihn nicht als würdig genug empfand bei ihren Eltern ruhen zu dürfen.
Schon schlug ihn Stratton zu Boden. Obwohl Knight damit gerechnet hatte, tat es trotzdem weh und er musste nach Luft ringen. „Verdammt, Stratton!“ Scheiße, das schmerzte. Stratton musste in seiner Abwesenheit trainiert haben. „Das war für das, was du uns angetan hast.“, bemerkte sein Freund kalt, ehe er sich Isabella zuwandte. „Wie geht es dir?“ „Es geht mir gut. Du machst dir wie immer zu viel Sorgen.“ Super. Jetzt war er auch noch schuld, wenn es ihr schlecht ging. Knight, du bist erbärmlich. Eine leise Stimme meldete sich in seinen Kopf: das wäre nicht passiert, wenn das McKinley Mädchen nicht aufgetaucht wäre.
Ach ja. Kahlen. Seine Rache. „Lasst mich raten. Kahlen McKinley hat dir eine Nachricht zukommen lassen.“ Sein Freund sah ihn weiterhin kalt an. „Ja. Sie hat geschrieben, dass du ihretwegen im Gefängnis sitzt und ihre Bemühungen erfolglos waren. Wir haben gedacht, dass sie spinnt. Erst als wir uns ihre Geschichte angehört haben, dass sie dich seit Monaten verfolgt, haben wir ihr Glauben geschenkt. Immerhin gab es ja aufgrund des Feuers keine Leiche.“ „Nur verstanden wir nicht, warum du nicht nach Hause gekommen bist.“, fügte seine Schwester verzweifelt hinzu und Knight musste sich abwenden.
„Warum hätte ich kommen sollen? Es gab nichts, was mich erwartet hätte.“ Außer eine Schwester, die vor mit Angst hat. Dieser Gedanke blieb unerwähnt. Knight wusste zum ersten Mal nicht, was er jetzt tun sollte. „Außerdem war ich tot.“ Ein Blick auf das Paar hinter ihm machte ihn nervös. „Ihr habt mich doch als Tod hingestellt?“ Plötzlich brach Isabella in Tränen aus und Knight war völlig fassungslos. Was war denn jetzt los?
„Knight! Isabella ist an anderen Umständen! Könntest du bitte taktvoller sein.“ Knight schnaubte nur. Mit einem Blick auf ihren Bauch bemerkte er sarkastisch. „Oh ja. Nach der Größe zu urteilen, hat sie jeden Tag mit trauern verbracht.“ Sein Freund kam wütend auf ihn zu, nur war Knight vorbereitet und fing seine Faust ab. Mit einer geschickten Bewegung brachte er sein Messer an Strattons Kehle. „Vorsichtig. Ich hab in den letzten Monaten viel gelernt, mein Freund.“ „Was ist aus dir geworden?“ Mit einem Lächeln ließ Knight seinen Freund los. „Das braucht dich nicht zu kümmern.“
„Was jetzt? Kann ich mich meinen Geschäften wieder widmen?“ „Komm nach Hause, Bruder. Bitte.“ Warum muss ich bei ihren Bitten immer weich werden? „Hast du Angst vor mir?“ Ein Zögern und er war weg. Isabella überraschte ihn, indem sie ihn anlächelte. „Natürlich nicht.“ Er beäugte sie misstrauisch. „Keine Angst, dass ich wieder so handele wie vor sieben Monaten?“ „Knight, könnten wir das zu Hause besprechen? Hier ist nicht der richtige Ort.“
„Erst muss ich noch mal zurück. Muss was holen.“ Ohne weitere Worte zu verschwenden ging er die Straße hinunter. Kahlen McKinley hatte ihn monatelang verfolgt. Soso. Kein Wunder, dass er sich beobachtet gefühlt hatte. Nun, jetzt würde er den Spieß umdrehen. In seinem Versteck nahe den Docks hielten sich bereits seine Leute auf. Sie waren erleichtert, dass er wieder da war. „Hört her.“, befahl Knight knapp. „Ich muss verschwinden und ihr ebenfalls.“ Das gute an den Trotteln war, dass sie nie nachfragten. Sie packten einfach ihre Sachen und gingen.
Der räudige Köter kam auf ihn zu und Knight war endlich mal froh, ein bekanntes Gesicht zu sehen. „Hallo, mein Freund. Bin wieder da.“ Er kraulte das Fell des Viehs und lächelte, als es sich auf den Boden rekelte. „Wir ziehen beide um. Ich zeig dir mein Haus und meine Schwester wirst du auch kennen lernen. Sie wird nicht gerade von deinem Aussehen begeistert sein, aber egal. Nehmen wir Klepper und gehen.“ Als eine Krähe über seinen Kopf hinweg flog, seufzte Knight. „Ach ja, du kommst auch mit.“ Wenn Stratton seinen sonderbaren Zoo sah, würde er sich auf dem Boden kugeln.
Nachdem er das Pferd auf die Straße geführt hatte, nahm er eine Streichholzschachtel aus seiner Tasche. „Weckt Erinnerungen.“ Zum Glück war das Lagerhaus mit Papier gefüllt. Es würde leicht brennen. In einiger Entfernung sah er zu, wie es lichterloh brannte. Die Krähe auf seiner Schulter schrie laut und der Köter winselte, was Knight lächeln ließ. „Tut mir auch leid, Freunde.“ Er führte das Tier nach Mayfair und brachte es in den Garten von Stratton House. „Du bleibst erstmal hier.“
Wilkons ließ ihn ein, während ihm Freudentränen über die Wange liefen. „Meine Güte, sagen Sie bloß, Stratton ist miserabler als ich.“, meinte Knight spöttisch.
Unerwartetes Geständnis
Knight saß in seinem Arbeitszimmer und las den Bericht seines Detektivs durch. Der Alltag von Kahlen McKinley war immer gleich. Sie verließ das Haus nie vor Mittag. Wenn sie es verließ, begab sie sich zu einem Blumenladen in der Nähe des Friedhofs, den sie kurz darauf besuchte. Soweit Knight aber wusste, lag dort keiner ihrer Verwandten. Warum ging sie dann dorthin? Sie verließ den Friedhof eine Stunde später und ging wieder nach Hause. Ein merkwürdiger Alltag.
Warum verließ sie das Haus nur, um auf den Friedhof zu gehen? Seine Überlegungen wurden Stratton unterbrochen, der gerade hereinkam. „Was willst du?“ Die Frage klang nur etwas gereizt, aber sein Freund wusste, was das bedeutete. „Bella macht sich Sorgen um dich. Du bist ganz allein in diesem Haus.“ Konnte sich seine Schwester nicht um ihre Angelegenheiten kümmern? „Sie sollte ihre Energie nicht verschwenden, indem sie sich um mich sorgt. Stattdessen sollte sie ein gesundes Kind zur Welt bringen.“
„Was ist das?“ Damit meinte Stratton den Bericht, der offen auf dem Tisch lag. „Nur eine Nachforschung. Weißt du etwas von toten Verwandten der McKinleys auf dem Friedhof?“ Kurz überlegte Stratton und schüttelte dann den Kopf. „Nein, soweit ich weiß, sind ihre Verwandten alle in Schottland begraben. Wieso?“ „Anscheinend verbringt sie ihren Tag damit, im Stadthaus zu sitzen und auf den Friedhof zu gehen. Ich habe nur keine Ahnung, warum.“
Sein Freund lehnte sich mit einem tadelnden Blick zurück. „Du willst dich doch nicht etwa an ihr rächen?“ „Warum nicht? Ich habe es doch ihr zu verdanken, dass ich in New Gate war. Ohne sie hätten du und Bella nie von meinem Aufenthalt erfahren.“ Die plötzliche Wut veranlasste ihn, sein Glas fester zu packen. Dieses Mädchen brachte nur Probleme. „Gefiel dir dein Leben auf der Straße so gut, dass wir dir egal waren?“ Knights Wut löste sich in Luft auf. „Es gefiel mir, das gebe ich gern zu. Nur habe ich Bella vermisst. Ständig habe ich mir Sorgen um sie gemacht. Ich konnte es nicht ertragen, dass sie nach dem Vorfall schlecht über mich dachte.“
Er hielt kurz inne und seufzte. „Diesen Teil meiner Persönlichkeit habe ich meiner Mutter zu verdanken. Sie war genauso, nur versteckte sie es sehr gut. Ich dagegen lasse meinen Gefühlen freien Lauf. Man mag mich verachten und das aus gutem Grund. Ich habe viele Leichen im Keller.“ Knight legte den Kopf schief und sah seinen Freund kalt an. „Die verschwundenen Männer um Willoby gehen auf meine Kappe. Genau wie der fehlende Finger. Ich habe dafür gesorgt, dass sie in der Themse landeten. Willoby konnte sich wohl befreien. Ein Ärgernis, dem mit leichten Drohungen schnell behoben war. Du fragst dich bestimmt, ob ich nicht mehr alle Tassen im Schrank hatte?“
Wie Stratton ihn entgeistert an sah, war ihm Antwort genug. „Vielleicht hatte ich sie nicht mehr alle. Wer weiß? Aber ich wollte sie nicht ungestraft davonkommen lassen! Sie mögen Isabella nicht vergewaltigt haben, aber sie hatten es vor. Wäre ich zu spät gekommen, wäre sie wahrscheinlich tot gewesen.“ „Hättest du das nicht mit der Polizei regeln können?“ Knight lachte. „Das gleiche könnte ich dich fragen. Warum hast du nicht vor sieben Monaten die Polizei geholt statt deine Kameraden aus der Armee?“ Als Stratton verstand, nickte er kurz. „Niemals würde ich ihren Ruf absichtlich Schaden zufügen. Sie hatte halt das Pech, die Knights als Familie zu haben.“
„Was ich aber mit Kahlen McKinley vorhabe, geht keinen etwas an. Es ist jetzt nur noch mein Ruf, den ich ruiniere. Sie hat mich verfolgt, Stratton und ich will endlich wissen, warum? Keine ruhige Minute hat sie mir gelassen. Das hat jetzt ein Ende.“ Das würde ein Ende haben. Welches Ende sie jedoch erwartete, würde sich noch herausstellen.
Einige Tage später…
Es war einfach, ihr zu folgen. Wenn man bedachte, dass sie ihn unbemerkt folgen konnte, war sie im umgekehrten Fall schwach. Obwohl er in Sichtweite war, drehte sie sich nicht einmal nach ihm um. Er folgte ihr bis zum Friedhof, den er jedoch nicht betrat und wartete. Als sie wieder hinaustrat, folgte er ihr bis zum Stadthaus zurück. Der Detektiv hatte also Recht gehabt. Er sollte ihr einen kleinen Besuch abstatten.
Das Stadthaus der McKinleys war alt und baufällig. Ein Blinder hätte das sehen können und Knight sprang das geradezu in die Augen. Risse in den Wänden, Löcher im Dach. Gott, warum reparierte das denn keiner? Du bist nicht hier, um dir das Haus anzusehen, Knight., flüsterte eine leise Stimme in sein Ohr. Ich weiß. Noch bevor er die Hand heben konnte, um zu klopfen, öffnete sich auch schon die Tür. Es öffnete kein Butler, sondern Kahlen ältere Schwester Marion, die ihn kalt begrüßte. „Was wollen Sie, Knight?“
Gleich auf den Punkt. Gut so. „Ich will zu Kahlen Marion, also solltest du lieber mich lieber hereinbitten.“ „Lass ihn herein, ehe er noch die Tür eintritt.“, bat Kahlen ihre Schwester. Die abgetragene Kleidung der Frauen ließ ihn die Stirn runzeln. Der muffige Geruch, der ihm in die Nase stieg, war unangenehm. Roch er da etwa Schimmel? Unbehaglich trat er ins Haus und bemerkte sofort, dass hier keine Bediensteten waren. Die zwei Frauen lebten ganz allein in diesem heruntergekommenen Haus. „Wieso bist du hergekommen?“
„Wollen wir uns nicht lieber setzen?“, bemerkte er höflich, obwohl er sie lieber geschüttelt hätte. Mit steifen Bewegungen führte sie ihn in einen Salon, der diesen Namen nicht mal annähernd verdiente. Die Möbel waren beschädigt, hatten ihre besten Zeiten längst hinter sich. Knight hatte immer angenommen, dass die McKinley eine reiche Familie waren. Jedenfalls waren sie das noch vor sechs Jahren gewesen. „Noch einmal, was führt dich her? Willst du mir drohen?“ Ein lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus. Sie hatte also schon geahnt, warum er kommen würde. „Ich bin hier, um Antworten zu bekommen. Ganz einfach.“ Sie musterte ihn misstrauisch, was ihn erneut lächeln ließ.
„Was für Antworten?“ „Warum verfolgst du mich seit sechs Jahren?“ Wie sie zusammenzuckte, machte ihn sehr neugierig. „Ich verfolge dich nicht seit sechs, sondern fünf Jahren.“, stellte sie ruhig klar. Von mir aus., dachte sich Knight. „Also?“, hakte er nach, als keine Antwort kam. „Ich verfolge dich, damit du nicht vergisst, was du mir angetan hast.“ Angetan? Was hatte ich ihr denn angetan? „Ich habe dir nie was getan. Vor sechs Jahren warst du ein junger Backfisch von vierzehn Jahren, der mir hinterherlief. Ich hab gar nichts gemacht.“
„Bist du dir ganz sicher?“ Ihre Frage drängte ihn dazu, länger nachzudenken. Nein, auf dem Ball hatte er sich stets höflich und gnädig ihr gegenüber benommen. Sie war noch so jung gewesen. An mehr konnte er sich nicht erinnern, weil er diesen Abend ziemlich über die Stränge geschlagen hatte, was den Alkohol betraf. „Nein, gar nichts.“ „An dem Abend unserer ersten Begegnung hast du mir meine Jungfräulichkeit geraubt, Knight.“ Knight wich zurück als er hätte er sich verbrannt. „Unmöglich. Du warst erst vierzehn und ich bin dir nie zu nahe getreten!“
Dass sie ihn so wissend ansah, machte ihn nervös. Er hatte nicht mit ihr… unmöglich. Ja, da war eine Frau gewesen, die ihn befriedigt hatte, aber das war doch nicht sie gewesen! Diese Unbekannte hatte ihm ungeheuerliche Freuden geschenkt. Das hätte ein unerfahrener Backfisch doch niemals gekonnt. „Wir haben im Pavillon miteinander geschlafen, Robert. Am nächsten Tag bist du dort aufgewacht.“ Knight stand da wie vom Blitz getroffen. Woher wusste sie davon? Niemand wusste davon. Hatte sie ihn gesehen?
„Das warst nicht du. Das war eine andere.“ Gott, bitte sag, dass das nicht war ist. „Doch, das war ich. Du warst nur zu betrunken gewesen, um das zu merken.“ Scheiße! Er hatte sich an ein Mädchen vergangen! „Warum hat dein Vater mit dann nicht die Hölle heiß gemacht?“ Sein LETZTER Strohhalm. „Ich habe es ihm nie gesagt. Selbst an seinem Sterbebett nicht.“ Sein Strohhalm knackte ihm weg, wie eine Eiche, die vom Blitz getroffen wurde. „Nur deshalb hast du mich verfolgt? Weil ich mich an dir vergangen habe?“
Sie atmete erst tief durch, bevor sie weiter sprach. „Nein. Ich habe dich verfolgt, weil ich dein Kind in mir trug. Dein Kind, das kurz nach der Geburt starb und du dich niemals nach meinen befinden erkundigt hattest. Ich hatte dir geschrieben, dass ich guter Hoffnung war, aber du hast dich nie Blicken lassen. Während ich die Schmach ertragen musste, hast du mit Lady Foley geschlafen. In den Stunden der Geburt hast du was weiß ich was getan. Du hast mich allein gelassen, Knight! Du hast mich und DEIN Kind im Stich gelassen! Deswegen hab ich dich verfolgt. Damit die Schuldgefühle dich erdrücken, aber dich hat es nicht gekümmert. Du hast nie Reue gezeigt.“
Knights Leben brach wie ein Kartenhaus zusammen, während er ihr zuhörte. „Ein Kind?“, flüsterte er benommen. Sie hatte ihm geschrieben? Aber er hatte nie einen Brief bekommen. Er schloss gepeinigt die Augen und taumelte zur Tür. „Robert?“ Ihre Stimme ließ sein Blut in den Adern gefrieren. Er musste hier weg. Und so rannte er beinah Marion um, als er flüchtete. Das kann nicht sein. Das kann nicht sein. Das kann nicht sein. Das war unmöglich.
Irgendwie gelang er in sein Arbeitzimmer und sank an der Tür auf den Fußboden. „Nein, das kann nicht sein.“, sagte er sich immer wieder, damit er es irgendwann glauben konnte. Vielleicht war das nur ein Traum? Ein Alptraum? Er hatte das nicht getan. Er hatte dieses Mädchen nicht entjungfert. Er hatte KEIN Kind gezeugt!
Sein Kopf fiel auf seine Knie, während er versuchte, seiner Gefühle Herr zu werden. So saß er etliche Stunden, bis die Nacht hereinbrach. Ging sie deswegen auf den Friedhof? War dort das Kind begraben? Was es wohl war? Junge oder Mädchen? Wieso hatte sie nie etwas gesagt? Hättest du ihr überhaupt zugehört?, fragte seine innere Stimme. „Nein.“, flüsterte er die Antwort laut. Nein, das hätte er nicht. Er konnte sich ja kaum an diese Nacht erinnern, wie hätte er ihr Glauben schenken können? Sie hätte ihm ja einen Bastard irgendeines Penners unterschieben können. Gott, jetzt dachte er schon wie seine Mutter.
Knight hob den Kopf. Seine Mutter. Wie von der Tarantel gestochen sprang er auf. Ein Brief. Kahlen sagte, dass sie einen Brief geschickt hatte. Es gab nur drei Personen, die diesen Brief in die Hände hätte fallen können. Die eine war er selbst, aber er hatte keinen erhalten. Blieben nur seine Mutter und Wilkons. Sein Butler hätte ihm doch sicherlich den Brief übermittelt? Er konnte den alten Mann selbst fragen. Mit schnellen Schritten bemächtigte er sich seines Mantels und begab sich nach Stratton House. Sollte Wilkons seine Finger in diesem Spiel haben, würde er das bitter bezahlen.
Wilkons öffnete ihm überrascht die Tür und Knight schob ihn an die Wand. „Sie haben eine Möglichkeit Ihr leben zu verlängern. Entweder Sie sagen mir, dass Sie nicht den Brief von Kahlen McKinley an sich genommen haben oder ich schneide Ihnen die Kehle durch.“ Er hörte undeutlich, wie seine Schwester und Stratton nach Luft schnappten, aber das kümmerte ihn nicht. „Haben Sie den Brief von ihr?“ Der Butler sah ihn lange an und schüttelte den Kopf. „Ich habe nie einen Brief von Miss McKinley in den Händen gehalten, Mylord.“ Dann war es seine Mutter gewesen.
Knight wich zurück und entschuldigte sich bei dem Mann, ehe er wieder ging. Stratton folgte ihm und stellte ihn im Arbeitzimmer zur Rede. „Was zur Hölle ist denn nur los mit dir? Wilkons einfach so zu behandeln?“ „Was weißt du von dem Ball vor sechs Jahren? Der Ball, an dem ich Kahlen das erst Mal begegnet bin.“, fragte Knight leise. Stratton überlegte lange. „Nur, dass sie dir wie ein Schatten hinterhergelaufen ist. Du hast dich betrunken und bist dann spurlos verschwunden.“ Knight drehte sich zu seinem Freund um. „Anscheinend habe ich mit ihr geschlafen und ein Kind gezeugt.“ Stratton schaute ihn entgeistert und auch vorwurfsvoll an. „Hör auf damit, mich so anzusehen, Stratton! Ich weiß selbst, dass ich ein Schwein bin!“ Voller Wut fegte er seinen Schreibtisch leer. „Ich habe ein vierzehnjähriges Mädchen entehrt! Sie war unschuldig!“
Nachdem er seine Wut freien Lauf gelassen hatte, saß er auf dem Boden und weinte. „Gott, was hab ich getan? Ich hab sie ruiniert.“ „Was ist mit dem Kind?“ „Tot.“ Stratton setzte sich neben seinen Freund, der wie ein Haufen Elend da saß. „Weißt du, was es war?“ Knight schüttelte langsam den Kopf. „Nein. Ich konnte es nicht ertragen, wie sie mich angesehen hat. Ich musste da weg.“ Er lachte leise und irre. „Weißt du, was das komische an der Sache ist?“ Seine Stimme schlug geradewegs in unbändigen Hass um. „Meine Mutter hat es gewusst. Die ganzen sechs Jahre über hat sie es vor mir geheim gehalten. Kahlen hatte mir geschrieben. Sie hat mir mitgeteilt, dass sie mein Kind erwartete. Und meine Hure von Mutter hat mir nie etwas gesagt.“
„Ich konnte das Kind nicht einmal anständig beerdigen. Es hätte einen Platz in der Familiengruft verdient, aber stattdessen liegt es einsam unter Wildfremden begraben.“ Eine neue Welle des Schmerzes spülte über seinen Körper hinweg. „Hättest du es denn anerkannt?“, fragte Stratton behutsam. „Ja. Natürlich nicht sofort. Ich hätte womöglich alles abgestritten, aber nachdem mir alles so wie jetzt klar geworden wäre, hätte ich es anerkannt. Ich hätte ihr beigestanden, schließlich war es meine Schuld. Vielleicht hätte ich sie auch geheiratet.“ Als Knight den ungläubigen Blick seines Freundes sah, musste er Lächeln. „Unglaublich, nicht wahr? Ich hätte ein vierzehnjähriges Mädchen geheiratet, weil es mein Kind erwartete. Ich kann es selbst kaum glauben.“
„Was wirst du jetzt tun?“ Gute Frage. „Ich gehe morgen zu ihr. Für Entschuldigungen ist es zu spät, aber ich möchte wissen, was es war. Vielleicht begleite ich sie zum Grab. Ich will alles wissen. Wie es ihr ergangen ist? Warum sie nicht persönlich zu mir kam? Alles eben.“ Und er würde noch etwas tun. Etwas, für das ihn seine Schwester ihn womöglich verabscheuen wird.
Späte Sühne
Um Mitternacht kletterte Knight über die Mauer des Friedhofes. Er wusste genau, wo sich die Familiengruft befand. Dort blieb er eine Zeit lang stehen. „Verzeih mir Vater, aber ich muss es tun.“ Mit einer Eisenstange brach er die Marmorwand auf, hinter der sich der Sarg seiner Mutter befand. „Du hast es nicht verdient, hier zu liegen, MUTTER.“ Mit aller Kraft zerrte er den Sarg aus der Nische und ließ ihn auf den Boden fallen. Dann schob er den Sarg nach draußen und öffnete ihn. Der Gestank war unerträglich, aber er wollte in die toten Augen seiner Mutter sehen, wenn er das hier tat. „Wenn du nicht von allein gestorben wärst, hätte ich dich spätestens jetzt umgebracht. Dafür wäre ich liebend gern in die Hölle gegangen.“
Er zündete ein Streichholz an und ließ es in den Sarg fallen, der auch anfing zu brennen. „Halt mir einen Platz in der Hölle frei.“ Zufrieden beobachtete er das Feuer und verschwand. Diese Nacht würde er gut schlafen. Womit er nicht gerechnet hatte, war seine Schwester. Ihre Meinung zu dem Thema würde ihn um den Verstand bringen. „Lass mich raten, Stratton konnte sein loses Mundwerk nicht halten?“ „Er hat mir erzählt, was passiert ist und auch, dass Mutter darin verwickelt war.“ Sie legte ihm mitfühlend eine Hand auf seine Schulter. „Es tut mir so leid, Bruder.“
„Danke für dein Verständnis.“ Sie lächelte ihn auf eine Weise an, die ihn immer wieder überraschte. Es war die bedingungslose Liebe, die ihre Augen leuchten ließ. Eine Liebe, die er nicht verdiente. „Wenn Mutter nicht gewesen wäre, hättest du Kahlen wirklich geheiratet. Du hättest dich um sie und das Kind gekümmert, so wie du dich um mich gekümmert hast.“ „Mach dir bitte keine Sorgen um mich. Du hast selbst genug Probleme.“ Die Röte in ihren Wangen verlieh ihr einen schönen Teint. „Ich bin etwas nervös. Es soll in drei Wochen soweit sein. Edward wacht schon wie eine Glucke über mich. Ich darf kaum noch das Haus verlassen.“
Das war typisch Stratton. „Man übertreibt nun mal, wenn es das erste Kind ist. Keine Angst, beim Zweiten sieht es dann schon ganz anders aus.“ „Du bist also Experte?“, fragte sie belustigt und bereute ihre Worte sofort. „Es tut mir leid.“ Knight küsste sie auf die Stirn und hielt ihr den Arm hin. „Wollen wir dich nach Hause bringen, bevor Stratton ein Suchkommando losschickt.“ Wie erwartet, war Stratton bereits ein Nervenbündel. „Bella!“ Als Knight das Paar beobachtete, wurde ihm bewusst, was er hätte haben können. Wäre er auch ein mit den Nerven am Ende gewesen, wenn Kahlen nicht zu Hause gewesen wäre? Hätte sie ihm behutsam erklärt, dass alles in Ordnung sei?
Noch nie hatte er sich so einsam gefühlt. Er hätte das haben können, was Stratton mit seiner Schwester hatte. „Ich werde dann gehen.“ Das Paar schaute ihn traurig hinterher. Isabella griff nach der hand ihres Mannes und schaute ihm in die Augen. „Er tut mir so leid, Edward. So habe ich ihn noch nie gesehen.“ Edward wusste, was sie meinte. Knight war ein gebrochener Mann. Die Sache mit Kahlen hatte ihn zu sehr mitgenommen. Wer hätte gedacht, dass sein Freund sich so grämen würde?
„Ich kann nicht mit ihm darüber reden, Bella. Das würde nur ihn nur noch mehr schmerzen.“ Auch wenn es ihm in der Seele wehtat, ihn so zu sehen. „Ich weiß, Schatz. Wenn wir ihm doch nur helfen könnten. Vielleicht könnten wir mit Kahlen reden?“ Wenn Bella nicht schwanger wäre, hätte er ihr gern zugestimmt. „Liebling, bitte, lass dein Bruder diese Sache erstmal allein regeln.“ Seine Worte trieften nur vor Sorge, dass sie lächeln musste. „Wenn es dein Wunsch ist.“ Das war es.
Knights unruhiger Schlaf wurde am nächsten Morgen vom Klopfen an der Haustür gestört. Todmüde schleppte er sich durchs Haus und öffnete die Tür. Zwei Polizisten standen da und sahen ihn überrascht an. „Was?“ Die Männer wechselten einen Blick, ehe sie sich an ihn wandten. „Lord Sommerfield?“ Wer denn sonst? „Ja?“ Der Beamte räusperte sich. „Wir sind hier, um Ihnen mitzuteilen, dass die Gruft Ihrer Familie entehrt wurde.“ Knight war beeindruckt. „Wie konnte das passieren?“
Er war es gewöhnt, dass man ihn für alles verantwortlich machte. „Nun, der Sarg Ihrer Mutter wurde entwendet und angezündet. Wir müssen Ihnen leider sagen, dass es keine Überreste gibt.“ Umso besser. „Verstehe. Gibt es Hinweise?“ Selbstverständlich nicht. „Nein. Unsere Ermittlungen stecken fest. Wir hatten gehofft, dass Sie uns weiterhelfen können.“ Bestimmt nicht. Mit einem höflichen Lächeln sicherte er Hilfe zu. Als die Beamten gingen, schloss Knight die Tür.
„Pff. Idioten.“ Wie spät war es jetzt? Als er auf die Uhr sah, machte er große Augen. Ein Uhr! Kahlen würde den Friedhof aufsuchen. So schnell er konnte, zog er sich an und machte sich auf den Weg. Am Friedhof war er fix und fertig, sah aber Kahlen mit einem Strauß Blumen näher kommen. Sie sah ihn überrascht an und blieb unschlüssig stehen. „Robert?“ Ihre Stimme bereitete ihm noch immer Unbehagen, trotzdem gab er sich Mühe. „Ich wollte dich begleiten und mit dir reden.“
„Dann glaubst du mir?“ „Ja.“ Mit einem Nicken gab sie ihm ihr Einverständnis. Wenigstens etwas. Sie redeten nicht, als sie den Friedhof betraten. Am Grab konnte er aber nicht mehr länger schweigen. „Was war es?“ Sie drehte sich nicht zu ihm um, beantwortete aber seine Frage. „Ein Mädchen.“ Er hatte eine Tochter gehabt. Ein dumpfer Schmerz machte sich in seiner Brust breit. Dann warf er dem Grab einen Blick zu. Joseline McKinley, nicht Joseline Knight, stand dort geschrieben. „Warum bist du nicht persönlich zu mir gekommen?“
„Was hättest du schon tun können? Meine Schwangerschaft rückgängig machen?“ „Wenn ich es hätte tun können, hätte ich das getan. Aber ich hätte sich unterstützen können.“ Sie blickte skeptisch zu ihm hoch. „Sag das nicht, bloß, weil du Schuldgefühle hast, Robert.“ Dieses Mädchen machte ihn wahnsinnig. „Wie kannst du so was sagen? Ich sage das nicht nur so daher!“ „Robert, du hast dich doch nie um mein Gemütszustand gekümmert, warum also jetzt? Nur weil du in betrunkenem Zustand meine Unschuld genommen hast? Weil ich dein Kind in mir trug?“ Sie seufzte. „Du fühlst dich schuldig und das solltest du auch. Trotzdem ändert dein Verhalten nichts.“
„Das weiß ich selbst!“, schrie er beinah verzweifelt. „Gott, glaubst du, ich weiß das nicht! Aber es war auch mein Kind! Ein Kind, das meinen Namen tragen sollte. Das in meiner Familiengruft liegen sollte.“ Die letzten Worte kamen ihm nur gepresst über die Lippen. „Du hast von dem Wesen gewusst, konntest dich verabschieden. Aber ich nicht. Bis gestern wusste ich nicht einmal, dass da ein Kind existiert hat! Weißt du, wie ich mich fühle?“ Scheiße, jetzt flennte er auch noch wie ein Baby.
„Ich hätte alles getan, was in meiner Macht gestanden hätte, um dir so gut es ging zu helfen. Ich hätte dich sogar geheiratet.“ Sie schaute mit großen Augen zu ihm auf. „Verdammt, warum seht ihr mich alle so an! Glaubt ihr, ich habe kein Herz!“ Er raufte sich die Haare, während er lauthals fluchte. „Du hättest zu mir kommen müssen. Persönlich!“ „Ich war bei dir, im Stadthaus.“ Geschockt drehte er sich zu ihr um. „Was?“ Sie bemühte sich um Fassung. „Ich ging zu deinem Stadthaus, als keine Antwort auf den Brief kam. Du warst nicht da, aber deine Mutter…“ Wieder seine verfluchte Mutter. „Wann genau?“ „Zu der Zeit warst du mit Lady Flannery liiert.“ Knight zuckte zusammen, als er den leisen Vorwurf hörte. „Was hat sie gesagt?“ „Ich sollte verschwinden und dich nicht belasten. Dann schmiss sie mich hinaus.“ Wenn er seine Mutter nicht verbrannt hätte, hätte er es jetzt mit Freude getan.
„Was hast du dann getan?“ Sie blickte auf das Grab ihrer Tochter, während sie ihm alles schilderte.
Das andere Ich
Als sie zu Ende erzählt hatte, war Knight aufgewühlt. „Das erklärt aber nicht, wie es dazu gekommen ist. Warum waren wir in dem Pavillon?“ „Du wolltest dich mit Lady Flannery treffen. Ich habe euch heimlich belauscht. Als du bereits zum Treffpunkt gegangen warst, hat ihr Mann beschlossen, zu gehen. Ich wollte dir bescheid sagen, aber es war dunkel und du hast mich für sie gehalten.“ Knight fühlte sich wie der letzte Dreck. Nicht nur, dass er ihr die Unschuld genommen hatte, er hat sie auch noch für eine andere gehalten.
„Du musst mich so sehr hassen.“ Sie sah ihn an und schüttelte den Kopf. „Nein. Ich hätte dir sagen müssen, dass ich nicht Lady Flannery war. Aber ich hab mir so gewünscht, dass du mich küssen würdest. Dass wir miteinander geschlafen haben, habe ich nicht bereut.“ Sie lächelte ein bisschen. „Es war mein kleines Geheimnis. Als ich erkannte, dass ich schwanger war, hab ich dir voller Eifer geschrieben. Erst da ist mir aufgefallen, dass du mich für verrückt halten würdest. Da hab ich mich erst geschämt.“
„Die Scham liegt bei mir, Mädchen.“ Kurz schwiegen sie, bis sie wieder anfing. „Du hättest sie sehen sollen. Joseline war so wunderschön. Sie hatte deine Augen und dein Lächeln.“ „Wie ist sie gestorben?“ Die Frage fiel ihm schwer. Er wusste nicht recht, ob er es wirklich wissen wollte. „Sie war kerngesund, Robert. Ich hab sie keine Sekunde aus den Augen gelassen, aber plötzlich hat sie nicht mehr geatmet. Ich hab sie zu beatmen versucht, aber…“ Die Tränen liefen über die Wange, sie schluchzte. Ihre Schultern zitterten und Knight nahm sie in die Arme.
„Ich weiß nicht, was ich falsch gemacht hab? Wenn ich nur stärker gewesen wäre, wäre sie noch am Leben.“ „Kahlen, du warst vierzehn Jahre. Selber noch ein Kind. Es war nicht deine Schuld.“ Knight hielt sie fest umschlungen, während der Hass auf seine Mutter ins Unermessliche ging. Er musste das Thema wechseln. „Ich hab Hunger, du auch.“ Wieder zitterten ihre Schultern, nur diesmal war ein Lachen die Ursache.
„Ich hab schon ne Ewigkeit nichts Anständiges mehr gegessen.“, gab sie errötend zu. „Ist der Grund derselbe, warum euer Stadthaus so heruntergekommen ist?“ Sie seufzte nur leise. „Die Geschäfte laufen schon lange nicht mehr so wie zu Vaters Zeiten. Marion und ich müssen viel sparen, aber es reicht vorne und hinten nicht.“ So war das also. McKinley war erfolgreicher Wollhändler gewesen. Die Preise sanken nur in den letzten Jahren tierisch. Kein Wunder, dass sie arm wie Kirchenmäuse waren.
„Ich lade dich zum Essen ein. Das Mindeste, was ich für dich tun kann.“ Als er in ein Restaurant gehen wollte, hielten ihre Hände ihn auf. Sie zeigte auf ihr Kleid, das so abgewetzt war wie das von Mägden. „Gehen wir auf den Markt in den Docks?“ Seine Frage ließ sie große Augen machen. „Keine Angst, ich kenne mich da aus.“ Er führte sie auf den Markt und kaufte schnell etwas.
Mit seiner Beute machten sie sich zu ihrem Stadthaus auf. Die Küche sah genauso baufällig aus wie der Rest. Sie sollten nicht in einer Ruine leben müssen. „Du hast mich ausgefragt, jetzt bin ich dran.“ Knight verzog das Gesicht. „Muss das sein?“ Sie lachte ihn doch tatsächlich aus. „Ja, das muss es.“ Er gab sich geschlagen und erzählte ihr alles, wobei er die Morde und seine Tat letzte Nacht verheimlichte. Trotzdem schien sie nicht befriedigt zu sein. „Ich kenne diese Geschichten, Robert. Ich möchte wissen, wie es dir ergangen ist? Wie hast du dich gefühlt?“
Über seine Gefühle wollte er nicht sprechen. Die einzige Antwort, die er darauf kannte, war Wut. „Was soll ich dir sagen? Ich habe Stratton, meinen besten Freund aus der Stadt vertrieben, meine Schwester meiner Mutter ausgeliefert und weitaus schlimmere Dinge getan. Was gibt es dazu noch zu sagen? Sprechen meine Handlungen nicht für mich?“ Sie hatte währenddessen das Messer weggelegt und starrte ihn nun an. „Ging es dir so schlecht?“ Schlecht war ein untertriebener Ausdruck. „Ich hatte keine Ahnung und die anderen bestimmt auch nicht, oder?“
Warum musste sie so mit ihm reden? So freundlich und verständnisvoll. „Es geht niemanden etwas an! Ich bin Lord Sommerfield, der große Frauenverführer und Spieler. Solange ich den anderen das gebe, was sie sehen wollen, sollen sie mich in Ruhe lassen.“ Als er ihre Hand auf seiner Wange spürte zuckte er zurück. „Hör auf.“, flehte er beinah. Tu das nicht, bitte. „Du spielst also nur eine Rolle? Zeigst du niemanden, wer du wirklich bist?“ Inzwischen hatte er die Augen zusammengekniffen, um sie einfach auszublenden.
„Oh, Robert.“ Das reicht. Voller Hass sah er sie an. „Ich sagte, hör auf.“ Knight richtete sich zu voller Größe auf, die Augen kalt wie Eis. „Hat es dir gefallen, als ich dich im Pavillon berührt habe?“ Seine Stimme war samtig weich, während er weiter sprach. Er war nicht mehr er selbst, das begriff Kahlen sofort. „Hast du es genossen, wie ich deinen Körper gepfählt habe?“ Seine Hände fuhren zärtlich über ihren Arm, aber seine Augen hatten dieses irre Glitzern.
Als er das Messer nahm, stockte ihr kurz der Atem. „Zieh dich aus.“ Als sie nicht tat, was er verlangte, setzte er ihr die Klinge an die Kehle. „Ich sagte, zieh dich aus.“ Sie tat wie ihr geheißen und löste die Verschnürung ihres Kleides, das an ihren Körper herab glitt. Sein Blick folgte der schlanken Linie ihres Körpers und blieb an ihren Locken zwischen ihren Schenkeln hängen. Seine Lippen fuhren über seine Wange zu ihrem Ohr und er flüsterte ihr etwas ins Ohr. „Setz sich auf den Tisch und spreiz die Beine.“
„Robert.“ „Nein, nicht Robert. Tu, was ich dir sage.“ Kahlen setzte sich voller Angst auf den Tisch und spreizte ihre Beine. Ihr Herz raste, als er näher kam und seine Lippen auf ihren Hals legte. Mit den Händen fuhr er über ihre Schenkel, strichen über ihre Löckchen und liebkosten ihre Perle. „Hat dir das im Pavillon gefallen?“ Sie gab nur ein Stöhnen als Antwort. „Du bist wie jede andere Frau. Bevormundet mich, aber wenn ich euch Erlösung schenke, unterwerft ihr euch.“ Wovon sprach er da?
„Kommandiert mich herum, selbst im Bett bin ich eure Marionette. Ich darf euch Vergnügen schenken, aber ihr gebt keines zurück. Vor allem du, Mutter.“ Kahlen sah ihn schockiert an. Was? Seine Mutter hatte ihn in ihrem Bett? „Robert?“ Seine Augen brannten sich in ihre, als er kalt lächelte. „Nenn mich nie wieder Robert.“ Jedes Wort betonte er deutlich. „Robert bin ich für meine Mutter, die mich zum Sex zwingt.“
Kochen ist die beste Medizin
Kahlen hatte schon lange geahnt, dass mit Knight etwas nicht stimmte. Jetzt hatte sie die Antwort, zwei Persönlichkeiten. Was sollte sie jetzt tun? Sie saß nackt auf einen Tisch und er hielt ein Messer in der Hand. „Angst?“ Bei seiner Frage musste sie schlucken. „Nein.“ Das Eis schmolz abrupt in seinen Augen und er schaute sie traurig an. Er schmiss das Messer auf den Tisch und presste seine nächsten Worte hervor. „Ich muss gehen.“ Wenn er jetzt ging, würde er sich etwas antun. Das wusste sie instinktiv.
„Geh nicht, Knight.“ Gott, ihr Herz drohte ihr aus der Brust zu springen. „Ich weiß nicht, was deine Mutter dir angetan hat, aber es muss schlimm gewesen sein.“ Sie musste sich zwingen, weiter zu sprechen. „Wie alt warst du, als es angefangen hat?“ Sein ganzer Körper spannte sich an. „Zwölf.“ Kahlen schloss gepeinigt die Augen. Zwölf. So jung. „Obwohl sie mich nie leiden konnte, war ich ihr dafür gut genug. Ich war zu jung, um das zu verstehen. Jahrelang habe ich geglaubt, dass jeder Junge das tun würde. Als ich dann auf die Universität ging, habe ich erst begriffen, was sie mir angetan hat.“
„Ich ging zu meinem Vater, was ich viel früher hätte tun sollen. Zu diesem Zeitpunkt war es bereits zu spät gewesen. Obwohl er sie auf ein entferntes Landhaus verbannte, plagten mich die Erinnerungen, aber ich sagte nie etwas. Niemand weiß davon, schon gar nicht meine Schwester.“ „Und Stratton?“ Er drehte sie langsam zu ihr um. „Er ahnt etwas, glaube ich. Ich hab das unter Kontrolle. Nur wenn mich etwas zu sehr aufregt, habe ich diese Kurschlussreaktionen. Es geht mir gut, bis jemand ein falsches Wort sagt oder mich falsch berührt. Ich hasse es, wenn man mich anfasst. Es erinnert mich zu sehr an ihre Berührungen.“
Deshalb lächelte er so gezwungen, wenn man ihn berührte. „Ich entschuldige mich für mein Verhalten und belästige dich nicht weiter.“ Er war schon an der Tür, als sie ihm eine Frage stellte. „Du hast Angst, oder?“ Er blieb im Türrahmen stehen. Sie hatte also richtig gelegen. „Du hast Angst, dass die Leute vor dir weglaufen, wenn sie davon wüssten. Du fürchtest dich, dass du deinen Freunden in diesem Zustand etwas antust. Darum hast du diesen Selbstmord inszeniert. Deshalb hast du in der Gosse gelebt, um die Personen, die dir etwas bedeuten zu schützen.“ „Wie kommt es, dass ein Mädchen wie du mich durchschauen kann, während andere es nicht einmal bemerken?“ Seine Stimme klang überrascht, fast ängstlich. Kahlen zog sich wieder ihr Kleid an und lächelte ein bisschen.
„Ich habe einen Knight kennen gelernt, der zärtlich und liebevoll war. Auch wenn er Sturz betrunken war. Nach diesem Mann habe ich all die Jahre gesucht, aber nicht gefunden.“ „Weil er tot ist.“ Sie überlegte kurz und schüttelte den Kopf. „Er ist nicht tot. Er kommt zum Vorschein, wenn er mit seiner Schwester redet. Wenn er sich um sie sorgt. Aber auch in Gegenwart von Stratton habe ich ihn öfters aufblitzen sehen.“ Sie ergriff das Messer und machte sich wieder ans Gemüse zerkleinern. „Wie kannst du jetzt kochen?“, fragte er sie beinah entsetzt. „Willst du auch mal? Glaub mir, es hilft.“ Wenn er auf andere Gedanken kommt, wird er vielleicht vergessen.
„Ich habe dich soeben mit diesem Messer bedroht und du tust so, als wäre nichts gewesen.“ Allmählich fragte er sich, wer hier verrückt war. Sie war doch nicht normal. „Weißt du, ich mach die beste Gemüsesuppe in ganz Schottland.“, sinnierte sie drauflos und sang dabei ein Lied, dass er nicht kannte. Sie war eindeutig verrückt. Er hatte ihr eben sein schrecklichstes Geheimnis anvertraut und sie stand da und kochte! Er sollte einfach gehen und sich betrinken, aber er rührte sich kein Stück. Etwas an ihrer Art faszinierte ihn, dass er hier bleiben wollte und ihr weitere erstaunliche Reaktionen entlocken wollte.
Einer Frau wie ihr, war er noch nie begegnet. Dabei gab es sehr viele Frauen in seinem Leben. Einige hatte er genauso behandelt wie Kahlen eben und diese waren zusammengebrochen. „Willst du da stehen bleiben oder mir helfen?“ Ihre Worte brachten ihn unweigerlich zum Lachen. „Ich und kochen? Willst du, dass ich hier alles abfackele?“ Sie verdrehte die Augen und zog ihn am Arm zum Tisch, drückte ihn ein Messer in die eine und einen Salatkopf in die andere Hand. „Du hast Dutzende von Menschen getötet und willst mir sagen, dass du noch nie einen simplen Salatkopf geschnitten hast?“
„Ja, das wollte ich gerade sagen.“, bemerkte er pikiert. Er war ein Adliger, der noch nie eine Küche betreten hat. Was erwartete sie? „Ich hab nicht mal nen Apfel geschält, geschweige denn einen Salatkopf.“ Sie murmelte etwas vom englischen Adel und ihre Unzulänglichkeiten, ehe sie ihm zeigte, was er zu tun hatte. „Ganz einfach. Siehst du?“ Das Einfache handelte ihm am Ende Schnitte an allen Fingern ein, die Kahlen ohne Kommentar verband. „Wie kann man nur so ungeschickt sein? Mit Waffen umgehen können, aber mit einem Küchenmesser versagen.“ Sie kicherte unentwegt und das gefiel ihm irgendwie. Er sah auf seine zerschnittenen Hände und lächelte.
„Ist das da ein Lächeln?“ Bei ihrer Frage verschwand es sofort. „Nein. Wie kommst du darauf?“ Mist, jetzt errötete er auch noch! „Zeig es noch mal.“ Sie kam langsam näher, während er bei jedem ihrer Schritte zurückwich. „Ich warne dich, Kahlen.“ Ihre Antwort war ein teuflisches Grinsen. Zur Sicherheit sprang er quer über den Tisch und verschanzte sich in einer Ecke. „Komm nicht näher.“ Jetzt kicherte er schon. Und als sie ihn durch die kleine Küche jagte, konnte er sich ein Lachen einfach nicht verkneifen. Bis er auf einem Salatblatt ausrutschte und zu Boden ging. Khalen, die ebefanlls das Gleichgewicht verlor, landete genau auf ihn.
Wie sie so auf ihn lag, musste es komisch aussehen. Beide lachten, als sie sich verdutzt ansahen. Aber als sie sich halbwegs beruhigt hatten, sahen sie sich nur lange an. Kahlen zupfte ein Salatstück aus seinen Haaren und kicherte belustigt. Ihre grünen Augen funkelten wie Saphire. In diesem Moment wünschte er sich, dass sie immer so aussehen würde. Die gelösten Gesichtszüge, das Zucken ihrer Lippen. Sie war wunderschön. Schöner als alle Frauen, die er bisher gesehen hatte. Langsam, um ihr Zeit zu geben, näherte er sich ihren Lippen, die sie etwas geöffnet hatte. Sie gab ihr Einverständnis, indem sie die Augen schloss und ihr Gesicht nach vorne neigte. Wenn Gott ihn in diesem Moment in die Hölle geschickt hätte, wäre er vor Wut wieder ausgebüchst. Nur um diese Lippen erneut zu berühren.
Schwestern sind die Pest
Der Kuss war anders, als sie in Erinnerung hatte. Sechs Jahre machten einen großen Unterschied. Dieser hier war zärtlich wie die Berührung eines Schmetterlings. Leicht und unbeschwert. Jetzt wurde ihr klar, dass sie sich in ihn verliebt hatte. Es war keine Liebelei wie vor sechs Jahren. Sie wollte damals von ihm auf Händen getragen werden. Er sollte ihr Ritter in strahlender Rüstung sein. Aber aus dem Ritter ist ein normaler Mann mit Schwächen geworden und die Rüstung hatte Risse. Obwohl Knight innerlich so kaputt war, kam er ihr wie der perfekte Ritter vor.
Er war wie ein wildes Tier, dass bei jeglicher Berührung die Flucht ergriff. Als er seine Lippen von ihr löste, öffnete sie die Augen. Er schaute sie an, als würde sie gleich einen hysterischen Anfall bekommen. „Ich werde nicht schreien oder dich schlagen, wenn du das erwartest.“ „Ich frage mich ernsthaft, wer von uns beiden der Verrückte ist.“ Ihre Lippen verzogen sich zu einem Lächeln, als sie antwortete. „Dann bin ich wohl die Verrückte, denn ich möchte nicht, dass du gehst.“ Bleib für immer bei mir. Ich möchte deine Seele beschützen und heilen.
„Ich bleibe. Schließlich wartet eine Suppe auf mich.“ Es war nicht ganz die Antwort, die sie hören wollte, gab sich aber damit zufrieden. Mehr konnte sie jetzt nicht erwarten. „Eine perfekte Suppe. Die Beste, die du je gegessen hast.“
Marion erschien in dem Moment, indem die Suppe fertig war. „Wo hast du die Zutaten für die Suppe her?“ „Vom Markt. Knight hat sie besorgt.“ Die Art, wie ihre Schwester die Augen zusammenkniff, gefiel Kahlen ganz und gar nicht. „Und warum sind Sie noch hier?“ „Weil ich ihn eingeladen habe.“, antwortete Kahlen, bevor Knight dazu kam. Marion besaß wenigsten so viel Anstand, nicht weiter zu machen und aß stattdessen. Ihre ältere Schwester würde Knight nie verzeihen, dass er sie mit vierzehn geschwängert und anschließend allein gelassen hatte. Aber in dem Zustand, in den er sich zurzeit befand, musste jedes Wort auf die Waage gelegt werden.
Dass Marion keine hohe Meinung von ihm hatte, war ihm von Anfang an klar gewesen. Knight hatte es auch nicht anders erwartet, doch diese Frau war ihm nicht geheuer. Wie konnte sie, Erbin des McKinley Vermögens, zulassen, dass es so schlecht um ihre Familie stand? Irgendetwas war faul und er würde den Grund herausfinden. Sein Anwalt würde jede kleinste Investition von ihr überprüfen. „Du besuchst doch sicher morgen das Grab, oder?“ Als wenn er es nicht besser wüsste. „Ja.“ „Ich würde dich gern wieder begleiten, wenn es dir recht ist?“ Ihre Schwester presste missmutig die Lippen aufeinander, während Kahlen überlegte. „Sehr gern.“
Zufrieden lehnte er sich zurück und aß. Für diese Brühe hatte er jetzt schließlich an jedem Finger einen Verband. Mit Löffel im Mund erstarrte er allerdings. Wow. Die ist gut. „Schmeckt?“ Den Sieg wollte er ihr nicht schenken. „Hab schon besseres gegessen.“ Anscheinend war er wenig überzeugend, denn sie lächelte wissend. „Wusstest du, dass Knight nie in einer Küche gewesen ist, Marion?“ Ihre Schwester musterte ihn kurz. „Kann ich mir vorstellen.“ Als Kahlen mit ihrem Essen beschäftigt war, streckte Knight Marion die Zunge raus. Dämliche Gans.
Nachdem Knight gegangen war, räumte Kahlen die Küche auf. Ihre Schwester hielt sich noch im Raum auf, was nur bedeuten konnte, dass sie nichts Gutes zu besprechen hatte. „Wie kam Sommerfield auf die Idee, das Gemüse zu kaufen?“ „Ich war nicht für ein Restaurant gut genug gekleidet. Da hat er mich auf den Markt an den Docks mitgenommen. Und irgendwie kam ich auf die Idee zu kochen. Er hat mir sogar geholfen…irgendwie.“ Bei seinen ungeschickten Versuchen, musste sie wieder lachen. „Und was will er dafür haben?“ Der schneidende Ton ihrer Schwester machte Kahlen wütend. „Gar nichts.“ Ihre Schwester schnaubte nur. „Oh ja. Der große Lord Sommerfield spendiert uns etwas und erwartet keine Gegenleistung.“ „Stell dir vor, das hat er getan.“, stellte Kahlen klar, ehe sie sich umdrehte. „Er wollte nur höflich sein, Marion.“
„HÖFLICH? Dieser Bastard kennt dieses Wort doch gar nicht.“ Kahlen biss die Zähne zusammen. Marion würde immer so über ihn denken, egal was er tat. „Was weißt du denn schon über ihn? Du kennst ihn doch kaum.“ „Ich weiß, was er dir vor sechs Jahren angetan hat. Mehr muss ich nicht wissen.“, keifte sie. „Damit wirst du mir ewig kommen, nicht wahr? Du wirst mich immer an meinen Fehltritt erinnern.“ Ihre Schwester sah sie herablassend an. „Natürlich. Es ist deine Schuld, dass Vater sich so gegrämt hat, dass er krank wurde. Wegen dir ist er gestorben. Du hast unsere Familie kaputt gemacht. Mit deinem Verhalten hast du meine Zukunft zerstört!“
„Wenn ich dir so zuwider bin, warum hast du mich nicht rausgeworfen?“, fragte Kahlen ihre Schwester verbittert. „Damit du jeden Tag daran erinnert wirst, was du mir angetan hast, SCHWESTER.“ Tränen traten in Kahlens Augen. Wie konnte ihre Schwester so sein? „Dann gehe ich. Dann musst du meinen Anblick nicht länger ertragen.“ Hoch erhobenen Hauptes ging sie an ihrer Schwester vorbei. „Wo willst du denn hin? Zu deinem Lord? Er wird dich aufnehmen und dich solange behalten, bis du ihm nicht mehr gut genug bist. Dann wird er dich fallen lassen und du wirst in der Gosse enden.“
„Ich werde Knight nicht auf der Tasche liegen. Ich finde schon eine Wohnung.“ Auch wenn sie nicht wusste, wie sie diese bezahlen sollte. „Leb wohl, Marion.“ Kahlen stand völlig arm auf der Straße. Wo sollte sie jetzt hingehen? Den einzigen Menschen, den sie kannte, war Knight. Konnte sie einfach zu ihm gehen und ihn um Hilfe bitten? Was, wenn er sie nicht aufnahm? „Oh, bitte Knight, hilf mir.“
Mayfair war eine so edle Gegend, die Kahlen überwältigte. Die Villen schienen sich übertreffen zu wollen. Aber das schönste Haus war definitiv Knight House. An der Tür hielt sie kurz inne. „Oh, bitte sei da.“ Ein eher zaghaftes Klopfen konnte sie vollbringen. „Das hat er bestimmt nicht gehört.“ Plötzlich öffnete sich die Tür und er stand ihr gegenüber. „Hallo.“ Peinlicher geht es nicht. Sie verkrampfte ihre Hände in ihren dreckigen Rock und betete zu Gott.
Schotten sind verrückt
Knight starrte die Frau auf seiner Türschwelle fragend an. „Haben wir uns nicht vor einer halben Stunde verabschiedet? Vermisst du mich jetzt schon?“ Mit seiner Belustigung versuchte er kläglich seine Verwirrung zu verdecken. Instinktiv wusste er, dass etwas nicht Ordnung war. Sie trat unbehaglich von einem Fuß auf den anderen und ihm wurde sein Fehler bewusst. „Verzeihung. Komm rein.“ Bevor er die Tür schloss, sah er die Straßenseiten hinunter.
„Warum bist du hier?“ „Marion hat mir keine andere Wahl gelassen als zu gehen.“ Fassungslos sah er ihre Kehrseite an. „Sie hat dich rausgeworfen?“ Dafür wird sie büßen. „Du wirst ihr keinen Besuch abstatten.“ Woher? Verdammt. „Ok.“ Da waren ja noch seine Männer. Er musste sich nicht mal die Hände schmutzig machen. „Und du wirst auch keinen anderen zu ihr schicken. Keine Drohungen, Verstümmelungen, Unfälle, Morde oder sonstige Ideen, die dir im Kopf rumschwirren.“
Sie war wirklich unheimlich. „Aber…“ Sie kam zu ihm und drückte ihren Finger in seine Brust. „Kein aber. Du wirst sie in Ruhe lassen, Knight. Versprich es mir.“ Ihre grünen Augen sahen ihn so bittend an, dass er schwach wurde. „Ich verspreche es.“ Das Lächeln, das sie ihm schenkte, ließ seine Knie weich werden. „Gut.“ Ein Kuss auf seine Wange fegte seinen Verstand leer. Erst als sie ihn nervös ansah, konnte er wieder klar denken. „Du musst dich nicht verpflichtet fühlen, mich aufzunehmen. Ich find schon einen Platz.“
Kein ehrenhafter Mann würde ein unschuldiges Mädchen auf die Straße schicken. Schon gar nicht er selbst, wo er doch die Gefahren dieser Stadt kannte. „Du kannst bleiben, Kahlen. Ich lasse mich nicht verantwortlich für deinen Tod machen. Da draußen lauern die Typen nur auf Mädchen wie dich.“ „Danke.“ Sie umschlang so fest seine Taille, dass ihm die Luft wegblieb. „Kahlen, ich krieg keine Luft.“ Sofort trat sie schuldbewusst zurück. „Tut mir leid.“ „Schon gut.“ Ihr Blick schweifte durch die Halle und blieb bei ihm wieder hängen. „Hast du keine Bediensteten?“
„Im Moment nicht.“ Großartig, Knight. „Ich muss noch welche einstellen, aber…“ „Aber du willst keine Menschen um dich herum haben.“, beendete sie seinen angefangenen Satz. Gott, war er so leicht zu durchschauen? „Kein Problem, solange ich hier bin, kann ich alles erledigen.“ Jetzt drehte sie durch. „Kahlen. Das Haus hat dreiundzwanzig Zimmer. Zwei Frauen haben bereits einen Tag gebraucht, um das Haus sauber zu halten. Wie willst du das allein schaffen?“ Ein Grinsen und er kannte die Antwort. „Ihr Schotten spinnt doch alle.“ Diese Schotten. Er würde sie nie verstehen.
„Wir mögen spinnen, aber wir sind wenigstens nicht verwöhnt.“ Er musste Lachen. „Eine Anspielung auf verwöhnte englische Erben, nicht wahr?“ Er schüttelte den Kopf. „Tu, was du nicht lassen kannst, aber beschwer dich nicht über Schmerzen.“ Das würde er sicher bereuen. „Wo ist die Küche?“ Gerade, als er dachte, er käme davon, fragte sie solchen Unsinn. „Ähm…“ „Du weißt es nicht.“ „Natürlich weiß ich das.“, stellte er klar, obwohl das Gegenteil der Fall war. Diese Sache mit der Verwöhntheit würde ihn ein Leben lang verfolgen.
Ihren belustigten Blick ausweichend ging er Richtung Esszimmer. Er öffnete die Tür im Raum und schaute kurz rein. Komisch, dass er in seinem ganzen Leben nie durch diese Tür geblickt hatte. Zufrieden hielt er ihr diese auf. „Bitte sehr.“ Sie ging voran und stieß einen überraschten Laut aus. „Wie wunderbar.“ Wunderbar? „Ich möchte sofort, etwas zubereiten. Einen Kuchen oder leichte Sandwiches oder eher was Herzhaftes?“ Sie wirbelte zu ihm und fasste ihn an Arm. „Was möchtest du?“ Sie sah aus wie ein Kind, das ein Geschenk bekommen hat.
„Du willst kochen?“ „Selbstverständlich!“, schrie sie aufgeregt und Knight war eins klar: Schotten sind verrückt. „Ist das eine Angewohnheit von euch? Alles mit der Hand zu machen?“ Sie sah ihn verstimmt an und stemmte die Hände in die Hüften. „Hast du nie etwas selbst gemacht?“ Nein. Wozu? Dafür gab es Bedienstete. „Wieso sollte ich?“ „Knight, etwas selbst zu machen, ist das größte Geschenk. Sein eigenes Werk zu betrachten.“ „Von mir aus. Ich geh dann mal und lass dich allein.“
Kahlen sah ihm nach und hörte sehr wohl, dass er etwas über ihre Abstammung sagte. Engländer würden Schotten nie verstehen, aber anders herum war es nicht anders. „Ach Knight. Du wirst schon sehen, was man alles erschaffen kann, wenn man es selbst macht.“ An die Arbeit. Dieses Haus muss gründlich gereinigt werden. Ein sauberes Haus ist der Grundstein zu einer sauberen Seele, hatte ihre Mutter immer gepredigt.
Nachdem sie alle Räume geputzt hatte, blieben ihr noch Knights Arbeitszimmer und sein Schlafzimmer. Das Refugium eines Mannes sollte sie eigentlich nicht betreten, aber sie war neugierig und noch lange nicht müde. Das Arbeitszimmer war groß und voller Bücher. Der riesige Eichentisch nahm die gesamte Fensterseite ein. Vorsichtig besah sie sich des Raumes und blieb vor einem Gemälde stehen. Es zeigte Knight und seine Schwester, als sie noch jünger waren. Die Augen der beiden wirkten freundlich.
Als sie in Knights Schlafzimmer trat, musste sie zuerst das Bett ansehen. Sie hatte es sich nicht so vorgestellt. Schon gar nicht, dass Knight aus dem Bett ragte. Seine nackten Füße schauten unter dem Laken hervor, während sein Arm bis auf den Boden ragte. Sie hatte nicht gewusst, dass er schlafen wollte. Schon wollte sie den Raum verlassen, als er sich umdrehte und das Laken von seinem Bauch zu seinen Hüften rutschte. Oh. Sie errötete wie eine Tomate. Ich sollte ganz schnell verschwinden, ehe er aufwacht.
Nur ein kleiner Blick., flüsterte das vierzehnjährige Mädchen ihr zu. Konnte sie es wirklich wagen? Kahlen hatte noch nie das Geschlecht eines Mannes gesehen. Was, wenn er plötzlich aufwacht? Hin und her gerissen stand sie da, bis sie ihren Mut zusammennahm. Mit den Fingerspitzen zog sie vorsichtig das Laken weg, als sich plötzlich Finger um ihr Handgelenk legten. „Ich hoffe für dich, dass du das nicht wirklich vorhattest, Mädchen.“ Kreidebleich sah sie in braune Augen, die sie misstrauisch musterten. „Ähm.“ Was sollte sie sagen? Wie konnte sie sich rausreden?
„Ich wollte es dir zu wieder vernünftig über deinen Körper legen?“ Das spöttische Lächeln zeigte ihr, dass es miserabel war. „Natürlich.“ „Ich wollte dich nicht umbringen, Knight!“ Sie wurde wieder rot und senkte den Blick. „Ich wollte nur sehen, wie ES aussieht.“ Als sie wieder den Blick hob, konnte sie deutlich dunkle Schatten unter seinen Augen erkennen. „Du hast nicht gut geschlafen.“ „Nein.“ Wie konnte sie so dämlich sein? Nur, um ihre Neugier zu befriedigen, störte sie seinen kostbaren Schlaf. „Ist das schon lange so?“
„Du wirst mich bestimmt löchern, bis ich es dir verrate, oder?“ Kahlen hob nur eine Braue. „Ich konnte noch nie richtig ausschlafen. Wenn ich es mal schaffe, wenigstens vier Stunden zu schlafen, bin ich schon zufrieden.“ Kahlen öffnete schon den Mund zu einer Antwort, als es unten klopfte. „Erwartest du Besuch?“ Knight stand mit einem wütenden Blick auf und zog sich seinen Hausmantel an. „Wenn es wieder Stratton ist, wird meine Schwester keine Freude mehr mit ihm haben.“ In einigem Abstand folgte sie ihm, blieb aber an der Treppe stehen. Zwei Beamte standen vor der Tür. „Lord Sommerfield, wir müssen Ihnen leider mitteilen, dass wir keinen Täter gefunden haben, der die Gruft Ihrer Familie geschändet hat.“
Während Knight mit diesen Leuten redete, ging Kahlen ins Arbeitszimmer. Das hatte er nicht getan. Die Familiengruft ist das heiligste Gut. Er würde doch wohl nicht etwa…doch würde er. „Ach Knight, du Dummkopf.“ „Wer ist hier ein Dummkopf?“
Geständnisse und Störungen
„Hast du mich grad einen Dummkopf genannt?“ Er wusste nicht, ob er sauer sein oder lachen sollte. Sie wirbelte mit wehendem Rock zu ihm um und piekste mit ihrem Finger in seine Brust. „Wie konntest du das Grab deiner Vorfahren schänden? Ich weiß, du hast sie gehasst, aber wie konntest du das tun?“ „Ich hab es für unsere Tochter getan. Sie liegt nicht in diesem Grab, obwohl sie es mehr verdient hat als meine Mutter.“ Als ihr Tränen in die Augen stiegen, nahm er ihr Gesicht in seine Hände. „Kahlen, warum war unsere Tochter weniger wert als diese verfluchte Frau. Nur weil sie ein Bastard war? Wenn ich von deiner Schwangerschaft gewusst hätte, hätte ich sie voller Stolz als mein Kind anerkannt.“
Er strich mit den Fingern über ihre Wange. „Ich hätte ihr meinen Namen gegeben und sie vor allen Menschen beschützt, die sie verurteilt hätten.“ Mit geschlossenen Augen drückte er ihr seine Lippen auf ihre Stirn und flüsterte ihr zu. „Dich, meine Kleine, hätte ich geheiratet. Ich hätte dich verwöhnt, um dir mich bei dir zu entschuldigen. Jeden Tag hätte ich dich um Verzeihung gebeten, bis du mich erhört hättest.“ „Und wenn ich das getan hätte?“ Kahlens Stimme zitterte, als sie das fragte. Knight lächelte sie liebevoll an.
„Oh, dann wäre Joseline nicht lange allein geblieben.“ Als sie große Augen machte, seufzte er und trat einen Schritt zurück. „Du glaubst mir nicht.“ War ja klar. Wer würde ihm auch so eine Schnulze abkaufen? In seinen Stolz verletzt, verließ er den Raum und ließ eine aufgewühlte Kahlen zurück. Hinter ihm konnte er schon ihre Schritte hören. „Robert Knight, bleib sofort stehen!“ Gab sie ihm grad Befehle? Aufgebracht drehte er sich um. „Wie bitte?“ „Bleib gefälligst stehen und lass mich nie wieder allein zurück. Ich habe dir etwas zu sagen!“, schrie sie ihn wütend an.
„Nur weil andere dich nicht für voll nehmen, heißt das nicht, dass ich das auch tue. Was du eben gesagt hast, was das Süßeste, was ich je gehört habe.“ Sie errötete wie eine Tomate. „Es war wunderschön, wie du unser Leben beschrieben hast. Ich wünschte, dass es wahr geworden wäre. Doch wir sind nicht mehr die Menschen von damals. Ich bin verarmt und besitze nichts und du…“ „Bist ein Verrückter, den man lieber einsperren sollte?“ Sie verdrehte sie Augen und schüttelte den Kopf. „Nein! Verdammt Knight, hör auf mit diesem Gerede!“
Tief durchatmend redete sie weiter. „Du bist alles, was sich ein Mädchen wie ich sich von einem Mann erträumen kann. Doch du stehst weit über mir. Wenn wir Pferde wären, wärest du ein prächtiger Araber und ich eine alte Mähre. Ich bin nicht hübsch, als jung kann man mich auch nicht mehr bezeichnen.“ Jetzt liefen ihre Tränen über ihre Wangen. „Ich wünschte, ich wäre es.“ „Wie kommst du auf die Idee, dass du es nicht bist?“ Sie lachte ihn aus. „Knight, ich habe die Frauen gesehen mit denen du ausgegangen bist. So wie die sehe ich bestimmt nicht aus.“
„Dich mit einer Hure zu vergleichen ist das Dümmste, was dir einfallen könnte.“, bemerkte er tonlos. „Selbst wenn du dir eine Tonne Schminke ins Gesicht schmieren würdest, sähest du nicht einmal annähernd wie eine von denen aus.“ Nur ihr konnte so ein Vergleich einfallen. „Kahlen. Ich bin bestimmt nicht der Traum aller Frauen. Kein weibliches Geschlecht hält es länger als fünf Minuten mit mir aus. Ich bin eher der Alptraum der Gesellschaft.“ Knight lehnte sich an das Treppengeländer. „Aber in einem muss ich dir Recht geben. Wir sind nicht mehr die Menschen, die wir früher waren.“ Bevor er noch etwas hinzufügen konnte, öffnete sich die Haustür.
Seine Schwester und ihr Ehemann traten ein. Knight schnaubte. Das hatte ihm noch gefehlt. „Höfliche Leute klopfen an, Stratton.“ Sein Freund schaute ihn entschuldigend an, aber Isabella kam wie eine Ente watschelnd die Treppe hinauf. „Du hast den Sarg unserer Mutter angezündet?“ Knight hob eine Augenbraue und wich sicherheitshalber zurück. „Wie kommst du auf diese abwegige Idee?“ „Ohh. Lüg mich ja nicht an, BRUDER! Die Polizei war bei uns.“ Als sie vor ihm stand schnaufte sie schon wie eine Dampflok. „Warum hast du nichts gesagt? Stratton hätte dir geholfen.“ Geholfen? Über ihren Kopf hinweg schaute er seinen Freund an, der die Schultern zuckte.
„Bella, du hättest deinen lieben Ehemann doch nicht so einer Gefahr ausgesetzt?“ Als Antwort bekam er eine Ohrfeige. Aua! „Und wenn ich persönlich über die Mauer geklettert wäre. Ich hätte sie aus dem Grab entfernt.“ Um Gottes Willen. Er glaubte ihr aufs Wort. „Oh, ich sehe das Bild schon vor mir. Du wie du versuchst die Friedhofsmauer zu erklimmen.“ Er musste lachen. „Das ist nicht witzig, Knight.“, rief Stratton von unten und Knight musste noch mehr lachen.
Auf einmal sah er wie seine Schwester Kahlen anstarrte. Sie sah ihn fragend an und er musste die Augen verdrehen. „Bella, das ist Kahlen McKinley. Kahlen, meine Schwester Lady Stratton.“ „Das McKinley Mädchen ist hier?“ Stratton, du Dummkopf. „Lauter Stratton, ich glaube, die Nachbarschaft hat es noch nicht gehört!“ Manchmal war Stratton ein Vollidiot. Seine Schwester warf nur einen mahnenden Blick nach unten, ehe sie wieder Kahlen ansah. „Sie sind also Miss McKinley. Ich hab so viel von Ihnen gehört, dass ich Sie schon als Freundin sehe.“
Kahlen senkte schüchtern den Blick. Knights Schwester war genauso aufbrausend wie Knight selbst. Und genauso schön. „Suchen Sie etwas?“ Bei der Frage hob Kahlen den Kopf und schüttelte ihn. Isabella lächelte herzlich. Selbst schwanger gab sie einen wunderschönen Anblick. „Knight? Hast du etwas mit ihr gemacht?“ Sie wollte gerade wieder auf ihren Bruder einschlagen als Kahlen eingriff. „Nein. Bitte, verzeihen Sie, Lady Stratton. Sie haben mich nur überrascht, als sie mich Freundin genannt haben.“
Isabella sah zwischen ihr und ihrem Bruder hin und her, ehe sie wieder lächelte. „Oh. Tut mir leid. Ich bin in letzter Zeit nicht sehr umgänglich, aber das wissen sie sicher selbst. Sie haben ja auch schon ein Kind zur Welt gebracht.“ Beide Männer stöhnten. „Bravo, Schwester. Mich als Rüpel bezeichnen, aber du fällst selber mit der Tür ins Haus.“
Enthüllungen
„Knight, deine Schwester hat es bestimmt nicht so gemeint.“ Isabella hatte nicht gehässig geklungen und sie entschuldigte sich auch sofort. „Es ist schon gut. Ja, ich kenn das. In einem Moment möchte man seine Liebsten um den Hals fallen und im nächsten erdrosseln.“ Isabella neigte anerkennend den Kopf und legte ihr einen Arm um die Schultern. „Endlich jemand, der mich versteht. Mein Mann verzweifelt allmählich.“ „Haha, Bella.“ Sie küsste ihn auf die Wange und bewegte sich mit Kahlen zum blauen Salon. „Bruder, bietest du uns keine Erfrischungen an?“
Knight knirschte mit dem Kiefer, begab sich aber zur Küche. Stratton folgte ihm auf den Fuß. „Was macht das McKinley Mädchen hier?“ „Sie wohnt hier, weil Marion sie rausgeworfen hat.“ Er suchte die Küche nach Tee ab, den er auch gleich fand. Sein Freund beobachtete jede seiner Bewegungen. „Woher weißt du, wo im Haus der Tee ist? Solange ich dich kenne, hast du niemals die Küche betreten.“ Mist. „Was geht dich das an!“, fuhr er Stratton an, der große Augen machte. Dann kniff er die Augen zusammen. „Gott, von dir und meiner Schwester bekomme ich Kopfschmerzen.“
Er öffnete sie Augen und sah nach dem Kaffee. „Was ist schon dabei, wenn ich ihr eines der Gästezimmer zur Verfügung stelle?“ „Nun, man wird sie als deine Mätressen ansehen.“ Diese dahingesagte Bemerkung brachte sein Blut zum Kochen. „Wer hat sie so genannt?“ Sein Freund wich sofort ans andere Ende des Raumes. „Knight, bleib ruhig. Niemand hat sie so genannt, aber das wird so kommen, wenn man euch sieht.“ „Gottverdammte Gesellschaft, am liebsten würde ich sie alle erschießen.“, fluchte Knight vor sich hin, während er den Tee und Kaffee aufgoss.
„Darf ich dich fragen, wie ihr beide zueinander steht?“ Ein frustriertes Seufzen entfuhr ihm. „Ich hab keine Ahnung.“ „Ist das jetzt gut oder schlecht?“ Knight sah seinen Freund an. „Auch das weiß ich nicht, Stratton. Ich weiß, wie wir vor sechs Jahren zueinander gestanden hätten. Doch jetzt…sie ist die Mutter meines Kindes und ich finde ihre Gesellschaft als angenehm und aufreibend zugleich.“ Sein Freund sah ihn wissend an und kicherte. „Du bist verliebt, Knight.“ „Das findest du jetzt witzig, was?“ Stratton nickte und schüttelte sich vor Lachen. „Oh, und wie!“ Mit einem Knurren ließ Knight seinen Freund allein. Vor dem blauen Salon lauschte er an der Tür, um zu hören, was die Frauen beredeten.
Isabella war ein wahrer Wirbelsturm wie Kahlen auffiel. Sie belagerte sie mit Fragen ohne Antworten zu bekommen, weil Kahlen gar nicht dazukam. Nach einer Weile hatte sie es wohl gemerkt, denn Isabella verstummte und kicherte plötzlich. „Tut mir leid. Ich rede und rede.“ Kahlen musste lächeln. Knights Schwester war eine nette Person. „Warst du auf meinen Bruder nicht wütend, als du sein Kind erwartet hast?“ Da musste sie nicht lange nachdenken. „Nein. Ich hab mich sogar gefreut.“ Isabella schien sehr erfreut zu sein, dass zu hören. „Oh, das ist gut. Wenn du wütend wärst, wäre das sehr schade. Mein Bruder hat sich Vorwürfe gemacht.“ Sie überlegte erst. „Liebst du ihn?“ Kahlen errötete sofort. „Ich…“ Isabella seufzte. „Mein Bruder ist kein leichter Fall, ich weiß.“ „Nein, ist er nicht.“, stimmte Kahlen leise zu. „Ich liebe ihn, auch wenn er so ist wie er jetzt ist.“
Knight stockte der Atem, als er ihre Worte hörte. Sie liebte ihn. „Knight, lauschst du etwa?“ Verdammt! Er fuhr zu Stratton um und erdolchte ihn mit Blicken. „Ich schwöre, irgendwann bringe ich dich um.“ Mit zusammengebissenen Zähnen trat er in den Raum und stellte die Sachen auf den Tisch. „Ohh, Plätzchen!“ Seine Schwester fraß wie ein Schwein, was aber niemand erwähnen durfte. „Die sind wirklich hervorragend.“ Knight schnaubte. „Ganz bestimmt. Leider wird das keiner von uns mehr erfahren, weil du sie aufgefuttert hast.“
„Ich hab noch welche, Bella. Möchtest du welche mitnehmen?“ Knights Schwester strahlte sie geradezu an. „Würdest du das tun?“ Kahlen lächelte fröhlich. „Natürlich!“ Kahlen hatte endlich eine Freundin. Sie konnte es kaum glauben. Als sie die Plätzchen geholt hatte, blieb sie vor der Tür stehen. Man redete über sie. „Ich hoffe, du wirst ehrenvoll behandeln, Bruder.“ Knight lachte kurz. „Danke für deine hohe Meinung von mir.“
Isabella kniff die Augen zusammen. „Bruder, sie hat eine hohe Meinung von dir. Also wirst du sie gut behandeln.“ „Ich behandele sie gut.“, stellte er klar. „Ich liebe sie schließlich.“ Kahlen ließ vor Schreck die Dose fallen. Er liebte sie. Die Tür öffnete sich und Knight sah auf sie herab. „Ihr solltet jetzt gehen.“ Kahlen hob die Dose auf und gab sie der beunruhigten Isabella. Sie hörte nur, wie das Paar ging. „Habe ich schon einmal erwähnt, dass ich es nicht leiden kann, wenn man mich belauscht.“ „Ich wollte das nicht.“ „Und trotzdem hast du es getan.“
„Du liebst mich?“ Lieber gleich mit der Sprache rausrücken. „Und du mich?“ Sie hasste Gegenfragen. „Und wenn es so wäre?“ Feuer bekämpft man mit Feuer. Er lächelte sie anerkennend an. „Dann müsste ich dich jetzt in mein Zimmer tragen und dich mindestens drei Mal lieben.“ Kahlen sah ihn sprachlos an, während ihr Herz schneller klopfte. „Mach es.“ Sie hatte genug davon, zu warten. Er hob eine Augenbraue. „Was?“ War er schwerhörig? Dann eben anders. Sie griff sich seine Rockaufschläge und zog ihn zu sich heran. „Ich sagte, mach es.“
Knight war erstmal sprachlos. „Das war ein Scherz, Mädchen.“ Auch wenn die Bilder sich bereits in seinen Kopf abspielten und seine Erregung anfachten. „Ich hab das nicht ernst gemeint.“ Ihre Lippen wanderten seinen Hals entlang. Oh Gott! Was hatte er gerade gesagt? „Kahlen. Kahlen!“ Nicht das Ohrläppchen! Er stöhnte gequält. Ach scheiß drauf. Mit einem Ruck hob er sie hoch und trug sie die Treppe rauf. Sie wollte es, dann soll sie bekommen. Plötzlich strauchelte er, als sie ihn biss. „Kahlen, wenn du nicht sofort auf der Treppe landen willst, hör bitte auf.“
„Dann musst du dich eben beeilen.“, hauchte sie mit verruchter Stimme. Verdammt! Er war kein Heiliger und hatte seit Wochen keine Frau mehr. „Jetzt reicht es.“, quetschte er hervor, ehe er sie an die Wand drückte.
Probleme über Probleme
Kahlen war zu erregt, um sich zu beschweren, dass er sie an die Wand presste. Seine Lippen wanderten ihren Nacken hinab, knabberten an ihrer empfindlichen Haut und sie stöhnte ergeben. Es war schön, aber sie wollte im Moment etwas anderes. „Knight.“ Er musste aus ihrem Stöhnen gehört haben, dass sie was anderes wollte. Denn plötzlich strichen seine Finger über ihre Weiblichkeit. „Ahhh.“ Es war köstlich. „Bitte!“ Sein wunderschönes Gesicht blickte lächelnd auf sie hinab. Sie blickte ihn sprachlos an, keuchte aber, als er in sie glitt. Wie? „Überrascht?“
Wer hätte gedacht, dass er je belustigt sein würde, wenn er eine Frau nahm? Ihre Enge machte ihm klar, dass sie kaum Erfahrung hatte. Und hier an der Wand wollte er sie auf keinen Fall lieben. Nur lagen zwischen Wünschen etwas zu tun und etwas tatsächlich tun Welten. Und da er sich nicht zurückhalten konnte, nahm er sie an der Wand.
Kahlen erwachte, als etwas sie an der Nase kitzelte. Sie öffnete die Augen und fand sich in einem Bett wieder. Knight lag neben ihr und schlief. Er schlief sehr ruhig. Ein gutes Zeichen. Ihr fielen die Sachen ein, die er mit ihr angestellt hatte und errötete. Was ihr auch einfiel, war, das er sich in sie ergossen hatte. Das war doch nicht normal, oder? Nein, sonst hätte er sicher mehrere Kinder gezeugt. Was sollte sie jetzt tun? Hier liegen bleiben?
„Woran denkst du?“ Eine Hand strich ihr eine Haarsträhne zurück. Er lächelte liebevoll. Schmetterlinge flogen in ihrem Bauch. „Ich frage mich, ob es normal ist, dass du deinen Samen in mich ergießt.“ „Nein, das tu ich normalerweise auch nicht.“ Mittlerweile hatte er sich aufrecht hingesetzt. „Du hast aber auch nicht nein gesagt, als ich dich gefragt hab.“ Stimmt. Sie hatte es nicht gesagt. Sie hatte ihn geradezu angefleht, dass er es nicht tat. „Was, wenn ich wieder ein Kind erwarte?“ Darüber machte sie sich jetzt erst Gedanken!
Knight nahm sie in die Arme und streichelte über ihren Rücken. „Ich würde mich freuen, wenn wir ein Kind bekommen, Mädchen.“ Er würde sogar Luftsprünge machen, sollte das der Fall sein. „Du würdest dich freuen?“ Sie sah ihn überrascht an. Er musste schmunzeln. „Sicher. Kahlen, du bist mir wichtig, aber ich bin nicht gerade in guter Verfassung.“ Als sie sich an ihn drückte, schloss er kurz die Augen. „Ich liebe dich.“ Ich dich auch. Ihr Anwesenheit beruhigte ihn, machten ihn wieder heil. Er wollte sie nie wieder gehen lassen. Als er zum Fenster schaute, stahlen sich bereits Sonnenstrahlen in den Raum. „Ich muss heute kurz zu meinem Anwalt, aber ich komme schnell wieder.“ Kahlen nickte lächelnd, bevor sie sich wieder in die Laken kuschelte. „Beeil dich.“
Sein Anwalt wartete bereits, als Knight eintraf. „Guten Morgen, Lord Sommerfield.“ „Ebenfalls. Haben sie die Informationen, die ich haben wollte?“ Der Mann reichte ihm eine Mappe mit Unterlagen, die sich Knight schnell ansah. Nachdem er sie gelesen hatte, legte er sie auf den Tisch. „Steht es so schlecht um diese Firma?“ „Ich fürchte ja. Die McKinleys haben seit über drei Jahren keine Gewinne erzielen können. Und als sie ein Angebot hatten, haben sie auch nicht verkauft. Eine Misswirtschaft wie ich sie selten gesehen habe.“ „Gibt es Hoffnung?“, fragte Knight angespannt.
„Nein. Sie sind leider ruiniert.“ Marion. Diese dumme Gans. Sie hat das Erbe ihres Vaters verspielt. Sie und Kahlen besaßen nichts mehr. „Ich danke Ihnen, Stevens.“ Der Mann verbeugte sich. „Immer wieder gern, Mylord.“ Knight verließ das Büro und wusste einen Moment nicht, was er als nächstes tun sollte. Er hatte versprochen Kahlens Schwester nicht zu besuchen und auch niemanden zu ihr zu schicken. Ein Ärgernis. Doch er hatte es versprochen. Dann ging er eben nach Hause. Als er an einer Seitenstraße vorbei ging, schoss plötzlich eine Faust hervor und ihm wurde schwarz vor Augen.
Kahlen erwachte wieder, war aber allein. Vielleicht war Knight noch nicht zurück. Sie zog sich an und begab sich zur Küche. Das Haus war so riesig. Kahlen fühlte sich allein und einsam. Wenn Knight wieder da war, würde es ihr sicher besser gehen. Solange er weg war, könnte sie Isabella besuchen. Mit Knights Schwester könnte sie sich über Knight unterhalten. Sie schnappte sich die restlichen Plätzchen und ging aus dem Haus. Der Butler namens Wilkons öffnete ihr sofort. „Miss McKinley, Lady Stratton befindet sich im gelben Salon.“
„Wussten Sie, dass ich komme?“ Sie hatte doch gar nichts gesagt. Der alte Mann lächelte nur hintergründig. Gott sei dank, kam gerade Lord Stratton die Treppe hinunter. „Miss McKinley. Sie leben also noch.“ Kahlen errötete stark, doch Knights Freund lachte. „Nur Spaß. Sie wollen bestimmt zu Bella?“ Er deutete auf die Dose in ihrer Hand. „Ja. Da Knight unterwegs ist, wollte ich Ihrer Frau einen Besuch abstatten.“ „Dafür muss ich Ihnen danken. Bella ist in letzter Zeit kaum zu ertragen. Ihre Stimmungsschwankungen bringen mich noch zum Verzweifeln.“ Er schaute gequält drein.
„Im wievielten Monat ist sie bereits?“ „Zwischen sechsten und siebten.“, antworte er auf ihre Frage und warf der Tür zum gelben Salon einen Blick zu, als von dort ein Krachen zu hören war. „Wilkons, wir brauchen sicher wieder ein neues Teeservice.“ „Wir haben noch eines im Vorrat, Mylord.“ Kahlen lachte belustigt. „Hat sie öfters solche Wutanfälle?“ „Oft ist deutlich untertrieben, Miss McKinley.“, bemerkte der alte Butler. Sie sah sich beide Männer an und schüttelte den Kopf. „Sie braucht etwas Beruhigendes. Ich kenne ein altes Familienrezept. Wenn ich in Ihre Küche darf, bereite ich es schnell zu.“
Lord Stratton strahlte geradezu. „Wollen Sie für immer hier bleiben?“ „Ich fürchte, dann wird Knight Sie umbringen.“ Stratton lachte und zuckte die Schultern. „Er wollte mich schon so oft umbringen. Wilkons kann Ihnen gern sämtliche Geschichten erzählen.“ Kahlen verneinte. Der Beruhigungstee war schnell gemacht. Er verströmte einen wohlriechenden Duft. Zusammen mit den Männern trat sie in den gelben Salon. Isabella saß zusammengekauert auf dem Diwan und weinte. „Bella.“ Sie sah auf und knurrte. „Bleib ja weg, Edward! Du bist schuld, dass ich jetzt wie ein Wal aussehe!“
Lord Stratton zuckte zusammen und blieb stehen. Kahlen konnte beide gut verstehen. Isabella fühlte sich nicht wohl in ihrer Haut, weil sie sich unattraktiv fühlte. Stratton wollte ihr helfen, wusste aber nicht wie. „Hallo, Isabella.“ Die junge Frau strahlte, als sie Kahlen mit dem Tablett stehen sah. „Kahlen! Komm setz dich.“ Sie warf ihrem Mann einen eisigen Blick zu. „Warum trägt sie ein Tablett wie eine Dienstmagd, Edward?“ „Weil ich Ihnen etwas zur Beruhigung zubereitet habe.“, antwortete Kahlen für den armen Stratton. „Beschütz ihn nicht auch noch, Kahlen. Er würde alles tun, nur um endlich Ruhe vor mir zu haben.“
„Das stimmt doch gar nicht.“ „Lord Stratton, würden Sie uns bitte allein lassen?“ Der Mann ging ohne Kommentar. „Der Tee schmeckt wunderbar.“ Kahlen wandte sich wieder der schwangeren Frau zu und lächelte. „Das freut mich.“ Sie stellte die Dose mit den Plätzchen noch auf den Tisch. „Sie scheinen ziemlich wütend auf Lord Stratton zu sein.“ „Das bin ich auch. Er hält keine fünf Minuten mit mir aus und nimmt regelrecht reiß aus, wenn ich nach ihm rufe. Ich habe Angst, Kahlen.“ Die junge Frau klang richtig verzweifelt. „Wovor haben Sie Angst?“
„Dass er sich eine andere Frau nimmt.“ Kahlen kannte ihre Probleme, konnte sich das aber bei einem Mann wie Stratton nicht vorstellen. „Ich glaube nicht, dass er so grausam ist. Er macht sich nur Sorgen um Sie.“ Isabella schnaubte wie ihr Bruder. „Sorgen. Ja klar, darum sperrt er mich auch im Haus ein. Von wegen! Ich bin ihm bestimmt eine Zumutung, weil ich so dick bin!“
Stimmungsschwankungen. Es sind nur Stimmungsschwankungen. Sie treten wohl bei den Knights in unheilvolle Erscheinung. „Isabella. Wissen Sie, was Ihnen alles zustoßen kann, wenn sie draußen unachtsam sind?“ Die Frau sah sie skeptisch an. Kahlen strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. „Wenn sie in Ihrem Zustand ausrutschen und hinfallen, kann das verheerende Folgen haben. Meistens stößt der Körper das Kind ab. Es kommt zu einer Frühgeburt, die das Kind selten überlebt.“ Isabella machte große Augen und umfasste schützend ihren gerundeten Bauch. „Oh.“
Kahlen sah unauffällig auf die Uhr an der Wand und keuchte. So spät schon? Knight müsste wieder zu Hause sein. Sie verabschiedete sich von Isabella und traf in der Halle auf den Butler und Lord Stratton. „Ihre Frau habe ich etwas zum Nachdenken gebracht. Sie wird bestimmt umgänglicher werden. Nur für den Fall, dass sie wieder streitlustig wird, sollten Sie sie massieren. Das wirkt wahre Wunder.“ „Massieren?“ Kahlen lachte teuflisch. „Oh, glauben Sie mir. Wenn Sie ihr die Füße massieren, wird sie Wachs in Ihren Händen sein.“ Beide Männer hoben überrascht die Brauen und sahen auf die Tür zum Salon, dann schauten sie sich an. Kahlen musste ein Kichern unterdrücken.
„Lady Isabella…“ „Und Wachs in unseren Händen?“ „Sind Sie sicher?“ Kahlen verdrehte die Augen. Männer hatten wirklich keine Ahnung von Frauen. Wenn sie das Knight erzählte, würde er sich sicher vor Lachen auf dem Boden kugeln. Sie verabschiedete sich und begab sich schnurstracks nach Knight House. Was sie dort erwartete, ließ sie vor Schrecken aufschreien. Fenster waren eingeschlagen, die Skulpturen zerstört. Ein Chaos wie sie es noch nie gesehen hatte. Sie rannte die Treppe hoch ins Schlafzimmer, doch auch hier war alles kaputt. „Knight?“ Vielleicht hatte er wieder einen Anfall gehabt. Sie fand ihn aber nirgends, nichts. Keine Nachricht. Was sollte sie jetzt tun?
Alles verloren?
Knight öffnete vorsichtig die Augen. Er hatte rasende Kopfschmerzen und sein Kiefer tat höllisch weh. „Verdammt!“ „Sieh einer an, Crow ist also wach.“ Knight erstarrte. Scheiße. „Oder sollte ich lieber Lord Sommerfield sagen?“ „Grayham.“, zischte Knight und schaute den Mann an. Dieser lächelte, während er mit einem Messer spielte. „Was willst du?“ Was soll er schon wollen, Knight? „Ich glaube nicht, dass du in der Lage bist, so mit mir zu reden.“ Warum laberte er immer um den heißen Brei herum? „Mann, kannst du nicht einfach mit der Sprache rausrücken?“
Schon handelte er sich einen Fausthieb ein. Grayham zu reizen ist eine gute Idee. „Du hast meinen Sohn getötet, Crow.“ „Ach komm schon, Grayham, Dazzler war ein Vollidiot. Selbst ein Schulkind hätte die Schmuggelware von ihm klauen können.“ Wieder ein Schlag.. Allmählich war er ziemlich angepisst. „Dazzler war mein Sohn. Du reicher Bastard hast ihn abgeschlachtet.“ Knight musste lachen. „Ich bin kein Bastard, nur zu deiner Information.“ Bevor ihn der nächste Schlag treffen konnte, brachte er mit einem Tritt den Typen zu Boden. „Wag es nie wieder, mich zu schlagen.“
„Schade, dass du sterben musst.“, bemerkte Grayham bedauernd. „Du hattest so viel Potenzial.“ „Leck mich, du Arsch.“ Kampflos würde er sich nicht geschlagen geben. Sollte der Penner ihn ruhig foltern, kein Schrei würde über seine Lippen kommen. „Hat übrigens ziemlich lange gedauert, bis du mich gefunden hast. Wirst wohl langsam zu alt, was?“ Grayham war ein mieser Sack mit einem richtig kurzen Geduldsfaden. Kein Wunder, dass er sofort zum Angriff über ging. „Soll ich dich erst um dein Finger erleichtern oder um deine Zehen?“ „Gegenfrage. Willst du langsam oder schnell sterben?“ Hoffentlich würde ihm jemand zu Hilfe kommen.
„Das war auf keinen Fall Knight.“, stellte Stratton klar, der gerade das Haus inspizierte. Kahlen und Isabella standen mit Wilkons an der Haustür. „Haben Sie eine Nachricht oder etwas in der Art gefunden?“ Kahlen schüttelte den Kopf. „Nein, nichts.“ „Dann ist das hier die Nachricht.“ Wie konnte ein zerstörtes Haus eine Nachricht sein? Wer hätte etwas davon, Knight zu entführen? Plötzlich fiel ihr etwas ein. „Kann es sein, dass man ihn wegen seiner Zeit auf der Straße entführt hat?“ Stratton sah nachdenklich aus. „Meine Nachforschungen haben ergeben, dass sich Knight ziemliche Feinde in der Unterwelt gemacht hat. Es könnte sein, dass einer von ihnen jetzt auf Rache aus ist.“
„Worauf warten wir dann noch!“ Isabella rauschte auf die Kutsche zu und wollte grad einsteigen, als ihr Mann ihr zuvor kam. „Oh nein, Bella! Du bleibst hier!“ „Er ist mein Bruder!“ „Und er ist mein Freund!“ Kahlen beobachtete den Streit des Paares und wandte sich an den Butler. „Sie wird doch wohl nicht mitkommen wollen?“ Der Butler seufzte als er ihre Frage beantwortete. „Doch das will sie, aber Stratton wird das nicht zulassen. Hoffe ich jedenfalls.“
„Verdammt Edward! Ich kann hier nicht tatenlos rum sitzen, während er die Hölle durchmacht.“ „Bella, zum letzten Mal. Du bist schwanger!“ Verzweifelt fuhr er sich mit der Hand durch sein Haar. „Versprich mir, dass du auf uns warten wirst, sonst binde ich dich mit Händen und Füßen ans Bett. Ich kenne dich, Bella. Versuch ja keine Tricks.“ Bella schmollte, gab sich aber geschlagen. Kahlen traute dem Frieden nicht. Die junge Frau war eine Knight und so wie Kahlen die Knights kannte, würde sie auf jeden Fall ihnen folgen.
Während der Fahrt zu den Docks sprach niemand. Stratton wollte einige seiner Kameraden befragen. „Isabella wird doch in Stratton House warten?“ „Wohl eher nicht, aber ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass sie dort wartet.“ Also hatte Stratton selber einer böse Vorahnung. „Sie ähnelt Knight auf unheimliche Weise.“, sagte Kahlen und sah Knights Freund an. „Manchmal habe ich das Gefühl, Knight steht mir da gegenüber und nicht Bella.“, gab dieser zu. „Eine erschreckende Familienähnlichkeit.“ „Ich möchte, dass Sie in dieser Kutsche sitzen bleiben. Die Docks sind gefährlich.“
Kahlen wartete, bis Stratton mit sechs Männern zur Kutsche kam. „Haben Sie was herausgefunden?“ „Sie sind im Lagerhaus von Grayham, einem der größten Bosse.“ Kahlen stockte der Atem. Nein! Sie malte sich die schrecklichsten Geschichten aus, wie sie Knight vorfinden würden. Als sie an dem Lagerhaus ankamen, traten ihr bereits Tränen in die Augen. Sie saß einfach in der Kutsche, nahm nicht wahr, wie der Kampf tobte. Nicht mal Isabella, die mit der Polizei erschien, erkannte sie. „Verdammt, Bella! Du hattest es versprochen!“, hörte sie Lord Stratton wütend rufen. Da war der Kampf wohl zu Ende.
Stratton kam zu ihr an die Kutsche und hob sie heraus. „Geht es Ihnen gut?“ Bei seiner beunruhigten Frage schüttelte sie den Kopf. „Ist er hier?“ „Wahrscheinlich drinnen.“ Isabella nahm sie bei den Schultern und Kahlen lachte leise. „Ihr Knights seid eine Sache für sich, was?“ „Man kann sich einfach nicht auf ihr versprechen verlassen.“, bemerkte Stratton mit einem wütenden Blick auf seine Frau. Diese zuckte die Schultern. „Du hast doch gewusst, dass ich euch folge, also beschwer dich nicht.“
Das Lagerhaus war leer, bis auf einen Stuhl und einen Tisch. Als Kahlen das Blut um die gestalt auf dem Boden sah, riss sie sich von dem Paar los. „Knight!“ Als sie sich hinkniete, um die Person auf dem Rücken zu drehen, schossen ihr Tränen in die Augen. Alles war voller Blut. Sein Gesicht war angeschwollen, sie konnte ihn kaum erkennen. Man hatte ihm sämtliche Finger gebrochen, seine Handgelenke waren deformiert, die Arme hingen wenige Zentimeter von der Schulter weg.
Er hatte Blutergüsse, gebrochene Rippen, zertrümmerte Kniescheiben und gebrochene Beine. Sein körperlicher zustand war erschreckend, aber er atmete. Nur in flachen Stößen, aber er atmete. „Oh, Knight.“ Isabella half ihr hoch und umarmte sie liebevoll. „Er wird wieder gesund, Kahlen. Er ist schließlich ein Knight.“ Wie gern würde Kahlen ihr glauben, aber Isabella kannte Knight nicht so wie sie.
Der Arzt kam nur wenige Minuten nachdem man Knight in ein Bett gelegt hatte. Während der Untersuchungen halfen ihm Stratton und Wilkons. Nie kam ein Schrei über Knights Lippen, obwohl er nicht bewusstlos war wie der Arzt ihnen mitteilte. „So viele Verletzungen.“ Der Mann schüttelte den Kopf. „Ich weiß gar nicht, welche ich zuerst behandeln soll. Dann noch die Gefahren einer Entzündung. Vielleicht sollte ich ihn erst zur Ader lassen.“ „Nein! Auf keinen Fall!“, schrie Kahlen den Arzt an. Aderlass wäre fatal. Knight war schon so schwach. Diese Prozedur würde ihn umbringen. „Das werde ich nicht zulassen.“ Strattons Gesicht war ausdruckslos, als er das sagte. „Kein Aderlass.“
„Dann werde ich ihm nicht helfen können.“ Geschockt blickten sie dem Mann hinterher. „Knight braucht einen Arzt und dieser Mistkerl haut einfach ab.“ Kahlen konnte es nicht fassen! Alles muss man selbst machen! „Wilkons? Ich brauche heißes Wasser mit Salbei, Verbandszeug, irgendetwas zum Schienen und Mohnblumen.“ „Was haben Sie vor?“ Kahlen drehte sich zu Stratton und Isabella um. „Wenn dieser Mistkerl, der sich Arzt schimpft, ihm nicht helfen will, werde ich es eben tun.“ „Wissen Sie, wie das geht?“ Sie lächelte. „ich bin Schottin.“
Was musste sie als erstes verarzten? Die Brüche. Sie nahm vorsichtig seien rechten Arm. „Wahrscheinlich muss ich ihm alles noch einmal brechen. Würden Sie mir helfen, Lord Stratton?“ Obwohl er kreidebleich wurde, half er ihr aber mit dem Reinigen der Wunden, Brechen und Schienen. Isabella war schon gegangen, weil das Knacken ihr Brechreiz verursachte. Stratton ging es nicht anders. Zwischen dem Knirschen der Knochen musste er immer wieder innehalten. „Sind wir jetzt fertig?“ „Ja. Jetzt müssen wir Entzündungen vorbeugen.“
In den letzten vier Stunden hatte Knight keinen Ton von sich gegeben. Kahlen saß an seiner Seite, konnte ihn nur nicht wegen seinen Verletzungen berühren. „Es tut mir so leid, Knight.“ Wenn sie früher ins haus gegangen wäre, hätte sie das Chaos früher Stratton melden können. Dann würde Knight jetzt nicht hier liegen. „Es ist alles meine Schuld.“
Fünf Wochen später hatte sich an seinem Zustand nichts geändert. Sein Gesicht war nur noch mit gelblichen Flecken bedeckt, sein Blick aber leer. Das einzige Lebenszeichen waren seine Augen, die jede ihrer Bewegung verfolgten. Auch jetzt schaute er sie an, während sie seine Schienen überprüfte. „Es scheint langsam zu heilen.“, teilte sie ihm aufmunternd mit. Vor einer Woche hatte es noch nicht so ausgesehen. Fieber hatte ihn sechs Tage lang gequält und war nur langsam abgeklungen. Sie nahm wieder das Salbeiwasser und wusch seinen Körper vorsichtig ab. Er half ihr etwas, indem er seinen Kopf drehte.
„Ich wünschte, du würdest endlich mit mir reden.“ In diesem Zustand konnte sie ihm unmöglich ihr Geheimnis anvertrauen. „Bitte, Knight!“ Er reagierte einfach nicht. Wütend stellte sie die Schüssel weg und stellte sich in sein Blickfeld. „Hör mir jetzt ganz genau zu, LORD SOMMERFIELD. Wenn du nicht augenblicklich einen Ton von dir gibst, werde ich dich mit einem Kissen ersticken.“ Seine Augen wanderten zu ihrem Gesicht und er blinzelte. „Das würdest du nicht wagen.“ Ihr entfloh ein Keuchen, als sie die kratzige Stimme hörte. „Du hast gesprochen!“
Ein schwieriger Patient
Die Schmerzen brachten ihn fast um den Verstand. Am liebsten würde er das Haus zusammen schreien. „Kahlen, hast was gegen diese Schmerzen?“ Er beobachtete, wie sie einen Löffel mit Sirup heranholte. Er durfte nicht zu viel nehmen, sonst würde er abhängig werden. Zum Glück wirkte das Zeug, denn er fühlte sich sofort schläfrig. „Was wolltest mir sagen?“ Er würde die Antwort eh nicht mehr hören, aber so würde sie wenigstens beruhigt sein. „Ich erwarte ein Kind.“ Bitte was! Knight versuchte sich aus der Müdigkeit zu kämpfen, verlor aber. Scheiße! Dafür würde er sich morgen was anhören.
Kahlen wusste genau, dass er eingeschlafen war. Vielleicht hatte er es gar nicht gehört, aber sie hatte es gesagt. Isabella begegnete ihr, als sie auf dem Weg nach unten war. „Ist er aufgewacht?“ „Nur kurz. Die Schmerzen waren zu stark.“ Isabella schaute sie weiterhin an und schien zu überlegen. „Hast du es ihm gesagt?“ „Ja, aber er hat es bestimmt nicht mehr gehört.“ Beide Frauen setzten sich in den gelben Salon. „Ich hoffe, er wird sich gut erholen. Bei seinen Verletzungen wird es sicher lange dauern.“ Mit Sicherheit. Allein schon seine Beine werden Monate brauchen, um ihn wieder tragen zu können.
Knight erwachte, als er etwas hörte. „Ich hoffe für dich, dass es wichtig ist, Stratton. Ich hab echt keine Nerven für sich.“ Sein Freund lachte. „Ich dachte, du würdest schlafen.“ Knight sah Stratton an. „Würdest du nicht wie ein Elefant im Porzellanladen sein, hätte ich es auch nicht mitbekommen.“ Wieder raste ein sengender Schmerz durch seinen Körper. „Scheiße, tut das weh.“ Schlimm genug, dass er hier wie ein hilfloses Baby lag, musste er auch noch diese Schmerzen ertragen. Apropos Baby. „Sie ist schwanger.“ Stratton sagte nichts, also musste es stimmen. „Super.“ Eine schwangere Frau und er war ein Krüppel. „Das muss dich nicht kümmern. Konzentriere dich erst darauf, gesund zu werden.“
Machte er Witze? „Stratton. Wenn ich nicht bald hier rauskomme, bringe ich dich um.“ „Wie willst du das anstellen? Du kannst dich kaum rühren.“ Oh, er würde einen Weg finden. Probeweise versuchte er, seinen kleinen Finger zu bewegen. Ließ es aber sofort sein, als er fast ohnmächtig wurde. Wie lange sollte er im Bett verbringen? Verdammter Mist! „Stratton.“ Sein freund sah ihn an. „Besorg mir auf der Stelle eine Heiratserlaubnis.“ Als Stratton sich nicht rührte, biss Knight die Zähne zusammen. „Bist du schwerhörig!“ Ahhh! Nicht gut, gar nicht gut! „Scheiße!“ Er hatte sich zu viel bewegt. Scheiß auf die Schmerzen. Mit zusammengepressten Kiefern riss er seinen Freund zu sich heran. „BESORG MIR DIE HEIRATSERLAUBNIS!“ Seine Muskeln protestierten deutlich, sodass ihm Tränen in die Augen schossen. „Ahhh! Gib mir das Mittel!“ Als der Sirup seine Kehle runter glitt, fühlte er sich schon besser. Kurz darauf schlief er auch schon. An das Zeug könnte er sich gewöhnen.
Kahlen sprang regelrecht auf, als sie den Schrei aus Knights Zimmer hörte. „Oh mein Gott!“ Als sie das Zimmer betrat, stand ein kreidebleicher Stratton mit dem Sirup in den Händen. „Was ist passiert?“ Er sah sie geschockt an. „Ich weiß nicht. Er hat mich plötzlich gepackt.“ „Er hat sie angefasst? Die Schienen!“ Sie besah sie dich Schienen, doch sie waren nur etwas locker. „Hat er noch etwas getan?“ „Nein. Hat mich nur angeschrien.“ Gut. Wenn er sich überanstrengte, würde er nie gesund werden. „Ich muss noch etwas erledigen.“ Sie hörte nur noch, wie Stratton ging. Sie wollte unbedingt wissen, warum Knight seinen Freund angeschrien hat. Bis sie ihn fragen konnte, würde es eine gefühlte Ewigkeit dauern.
„Knight?“ Zur Antwort brummte dieser. „Was?“ Wer auch immer seinen Schlaf störte, würde sterben. „Ich hab die Papiere.“ Papiere? Welche verdammten Papiere? Plötzlich war er hellwach. Die PAPIERE! „Wo?“ Stratton zog sie aus seiner Tasche. Wenn Knight nicht ans Bett gefesselt wäre, hätte er jetzt Luftsprünge gemacht. „Versteck sie.“ Sein Freund sah ihn fragend an. „Wo bitte? Kahlen putzt den Raum jede Stunde.“ Verdammte Schotten. „Dann such gefälligst einen Platz!“ „Weißt du eigentlich, wie unausstehlich du im Moment bist?“ Dann wusste Knight selbst. Aber er lag hier schließlich total bewegungsunfähig. „Ich bin verletzt. Welche Ausrede hast du?“
Stratton fügte sich wenigstens seinen Willen. Es war Scheiße, dass er hier lag. Nicht einen Zentimeter konnte er sich rühren. „Ich hoffe, du schmorst in New Gate Grayham.“ Du hast an deinem Zustand auch eine Mitschuld. Du hast ihn provoziert. „Ich und meine große Klappe.“ Nächstes Mal würde er vorher dreißig Männer postieren, bevor er sein Mundwerk aufmachte. „Wie geht es dir?“ Ehe er antwortete, musterte er ihren Körper nach Anzeichen einer Schwangerschaft. Wenn sie nicht so eingepackt wäre, hätte er es sehen können. „Wie soll man sich fühlen, wenn man sich nicht bewegen kann und Schmerzen ohne Ende hat?“
„Bald wird es dir besser gehen.“ Kahlen setzte sich zu ihm auf das Bett. „Du wirst sehen.“ Er hob nur skeptisch eine Braue. „Außerdem juckt es.“ Puh, gutes Zeichen. „Das bedeutet nur, dass es anfängt zu heilen.“ Könnte sie auf das Thema mit ihrer Schwangerschaft kommen? „Seit wann weißt du es?“, fragte er sie mit Blick auf ihrem Bauch. „Du hast es also doch gehört?“ „Ja, kurz bevor ich weggetreten bin.“ Glücklich sah er aber nicht aus. Wollte er das Kind nicht? „Und?“ Er sah sie fragend an. „Und was, Kahlen?“ „Bist du nicht glücklich?“ Als er die Schultern zuckte, verzog sich sein Gesicht. „Wenn ich nicht ans Bett gefesselt wäre, würde ich dir gern meine Freude beweisen.“
„Dann bist du glücklich?“ Sie musste es hören. „Ja.“ Sobald sie das gehört hatte, schlang sie ihm die Arme um seine heilen Körperteile und bedeckte sein Gesicht mit Küssen. „Du weißt, dass ich dich heirate, sobald ich mich halbwegs auf den Beinen halten kann, oder?“ Das konnte er. Gott, er konnte tun, was immer er wollte. Sie war überglücklich, solange er nur bei ihr war. „Mein Zustand wird dann nicht mehr zu übersehen sein.“ „Du wirst eine Knight sein, Kahlen. Knights kümmern sich nicht um ihren Ruf.“ Sie musste lächeln. „Das gilt nicht für Frauen.“ „Für dich schon und meine Schwester spielt auch ne Ausnahme.“ Kahlen kuschelte sich an den warmen Körper und flüsterte leise. „Ich hoffe, es wird ein Junge.“
Happy End?!
Hochschwanger stand Kahlen in einem Kleid, das eher einem Zelt glich. „Gott, das wird die peinlichste Hochzeit des Jahres. Isabella, die gerade ihren kleinen Sohn wieder in die Wiege legte, verdrehte die Augen. „Kahlen. Ab heute bist du eine Knight, also scher dich nicht drum, was die Leuten sagen. Außerdem bist du wunderschön.“ „Wunderschön, bis die Fruchtblase platzt. Gott, Isabella. Ich habe langsam das Gefühl, dass das Baby auf die Welt will.“ Ihre Freundin richtete den Schleier zu Recht und kicherte. „Tja, jetzt schon so ungeduldig eindeutig ein Knight.“
„Ich werde es meinen Bruder sagen. Dann wird er allen Feuer unterm Hintern machen und wir können dich für die Geburt vorbereiten.“ Kahlen war Knights Schwester so dankbar. Sie hatte ihr den Rücken gestärkt, um Knights Heilung und die Schwangerschaft zu überstehen. „Du weißt gar nicht, wie dankbar ich dir für alles bin.“ „Immer wieder gern, schließlich hast du mir bei meiner Geburt geholfen.“ Wenn Kahlen an Isabellas Geburt dachte, fiel ihr immer wieder der verzweifelte Stratton ein, der fast ohnmächtig geworden war, als er seinen Sohn das erste Mal erblickt hatte. Knight war zu der Zeit ein sturer Bock gewesen, der sich ständig über seine nichtvorhandene Bewegungsfreiheit beschwert hatte.
Nur wenn sie beide allein waren, murrte er nicht rum. Viel lieber hörte er sich ihre Beschwerden an. Als sie ihn gefragt hatte, warum er das tat, hatte er nur sarkastisch geantwortet: „Da ich eh ans Bett gefesselt bin, kann ich dem wohl kaum entgehen.“ Er machte zwar brav die Übungen mit, protestierte jedoch lautstark, wenn ihm etwas nicht passte. Über keinen Fortschritt konnte er sich wirklich freuen. Er war schwierig, gereizt und unausstehlich. Ein Knight eben. Wenn er sich nicht liebevoll um sie kümmern würde, hätte sie ärgste Zweifel an seinen Gefühlen.
Gespannt wie die Sehne eines Bogens wartete Knight auf die Ankunft der Braut. Er hatte schlechte Laune, die von seinen Schmerzen herrührte. Wann würden sie verdammt noch mal enden? Seine Beine protestierten gegen das lange Stehen. So viel zu einer friedlichen Hochzeit. „Stratton!“ Sein Freund zuckte zusammen, als er ihn rief. „Was ist denn jetzt schon wieder, Knight?“ „Hol mir einen Stuhl! Ich kann kaum noch stehen!“ Mit einem Seufzen holte Stratton einen Stuhl, auf den sich Knight sofort setzte. „Zufrieden?“ „Ja, erstmal.“ Warum hatte er bloß auf diese Heirat bestanden? Die paar Monate hätten sie auch noch warten können. Wenn das Kind nicht gewesen wäre.
Scheiß Pech. Er wurde geradezu davon verfolgt. „Stratton.“ „Was?“, fragte dieser genervt. „Wie lange denn noch?“ „Knight, du fragst das jetzt zum tausendsten Mal und wie jedes Mal sage ich dir, noch ein paar Minuten.“ Ein paar Minuten! Ein paar Minuten! „Wann zum Teufel sind diese paar Minuten zu Ende!“ Sämtliche Gäste keuchten bei seinen Worten auf. „Knight. Willst du das hier überhaupt?“ Stratton zeigte auf die Kirche. Das hatte sich Knight schon die letzte halbe Stunde gestellt. „Ja.“ Mit einem skeptischen Blick schaute Stratton auf ihn hinab. „Dann solltest du das langsam Mals zeigen.“
Zum Lächeln war ihm nun gar nicht zumute. Er wollte einfach ins Bett. Ein schönes warmes und weiches Bett. Er sollte eigentlich an Kahlen und ihrem gemeinsamen Kind denken, doch das fiel ihm im Moment schwer. Für wen tat er das hier? Nachdem er von Kahlens Schwangerschaft erfahren hatte und Stratton eine Heiratserlaubnis für ihn besorgt hatte, hatte er es für sich und Kahlen getan. Die Erlaubnis hatte er nach nur einen Tag wieder verbrannt, als sicher gewesen war, dass er nicht so schnell genesen würde.
Dann waren die Monate einfach so an ihnen vorbeigeflogen und sie hatten gemerkt, dass sie sich dringend Gedanken machen sollten. Daraufhin hatte er Kahlen gedrängt zu heiraten. Sie wollte lieber warten, bis das Kind geboren war. Ich und mein großes Mundwerk, dachte sich Knight. Warum hatte er nicht einfach auf Kahlen gehört? „Bruder?“ Isabella hatte wieder diesen besorgten Blick, der ihn in Alarmbereitschaft versetzte. „Was? Hat sie es sich anders überlegt?“ Oh, bitte ja. Doch seine Schwester schüttelte den Kopf. „Nein, aber sie bittet dich, so bald wie möglich anzufangen. Sie befürchtet, dass das Kind bald kommt.“ „Stratton!“ Mit einem Todesblick drehte sich dieser um. „WAS?“ „Blas die Sache ab.“ Knight kam langsam auf die Beine und ging. Sein Freund sah ihm geschockt hinterher. „Knight!“
Als er die Tür zum Raum öffnete, wo Kahlen wartete, lieb er sofort stehen. Kahlen saß keuchend in einer nassen Lache. „Kahlen?“ Sie schaute verzerrt lächelnd zu ihm hoch. „Ich glaub, die Hochzeit können wir abblasen.“ Und ob! „Stratton!“ Knight musste lächeln, als er seinen Freund schreien hörte. „WAS!“ Oh, er liebte es, seinen Schwager zu reizen. „Kahlens Fruchtblase ist geplatzt! Seh zu, dass du herkommst!“ Als er sich wieder Kahlen zuwandte, musste er ein angeekeltes Gesicht unterdrücken. Igitt! Warum war dieser Vorgang nur so widerlich! Zum Glück kam sein Freund und hob sie auf. Als ein weiterer Schwall Fruchtwasser auf den Boden klatschte, musste Knight ein Würgen unterdrücken. Er musste sich was zu trinken suchen. Nüchtern würde er das nicht überstehen.
Sie schafften es bis nach Knight House, ehe es richtig losging. Bei jedem Schrei nahm Knight einen tiefen Zug Brandy. „Gott, Stratton. Wie hast du das nüchtern überstanden?“ „Vielleicht bin ich deswegen beinah ohnmächtig geworden, denk mal drüber nach.“ Wieder ein markerschütternder Schrei. „Ich hätte gegen einen Ohnmachtsanfall nichts einzuwenden.“ Lieber Bewusstlos als dieses Geschrei mit anhören. „Was glaubst du? Junge oder Mädchen?“ Sein Freund dachte kurz nach. „Da es die Heirat nicht abwarten konnte, bin ich für einen Sohn.“ „Ein typischer Knight, hm. Es könnte aber auch ein ziemlich eigensinniges Mädchen sein:“ Sein Freund lachte. „Dann tust du mir leid.“
„Bei einem Sohn hätte ich allerdings auch kein großes Los gezogen.“, bemerkte Knight nachdenklich. Egal, was es wurde, bei seinem Pech, würde er jede Menge Ärger haben. „Junge oder Mädchen? Ärger ist vorprogrammiert.“ „Das Los eines Knights.“ Knight lächelte teuflisch. „Tu bloß nicht so. Dein Sohn ist immerhin ein halber Knight. Du wirst ziemlich auf Trapp gehalten werden und ich werde mit großer Lust dafür sorgen, dass du niemals Ruhe hast.“ Sein Freund warf ihm einen mahnenden Blick zu. „Wage es ja nicht, Knight.“ Das wurde jetzt ziemlich unterhaltend. „Was soll ich ihm nur als erstes beibringen? Duellieren, Fechten, Boxen? So viele Möglichkeiten und so wenig Zeit. Nur sechzehn Jahre und dann ist da noch mein eigenes Kind.“ „Da muss ich ziemlich viel planen, um das unter einem Hut zu bekommen.“ Aus einem mahnenden Blick wurde ein Todesblick. „Tu das ja nicht.“ „Ach Stratton. Ich muss doch das nachholen, was ich bei dir versäumt hab.“
Plötzlich kam Isabella hinunter. Die Männer fürchteten schon das Schlimmste, aber die junge Frau lächelte fröhlich. „Oh, Bruder! Herzlichen Glückwunsch!“ Sie rannte ihn fast um, doch Stratton hielt ihn auf den Beinen. „Wie geht es ihr? Ist das Kind gesund?“ Mit einem hintergründlichen Lächeln hakte sie sich bei ihrem Mann ein. „Sieh selbst nach.“ Warum wurde er das Gefühl nicht los, dass etwas nicht stimmte? Als er die Treppe hoch ging, hörte er seinen Freund laut lachen. „Oh Knight, du bist so was von geliefert!“
Super. Alle kannten das Geheimnis, nur er nicht. Dafür würde sein Freund noch richtig büßen. Kahlen lag verschwitzt in den Kissen und hielt etwas im Arm. Während er näherkam, bekam er fast einen Schock. Das waren zwei Bündel. „Sieh nur, Knight.“ Er konnte nichts sehen, denn er fiel grad in Ohnmacht. Scheiße.
Als er erwachte lag er neben Kahlen im Bett und schaute blinzelnd die Bündel genauer an. „Heilige Scheiße.“ Er hatte sich seine ersten Worte anders vorgestellt. Kahlen gab ihm bloß einen Kuss auf die Wange. „Sag mir, dass wir nur ein Kind haben und du das andere nur aus Spaß dazugelegt hast.“ „Könnte ich mir so etwas ausdenken?“ Nein, nicht sein Mädchen. Verdammt. Er hatte ZWEI Kinder. „Willst du nicht wissen, ob es Jungen oder Mädchen sind?“ Nein, wollte er nicht. Den Schock musste er erst verarbeiten, dann konnte der nächste kommen.
„Was sind es?“ Seine Stimme klang schon richtig ängstlich. Sie lächelte. Kein gutes Zeichen. „Zwei Mädchen.“ Oh nein! Ein Mädchen, ja, aber doch nicht zwei! Vor allem nicht auf einmal! „Gott, du hasst mich.“ Gott musste ihn hassen. Das hier war die Hölle. Wie sollte er zwei Mädchen erziehen? Sie waren Knights! Aus ihnen ehrbare Damen zu machen, ist vergeudete Lebensmühe. Da konnte er ja gleich Esel in Einhörner verwandeln. Knight sah schon seine Zukunft, wie er sämtliche Männer von ihnen fernhielt. „Ich glaub, ich jag mir ne Kugel in den Kopf.“
„Sind sie nicht wunderschön?“ Ja, schon fast unheimlich. Ihn sahen zwei braune und zwei grüne Augen an. Beide Babys lächelten, jedenfalls bildete er sich das ein. „Das ist euer Vater. Habt etwas Geduld mit ihm, er ist gerade geschockt.“ Sie hielt ihm das Mädchen mit den grünen Augen entgegen und er nahm es vorsichtig. Sie wog ja so gut wie nichts! „Ihr werdet mir mehr Scherereien machen als mir lieb sein wird, nicht wahr. Zur Antwort gluckste das kleine Wesen. „Glaub ja nicht, dass du mich um den Finger wickeln kannst.“ Als sie wieder lächelte, wusste Knight, dass es dafür zu spät war. „Victoria. Die Kleine hier soll Victoria heißen.“ Kahlen sah ihn überrascht an. „Und wie die Kleine in meinen Armen?“ Knight sah kurz auf das Baby. „Patience. Ich hoffe zumindest, dass sie so wird.“ „Ich liebe dich.“ Kahlens Worte ließen ihn erröten wie eine Tomate. Als sie auf das Baby in seinen Händen sah, muss er wieder lächeln. „Ich liebe dich auch.“
ich hoffe, es hat euch gefallen :)
Tag der Veröffentlichung: 07.10.2011
Alle Rechte vorbehalten