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Wer die Geschichte liest, sollte vorher erst in >Wenn die Sonne scheint...Die Heimkehr



Edward Masen, Lord Stratton, stand an der Reling des Schiffes und sah hinüber zur der näherkommenden Stadt. London, seine Heimat, durfte ihn wieder willkommen heißen. Die Frage war nur, ob sie ihn auch wiederhaben wollte. Schließlich hatte er damals Hals über Kopf die Stadt verlassen, weil ihn eine Wette völlig überfordert hatte.
Edward fuhr über die Narbe über seiner rechten Braue. Ich habe dafür bezahlt. Das hatte er. Mehr als einmal sogar. Sein Leben als Söldner war kein Zuckerschlecken gewesen, Noch immer konnte er den Geruch des Todes in seiner Nase spüren und das Schreien der Männer. Edward schüttelte den Kopf, um die Erinnerungen loszuwerden. Es ist zwei Jahre her.
Nun erwartete ihn ein neues Grauen. Sein ehemaliger Freund Knight. Wie es ihm wohl geht?, fragte sich Edward und lächelte sarkastisch. Wie schon? Du hast ihn in eine Ehe getrieben., fauchte eine kleine Stimme ins Ohr. Ja, er ist jetzt sicher verheiratet. Hat vielleicht schon Kinder.
„Masen!“, rief ihn jemand und Edward drehte sich um. Der junge Soldat hieß Archer und war einer der Männer, die mit Edward den Krieg überlebt hatte. „Was ist denn?“, fragte er den jungen Mann. „Wir wollten dich fragen, ob du noch mit in eine Kneipe kommst.“ Edward überlegte kurz und nickte. Warum nicht? Gemeinsam mit fünf anderen begab er sich in die nächstbeste Spelunke. Es war voll und es stank bestialisch, aber Edward hatte im Krieg schon schlimmeres gerochen. Ein Mann in der hinteren Ecke regte seine Aufmerksamkeit an. Er trank und hielt nebenbei eine Schankmagd auf seinem Schoß fest, während er seinen Karten keinen Blick würdigte.
Das Gesicht des Mannes kam ihm bekannt vor, doch erst als sich sein Gegenüber über ihn beschwerte, konnte Edward seinen Augen nicht trauen. „Mein Gott, setzen Sie jetzt oder was?“ Ein dreckiges Grinsen legte sich auf das Gesicht des Mannes. „Ich bin es wert zu warten.“ „Knight!“, fragte Edward schockiert, als er am Tisch stand.
Knight sah die Person neben ihn doppelt und dreifach und er fragte sich, woher der Typ ihn kannte. Hier an den Docks kannte keiner seinen Namen. Er kniff die Augen zusammen, um besser zu sehen und erstarrte, als er den Mann erkannte. Er ließ die Schankmagd fallen, die sich lauthals beschwerte, weil sie plötzlich auf dem Boden lag. „Stratton.“ Er war es. Der Alptraum, der ihn jede Nacht verfolgte. „Sieh an. Der grooße Lord Stratton bewegt seinen faulen Arsch nach Hause.“ Es erfreute ihn, dass Stratton sichtbar zusammenzuckte.
„Was ist denn jetzt?“ Knight warf dem Kerl einen drohenden Blick zu und warf seine Karten auf den Tisch. „Wies aussieht, hab ich gewonnen.“ Er merkte genau, dass der Typ auf eine Schlägerei aus war und das war ein glücklicher Zufall. Wenn Knight schon Stratton keine geben durfte, würde er sich an diesem hier austoben.


Edward wuchtete den besoffenen Knight aus der Schenke und fluchte lauthals. „Meine Güte, musste das sein?“ Knight sprang zur Seite, als hätte er sich an ihm verbrannt und torkelte die Straße entlang. „Knight!“ „Halt dein Maul!“, schrie Knight ihn an. Edward sah die unbändige Wut in den Augen seines einstigen Freundes. In so einem Zustand war Knight gefährlich. Das konnten die Typen in der Schenke bestätigen. „Knight.“ Eine Faust traf ihm mitten ins Gesicht und Edward lag auf dem Boden. „Ich sagte, halt dein Maul, Stratton.“
„Schön.“ Er wurde von Knight hochgezogen und gegen die Wand gedrückt. „Was willst du hier?“ Edward zuckte die Schultern, ehe er so gelassen wie möglich antwortete. „Nach Hause, was da gegen?“ Er konnte das darauffolgende Lachen seines Freundes kaum ertragen. „Nach Hause will der Junge also.“ Da Knight so betrunken war, stolperte er über seine Füße und lag dann lachen auf dem Boden. „Was ist nur mit dir passiert, Knight?“ Knight hörte mit dem Lachen auf, ehe er wankend aufstand. „Was geht dich das an, Schisser?“
„Ich bin dein Freund.“ Knight lachte hart auf. „Du WARST mein Freund.“ Das zu hören, hatte sich Edward schon gedacht, aber es tat trotzdem weh. „Wo ist deine Kutsche?“, fragte Edward, um das Thema zu wechseln. „Bin zu Fuß hier.“ Jetzt war Edward baff. „Bist du verrückt! Allein mitten in der Nacht hier in den Docks zu sein ohne eine Kutsche.“ Knight schaute ihn lange an. „Lass mich einfach in Ruhe.“ Dann drehte er sich um, um wieder die Straße hinunterzugehen. Edward fuhr sich über sein Gesicht. Wenn er Knight allein durch die Straße laufen lasse würde, würde er draufgehen. Also folgte er seinem früheren Freund.
„Ich hab gesagt, lass mich in Ruhe. Hast du in den letzten drei Jahren dein Gehör oder deinen verstand verloren?“, blaffte Knight ihn sauer an. Bleib ruhig, Edward. Er ist einfach betrunken und wütend., sagte er sich. „Ich habe weder das eine noch das andere verloren, Knight.“ Knight kicherte neben ihm. „Jetzt kann er auf einmal kontern. Gott, du hast mich drei Jahre zu spät erhört.“ „Soll ich eine Kutsche herbeirufen?“, fragte Edward, obwohl er die Antwort kannte. „Von mir aus.“ Edward blieb überrascht stehen, denn DAS hätte er am wenigsten erwartet. „Was? Rufst du eine oder nicht?“
Ohne Worte winkte er eine Mietdroschke herbei. „Mayfair.“ Der Kutsche nickte, sodass sich Edward gegenüber von Knight setzen konnte. Dieser starrte durch das Fenster und sagte kein Wort. „Es tut mir leid, Knight.“, murmelte Edward, der mit allem rechnete. Knight starrte ihn von der Seite an und hob einen Mundwinkel. „Ich weiß, dass es dir leid tun.“ Er musste es jetzt wissen. „Bist du…“ „Verheiratet?“, beendete Knight seinen Satz. Fragend sah er seinen Freund an, der leise kicherte. „Nein.“, sagte Knight einfach. Das verstand Edward nicht. „Aber die Wette…“ „Vergiss die dämliche Wette.“, unterbrach ihn Knight. „Meine Mutter starb eine Woche nach der Saison. Herzversagen.“ „Und Isabella?“ Knight musterte ihn. „Was soll mit ihr sein?“ Jetzt war Edward wütend. „Du weißt das ganz genau!“ Ein Lächeln breitete sich auf dessen Gesicht aus. „Sie ist nicht verheiratet, Stratton.“ Aus irgendeinem Grund musste er erst mal tief durchatmen. „Gott sei dank.“
„Gut für dich oder für sie? Denn weißt du, das waren die schlimmsten drei Jahre unseres Lebens.“ „Wieso?“, fragte Edward, weil er einfach alles wissen wollte. „Das werde ich dir bestimmt nicht erzählen.“ Und wenn Knight das sagte, war das auch endgültig. Edward musste es aus anderer Quelle erfahren. Die Kutsche stoppte und Edward öffnete den Schlag. Knight kletterte so würdevoll wie möglich aus der Kutsche und Edward stieg auch aus. Ehe Knight noch abklappte, nahm Edward ihn bei den Schultern. „Ist Wilkons noch wach?“ „Sicher. Der alte Mann geht erst schlafen, wenn ich im Bett bin. Als wäre ich ein kleines Kind.“
Als Wilkons Edward und Knight sah, machte er große Augen. „Ja, Wilkons, ich bin es.“ Der Butler räusperte sich. „Willkommen, Lord Stratton.“ Edward lächelte, denn er hatte den Mann echt vermisst. „Wilkons, ich bezahle Sie nicht, damit Sie mit Stratton ein Pläuschen halten.“, maulte Knight. Mit Wilkons Hilfe schaffte Edward Knight die Treppe hoch, an dessen Ende bereits Isabella Knight mit einer Lampe stand. „Wieder einmal betrunken, Bruder?“, fragte sie im sarkastischen Ton, der Edward zum lachen brachte. Erst jetzt sah sie ihn an und ließ vor Schreck die Lampe fallen, die auf dem Boden zerschlug. „Bravo, Schwester. Der Teppich war ja auch nicht teuer.“, meinte Knight auf seine typische Art und Weise.
„Stratton.“, hauchte sie mit großen braunen Augen. Sie musterte seine ganze gestalt und schluckte zu guter letzt. „Sie sehen gut aus.“ Knight stöhnte. „Schwester, könntest du und Stratton euch unterhalten, wenn ich halbwegs nüchtern bin.“ Isabella verdrehte die Augen.


Warum bin ich zurückgekommen?




Knight öffnete die Augen und musste sie sofort wieder schließen, weil die Helligkeit ihm Kopfschmerzen bescherte. „Oh mein Gott.“, stöhnte er gequält. „Das kommt davon, wenn man sich betrinkt, bis es nicht mehr geht.“ Knight erstarrte, als er diese vertraute Stimme hörte. Das kann nicht sein. Nein, unmöglich. Er musste es laut ausgesprochen haben, der er hörte deutlich ein leises Lachen außerhalb der Vorhänge. „Meine Güte, Knight.“
Knight zog die Vorhänge so schnell zurück, dass das Licht ihm die Augen verbrannte. „Scheiße!“, fluchte er aufgebracht. Nach einigem Blinzeln konnte er Stratton auf einem Sessel sitzen sehen, wie er in ein Glas Brandy schaute. „Du bist es wirklich.“ Sein Freund schaute ihn an und zog eine Augenbraue hoch. „Selbstverständlich, Knight. Wer soll es denn sonst sein?“ Wenn ich bloß nicht so einen Kater hätte, dachte er sich. „Sag mal, kommt es oft vor, dass du ohne Grund Leute verprügelst?“ Hatte ich das? Er sah auf seine abgeschürften Knöchel. Ja, ich hatte eine Schlägerei. „Wie viele waren es denn?“, fragte er unbekümmert. Stratton zog eine Augenbraue hoch. „Du weißt es nicht mehr?“, fragte er überflüssigerweise. Knight verdrehte die Augen. „Wenn ich es wüsste, würde ich wohl nicht fragen, oder?“
Er musste mit ansehen, wie sein Freund weiter die Brauen zusammenzog. Dabei fiel ihm die Narbe über der rechten Braue auf. Wie viele er wohl noch hat? „Es waren vier.“ „Nur vier?“, fragte er sicherheitshalber. Jetzt hatte er Stratton aus der Fassung gebracht, denn dieser knallte sein Glas auf einen Beistelltisch und sprang auf. „NUR vier! Wenn ich nicht mitgeholfen hätte, wärst du jetzt womöglich tot.“ Knight drehte sich überrascht um. „Du hast dich geprügelt?“ Er sah nur, wie Stratton schwer seufzte. Jetzt konnte er ihn genauer unter die Lupe nehmen. Stratton war noch gut zehn Zentimeter gewachsen und an Muskelmasse hatte er auch zugelegt. Beeindruckend. Der Krieg schien seinem guten Aussehen bis auf diese Narbe nicht geschmälert zu haben. Jedenfalls soweit er das sehen konnte. Von seinem jugendlichen Freund war kaum noch was zu sehen. Stratton sah abgehärtet aus. Der Krieg muss ihm gut getan haben.
„Wie war Frankreich?“, wechselte er schnell das Thema. Von seinen ausschweifenden Lebensumständen musste er nicht unbedingt was erfahren. Strattons Blick wurde abweisend und das war das Zeichen für Knight, nicht weiter nachzufragen. „Es war sicher hart.“, versuchte er wenigstens etwas herauszufinden. „Es war grauenvoll.“, flüsterte sein Freund schließlich als Knight bereits befürchtete, dass Edward nicht weiter reden würde. „Das Kämpfen war nicht einmal das Schlimmste. Es war die Zeit dazwischen. Man musste ständig daran denken, von irgendeinem abgeknallt zu werden.“ Knight legte mitfühlend eine Hand auf die Schulter seines Freundes.
„Aber du hast es überlebt, nur das zählt.“ Stratton zuckte nur die Schultern. „Was mich interessiert, ist, was in meiner Abwesenheit passiert ist.“ DAS war ein Thema über das Knight überhaupt nicht reden wollte. „Nichts ist passiert.“ Stratton durchbohrte ihn geradezu mit seinen Augen und Knight hatte das Gefühl, dass er jetzt nicht mehr die Oberhand hatte. „Du hast gesagt, dass deine Mutter gestorben sei.“ Mist. Betrunken bin ich echt ne Plappertasche. „Und?“ „Was ist danach passiert?“ Er funkelte seinen Freund an, der ihn wiederum anfunkelte. Eine Pattsituation. Und das hatte Knight noch nie erlebt.
Zum Glück kam in diesem Augenblick seine Schwester herein.


Edward hatte noch so viele Fragen, aber das musste warten. So wie es aussah, würde Knight nicht mit der Sprache rausrücken. Wen konnte er noch fragen? Isabella? Er sah Knights Schwester an, doch sie wich ihrem Blick aus, wurde sogar etwas blasser als sie ihn erblickte. Was zum Teufel war hier los? „Hast du endlich deinen Rausch ausgeschlafen?“ Isabella sprach leise, also musste Knight öfters betrunken sein. Aber auch sonst war Isabella ganz anders. Ihre ganze Haltung verriet nichts über ihre frohe Natur von damals. Sie war eher unterwürfig.
Edward brauchte Antworten. UND ZWAR SOFORT. „Ich werde dann mal gehen.“ Ohne weitere Worte verließ er das Haus, nur um von Isabella verfolgt zu werden. An der Kutsche hielt Edward dann an, weil er wissen wollte, was sie zu sagen hatte. „Lord Stratton.“ Sie hielt den Kopf gesenkt, was ihn nur noch mehr verwirrte. „Ich wollte Ihnen danken.“ „Danken? Wofür? Als er nicht antwortete, warf sie ihm unsicher einen Blick unter den Wimpern hervor. „Dafür, dass Sie meinen Bruder nach Hause geholt haben. Ich hatte mir Sorgen gemacht, aber…“ „Sie konnten ihn nicht suchen gehen?“, beendete er den Satz für sie. Sie nickte schwach. „Ja. Mein Ruf ist so ramponiert und da wollte ich nicht noch mehr Öl ins Feuer gießen.“ Ihr Ruf war ramponiert? „Darf ich fragen, warum?“ In dem Moment rief Wilkons sie wieder herein. Isabella sah ihn erschrocken an und wich einige Schritte zurück. „Ich habe schon zu lange mit Ihnen geredet. Einen schönen Tag noch.“ Bevor Edward sie aufhalten konnte, war sie schon im Haus verschwunden.
Jetzt war er noch ratloser als zuvor. Was sollte das denn jetzt? Er ging kopfschüttelnd die Straße entlang bis er vor dem Stadthaus seiner Familie stand. Gestern hatte er in Knight House geschlafen, weil er nicht nach Alkohol und Rauch stinkend seiner Mutter gegenüber treten wollte. Als er eintrat, herrschte Stille im Haus, dass Edward schon befürchtete, im falschen Haus gelandet zu sein. „Mutter?“ Sein Ruf hallte unheimlich von den Wänden wider. Er begab sich auf die Suche und fand seine Mutter auch im gelben Salon. Sie wirkte deutlich gealtert. Das ist meine Schuld, dachte er bedauernd. „Mutter?“ Sie fuhr regelrecht zu ihm um und stand dann weinend auf, um zu ihm zu eilen. „Edward? Edward bist du es?“
Er lächelte sie an und bestätigte ihre Frage. Dann fiel sie ihm um den Hals und weinte wie ein Wasserfall. „Mutter.“ Er hielt sie lange umschlungen bis sie sich beruhigt hatte. „Edward, ich kann gar nicht glauben, dass du es bist.“ „Mutter, ich bin es, also kannst du aufhören zu weinen.“ Doch sie begann erst mit einer körperlichen Untersuchung. Sie keuchte schon als sie seine narbe über der braue sah. Bevor sie auch ihm noch sein Hemd auszog, fing er ihr Finger ein. „Mutter, ich bin kein kleines Kind mehr.“ „Ich will nur sicher gehen, dass du heil zurückgekommen bist.“ Edward musste seufzen. „Mutter, es geht mir gut.“ Sie setzte sich neben ihn und war nicht zufrieden, wie er ihr ansehen konnte.
„Ich möchte wissen, was in meiner Abwesenheit passiert ist.“ Gleich auf den Punkt, sonst würde sie über alles Mögliche reden. „Edward.“ „Mutter, was ist mit den Knights passiert?“ Als sie rot vor Wut wurde, wusste er, dass es schlimm werden würde. „Diese Bande! Sie haben sich nicht mal nach dir erkundigt! Und dann haben sie bei Beginn der Saison so getan als würdest du nicht existieren!“ Sie sprang auf und fuchtelte mit ihren Händen rum. „Diese Isabella war am schlimmsten. Sie hat sich von dem alten Markham umwerben lassen! Und dieser Teufel von Knight hat sich an eine reiche Debütantin rangemacht! Erst dachte ich, dass das ein Scherz war oder so. Aber dann gegen Ende der Saison hat Markham seine Verlobung mit Miss Knight ausgerufen! Da ist mir der Kragen geplatzt. Ich habe sie eine Hure genannt, weil sie dich so einfach vergessen hat.“
Sie drehte sich zu ihm um, während er sie geschockt ansah. „Dann ist einen Tag vor der Hochzeit deren Mutter gestorben. Glaubst du etwa in Ernst, dass Knight da seine Finger NICHT im Spiel hatte?“ Edward war immer noch sprachlos. „Du hast Isabella eine HURE genannt?“ Seine Mutter schnaubte bloß. „Mutter. Du hast ihr Leben zerstört.“ „Oh nein, das hat Knight schön selbst getan. Er hat doch eine Affäre nach der anderen gehabt und wurde dutzendmal herausgefordert. Mit Isabella brauchst du auch kein Mitleid haben. Sie hat angeblich mit vielen Männern eine anregende Gesellschaft geboten.“
Fassungslos stand Edward auf. Seine eigene Mutter war für diesen Schlamassel hier verantwortlich. Wie konnte er Knight noch in die Augen sehen? „Mutter, du wirst dich augenblicklich entschuldigen, hörst du.“ Seine Mutter starrte ihn an als wäre ihm ein zweiter Kopf gewachsen. „Niemals.“, zischte sie. „Nicht nachdem sie dir das angetan hat.“
„DU WIRST DICH AUGENBLICKLICH BEI IHNEN ENTSCHULDIGEN!“, brüllte er sie an, dass sie kreidebleich wurde.


Bin ich noch zu retten?



Edward schleifte seine Mutter regelrecht hinter sich her, als er nach Knight House ging. Sie keifte wie nie zuvor und das reizte seine schlechte Laune zusehends. Während Wilkons die Tür öffnete, versuchte seine Mutter sich schon wieder aus seinen Griff zu winden und dann reichte es ihm endgültig. Er packte sie wie einen Sack Kartoffeln und warf sie sich über die Schulter. „Wo?“, fragte er den perplexen Butler.
„Blauer Salon, Mylord.“ „Danke.“, sagte Edward noch und ging zur Tür des Salons. Dort saßen Knight und seine Schwester, die ihn bereits entgeistert ansahen, weil er seine Mutter so behandelte. Mit einem Satz stellte er sie auf die Beine und zeigte auf seine Freunde. „Entschuldige dich.“, verlangte er von ihr. „Niemals.“, sagte sie vor Angst bebend. Edward ballte die Hände zu Fäusten, nur um sie nicht zu schlagen. „Mutter, ENTSCHULDIGE DICH.“
„Stratton, was ist hier los?“, fragte Knight ihn und kam näher. „DU!“, zischte er Knight an. „Wie konntest du mir verschweigen, dass meine Mutter an deiner Situation schuld ist.“ Betreten sah sein Freund ihn an und seufzte. „Das ist jetzt drei Jahre her. Eine Entschuldigung ist doch längst überfällig.“ Auch wenn es ihm wehtat, schlug er Knight mitten ins Gesicht. „Gerade weil sie überfällig ist, du Blödmann, will ich, dass sie sich entschuldigt!“ Knight sah ungläubig zu ihm auf. „Hast du mich grad geschlagen?“
„Verdammt Knight.“ Knight ließ sich von seiner Schwester aufhelfen, die ihn keines Blickes würdigte. „Ich möchte mit Lord Stratton ALLEIN reden, wenn ich darf?“ Knight sah auf sie hinunter und sah äußerst besorgt aus. „Bist du sicher?“ Seine Schwester nickte und Edward konnte sich einfach keinen Reim auf ihr Verhalten machen. „Lady Stratton. Wir gehen raus.“ An seine Schwester gewand sagte er. „Wir sind vor der Tür.“
Als sie gegangen waren, stand Edward sich Isabella gegenüber. Sie sah ihn eingeschüchtert an und das verstand er einfach nicht. „Isabella. Habe ich irgendetwas getan, dass sie mir gegenüber so sind?“ „Sie meinen außer, dass Sie einfach gegangen sind, als mein Bruder und ich Sie gebraucht haben?“ Edward zuckte zusammen. „Ich weiß, dass ich Mist gebaut habe.“ Er sah sie offen an. „Das erklärt aber nicht, warum aus dem Wildfang eine so eingeschüchterte Frau geworden ist?“
„Lord Stratton, Sie wollen die ganze Geschichte und die sollen Sie auch bekommen, wenn Sie sich setzen.“ Um endlich antworten zu bekommen, setzte er sich ihr gegenüber. „Ich fange an dem Punkt an, als die Saison begann. Meine Mutter hatte mich Lord Markham vorgestellt, einem Mann, der vier Mal so alt war wie ich. Ihm gefiel die Vorstellung, dass ich ihn ehelichen sollte und war mit Eifer dabei. Er umwarb mich und das konnte ich nicht ertragen. Meinem Bruder konnte ich nichts sagen, denn er war selbst mit seinen Problemen beschäftigt. Also ließ ich alles über mich ergehen. Dann kam Ihre Mutter am Abend der Verlobung ins Spiel.“ Edward zuckte zusammen und verzog sein Gesicht. „Sie beschuldigte mich, Sie hintergangen zu haben. Sie nannte mich eine Hure, weil ich Wochen zuvor jeden Abend eine andre männliche Begleitung hatte, um zu üben wie meine Mutter sagte. Der ton stimmte ihr zu und ich wurde geschnitten. Lord Markham schlug mich, als wir in der Kutsche waren. Er sagte, dass ich mich nie wieder so benehmen sollte.“ Mittlerweile waren Tränen in ihren Augen, doch sie sprach eisern weiter.
„Eine Woche vor der Hochzeit starb meine Mutter und Sie glauben nicht, wie erleichtert ich war. Mein Bruder kappte sämtliche Kontakte zu Lord Markham und drohte ihm, ihn zu erschießen, wenn er auch nur in meine Nähe kam. Wir zogen in unser Landhaus und alles war gut, denn mein Bruder und ich waren allein. Wir waren abgeschnitten von den Klatschmäulern, die meinen Bruder einen Mörder schimpften. Da entschied ich, dass mein Verhalten mich in diese Sache hineingebracht hatte und ich änderte mich. Ich lernte alle Anstandsregeln auswendig, damit mir nie wieder ein Missgeschick wie dieses passierte. Aber als wir wieder in der Stadt waren, redeten sie wieder über mich. Obwohl ich mich geändert hatte, schnitten sie mich.“
„Der ton kann sehr grausam sein.“, bestätigte Edward . Sie lächelte sogar ein bisschen. „Ja, sie verurteilten mich noch immer. Robert konnte es dann nicht mehr aushalten. Er hielt jeden Abend Trinkorgien ab, nahm sich eine Geliebte nach der anderen und wurde mit einem Duell nach dem anderen belohnt. Ich flehte ihn an, dass er aufhören solle, aber er hörte nicht auf mich. Als dann auch noch Neuigkeiten von Ihrem Aufenthalt kamen, wurde es noch schlimmer. Mein Bruder sank in ein tiefes Loch, das aus Trinken und wieder Trinken bestand. Sie können sich nicht vorstellen wie das war.“
Edward nickte angespannt. „Nein kann ich nicht.“ Isabella seufzte wieder tief.
„Mir ging es auch nicht besser. Die Männer der Stadt hielten mich für leichte Beute, da mein Bruder mich nicht mehr wahrnahm. Ich entging sogar knapp eine Ver…“ Edward wusste sofort, was sie sagen wollte und bat sie nicht weiterzusprechen. „Was passierte danach?“
„Mein Bruder tauchte auf und zeigte die Männer an. Danach durfte ich ohne Begleitung nicht aus dem Haus. Ich fürchte mich seitdem etwas vor Männern.“ „Ich verstehe. Deshalb sind Sie mir aus dem Weg gegangen.“ Sie nickte. „Ja.“
Edward strich sich übers Gesicht. „Das wäre alles nicht passiert, wenn ich nicht abgehauen wäre.“


Wie soll ich das wieder gut machen?



"Ich werde Ihnen das schlechte Gewissen nicht erleichtern, indem ich sage, dass Sie keine Schuld tragen. Doch das ändert nichts an der Sachlage. Es war nett von Ihnen, Ihre Mutter dazu zu bringen, dass sie sich entschuldigt.“
„Und was soll ich Ihrer Meinung nach machen, Miss Knight?“, fragte er aufgebracht. „Sie können meinen Bruder wieder ein guter Freund sein.“ Ihre Worte machten ihn nachdenklich. „Ist er wirklich so schlecht dran?“ Isabella erinnerte ihn an den gestrigen Vorfall. „Ich werde sehen, was sich machen lässt.“, meinte er und sah sie lächelnd an. „Aber nur, wenn Sie mich morgen begleiten.“ „Wohin?“, fragte sie nervös. „Weiß ich noch nicht, aber mir fällt was ein.“ Er musste schmunzeln. „Du kannst wieder reinkommen, Knight.“
„Mutter, du entschuldigst dich noch.“, beschloss er entschieden. „Ich bitte um Verzeihung.“, murmelte sie leise. Beide Knights sahen sich unbeeindruckt an, sagten auch nichts. Seine Mutter wollte wieder gehen und Edward hielt sie nicht lange auf. „Knight, was machen wir heute?“ Knight verschluckte sich an seinem Tee, ehe er ihn mit weit aufgerissenen Augen ansah.
„Stratton, du hast mich geschlagen und willst jetzt was mit mir unternehmen? Was bist du? Ne gespaltene Persönlichkeit?“ Edward sah ihn abwartend an und lächelte, als Knight aufgab. „Wir könnten zu meinem Lieblingsort gehen.“ Warum habe ich eine üble Vorahnung? „Na gut.“ Er folgte Knight durchs Haus und zur Kutsche. Während der Fahrt redete keiner von ihnen, aber vor diesem Lieblingsort wäre Edward beinah ausgerastet. Ein Bordell. Knight, du schleppst mich in ein gottloses Bordell um drei Uhr nachmittags? Er warf seinem Freund einen Blick von der Seite zu. „Hier?“
Knight zuckte gelangweilt mit den Schultern und ging rein. Nach gut zwei Stunden saß Edward nur noch allein in den großen Salon, weil Knight beschlossen hatte, die Bekanntschaft mit seiner Freundin zu erneuern. Edward brütete derweil vor sich hin und nahm die leichten Mädchen kaum wahr. „Wie kannst du um drei Uhr nachmittags in einem Bordell sitzen?“ Plötzlich schlug neben ihn eine Hand auf den Tisch. Knight neigte seinen Kopf hinunter und flüsterte Edward ins Ohr. „Weil ich es will, Stratton.“ Unbeeindruckt nippte Edward an seinem Drink. „Noch tiefer kannst du nicht mehr sinken.“
Er sah zu, wie sein Freund ein Glas nach dem anderen leerte und wurde zunehmend wütender. „Das machst du jeden Tag?“ Knight zuckte wieder nur die Schultern. „Was soll ich sonst mit meiner Zeit anfangen? Der Club hat mir angeraten von allein auszutreten und kein annehmbares Etablissement nimmt ein angeblichen Mörder auf.“ „Aber du hast deine Mutter nicht umgebracht.“ Knight zog die Brauen hoch. „Bist du dir sicher, Stratton?“ Edward zuckte zurück. Nein. So etwas würdest du doch niemals tun. Edwards Vertrauen in seinen Freund sank wie ein Schiff im Meer. „Hast du?“, fragte er mit leichten Unbehagen.
„Wenn du das glaubst Stratton, waren wir die längste Zeit Freunde. Auf nimmer Wiedersehen.“ So schnell Edward konnte folgte er Knight. „Robert! Warte!“ Doch Knight ging einfach mit gesenktem Kopf weiter. „Robert. Es tut mir leid, aber du bist nicht gerade sehr hilfreich, deinen Ruf halbwegs wieder gerade zu biegen.“ Knights Kopf fuhr hoch. „Was weißt du schon, Stratton? Du wurdest nicht des Mordes angeklagt! Während du da draußen Held gespielt hast, saß ich tief in der Scheiße! Warst du schon mal in New Gate? Du hast keine Ahnung, was ich durchgemacht habe.“
Seine Hände krallten sich in Edwards Rockaufschlägen und schüttelten ihn kräftig. „Du bist einfach abgehauen ohne vorher mit mir zu reden! Ist das zu viel verlangt, zu erwarten, dass du wenigstens zu mir kommst, als du von meiner verdammten Wette mit meiner Mutter erfahren hast!“ Knight ließ ihn los und drehte sich mit dem Rücken zu ihm um. „Ich weiß, das war der größte Mist den ich jemals angezettelt habe, aber warum bist du einfach abgehauen? Konntest du mir keine reinhauen oder mich fordern statt gleich das nächste Schiff zum Kontinent zu nehmen?“
„Geht es dir darum? Darum, wie ich reagiert habe?“ Obwohl Knight ziemlich einen in der Krone hatte, traf er Edward am Kinn. „Warum hast du mir das angetan, Edward?“, fauchte er ihn leise an. „Bin ich so wenig wert, wenigstens die Wahrheit zu wissen?“ Edward kam wieder auf die Beine. „Du willst es also wirklich wissen?“ Sein Freund nickte. Na schön, Knight. Edward hob die Fäuste und schlug Knight so kräftig, dass dieser am Boden lag. „Du mieser Bastard. Was hast du dir bei dem ganzen Schwachsinn gedacht? Mich als deine einzige Möglichkeit anzusehen. Du bist doch verrückt! Ständig spielst du mit Leben, aber das war ich von dir gewohnt. Nur dachte ich nicht, dass du auch mit deinem, meinem und dem deiner Schwester spielst!“
Er atmete tief durch. „Warum ich, Knight? Von allen Männer der Stadt, warum ich?“ Knight kam schwer wieder auf die Beine und lächelte sogar ein bisschen. „Weil du es wert warst. Du verstehst es nicht, oder? Wie wichtig du mir bist.“ Er fuhr sich durch die Haare und sah Edward gequält an. „Ich habe versucht, mich zu bedanken. Ich habe dich so oft in Schwierigkeiten gebracht und nie hast du mir den Rücken gekehrt. Du hast dich immer auf meine Seite geschlagen, egal weshalb. Weißt du, wie das für mich war?“
Er wollte ihm danken? Edward war verwirrt. „Du warst der einzige Mensch, der nur mich als Person sah. Leider war ich dir kein guter Freund, was der ganze Mist vor drei Jahren gezeigt hat.“ „Das war wirklich der größte Scheiß den du je gebaut hast.“, stimmte Edward ernst zu. Knight lächelte trotz seiner aufgeplatzten Lippe. „Du hast endlich Fluchen gelernt. Das ich das noch erlebe.“ Knight gab ihm eine leichte Kopfnuss und Edward musste auch lächeln. „Weißt du, ich hab deine Kopfnüsse vermisst. Ich hab mir oft im Kampf vorgestellt, wie du mir eine gibst, wenn ich zu heldenhaft wurde.“
„Darauf kannst du wetten, dass ich dir eine nach der anderen gegeben hätte.“, lachte Knight und wischte sich das Blut vom Gesicht. „Du hast einen ziemlich harten Schlag.“ „Das lernt man im Krieg.“ Knight sah immer noch recht traurig aus. „Ich habe überreagiert. Als ich von deiner Schwester alles erfahren hab, da dachte ich bloß, dass ich das nicht konnte. Dass du meinetwegen in einer Ehe gefangen sein würdest. Ich wollte das nicht auf mich nehmen. Ich konnte dich nicht enttäuschen und deine Schwester auch nicht.“ „Du hättest mich niemals enttäuscht, du Blödmann.“, unterbrach ihn Knight.
„Wie dem auch sei. Der Krieg hat mich reifer werden lassen. Auf eine Weise hat er mir gut getan.“
Nach langer Stille, fragte Knight. „Was machen wir jetzt?“ Edward überlegte und grinste teuflisch. Knight bekam bei seinem Anblick große Augen. „Jetzt besuchen wir einige meiner „Freunde“.“ „Was hast du vor?“, fragte ihn Knight mir neugierigem Funkeln in den Augen. Edward lächelte nur. „Das wirst du schon noch sehen.“ Er ging voraus und ließ Knight hinter sich. „Bist du mir grad mit geheimnisvoll gekommen? Das gibst doch nicht.“ Edward drehte sich um, während sich Knight kein Stück gerührt hat. „Willst du nicht ein paar Kerle aufmischen?“
„Du willst dich prügeln und das FREIWILLIG?“ „Mein Gott Knight, pass auf, dass deine Augen sich nicht selbstständig machen.“, zog ihn Edward herzhaft auf. „Ich hab grad was beschlossen, Stratton.“ Edward wartete und sah, wie Knight zufrieden grinste. „Ich mag deine neue Seite. Nein, ich liebe sie.“ Edward musste lachen. „Wo sind denn unsere Freunde?“ „Im Club, alle.“ Edward packte Knights Schultern und zog ihn an sich. „Wollen wir?“ „Das fragst du noch!“
Gemeinsam machten sie sich auf den Weg und machten derbe Scherze über das Wiedersehen mit den Freunden. Die Leute, die sie erkannten, machten große Augen. Einige keuchten erschrocken auf. Andere bekamen kaum Luft, aber das war beiden egal. Am Club blieben sie gespannt stehen und sahen sich grinsend an. „Das wird äußerst interessant werden.“, gestand Knight ehrfürchtig. „So kann man das auch ausdrücken.“


Knight House


Isabella richtete gerade einen frischen Strauß Blumen her, als Wilkons eintrat. „Miss Knight, es sind Briefe eingetroffen.“ Isabella konnte sich schon denken, um was für welche es sich handelte. „Verbrennen Sie sie, Wilkons.“ Wenn ihr Bruder von diesen Briefen wüsste, würde er sämtliche männliche Kreaturen aufknüpfen lassen. „Sehr wohl, Mylady. Auch den Brief von Lord Stratton?“ Isabella hob den Kopf. „Lord Stratton hat einen Brief geschickt?“
Wilkons überreicht ihn ihr und Isabella öffnete ihn sofort. Der Brief war eine schlichte Einladung zu einem Ball bei Lady Pennycut. Isabella setzte sich auf die Lehne eines Sessels und musste Tränen unterdrücken. „Ist es schlimm?“ Isabella schüttelte sofort den Kopf. „Nein, es ist eine Einladung zum Ball von Lady Pennycut.“ „Begleiten Sie Lord Stratton?“ Konnte sie das? Nach allem, was passiert war? Aber wenn, dann würde Lord Stratton ebenfalls von dem schlechten Ruf ihrer Familie betroffen sein. Wenn die Gesellschaft ihn auch noch schnitt, konnte sie das einfach nicht ertragen. „Nein. Ich begleite ihn nicht. Schicken Sie ihm eine Absage.“ Damit legte sie den Brief auf den Tisch und ging hinaus auf ihr Zimmer.
Wilkons starrte ihr lange hinterher, ehe er den Brief selber las. Diese Einladung ist vielleicht die letzte Chance, den Ruf der Familie wieder herzustellen. Strattons Loyalität gegenüber den Knights war trotz dem Vorfall vor drei Jahren ungebrochen und dafür war der alte Butler dem Jungen dankbar. Jeder andere hätte sie gleich geschnitten, aber nicht Stratton. „Verzeihen Sie, Miss Knight, aber ich werde dem Lord keine Absage schicken. Sie haben es endlich verdient, glücklich zu sein.“
Gerade als er einen Lakai nach Stratton House schicken wollte, kamen beide Lords hereingehumpelt. Sie sahen schrecklich aus. Die Kleidung war zerrissen und teilweise mit Blut bespritzt. Die Gesichter der Männer ließen ihn zischend ausatmen. „Mylord!“, rief er aufgelöst, doch beide Männer konnten nicht aufhören zu lachen. Selbst als ihre Beine sie nicht mehr trugen und sie am Boden lagen, hielten sie sich die Bäuche. Wilkons verstand die Welt nicht mehr. Er wusste nicht, was er tun sollte. „Hast du sein Gesicht gesehen, als ihm zwei Zähne rausgefallen sind?“, keuchte sein Lord gerade.
Lord Stratton hustete schon vor Lachen. „Wilkons? Was ist denn da los?“, rief Miss Knight von oben, doch Wilkons konnte seine Augen nicht von den Männern abwenden. „Bruder!“, schrie seine Herrin da auch schon. Knight drehte sich auf den Rücken und winkte. „Ah, hallo mein Schatz.“


Wie stellt man den Ruf seiner Freunde wieder her?



Stratton lag neben Knight in dessen Bett und ließ sich köstlich bedienen. Nachdem Isabella ihren Zorn an ihnen ausgelassen hatte, unter dem auch einige sehr teure Vasen zu Bruch gegangen waren, hatte sie einfach beide ins Bett gesteckt. „Weißt du, was das Komische an der Sache ist?“, fragte sein Freund, der gerade den miserablen Kräutertee hinunter würgte, den Edward nicht mal mit der Schulter ansah. „Was denn? Wir liegen hier beide halbnackt in deinem Bett.“ Knight amüsierte sich köstlich und legte seinen Kopf auf seine Schulter.
„Ach, hast du mich nicht mehr lieb?“ „Halt die Klappe und rutsch auf deine Seite.“, schmunzelte Edward. Knight legte aber noch eins drauf, indem sein rechtes Bein über Edwards Hüfte legte. „Oh, jetzt hast du mich verletzt. Wir können es uns doch gemütlich machen.“ Als eine Hand über seine Schulter strich, sprang Edward aus dem Bett und fluchte lauthals, als ihm seine Rippen an die Schlägerei erinnerten. „Knight! Bist du immer noch betrunken?“
„Nicht mehr. Das Teufelszeug da in der Tasse treibt einem alles aus, glaub mir.“, stellte Knight nüchtern klar. Dann grinste er wieder. „Aber jetzt bist du endlich aus meinem Bett raus. Ich dachte, ich muss dich noch küssen.“ „Als wenn ich das zulassen würde.“, konterte Edward. „Touché. Mann, ich liebe es, wie du dich benimmst.“ „Knight.“, mahnte ihn Edward. Die Sache war ihm langsam nicht mehr geheuer.
„Du denkst doch nicht das, was ich denke, dass du denkst?“ Jetzt brüllte Knight vor Lachen. „Du glaubst, ich mach dir Avancen!“ Edward errötete schuldbewusst. Was soll ich denn sonst denken? Nachdem Knight sich halbwegs beruhigt hatte, warf er ihm einen amüsierten Blick zu. „Ich bin bestimmt nicht wie Lord Wellington, Stratton. Wärst du nicht mein bester Freund, würde ich dich fordern.“ Edward zog eine Augenbraue hoch. „Glaubst du etwa, du könntest gewinnen?“
Knight blieb ihm eine Antwort schuldig, als plötzlich Isabella eintrat. Sie wurde rot wie eine Tomate, weil Edward bis auf eine Unterhose nichts trug. „Lord Stratton, wenn Sie es vorziehen sich eine Erkältung einzufangen, mache ich das Fenster auch noch auf.“ „Das wird nicht nötig sein, aber Ihr Bruder weigert sich, das Bett mit mir zu teilen.“ Sie warf ihrem Bruder einen eisigen Blick zu. „Robert, ist das wahr?“ Knight zuckte unschuldig mit der Schulter. „Dies ist mein Bett, gib ihm doch ein eigenes.“ „Nun, gut. Folgen Sie mir. Mein Bruder benimmt sich ja wieder wie ein Kind.“
Edward würde ihr gerne folgen, aber was war mit seiner Kleidung? „Ich glaube kaum, dass Sie mit einem halbnackten Mann im Haus umherlaufen wollen.“ Sie sah ihn an und nagte an ihrer Lippe. „Ach ja. Nehmen Sie den Mantel meines Bruders.“ Knight beobachtete sie beide wie eine Elster, was Edward unangenehm war. In Knights Hausmantel folgte er Isabella. Sie sprach kein Wort, was Edward vermuten ließ, dass sie noch wütend war. Schuldgefühle machten sich in ihm breit.
„Sie haben meinem Bruder wieder zum Lachen gebracht. Danke.“ Er schaute in ihre braunen Augen und schmunzelte. „Dann sind Sie mir nicht böse?“ Er konnte nicht glauben, dass sie ihn anlächelte. „Auch wenn mir Ihre Methode nicht gefällt, bin ich Ihnen sehr dankbar. Robert hat in den letzten drei Jahren kaum seine Gefühle gezeigt.“ Da fiel ihm etwas ein. „Was ich Sie noch fragen wollte, haben Sie die Einladung erhalten?“ Ihr Lächeln verschwand und sie senkte den Blick. „Ja, ich habe sie erhalten.“ „Und?“, fragte er hoffnungsvoll, obwohl ihr Blick ihm eine Abfuhr erteilte.
„Es geht nicht, Lord Stratton.“ „Warum nicht?“, hakte er nach. Er brauchte einen Grund. Irgendeinen, auch wenn er noch so dämlich sei. „Lord Stratton. Sie sind ein Held, auch wenn Sie es nicht wissen. Meine Familie hat Ihnen schon genug angetan. Wenn Ihr Ruf meinetwegen beschmutzt würde, würde ich es mir niemals verzeihen.“ „Miss Knight.“ Er wartete bis sie ihn richtig ansah, dann stellte er klar. “Knigths Ruf war schon vor drei Jahren nicht der beste und das hat mich nicht davon abgehalten, ihm ein Freund zu sein. Die Gesellschaft hat gedacht, dass er mich bedroht hat oder schlimmeres.“
Er nahm ihre kalte Hand und drückte sie vorsichtig. „Bitte, geben Sie mir die Ehre, Sie als meine Begleitung vorstellen zu dürfen und auch als Freundin.“ „Freundin?“, fragte sie und die Hoffnung spiegelte sich in ihren großen Augen. „Ich wäre gern Ihr Freund.“ „Warum sollten Sie mein Freund sein wollen?“, hakte sie vorsichtig nach. „Nur weil ich die Schwester Ihres Freundes bin, müssen Sie sich nicht verpflichtet fühlen, mich zu unterhalten.“
„Ich möchte Ihr Freund sein, weil Sie mich in unserer kurzen Bekanntschaft verzaubert haben.“ Seine Worte quittierte sie, indem sie ihm ihre Hand entzog. Sie verwandelte sich wieder in das unnahbare Mädchen. „Ich wollte Sie nicht VERZAUBERN.“ Und dann ging sie ohne Erklärungen abzugeben, „Schöne Worte, Stratton. Nur kommen die drei Jahre zu spät.“, meinte Knight hinter ihm. „Ich verstehe sie einfach nicht.“
Knight legte ihm den Arm um die Schultern und seufzte. „Du musst dir schon was besseres einfallen lassen. Durch Willoby diesem Dreckskerl hat sie jegliches Vertrauen in uns Männer verloren.“ „Willoby?“, fragte Edward und schmiedete bereits Pläne. „Jep. Nathan Willoby. Ich hab nicht viel mitbekommen, aber so wie es aussah, hat er sie betört. Er war der Kopf der Bande, die sie…na das weißt du ja.“ Edward knirschte mit den Zähnen. Nathan Willoby. Du bist ein toter Mann. „Wo ist dieser Kerl?“
Knights Augen sagten ihm, dass er seinen Plan schon kannte. „Die Docks. Spelunke namens Lustige Witwe.“ Mehr brauchte Edward nicht wissen. „Ach, Stratton.“ Edward drehte sich um und wartete. Knight lehnte sich an die Wand und lächelte kalt. „Wenn er sie wirklich vergewaltigt hat, bereite ihm einen schmerzhaften Tod.“ „Darauf kannst du wetten, Knight.“ Zielstrebig suchte er die Docks nach dem Rattennest ab. Als er es gefunden hatte, musste er tief durchatmen. Du darfst dir keine Fehler erlauben, flüsterte seine innere Stimme. Denk daran, dass du schon gestern eine Schlägerei hattest, wofür die Polizei dir schon die Hölle heiß machen wird.
So gelassen wie möglich stieg er aus. Mist. Ich weiß gar nicht, wie der Typ aussieht, wurde ihm in dem Moment klar. Wenn er jeden nach Willoby fragte, würden am Ende alle Wege zu ihm führen. „Masen?“, hörte er jemanden fragen und drehte sich um. Es war der junge Archer, der aufgeregt auf ihn zukam. „Archer. Wie geht es Ihnen?“ „Gut.“, sagte der junge Mann und sah fragend zur Spelunke. „Ich hab was zu erledigen.“ Archer wusste, dass das bei ihm immer hieß, dass er jemanden fertig machen würde. „Brauchst du Hilfe?“ Edward sah erstaunt zu seinem ehemaligen Kamerad. „Besser nicht. Ich möchte niemanden da mit reinziehen.“
Archer winkte trotzdem ein paar Männer heran. „Masen, du hast uns Rückendeckung gegeben, wenn wir was angestellt haben. Jetzt revanchieren wir uns.“ Das konnte doch gar nicht gut gehen. Aber na schön. „Kennt ihr einen Nathan Willoby?“ Archer nickte. „Klar. Ein riesiges Arschloch.“ „Holt ihn hier raus.“ Ohne weitere Fragen begaben sie sich in die Spelunke, während Stratton draußen wartete. Nach vier Minuten brachten sie einen ziemlich angeheiterten Willoby hinaus. Edward lächelte.
„Gibt es hier einen Ort, wo wie ungestört sein können?“ Seine Männer zeigten auf ein Lagerhaus unweit der Spelunke. „Bringen wir unseren Freund mal dahin.“


Derweil in Knight House


Isabella saß in ihrem Zimmer und starrte aus dem Fenster, als ihr Bruder eintrat. „Stratton wollte dir nichts Böses.“ „Ich weiß.“, flüsterte sie leise. Sie hörte ihren Bruder aufstöhnen. „Warum hast du dann nicht die Einladung angenommen?“ Sie drehte sich zu ihrem Bruder um. „Wie kann ich das tun, wo mein Ruf zerstört ist?“ „Bella. Stratton kümmert sich recht wenig darum.“ Dann lachte er und schüttelte den Kopf. „Ich glaube, dass ihn das jetzt sogar noch weniger kümmert als früher.“ Isabella konnte sich damit nicht anfreunden. „Er scheint mir sehr verändert.“ Ihr Bruder nickte bestätigend. „Ja, er hat sich verändert. Er ist jetzt erwachsen geworden.“
„Es macht mir Angst.“, gestand sie leise und Ihr Bruder hockte sich vor sie. „Bella. Er würde dir niemals etwas tun. Er mag kräftiger und größer geworden zu sein, aber er ist immer noch Stratton, der Stratton von dem ich dir immer wieder erzählt hab.“ „Bist du dir sicher?“ Sie musste wissen, ob ihr Bruder ihm immer noch bedingungslos vertraute. „So sicher wie ich sein kann, meine Liebe. Du hättest ihn gestern sehen sollen. Er ist einfach in den Club gestürmt und hat sich einen nach dem andern vorgeknüpft. Die waren so überrascht gewesen.“ In den Augen ihres Bruders konnte sie ein anerkennendes Leuchten erkennen.
„Robert, du bist stolz auf ihn, nicht wahr?“ „Ob ich stolz bin? Das fragst du noch? Selbstverständlich. Über zehn Jahre versuche ich aus ihm einen Mann zu machen!“ Ihr Bruder war manchmal wirklich wie ein Kind. „Wenn du dir so sicher bist, überlege ich es mir noch einmal."


Wie man sich richtig Ärger einheimst…



Edward Masen nahm ruhig einen Schluck Brandy, bevor er nach Hause gehen würde. Dank Archers Hilfe konnte er jetzt hier sitzen ohne sich um die Polizei zu sorgen. Seine ehemaligen Kameraden waren verschwiegen und das war das Beste an ihnen. Die Informationen dieses unwürdigen Schweins waren leider nicht sein Todesurteil gewesen. Wenigstens würde Knight sich jetzt keine Gedanken mehr machen. Jetzt konnte er sich um Isabella kümmern. Isabella. Was soll ich jetzt nur machen?
Der Wildfang war ihm lieber gewesen, denn der Wildfang hätte seine Meinung lautstark geäußert. Dieses zurückhaltende Mädchen machte ihm Angst. So wie Isabella hatte er selbst sich jahrelang benommen. Aus Angst vor seinen Mitmenschen hatte Edward sich alles gefallen lassen. War erniedrigt und unterdrückt worden. Erst das Zusammentreffen mit Knight hatte ihn aus seinem Schneckenhaus rausgeholt. Hatte ihm gezeigt, dass man richtig leben konnte.
Musste er mit Bella dasselbe machen? Sie einfach ins eiskalte Wasser schmeißen wie Knight einst? Wenn ja, dann wäre der Ball das richtige. Der erste Schritt. Gedankenverloren saß er noch einige Stunden da, bis er die Sonne aufgehen sah. Also zahlte er und fuhr mit einer Droschke nach Hause. Auf dem Bürgersteig blieb er stehen und ging dann Richtung Knight House. Sein Freund sollte zuerst die Neuigkeiten erfahren. Früher hätte er sich gesträubt zu so einer unchristlichen Stunde einen besuch abzustatten, aber im Krieg hatte er gelernt, dass es den Feind einen Dreck kümmerte wie spät es war.
Nach den Geräuschen im Haus zu urteilen, war Wilkons schon auf den Beinen. Es beeindruckte ihn, dass der alte Mann Knight noch in diesem fortgeschrittenen Alter diente. Soweit er wusste, hatte Knight ihm bereits eine großzügige Abfindung gezahlt. Trotzdem war Wilkons geblieben. Gerade als er klopfen wollte, öffnete der Butler die Tür. „Lord Stratton.“ Edward lächelte. „Stört es Sie nicht, dass ich so früh um Einlass bitte?“ Wilkons ließ ihn eintreten und schüttelte den Kopf. „Mich überrascht so gut wie nichts mehr, Mylord. In all den Jahren habe ich zu viel gesehen.“
„Es erstaunt mich, dass Sie immer in Knights Diensten stehen.“ Der Butler drehte sich um und erklärte ruhig. „Und mich wundert es, dass Sie noch mit Lord Knight Kontakt haben, obwohl er Ihnen das angetan hat.“ Edward lächelte traurig. „Ich bin armselig, oder?“ „Nein, Lord Stratton. Sie sind das, was Lord Knight braucht. Eine Art Schutzengel, der ihn stoppt, wenn er zu weit geht. Was Lady Isabella angeht, sie könnte auch einen Freund brauchen.“
Mit diesen Worten verschwand er, sagte aber noch etwas. „Lord Knight schläft noch. Sie müssen ihn leider wecken.“ „Von wegen leider, Wilkons.“
Der alte Mann lachte auch noch! Edward wusste ziemlich genau, dass Knight es hasste, geweckt zu werden. Egal ob er auf einer Frau oder im Blut lag. Es war dann immer Edward gewesen, der das Pech hatte, Knight zu wecken. Das Schlafzimmer war wie immer finster wie in einer Höhle. Knight mochte es überhaupt nicht, wenn auch nur ein Fünkchen Licht seinen Schlaf störte. Ja, manchmal war Knight wirklich ein kleines verzogenes Kind. Bekam er seinen Willen nicht, konnte er einem das Leben zur Hölle machen.
Lieber kurz und schmerzlos, als ihn mit großen Umständen zu wecken. So kickte er den schlafenden Lord einfach aus dem Bett. Als Knight aufschlug, hörte Edward zufrieden, wie er fluchte. „Wilkons, ich bringe Sie um!“ Ups. Das würde Knight wirklich tun, wenn er wollte. „Ich bin es.“, versicherte Edward und lehnte sich ans Bett. Knight krabbelte wieder auf das mit, nur um seinen Freund einen tödlichen Blick zuzuwerfen. „Hast du eine Ahnung, wie spät es ist?“ „Sonnenaufgang, also ca. 5 Uhr.“ „Genau! Du weckst mich um FÜNF Uhr morgens!“ Edward hielt ihm warnend den Finger an die Lippen. „Knight, deine Schwester schläft noch.“ „Mit doch egal.“, maulte er ihn an und vergrub das Gesicht wieder unters Kissen. „Ich dachte, du möchtest vielleicht wissen, was ich aus Willoby herausbekommen hab.“
Der Köder war schon mal draußen. Die Frage war nur, ob Knight auch anbiss. Dieser fuhr hoch, zog sich seinen Morgenmantel an und ging hinaus. Knight, du bist so vorhersehbar, lachte Edward in sich hinein. Dass sein Freund die ganze Zeit fluchte, amüsierte ihn noch mehr. „UND!“, fragte Knight, der gerade Brandy in ein Glas goss. Edward lümmelte sich derweil in den Sessel am Tisch. „Er und seine Bande haben ihr nichts getan. Du kamst noch rechtzeitig. Trotzdem konnte er sich vor den andren keine Blöße geben und hat geprahlt. Er schwor, keine Hand an sie gelegt zu haben.“
„Ich frage besser nicht, wie du ihn zum reden gebracht hast.“, stellte Knight klar. „Je weniger du weißt, desto weniger kannst du der Polizei was sagen, sollten sie auftauchen.“ „Hast du ihn leiden lassen?“ Allein schon der Gedanke befriedigte Knight ungemein. „Das brauchst du nicht zu wissen. Eine Frage hätte ich noch.“ Knight drehte sich zu seinem Freund um und zog die Augenbraue hoch. „Wie kommt es, dass ein reicher Dreckskerl wie Willoby der kleine Finger an der rechten Hand fehlt?“ Das Stratton sage ich dir bestimmt nicht. „Keine Ahnung.“ Knight konnte an Strattons Gesichtsausdruck ablesen, dass der ihm kein Wort glaubte. „Wie du bereits sagtest, je weiniger du weißt, desto weniger kannst du der Polizei was sagen.“
Das Misstrauen wich nicht aus Edwards Augen, aber Knight würde nichts weiter dazu sagen. Also musste er sich zufrieden geben. „Ich wird dann mal etwas schlafen.“ Knight wünschte ihm einen angenehmen Schlaf.


Knight trank sein Glas aus und nahm sehr wohl die Bewegung an der Tür wahr. „Wilkons, ich weiß, dass Sie gelauscht haben.“ Der Butler kam ohne Umschweife herein. „Gott sei dank, dass Willoby Ihrer Schwester nichts getan hat.“ „Ja. Zu schade, dass ich ihm damals nicht geglaubt hab. Dann hätte er seinen kleinen Finger behalten können. Ob ich die Ausrede nutzen kann, dass ich zu dem Zeitpunkt nicht ganz zurechnungsfähig war?“ „Mylord, Sie haben die ganze Bande ihrer kleinen Finger entledigt.“ Knight überlegte kurz. „Ach ja. Jetzt fällt es mir wieder ein.“
Er sah wie es sein Butler schauderte. „Ja und Willoby war der einzige, den man je in dieser Nacht gefunden hat. Die anderen sind weiterhin spurlos verschwunden.“ Nicht ganz, mein Freund. Knight sah aus dem Fenster zur Themse. Man hätte bloß den Fluss durchkämmen müssen. Bei der Strömung des Flusses hätte man die Leichen noch gut eine Stunde finden können, ehe sie aus der Stadt getrieben worden wären. So wie er Edward kannte, hätte er sofort gewusst, wer der Täter war, hätte er die anderen auch noch gefunden. Das Abschneiden der Finger war eine Warnung gewesen, die diese Typen leider nicht ernst genommen hatten. Sie hatten weiter mit ihrer Eroberung geprahlt und da war ihm einfach der Kragen geplatzt. Nicht das er keine Genugtuung gefunden hatte, aber es war ihm zu leicht gewesen, ein Geständnis herauszubekommen. Und jetzt musste er erfahren, dass diese Leute die Wahrheit gesagt hatten.
Empfand er schlechtes Gewissen? Nein. Sie hatten es verdient. So oder so. Nur musste er sich jetzt vorsehen. Willoby und Isabella hatten schon einen Verdacht auch wenn sie kein Wort sagten. Wie auch nicht, schließlich war er an dem Abend Blut überströmt nach Hause gekommen. Stratton war ebenfalls ein unwillkommener Gedanke gekommen. Wenn er nicht aufpasste, könnte sich Knight sehr schnell wieder in New Gate befinden. Hoffentlich forschte sein Freund nicht weiter. Er nahm noch einen letzten Schluck und ging wieder ins Bett.


Wilkons starrte seinem Herrn hinterher. Stratton hatte einen schlimmen Verdacht wieder angefeuert. Damals war der junge Knight mit blutigen Sachen heimgelehrt. Genau an dem Abend, als die Bande um Willoby verschwand. Er hatte natürlich gesagt, dass er eine Schlägerei hatte, aber so viel Blut verlor man nicht bei einer Schlägerei. Schlimmer wurde es, als dann am nächsten Morgen Willoby klitschnass und völlig verstört an den Ufern der Themse gefunden wurde. Man hatte natürlich versucht aus ihm Informationen rauszubekommen, aber der Mann schwieg eisern.
An Knights Reaktion konnte Wilkons sich gut erinnern. Er war ganz ruhig geblieben, fast teilnahmslos. Erst in seinem Arbeitszimmer hatte er Gegenstände umhergeworfen und war wie der Teufel aus dem Haus gestürmt. Wilkons hatte die dunkle Ahnung gehabt, dass sein Herr darin verwickelt war. Nur wegen Lady Isabella hatte er geschwiegen, die zu diesem Zeitpunkt allen Sorge bereitet hatte.
Noch immer konnte Wilkons nicht glauben, dass Knight seine Finger im Spiel gehabt hatte. Die Sache mit dem Finger hätte den Leuten Warnung genug sein müssen. Ein Knight scherzte nicht in solchen Dingen. Diese Warnung war deutlich gewesen. Auch wenn es ihm nicht gefallen hatte, dass der Junge sich so an diese Männer gerächt hatte. Wilkons würde weiter schweigen, bis Knight selbst Lord Stratton alles beichtete. Aber Knight war ein sehr verschwiegener Mann. Was er verheimlichte, blieb normalerweise geheim.
Der alte Mann musste dafür sorgen, dass man der Familie weiterhin nichts ankreiden konnte. Und wenn er selbst nach New Gate ging.


Ein Morgen, der Probleme mit sich bringt



Am Tisch herrschte Ruhe. Edward, der es sich zur Gewohnheit gemacht hatte bei den Knights zu frühstücken, trank in Ruhe seinen Kaffee. Nur bei den Essenszeiten herrschte im gesamten Haus Ruhe. Edward hatte sehr früh lernen müssen, dass bei den Knights während des Essens keiner reden durfte, sonst wurde man eben hungrig ins bett geschickt. Die einzige Erziehungsmethode, die bei dem sonst lauten Knight geholfen hatte. Obwohl Edward endlich wissen wollte, ob Isabella es sich vielleicht anders überlegt hatte, schwieg er. Knights Schwester würdigte ihm weiterhin keines Blickes und das machte ihn schwer zu schaffen.
Schweigen war eine Strafe dieser Familie, die bisher jeden aus dem Konzept gebracht hatte. Er durchbohrte Knight im Geiste mit Dolchen, weil er auf diesem Mist immer noch bestand. „Hör auf mich, mich in deinem Geiste zu töten, Stratton.“, sagte sein Freund ohne ihn auch nur anzusehen. Edward rutschte unbehaglich auf seinem Stuhl, gefangen zwischen dem Wunsch wegzulaufen oder Knight eine zu geben. Plötzlich schmiss Knight seine Zeitung auf seinen Teller und funkelte ihn wütend an. „Frag sie doch endlich, wenn du es kaum aus hältst!“ Knight stand auf und verließ fluchend den Raum. „Dämlicher Bastard. Versaut erst meinen Schlaf und jetzt noch mein Frühstück. Dabei ist das mein Haus. Wilkons! Bringen Sie es mir ins Arbeitzimmer und zwar hurtig!“
Edward schaute Isabella an, die mit offenem Mund ihren Bruder hinterher starrte. So viel dazu, es langsam angehen zu lassen. Vielen Dank, Knight. „Isabella?“ Sie schaute nervös zu ihm rüber, während sie wieder an ihrer Lippe nagte. „Wir sollten nicht allein in einem Raum sein.“ Anstandsregeln. Diese gottverdammten Anstandsregeln! „Wilkons!“, brüllte Edward wütend nach dem Butler, der im selben Moment durch die Tür trat. Dann hörten sie von der Treppe aus: „STRATTON! WILKONS IST MEIN BUTLER UND ICH GEBE IN DIESEM HAUS DIE BEFEHLE! ALSO WO BLEIBT MEIN FRÜHSTÜCK!“ „VERDAMMT KNIGHT, DEINE SCHWESTER WILL ABER NICHT MIT MIR ALLEINE REDEN!“, schrie Edward zurück. Die Antwort kam prompt. „ISABELLA! ENTWEDER DU REDEST MIT IHM ODER ICH LASS DICH KIELHOLEN!“
Isabella schluckte unwillkürlich. „Ja, aber…die REGELN.“ „Mylady, ich glaube wir können heute eine Ausnahme machen.“, meinte Wilkons, ehe er sich mit einem Tablett zu Knight aufmachte. „Also gut. Worüber wollten Sie mit mir reden?“ Die Art, wie sie mit ihrem Stuhl zurückrutschte, ließ ihn wütend werden. „Isabella. Ich dachte, wir wären Freunde.“ „Sie haben gesagt, dass wir Freunde sind. Ich habe das nicht behauptet.“, konterte sie entscheiden. Edward verbiss sich ein Kommentar. „Ich wollte Sie fragen, ob Sie es sich womöglich anders überlegt hätten.“ Bravo, Stratton. Schön zivilisiert, obwohl du sie eigentlich schütteln willst. Sie überraschte ihn mit einem Lächeln. „Sie geben wohl nicht auf, was?“
„Niemals.“, antwortete er entschieden. „Ich erinnere mich an eine Zeit, wo mein Nein Sie in die Flucht geschlagen hatte und sie tagelang geschmollt haben.“ Edwards Hoffnung fiel wie ein Kartenhaus zusammen. Warum tun Sie mir das an, Isabella? Das war vor dreizehn Jahren gewesen! Ich war ein junger Spund und Sie ein Mädchen mit einer großen Klappe. Meine guten Absichten haben Sie mit Stiefeln getreten. „Und ich erinnere mich an eine Zeit, da haben Sie sich nicht um die Regeln des ton gekümmert.“ Es tat ihm leid, dass sie sofort zusammenzuckte. „Da kannte ich die Regeln auch noch nicht.“
„Tja, jetzt kennen Sie sie in und auswendig.“, sagte er spöttisch. Eindeutig, der Wildfang war ihm lieber. „Zurück zu meiner Frage. Begleiten Sie mich nun oder nicht?“ Ein hinterhältiges Grinsen breitete sich auf ihren Lippen aus. Das gleiche hatte er bei Knight öfters gesehen. Das bedeutete nichts Gutes. „Lord Stratton, bringen Sie mich bis Freitag irgendwie dazu, meine Meinung zu ändern.“ Wie sollte er das jetzt verstehen? „Ich fürchte, ich kann Ihnen nicht folgen.“ „Es ist doch recht einfach. Ihnen stehen sämtliche Möglichkeiten offen, meine Meinung zu ändern. Sie müssen sich nur innerhalb der Regeln befinden.“ Hoheitsvoll verschwand sie dann durch die Tür, während Stratton ahnungslos auf seinem Platz saß. Heißt das jetzt ja oder nein?
„Knight?“ Er rief seinen Freund und begab sich ins Arbeitszimmer, wo Knight versuchte, etwas zu Essen. Als Knight ihn in der Tür stehen sah, feuerte er das Besteck auf das Tablett. „Verdammt, Stratton! Ich möchte wenigstens was Essen, wenn ich schon nicht schlafen kann!“ „Ich weiß, aber es ist dringend.“ Edward erzählte seinem Freund von dem Gespräch und Knight hörte ihm auch missmutig zu. „Was verstehst du da nicht? Sie gibt dir die Möglichkeit, ihre Meinung zu ändern. Du hast sogar die Qual der Wahl. Sie ist klüger als ich dachte.“
„Aber wie soll ich das anstellen? Ich kenne den einstigen Wildfang, aber doch nicht die Anstandsdame, die sie jetzt ist.“ Edward seufzte frustriert auf. Knight schüttelte einfach nur den Kopf. „Wieder da, wo wir vor drei Jahren stehen, hm. Wie geht Stratton mit der Weiblichkeit um?“ Edward schenkte ihm einen sauren Blick. „Das weiß ich auch, aber was mach ich jetzt? Bis Freitag bleiben mir zwei Tage.“ Knight betrachtete die Zeitung und hielt ihm einen Artikel vor die Nase. „Museum. Viele Menschen, was viele Augen bedeutet. Noch mehr Anstandsdamen findest du nicht auf einen Haufen.“
„Aber mag Isabella Ausstellungen?“, zweifelte Edward. Er bekam eine Kopfnuss. „Mein Gott, Stratton. Es ist ihr egal, WO du sie hin ausführst. Zu deiner Information meine Schwester liebt griechische Geschichte und die Ausstellung handelt von der Antike.“ Oh. „Du meinst also. Damit treffe ich ins Schwarze?“ „Es ist ein Anfang.“, meinte sein Freund und trank angewidert seinen Kaffee. „Bäh. Du hast noch lange keinen Blumentopf gewonnen. Was machst du nach dem Museum? Ihr werdet nicht den ganzen Tag dort verbringen.“ „Weiß nicht, sie zum Essen einladen?“ Knight klatschte in die Hände. „Gut gemacht, aber wo?“ Edward ging sämtliche Restaurants der Stadt durch, die er kannte. „Royal Café oder Gaiety Theatre.“
„Frag am besten sie selbst, denn ich hab keine Ahnung, was sie mag.“ In Gedanken plante Edward den gesamten Tag. Es durfte nichts schief gehen. „Sollte ich ihr Blumen oder so was schenken?“, fragte er seinen Freund, der ihn blöd ansah. „Blumen? Kein Mann mit Verstand schenkt einer Frau Blumen. Männer mit Stil besorgen Schmuck, Diamanten oder Saphire.“ Diamanten? Saphire? Knight, hältst du mich für eine Bank? „Ehm. Knight, ich…“ „Hab kein Geld.“, beendete er den Satz. Edward zuckte entschuldigend die Schultern. Knight zog ein Scheckbuch aus einem Schubfach und schrieb eine Summe auf. „Hier. Da du damals Isabella die Kleidung gekauft hast, schulde ich dir diese Summe.“
„Das ist nicht nötig.“, versuchte Edward ihn aufzuhalten, aber Knight winkte ab. "Stratton, so wie ich dich kenne, würdest du freiwillig ins Schuldengefängnis gehen, ehe du zugibst, Geldprobleme zu haben. Jetzt verzieh dich. Ich will wenigstens in Ruhe zu Mittag essen.“


Ungewollte Komplikationen



Entgegen Knights Vorschlag Isabella Schmuck zu schenken, hielt Edward einen Strauß Blumen in der Hand. Nur dass diese Blumen aus Knights Vorgarten waren und Edward betete, dieser würde nicht darauf achten. „Danke, dass du meine Rosenbüsche ruinierst, Stratton.“, hörte er Knight hinter seinem Rücken. „Guten Morgen.“, sagte er ausweichend zu seinen Freund. „Sicher. Sehr gut, wenn du beschlossen hast, meinen Blumen zu zerstören.“ „Ich dachte, es ist für dich nur Grünzeug?“ Knight hob einen Finger. „Kein Spott. Schon gar nicht von dir.“ Er musterte ihn von oben bis unten und wich angeekelt zurück. „Du willst meine Schwester SO ausführen?“
Was? Edward sah an sich hinab, stellte aber nichts Ungewöhnliches fest. Schwarze Stiefel, beige Hose, schwarzer Mantel, weiße Krawatte. Fragend schaute er zu Knight, der die Augen verdrehte. „Wo gehst du hin, zu einer Beerdigung? Kennst du Farben?“ „Ich weiß nicht, was du meinst?“ „Herr im Himmel, hast du ihm keinen Verstand gegeben?“, fragte Knight theatralisch gen Himmel. „Stratton. Schwarz ist ganz in Ordnung für Beerdigungen oder Bälle, aber für Bella solltest du dich mehr rausputzen.“
„Seh ich aus wie ein Pfau!?“, empörte sich Edward. Nie im Leben würde er sich wie diese hirnlosen Dandys kleiden. „Hab ich gesagt, dass du rosa tragen sollst? Ich meinte damit, etwas klassisches und nicht aufdringliches. Ach, vergiss es, du hast eh keine Ahnung. Komm rein, werd mal sehen, ob dir was von mir passt.“ Sollte ich vielleicht lieber flüchten?, dachte sich Edward. „Stratton, es zieht.“
Was blieb ihm schon übrig? In Knights Schlafzimmer holte Knight dutzende von Sachen aus dem Schrank. „Rufst du bitte Wilkons. Ich glaub, wir werden ihn brauchen.“ Edward tat wie ihm geheißen. Sobald Wilkons eintrat, schob Knight Edward vor den Spiegel. „Was glauben Sie, Wilkons? Dunkle oder helle Farben?“ „Dunkle. Die werden seine markanten Züge betonen.“, entschied der Butler sofort. „Warum habe ich das Gefühl, dass du dich über mich lustig machst, Knight?“ Sein Freund stemmte beide Hände in die Hüfte. „Willst du Isabella beeindrucken oder nicht?“ Edward schaute in den Spiegel. „Ich weiß nicht recht. Es ist doch nur das Museum.“ Jetzt bekam er von beiden eine Kopfnuss.
„Stratton. Etwas Farbe wird dir gut tun, du wirst sehen.“ Das bezweifelte er. „Na dann mal los, bevor ich es mir anders überlege.“ Die Vorstellung zu flüchten wurde immer besser. Ein Kleidungsstück nach dem anderen musste er anprobieren. Sie waren entweder zu klein oder saßen nicht richtig. Am Ende stand er in einer dunkelblauen Weste, seiner beigen Hose und neuen glänzenden schwarzen Stiefel vor dem Spiegel. Knight reichte ihm einen neuen schwarzen Mantel. „Gut. Neue Krawatte noch und eine Rasur, sowie ein neuer Haarschnitt, Wilkons.“
„Du hast vergessen, das zu erwähnen, Knight.“, warf Edward seinem Freund vor, der ihm nur auf die Schulter schlug. „Meine Schwester soll das Beste kriegen, was ich aus dir rausholen kann.“ Nach der Rasur und dem neuen Haarschnitt traute sich Edward gar nicht erst in den Spiegel zu schauen. Knight musste ihn regelrecht davor zerren. „Sieh dir an, was für ein Mann in dir steckt.“ Tatsächlich. Im Spiegel sah er einen komplett anderen Mann. „So. jetzt zeig meiner Schwester, was für ein Mann du bist.“ Zum ersten Mal in seinem Leben glaubte Edward, dass Knight recht hatte.


Als er die Treppe hinunterging, hörte er hinter ihm ein erschrockenes Keuchen. Als er sich umdrehte, sah er sich Isabella gegenüber, die ihn mit großen Augen musterte. „Lord Stratton?“ Die Worte waren nur ein Flüstern und Edward lächelte sie schief an. „Ich bin Ihrem Bruder in die Hände gefallen.“ „Das sehe ich.“ Er musterte sie seinerseits. Was sie anhatte, gefiel ihm gar nicht. Ein hochgeschlossenes Kleid mit langen Ärmeln. Man konnte kein bisschen Haut sehen. „Lady Isabella, wollen Sie dieses Kleid tragen?“ Kaum hatte er die Worte ausgesprochen, bereute er sie schon. In Beleidigungen aussprechen, bist du gut, Stratton, einfach klasse. „Wieso nicht? Es ist passend.“ Ja, wenn man eine Kirche besuchte. Er reichte ihr seinen Arm, aber sie ging einfach an ihm vorbei.
Gott, warum bestrafst du mich? Er folgte Knights Schwester zur Kutsche, die bereits wartete. „Ich hoffe, dass das Museum Ihnen gefallen wird.“, versuchte er wenigstens ein Gespräch zu beginnen. „Museum?“, hauchte sie und sie sah ihm direkt in die Augen. „Wir gehen ins Museum?“ Häh? Hatte Knight ihr nichts gesagt? „Ähm. Ja. Die neue Ausstellung.“ Sah er da grad ein Funkeln in ihren Augen? „Oh. Ich war schon eine Ewigkeit nicht mehr in einem Museum.“ Ihre Augen nahmen einen verträumten Blick an, was Edward bezaubernd fand. In dem kurzen Moment ließ sich der Wildfang blicken.
Edward wünschte, dass sie immer diesen Ausdruck im Gesicht hatte. Die geröteten Wangen standen ihr gut. „Ging Knight nie mit Ihnen ins Museum?“ Erst sah sie ihn groß an, dann lachte sie los. „Lord Stratton. Sie müssen doch am besten wissen, dass mein Bruder sich nicht für Geschichte interessiert. Er sagte einmal, wenn er kaputte Statuen sehen will, schmeißt er einfach unsere Skulpturen um.“ Typisch Knight. „Stimmt. Er ist für Ausstellungen nicht zu begeistern.“ Isabella nickte. „Ich habe ihn vor einem Jahr angefleht, er möge sich mit mir eine Kunstausstellung ansehen. Das werde ich ewig bereuen.“
„Warum? Was hat Knight getan?“ Er beugte sich zu Isabella vor, die sich ein Lachen verkneifen musste. „An jedem Bild, das wir uns angesehen haben, hat er den Künstler rüde beschimpft. Die Leute waren kurz davor gewesen, ihn rauszuschmeißen. Als wir dann tatsächlich draußen waren, hat er sich beschwert, warum das so lange gedauert hat mit dem Rauschmiss.“ „Sie waren nicht wütend auf ihn?“ Sie wieder aus dem Fenster und schüttelte den Kopf. „Nein. Die Bilder waren selbst für meinen Geschmack potthässlich. Ich war froh wieder draußen zu sein.“ Isabella Knight war ihm einfach ein Rätsel.
Bestand sie doch eindeutig auf die Einhaltung der Regeln und war trotzdem froh, dass ihr Bruder sie gebrochen hatte. War das nur eine Ausrede hinter der sie sich versteckte? Er konnte sich keinen Reim drauf machen. Bis er sich näher damit beschäftigen konnte, musste er noch warten. Die Kutsche hielt vor dem Museum und Edward stieg als erstes aus. Bevor Isabella ihm wieder entwischte, nahm er sie an den Hüften und hob sie hinaus. „Ich hätte allein aussteigen können.“, teilte sie ihm mit gesenktem Blick mit. „Sicher, aber Sie haben auf die Einhaltung der Regeln bestanden. Der ton sieht es ungern, wenn eine Frau allein aus einer Kutsche aussteigt.“ Dazu gab sie kein Kommentar, presste aber die Lippen aufeinander.
Das würde noch sehr interessant werden.


Kriegsheld? Nein danke!



Kaum hatte Edward das Museum betreten, stürzten sich die Besucher wie Geier auf ihn. Unter dem Gedränge verlor er auch Knights Schwester aus den Augen. Die Mütter schubsten sich gegenseitig aus dem Weg, damit sie ihm ihre Töchter vorstellen konnten. Sie himmelten ihn an und er war versucht, laut schreiend um Ruhe zu bitten. Bei dem Lärm konnte doch niemand einen klaren Gedanken fassen. Eine Ironie, dass gerade die Menschen, die ihn jahrelang für einen Angsthasen hielten, ihn jetzt vergötterten.
„Meine Damen und Herren, dass hier ist ein Ort der Ruhe! Lassen Sie den armen Stratton in Frieden.“, befahl eine kleine Lady in einem dunkelroten Kleid. Lady Warwick. Gott, danke für diesen Engel. Die Menge stob murrend auseinander und Lady Warwick kam zu ihm mit einem Lächeln auf den Lippen. „Grauenhaft, nicht wahr?“ Dem konnte er ihr nur beipflichten. „Es ist schön, Sie wieder in der Stadt zu sehen. Auch wenn Sie Umgang mit Knight pflegen.“ „Knight ist mein bester Freund, Lady Warwick.“, stellte er ein für alle mal klar. Er erntete einen anerkennenden Blick.
„Ich habe nichts gegen Ihre Freundschaft mit Knight. Anders als der allgemeine ton, vergöttere ich den Jungen.“ Edward musste bei ihrer Wortwahl lächeln. „Sie müssen aber auch den ton entschuldigen, dass er so aufdringlich ist. Die Leute wollen Sie ganz für sich allein. Als Kriegsheld sind Sie die Attraktion der Saison.“ Wieso dachten alle, er sei ein Kriegsheld? „Von Held kann keine Rede sein.“ Sie klopfte ihm mit ihrem Fächer auf den Arm. „Nur keine Bescheidenheit. Sie haben den Krieg überlebt und da Sie der einzige bekannte Engländer waren, der in diesem Krieg kämpfte, will der ton alles wissen. Und er sieht es nicht gerne, dass Sie Ihre zeit mit Knights Schwester verschwenden.“ Mit diesen Worten verließ sie ihn und ihm wurde bewusst, dass er Isabella verloren hatte.
„Isabella!“ Edward suchte jeden Raum ab, konnte sie aber nirgends finden. War sie gegangen? Als er den Raum mit den griechischen Göttern betrat, sah er sie vor einer Statue stehen. „Gott sei dank, Isabella. Ich dachte, ich hätte Sie jetzt verloren.“ Sie reagierte nicht, sondern starrte die Statue an. Erkennen konnte Edward den Gott nicht und musste einen Blick auf das Schild werfen. >Ares, Gott des KriegesEine lustige Entdeckung



„Sie müssen aufhören, sich selbst und Ihrem Bruder die Schuld zu geben.“, erklärte Edward Isabella. „Genau wie ich aufhören muss mir die Schuld für alles zu geben. Was geschehen ist, kann man nicht ändern, aber man kann daraus lernen. Knight wettet seitdem nicht mehr, oder?“ Isabella schüttelte den Kopf und sah ihn nachdenklich an. „Nein. Er sagte, er habe genug mit Leben gespielt.“ Edward schenkte ihr ein Lächeln. „Sehen Sie, Knight hat aus seinem Fehler gelernt.“ „Und wie haben sie aus ihren gelernt?“ Gute Frage. „Ich lasse mich nicht mehr so einfach beeinflussen. Ich stehe jetzt selbst meinem Mann und verkrieche mich nicht hinter Knights Rücken.“
„Und Sie, Isabella. Müssen sich nicht hinter den Regeln des Anstandes verstecken.“ Sie legte ihre Hände in den Schoß, die sich sogleich verkrampften. „Ich verstecke mich nicht hinter Regeln.“ „Tun Sie das? Dann sagen Sie mir, wo der Wildfang geblieben ist. Ich mochte ihn sehr, weil er seine Gefühle offen zeigte und sich nicht darum scherte, was man über ihn dachte.“ „Männer mögen keine selbstständigen Frauen. Sie wollen ein ruhiges und anständiges Weib.“ Edward legte seinen Kopf schief. „Sind das Ihre Worte oder die Ihrer Mutter?“ Isabella erstarrte regelrecht. Sie sah verloren aus und auch ratlos. „Ich…“ „Sehen Sie, Sie wiederholen nur die Worte, die Ihnen eingetrichtert wurden.“ „Aber… das wollte Lord Markham von mir.“ Lord Markham also. „Lord Markham ist ein alter Mann, der eine Frau sucht, die nicht gleich hinter seinem Rücken eine Affäre hat, Isabella. Ihr Glück wäre ihm völlig egal gewesen. Sie wären nur sein Anhängsel, wie ein teurer Mantel. Nur zum Vorzeigen gedacht.“
„Aber der Wildfang war unakzeptabel.“, beharrte sie weiter, obwohl ihr Panzer Risse bekam. „Nein, Isabella. Der Wildfang hätte die Gesellschaft nur etwas aufgelockert. Sie wären der Blickfang der Saison gewesen.“ Sie öffnete den Mund, um etwas zu sagen, klappte ihn dann aber wieder zu. „Mögen Sie ihn so sehr?“ „Viel lieber als die Anstandsdame neben mir.“, musste Edward gestehen. Als sie ihm eine Kopfnuss gab, wusste er, dass sie sich geöffnet hatte. „Warum haben Sie das nicht eher gesagt, Stratton?“ „Weil ich wollte, dass Sie es selber erkennen.“ Isabella sah sich um und fixierte einen Brunnen auf dem Platz. „Glauben Sie, dass der ton wütend sein wird, wenn ich mich etwas erfrische?“
Edward bekam große Augen, als sie gradewegs zu dem Brunnen ging, sich die Schuhe auszog und hineinsprang. „Isabella!“ Er rannte zum Brunnen und stoppte verdattert, als sie ihn nass spritzte. „Na. Lord Ich-habe-Angst-dass-meine-Sachen-nass-werden haben Sie immer noch Angst?“, fragte sie, während sie sich vor Lachen schüttelte. „DAS werden Sie bereuen.“ Sie lachte ihn nur aus und spritzte ihn weiter voll. Es scherte ihn nicht länger, dass man ihn begaffte, denn dafür war es zu spät. Die Leute sahen beide schockiert an. Er zog seine Stiefel und Socken aus und jagte sie durch den Brunnen. „Isabella, bleiben Sie auf der Stelle stehen!“ Sie lachte weiter und versuchte vergeblich ihm zu entkommen.
Als er sie gepackt hatte, waren sie bis auf die haut durchnässt. Selbst als er sie mit seinen Augen durchbohrte, kicherte sie weiterhin vergnügt. „Der große Lord Stratton planscht in einem Brunnen.“, brachte sie noch mühsam hervor. Edward sah sie erstaunt an. Er hatte wirklich geplanscht, während er ihr hinterher gejagt war. Auf einmal war ihm diese Situation so absurd, dass er auch lachen musste. Am Ende tränten sogar seine Augen. „Das wird dem ton zu denken geben.“ „Oder sie denken, dass wir total den verstand verloren haben.“
Isabella strich sich graziös die haare zurück und lächelte. „Scheiß drauf, wie Robert zu sagen pflegt.“ Edward straffte sich und zwinkerte. „Genau.“ Während sie sich ihre Sachen holten, wurden sie noch immer begafft. Edward reichte ihr den Arm, den sie kichernd entgegennahm. Auf dem Weg zur Kutsche verabschiedeten sie sich noch bei einigen Leuten, die ihnen perplex hinterher sahen. „Knight House.“, teilte er dem Kutscher mit und stieg ein. Isabella wrang vergeblich das Wasser aus ihrem Kleid und beließ es dann dabei. „Es ist sowieso schrecklich.“ Edward warf einen Blick auf seine Sachen und stöhnte leise. „Dafür wird mich Knight aufknüpfen.“ „Wieso?“ Er sah zerknirscht aus dem Fenster. „Das sind seine Sachen.“ Isabella hielt sich die hand vor dem Mund und keuchte. „Robert wird wahnsinnig werden!“ Oh ja.


Als Knight sah, wie sie beide klitschnass durch die Tür kamen, hatte er sein Glas fast zerdrückt. „Was zum Teufel…“ „Ahm. Lord Stratton und ich wurden von einem Regenschauer überrascht.“ Eine dumme Ausrede, befand Edward. Knight zog eine Augenbraue hoch. „Regen? Hier in der Stadt?“ Isabella tat unschuldig. „Ja. Royal Café wurde plötzlich von einem Guss überrascht.“ Knight gab keine Antwort, was Isabella zum Anlass nahm zu verschwinden. Auf der Treppe drehte sie sich noch einmal um. „Ich sage ja, Lord Stratton.“
Als sie verschwand, standen er und Knight allein im Foyer. „Stratton. Du bist mir eine Erklärung schuldig. Und DIE sollte nichts von Regen beinhalten.“, stellte sein Freund nüchtern klar, ehe er ihn von Kopf bis Fuß musterte. „Danke, dass du meine Sachen ruiniert hast. Die kann ich wegschmeißen.“ Edward war noch in Gedanken. Hatte sie grad ja gesagt? Ja wozu? Knight schnipste vor seinen Augen mit dem Finger und holte Edward zurück in die Gegenwart. „Glückwunsch. Sie begleitet dich. Was auch immer du gemacht hast, es hat funktioniert.“
Knight hatte recht. Sie begleitete ihn auf den Ball! Sein Freund stöhnte nur. „Bevor du dich noch erkältest, zieh dir lieber trockene Sachen an. Und hör auf so dämlich zu Grinsen!“ „Tu ich doch gar nicht.“, konterte Edward, obwohl er wirklich grinste. Knight begab sich in sein Arbeitszimmer, was Edward etwas stutzig machte. „Knight? Warum bist du fast den ganzen Tag im Haus?“ „Geht dich nichts an.“ Zu schnell geantwortet, mein Freund. „Was ist passiert?“, erkundigte er sich dennoch. „Sagt dir der Name Kahlen McKinley noch etwas?“, sagte Knight nach kurzem Schweigen. Kahlen McKinley? Edward musste erst mal überlegen. McKinley. Er sah Knight mit großen Augen an. „KAHLEN MCKINLEY!“
Sein Freund verzog nur das Gesicht. „Ja.“ „Ist sie hier? In London?“ Gott, Edward war ganz aufgeregt. Kahlen McKinley war die einzige Frau gewesen, die Knight in die Flucht geschlagen hatte. Vor sechs Jahren hatten die beiden sich das erste Mal gesehen. Kahlen war ein Backfisch gewesen. Sie war bei jedem Anlass Knight hinterher gerannt und hatte jede Sekunde seiner Aufmerksamkeit beansprucht. Nach kurzer Zeit hatte dieser es nicht mehr ausgehalten und hat sich seitdem in seinem Haus verschanzt, wenn das Mädchen in die Stadt kam. Es war zu einigen lustigen Fluchtversuchen gekommen, in denen Edward echt Mitleid mit seinem Freund hatte.
„Ja. Sie ist in der Stadt. Soweit ich weiß die gesamte Saison über.“, gestand ihm sein Freund und nahm einen tiefen Schluck Brandy. „Was wirst du jetzt tun?“ Knight hielt inne und sah ihn an. „Was ich immer tue, wenn diese Landplage in die Stadt kommt. Auf keinen Fall nach draußen gehen.“ „So schlimm ist sie nun auch wieder nicht.“ Edward MUSSTE Knight einfach aufziehen. „Nicht so schlimm? Nicht so schlimm!“ Knight sprang auf und stütze sich mit den Hand auf dem Tisch ab, während er ganz nahm an Edwards Gesicht kam. „Diese Landplage hat mich ÜBERALL hin verfolgt. Egal ob in die Oper, Theater oder Ball, sogar in ein Bordell! Keine freie Minute hatte ich wegen ihr!“
Edward grinste frech. „Hast du etwa Angst vor ihr?“


Der große Ball



Es war Freitag und Edward war so nervös wie noch nie. Ihm gegenüber saß Knight mit einem Glas Brandy in der Hand. „Und du kommst wirklich nicht mir?“, wollte er zum wiederholten Mal wissen. Knight verdrehte die Augen, während er einen Schluck trank. „Definitiv nicht! Solange sich Kahlen KcKinley in dieser Stadt befindet, setze ich keinen Fuß vor die Tür. Bleib locker, Stratton. Es wird ein denkwürdiger Abend werden.“ „Dein Wort in Gottes Ohr.“, murmelte Edward. „Stratton. Was kann schon passieren? Schlimmer als die Aktion vor zwei Tagen kann es nicht werden.“
Bei dem Gedanken an sein ungewolltes Bad mit Isabella musste er immer wieder schmunzeln. Knight hatte die Geschichte recht gut aufgenommen. Aber da er hinter jedem Baum Kahlen McKinley sah, war das kein Wunder. Dieses Mädchen machte Knight unsagbare Angst. Er war ja schon beinah paranoid. „Ich glaub, ich hab sie gestern gesehen.“ Sofort wurde Knight hellhörig. „Wo? Hier in der Nähe?“ Edward schüttelte den Kopf. „Hyde Park. Ich glaub aber, dass sie nach dir Ausschau hielt.“ Sein Freund wurde kreidebleich.
„Was ist denn los, Bruder?“ Knight und Edward wandten sich zur Tür, wo Isabella in einem wunderschönen blauen Kleid stand. Sie trug die Haare entgegen der Mode offen, sodass sie sich in Wellen über ihre Schultern ergossen. „Nichts. Hab wohl was Schlechtes gegessen. Viel Spaß euch zwei.“
Auf dem Weg zur Kutsche schwieg Edward, nur Isabella wurde unruhig. „Was ist nur mit meinem Bruder los?“ „Keine Angst. Ihm geht es gut.“ „Bist du sicher?“ Dass sie ihn duzte, schien sich nicht mitbekommen zu haben. „Ganz sicher.“


Dass jedermann sie anstarrte, war wohl ihrem Benehmen vor zwei Tagen zuzuschreiben. Solange es jedoch nicht Isabella störte, konnte Edward seine gute Laune nicht verheimlichen. „Habe ich eigentlich schon gesagt, wie schön Sie aussehen?“ Eine verräterische Röte breitete sich auf ihren Wangen aus. „Versuchen Sie mir zu schmeicheln, Lord Stratton?“
Er kam nicht dazu, eine Antwort zu geben, denn da kamen schon die Matronen. Es gab nichts Schlimmeres als Frauen, die ihre Töchter zu verheiraten versuchten. „Wie ich sehe, kommt da schon der Empfang für Sie.“ „Bitte lassen Sie mich auf keinen Fall allein, Isabella.“, flüsterte er ihr verzweifelt zu. Sie schaute zu ihm hinauf und zwinkerte ihm zu. Dann packte sie seine Rockaufschläge und legte ihre Lippen auf seine. Er hörte die Personen in ihrer Nähe keuchen, aber auch das entsetzte Schnauben der Matronen.
Kaum hatte er sich an ihre Lippen gewöhnt, waren sie auch schon wieder weg. Man musste ihm seine Enttäuschung ansehen, denn Isabella grinste schelmisch. Einen Blick auf die Menge zeigte ihm, dass der ganze Raum ihn beobachtete. Knight, ich brauche ernsthaft deine HILFE! Als wenn er ihn beschworen hatte, legte sich dessen Arm um seine Schultern. „Noch ein Kuss und ich fordere dich, Stratton.“ Diese mahnenden Worte ließen Edward lächeln. „Ich dachte, du wolltest nicht Lady McKinley über den Weg laufen?“
„Wilkons sagte, dass ihre Familie abgereist sei. Glück für mich UND dich.“ Da hatte Knight recht. Ohne ihn wäre er aufgeschmissen. „Sieh mal einer an, die Menge weicht schon zurück, sobald ich auftauche. Oh, das wird ein Spaß.“ Mit einem teuflischen Lächeln näherte er sich Lady Warwick, die ihn bereits mit funkelnden Augen beobachtete. „Wollen wir, Lord Stratton?“ Ohne ein Wort reichte er ihr den Arm und begrüßte seine Bekannten.
Den ganzen Abend über beobachtete Edward heimlich seinen Freund, der sich angenehm mit Lady Warwick unterhielt. Eine Bewegung an der Tür lenkte seine Aufmerksamkeit ab, ehe er erstarrte. An der Tür stand Lady McKinley. „Isabella, ich bin gleich wieder da.“ So schnell wie möglich bahnte er sich einen Weg zu Knight. „Knight, du hast ein Problem.“ Sein Freund schaute auf und folgte Edwards Blick zur Tür. Was er sah, ließ ihn kreidebleich werden. „Oh, nein!“
Seine Hände krallten sich in Edwards Ärmel. „Stratton, du musst mich hier raus holen! Lass nicht zu, dass ich in ihre Fänge gerate!“ Edward versuchte seinen Freund zu beruhigen, was nicht einfach war, denn Knight zitterte wie Espenlaub. Währendessen kam das Mädchen mit einem Dämonenblick immer näher. „Durch den Tanzsaal führt eine Tür zur Terrasse, die in den Garten führt. Von da aus kannst du zu deiner Kutsche laufen.“ Knight nickte und verschwand geschwind. „Lord Stratton? War nicht eben noch Lord Sommerfield hier?“ Das Mädchen durchbohrte ihn mit ihren grünen Augen. „Lady McKinley. Es ist mir eine Ehre Sie wiederzusehen.“ Gott, selbst ihn machte das Mädchen Angst. „Em. Ich muss leider zu meiner Begleitung zurück. Einen schönen Abend noch.“
Isabella wartete bereits am anderen Ende und sah alles andere als glücklich aus. „Wer war das?“ „Lady McKinley, eine alte Freundin Ihres Bruders.“ Das schien sie zu überraschen. „Seine ehemalige Mätresse?“ „Gott nein!“ Er bot ihr seinen Arm, um sie in den Tanzsaal zu geleiten. „Glauben Sie mir. Dieses Mädchen macht aus Knight einen Angsthasen. Überall, wo sie auftaucht, nimmt er sofort reis aus.“ Isabella suchte mit den Augen den Raum ab, um die geheimnisvolle Frau zu finden. Eine Frau, bei der ihr Bruder flüchtet? Sie musste etwas besonderes sein.
„Tanzen Sie mit mir?“ Die Frage schreckte sie auf. „Haben Sie denn seit dem letzten Mal geübt?“ Er schenkte ihr ein bezauberndes Lächeln. „Die Tanzstunde hat sich in mein Gedächtnis gebrannt. Ich brauche keine Übung mehr.“ Ihr auch, aber das würde sie niemals zugeben. „Nur wenn wir dem ton zeigen, dass sie uns mal können.“ Wäre er noch der alte Stratton, hätte er spätestens jetzt die Flucht ergriffen. Sie musste wissen, welche Seite die Oberhand hatte. Zu ihrem Erstaunen führte er sie auf die Tanzfläche und zog sie so nah an sich heran, dass die Grenzen des ton, weit überschritten wurde. Ihre Hüften berührten sich fast.
„Den Frauen treten bald die Augen aus den Höhlen.“, teilte er ihr mit einem Schmunzeln mit, was Isabella mit einem frechen Grinsen beantwortete. „Wollen wir sie in die Bewusstlosigkeit tanzen?“ Keine schlechte Idee. Nur befürchtete Edward, dass die Matronen das nicht überleben würden. „Ich glaube, wir sollten sie ein bisschen schockieren.“ So tanzten Sie eng umschlungen den Walzer, während den anderen Paaren die Augen rauszuquellen drohten. Beide mussten unentwegt kichern, was Lady Warwick mit einem zufriedenen Gesichtsausdruck quittierte. Die alte Dame erkannte sofort Liebe, wenn sie sie sah. Lord Stratton und Miss Knight waren es hundertprozentig.
„Sehen Sie sich Lord Stratton und diese Knight an!“ Lady Warwick warf einen Blick auf die Person, die das eben gesagt hatte. Lady Shetterfield, diese alte Spinatwachtel, riss ihren Mund viel zu weit auf. „Ich wusste ja schon damals, dass sie eine Hure ist. Sich so an seinen Hals zu werfen. Widerlich!“ „Lady Shetterfield, nur weil er Ihrer fetten Tochter keinen Blick würdigt, sollten Sie nicht jede Frau in seiner Nähe als Hure abtun.“ Die Warnung war unverkennbar. Selbst Shetterfield müsste sie verstanden haben.
Nachdem Shetterfield wütend abgezogen war, beobachtete Warwick weiter das Pärchen auf der Tanzfläche. Lady Isabella Stratton. Hm. Der Name passte gut. Wollen wir mal sehen, wie sie sich in den nächsten tagen verhalten. Ich sollte Stratton und Knight zu ihrem Ball am Ende der Saison einladen, überlegte sie, während sie von Bekannten angesprochen wurde.


Nachdem die letzten Töne der Musik gespielt hatten, bewegte Edward Isabella Richtung Terrasse. Die Wärme in dem Raum wurde unerträglich. Auf der Terrasse konnte man den lauen Wind angenehm auf der Haut spüren. Edward stand neben Isabella, die hinunter in den Garten blickte. „Ich habe es satt, dass sie uns anstarren.“, verkündete sie leise. Auch Edward war es allmählich leid von allen beobachtet zu werden. „Wenn wir aber jetzt einfach verschwinden, werden sie nur noch mehr reden. Schließlich haben wir da drinnen ihnen genug Anlass für Spekulationen gegeben.“ „Ich weiß, aber es ist mir egal. Sie zerreißen sich schon seit Jahren das maul über mich, Stratton. Dass ich mit Ihnen verschwinde, kann meinen Ruf auch nicht mehr all zu sehr schaden.“
„Warum nennen Sie mich nicht endlich bei meinen Vornamen?“ Isabella neigte ihren Kopf zu ihm und küsste seine Wange. „Edward.“ Sie diese Worte flüstern zu hören, ließ sein Herz schneller schlagen. Wie von selbst suchten sein Mund den ihren. Edward hatte bisher nicht oft geküsst, aber das hier war der beste Kuss überhaupt. Isabella löste ihre Lippen zuerst. „Das hätte ich nicht tun sollen.“ „Warum nicht?“ Wie konnte sie nach einigen Sekunden schon bereuen? Sein Herz machte einen Satz, als sie ihre Stirn an seine legte. „Gott, Edward. Es ist nicht richtig. Wer weiß, vielleicht findest du bald deine Traumfrau. Willst du da nicht frei von allen Sorgen sein?“
„Ich glaube, dass ich sie bereits gefunden habe.“ Mit seinen Fingern strich er ihr liebevoll über die Wange. „Edward. Warum ich? Mein Ruf ist ruiniert, mein Bruder ist alles andere als umgänglich. Meine Familie hat dir so viel angetan.“ Immer wieder dieselben Fragen. „Weil ich dich sehe, Isabella. Ich sehe den Wildfang. Was kümmert mich ein Ruf? Meiner war auch nicht der Beste.“ „Sag mir, dass du mich liebst.“ Eine Bitte, die sehr viel bedeutete. Sagte er es nicht, würde sie ihn nie wieder sehen wollen. War die frage, ob er sie auch sagen wollte? „Lady Isabella Knight, ich liebe dich seit du mich damals Lord Ich-hab-Angst-dass-meine-Sachen-nass-werden genannt hast.“
„Du bist doch verrückt.“ „Vielleicht, aber muss man das nicht sein, um mit einem Knight auszukommen?“


Ein Geschenk des Himmels



Isabella sah ihn lange an, ohne ein Wort zu sagen. Fast hatte er die Befürchtung, sie würde ihn abweisen. Dann strich sie mit ihren Fingern jedoch über seine Wange. „Ich hab mich in dich verliebt, als ich dich das erste Mal gesehen hab. Du hast neben meinem Bruder gestanden und seine Späße ertragen, aber es war dein seltenes Lachen, dass mich verzaubert hat.“ Beide hingen den längst vergangenen Erinnerungen nach, bis es zu kühl wurde. „Ich bringe dich nach Hause.“ Selbstverständlich verfolgte die Gesellschaft jeden ihrer Schritte.
In der Kutsche herrschte Stille, denn es gab nichts weiter zu sagen. In Knight House brannte kein Licht, was bedeutete, dass Knight und Wilkons bereits schliefen. Warum war niemand mehr wach und wartete auf Isabella? Edward bedeutete ihr in der Kutsche sitzen zu bleiben und begab sich zur Tür. Dort lag ein Zettel auf den Boden. Edward hob ihn auf und las die Nachricht darauf.


Wenn du das hier liest, hab ich Wilkons ins Bett geschickt und schlafe tief und fest. Wage es ja nicht das Haus zu betreten, Stratton. Sieh es als großzügiges Geschenk an, denn das wird das erste und letzte Mal sein, dass ich meine Schwester über Nacht in deine Obhut lasse. Versau es um Himmels Willen nicht.

Knight


Knight. Edward zögerte kurz. Konnte er das tun? Durfte er das? An der Kutsche angekommen, sah ihn Isabella fragend an. „Was ist denn?“ „Nach Hause.“, forderte Edward und stieg zu ihr in die Kutsche. „Edward? Ist etwas mit meinem Bruder?“ „Nein. Nur hat er sämtliche Türen abgeschlossen.“ Isabella runzelte die Stirn, bekam dann große Augen. „Oh!“ Edward nahm beruhigend ihre Hand in seine. „Er hat versucht, es taktvoll zu sagen“
„Mein Bruder ist ein Schatz. Ich möchte den Abend noch nicht zu Ende gehen lassen.“ Die Worte kamen entschieden über ihre Lippen. „Bist du sicher? Geht es dir nicht zu schnell?“ Der Ausdruck in ihren braunen Augen überzeugte ihn. „Na gut, aber du kannst jederzeit nein sagen.“ Stratton House war soweit dunkel. Nur ein kleines Licht im Zimmer seiner Mutter deutete auf ein waches Wesen hin. Zum Glück befand sich sein Zimmer am anderen Ende.
Mit Isabella schritt er zur Tür, die kein Lakai mehr öffnete. Isabella glitt durch sein Haus wie ein Engel. Im fahlen Mondlicht glich ihre Haut reinem Porzellan oder Alabaster. Nie hatte er ein schöneres Wesen vor Augen gehabt. Erfahrungen dieser Art hatte er nicht. Jedenfalls glaubte er das. In einer Nacht war er ziemlich betrunken gewesen und konnte sich daher nicht erinnern mit dieser Frau in Paris geschlafen zu haben.
Wenn er doch nur Knight fragen könnte? Ach, was für kranker Gedanke! Sollte er zu Knight gehen und ihn fragen: He, Knight, ich hab vor mit deiner Schwester zu schlafen, kannst du mir Tipps geben? Dann könnte er sich ja gleich sein eigenes Grab schaufeln.
„Edward? Bist du noch hier?“ Ihre Frage brachte ihn wieder zu Besinnung. „Verzeihung, ich war nur in Gedanken.“ „Ein schönes Haus.“ „Nicht so groß wie Knight House.“ Isabella drehte sich einmal im Kreis. „Das stimmt, aber es ist trotzdem schön. So bescheiden wie du.“ Edward blieb auf der ersten Stufe stehen. „Es spiegelt meinen Vater wieder, nicht mich. Er hat nie einen Hehl daraus gemacht, dass er ein Emporkömmling war. Prunk lag ihm einfach nicht im Blut. Das hat letztendlich auf mich abgefärbt.“ Edward mochte es eigentlich nicht, über seinen Vater zu reden. Die Erinnerungen waren zu schmerzhaft.
„Könnten wir über etwas anderes reden?“ Edward wollte sich nicht die Blöße geben und vor ihr in Tränen ausbrechen. „Verzeih mir, Edward.“ Er nahm ihre Hand und seufzte. „Schon gut. Ich mag es nur nicht, über ihn zu reden.“ Sie zeigte Verständnis dafür und ging nicht weiter darauf ein. „Wo liegt dein Zimmer?“ Ach ja. „Komm.“ Er führte sie den Gang hinunter und öffnete die Tür zu seinem Zimmer. Edward beobachtete sie genau, wie sie durch den Raum schritt. Ihre Haltung war locker, nicht verkrampft oder angespannt. „Es passt zu dir.“ Ja, leider. Der Raum war schon fast spartanisch eingerichtet. Ein Bett, Tisch, Stuhl, Schrank. Nichts Aufregendes oder Prunkvolles. „Tut mir leid, aber mir reicht es.“
„Du musst dich nicht entschuldigen, Edward.“ Sie kam zu ihm und strich über seine Narbe. Es war eine federleichte Berührung, die ihn die Schmerzen von damals vergessen ließ. Sie war ein Geschenk des Himmels mit ihrer Leichtigkeit. Er neigte den Kopf und berührte ihre Lippen mit seinen. Sie erbebte leicht, was sein Herz schneller schlagen ließ. Isabellas Hände wanderten über seinen Rock, glitten unter diesen und der Weste. Die Berührung ihrer Finger sandte kleine Schauer durch seinen Körper. Ihr blumiger Duft benebelte seine verstand, während er den Kuss vertiefte.
Ein leises Seufzen entwich ihrem Mund und sie kam noch näher, presste sich regelrecht an ihn. Ihre Finger strichen immer noch über seinen Körper, öffneten nebenbei Knöpfe und dann stand er mit offener Weste und Hemd vor ihr. Ihre Augen heizten seine Erregung noch mehr an und ein Stöhnen erklang in seiner Brust. Isabella lächelte ihn an. „Das hab ich aus einem Buch, das mir mein Bruder gegeben hat.“ Ein Buch? Doch nicht etwa…DIESES Buch! Das mit dem Titel „Die Schönheit der Wollust“? Knight! Bist du des Wahnsinns!
Seine Überlegungen wurden unterbrochen, als sie sich ihres Kleides entledigte. Wenn ich diese Nacht überlebe, Knight, küsse ich den Boden unter deinen Füßen. Edward hatte das Buch auch gelesen oder besser gesagt, versucht. Nur jedes Mal war ihm die Schamesröte in die Wangen gestiegen und er hatte das Buch beiseite gelegt. Ich könnte mich in den Hintern beißen, dass ich es nicht auswendig konnte! Wie ein Blödmann stand er hier, während sich Isabella wie eine Nymphe vor seinen Augen entkleidete.
Verdammt! Was soll er denn jetzt machen? Wie ging Knight mit den Frauen um? Edward schüttelte den Kopf. Nein, wie Knight benehme ich mich bestimmt nicht. Entschlossen sich nicht zu blamieren, zog er sich auch aus. Wenigstens stehst du nicht wie ein Depp da, wenn du etwas zu tun hast. Dass Isabellas Bewegungen dabei zum Stehen kamen, ließ ihn weniger nervös sein.
Nur noch in Hosen und Stiefeln stand er vor ihr, während sie nur mit ihrem Hemdchen bekleidet war. „Darf ich dich berühren?“ Warum strahlte diese simple Frage pure Verführung aus? „Sicher.“ Wenn ich nicht gleich explodiere, sobald ich deine Finger spüre.


Wer verführt hier wen?



„Du siehst so süß aus, wenn du rot wirst.“ „Ich hab nun mal wenig bis gar keine Erfahrung.“, verteidigte sich Edward. „Heißt das, dass du in den letzten Jahren niemals mit einer Frau…aber mein Bruder wird dich doch bestimmt gedrängt haben?“ „Er hat es versucht, aber nach einiger Zeit ist ihm die Lust darauf vergangen. Wenn du den großen Verführer erwartest, muss ich dich leider enttäuschen. Ich bin froh, wenn ich mich nicht sofort blamiere.“
An Peinlichkeit konnte das hier nichts mehr übertreffen. Am liebsten würde er aus dem Fenster springen, nur dass dann seine Mutter aufwachen würde, Isabella so gut wie nackt in seinem Zimmer vorfindet und das Geschwätz wieder losginge. Stratton, du bist echt ein Musterbeispiel für Männer. Zum Kotzen. So viele Frauen haben dir Avancen gemacht und du lässt sie alle abblitzen. Jetzt stehst du hier vor einer Frau, die dir wirklich etwas bedeutet und bist jämmerlich. Großartig, wirklich großartig.
Er sah Knights Schwester gar nicht erst an. Die Belustigung in ihren Augen, würde seinen Stolz nur noch mehr plätten. Als sie aber kein Ton raus brachte, war er besorgt, dass sie in Ohnmacht gefallen war. Ihr Gesicht wirkte nachdenklich. Als ob sie überlegte, ob sie Mitleid oder Freude empfinden sollte. „Um ehrlich zu sein, freut mich das ungemein.“ Was? „Ich dachte, dass ich vielleicht im Gegensatz zu deinen anderen Frauen als komplette Versagerin dastehen würde. Ich hab versucht mit meiner Mutter zu reden, aber sie wollte davon nichts hören. Als ich Robert danach gefragte habe, hat er mir dieses Buch in die Hand gedrückt und gesagt, dass er sich lieber keine Vorstellungen von mir mit einem Mann machte. Er hätte sonst einen Keuschheitsgürtel besorgen müssen.“
Unwillkürlich musste Edward lachen. Keuschheitsgürtel. Das war so typisch Knight. „Da ich keine Vergleichsmöglichkeiten habe, kann ich dir nicht sagen, ob du was falsch machst. Nur hab ich keine Ahnung, was ich tun soll.“ Sie kam auf ihn zu und legte eine Hand auf seine Brust. Genau dort, wo sein Herz schlug. „Hm. Dein Herz und mein Herz schlagen sehr schnell, also gefällt uns wohl, was wir machen.“ Was machen wir denn? Wir stehen doch nur da und sehen uns an. „Du siehst aus wie die Ares Statue.“ „Ich dachte, wir hätten geklärt, dass das bloß tote Steine sind?“ Sie lächelte bei der Erinnerung und sah ihn tief in die Augen. „Haben wir auch. Du gefällst mir wesentlich besser. Keine Risse und fehlende Gliedmaßen.“ Wie schaffte sie nur ihn in so einer Situation zum Lachen zu bringen?
Als ihre hand tiefer glitt, erstarrte er. „Du bist wesentlich wärmer las der Stein. Ich frage mich nur…“ Statt weiterzuerzählen glitten ihre Finger unter den Bund seiner Hose und umfassten ihn. „Nng.“ Es kostete ihn kostete einige Mühen, sich nicht sofort in ihre Hand zu ergießen. Ihre Augen wurden riesig und sie nagte wieder an ihrer Unterlippe. Gott, wusste sie eigentlich wie sie so aussah? Erleichtert nahm er wahr, wie sie ihre Hände vor ihm nahm und stattdessen sein Gesicht umfasste. „Küss mich.“ Hätte sie von ihm verlangt, sich eine Klippe hinunterzustürzen, hätte er das mit Freuden getan. Für Frauen wie sie wurden in der Geschichte so viele erbitterte Kämpfe geführt. Jetzt verstand er auch wieso.
Um ihre Bitte zu erfüllen, legte er seinen Mund sacht auf ihren und umfing sie gleichzeitig mit den Armen. Dann ließ er seine Lippen über ihre Wange wandern bis zu ihrem Ohr, wo er an dem weichen Rand knabberte. Mit großer Befriedigung spürte er, wie sie vor Wonne seufzte. Sie erzitterte regelrecht, als er ihren Nacken erkundete. Er überlegte fieberhaft, was ihr gefallen könnte, während seine Lippen ihren Nacken entlang strichen. Ihre Haut war so weich und duftete nach Blumen. Als sie ihre Lippen auf seinen Hals legte, musste er die Augen schließen. Sie hätte eine Göttin sein sollen. Die hochgeprisene Aphrodite war nichts im vergleich zu der Frau in seinen Armen.
Er kehrte zu ihrem Mund zurück, um ihr zu zeigen, was er fühlte. Und sie gab sich ihm ganz hin. Der Kuss wurde brennender, voller Leidenschaft und Verlangen, aber auch zärtlich. Wenn er schon über zehn Jahre wie ein Mönch lebte, sollte er genug Selbstbeherrschung haben, um Isabella diese Nacht nicht bereuen zu lassen. Selbst wenn er dabei umkam, würde er es nicht vermasseln. Doch gute Vorsätze waren schön und gut, wenn es sich nicht um Isabella Knight handelte. Sie würde mit Sicherheit seine Beherrschung strapazieren. Der unvorhersehbare Wildfang. Eine falsche Berührung, ein falsches Wort und er würde alles verderben.
Edward trug sie zum bett und legte sie sanft ab, was nicht leicht war, weil sie ihre Arme nicht von seinem Nacken löste. Es blieb ihm nichts anderes übrig, als sich neben sie zu legen. Er biss die Zähne zusammen, während er vergeblich versuchte, Hautkontakt zu vermeiden. Doch da hatte er nicht mit Isabella gerechnet. Kaum lag er auf der Seite, legte sie auch schon ihr Bein um seine Hüften. Als er ihre zarte Haut spürte, zischte er gequält aus. Wie schaffte es Knight nur, vier Stunden eine Frau anzufassen ohne selbst die Beherrschung zu verlieren? Edward hatte das Gefühl gleich zu explodieren.
Sie machte es nur noch schlimmer, indem sie seinen Körper streichelte. Ihr Gesicht zeigte dieses freche Grinsen, als ob sie um seinen Kampf wusste. „In dem Buch stand, wie man einen Mann verrückt machte, nicht wahr?“, warf er ihr vor. Sie kicherte schelmisch und nickte. „Und nicht nur das.“ Bevor Edward reagieren konnte, saß sie auf ihn. Oh, oh. Das war nicht gut, gar nicht gut. „Bella.“ Gott er flehte schon, obwohl sie noch nichts getan hatte. „Das Buch war sehr interessant. Du solltest es auch mal lesen.“ Oh, das würde er und dann würde er ihr alles heimzahlen, was sie ihm jetzt antun würde.
„Zum Beispiel mögen es Männer, wenn man sie ganz leicht beißt.“ Beißen? Oh, bitte nicht! Als sie ihn leicht ins Schlüsselbein biss, konnte er einfach ein Stöhnen nicht unterdrücken. „Sie mögen es auch, wenn man ihre Brustwarzen leckt.“ Als sie das tat, wäre er beinah aufgesprungen. Knight, ich hasse dich! Und sie ging sogar noch weiter abwärts. Edward wusste genau, was sie tun würde. „Bella, nein.“ Zu spät. „Ahh!“ Denk an alles, nur nicht an das was sie da tut, Edward! Seine Hände ballten sich zu Fäusten, während sein Körper sich wie eine Feder anspannte. Knight, dafür bringe ich dich um. Du bist ein toter Mann! „Scheiße!“ Sein Schrei musste im ganzen Haus zu hören gewesen sein.
Völlig verausgabt sank er die Kissen zurück und schloss die Augen. Er öffnete sie erst, als er Bellas Lippen seinen spürte. Ihre braunen Augen leuchteten geradezu, als sie sich an ihn kuschelte. „Ich liebe dich.“ „Lieb dich auch.“ Waren seine letzten Worte, bevor die Müdigkeit ihn übermannte.


Der morgen danach



Edward erwachte als ein Arm ihn fester an einen warmen Körper drückte. Sein Gesicht war genau zwischen zwei milchigen Brüsten vergraben. Wie? Er erinnerte sich plötzlich wieder an letzte Nacht. „Bella?“ Als er den Kopf hob, konnte er seine schlafende Göttin betrachten. Ihre Haare lagen ausgebreitet wie ein Fächer auf den Kissen. Heiliger Himmel, sie sah umwerfend aus. Was sie gestern getan hatte, ließ ihn die Schamesröte ins Gesicht steigen. Letzte Nacht. Wie spät war es?
Die Sonne war bereits aufgegangen und im Haus konnte er die Diener bereits hören. Verdammter Mist! Er musste Bella so schnell wie möglich wecken. „Bella, wach auf.“ Sie wachte auch auf, nur nicht so wie er dachte. Sie schlang ihm die Arme um die Schultern und zog ihn zu sich hinunter. Als ihr Mund mit seinem verschmolz, vergaß er beinah die Welt. „Wir müssen dich nach Hause schaffen.“ Ihr fragendes Gesicht veränderte sich in eine schockierte Maske. „Wie spät ist es?“
Edward setzte sich auf. „Leider bereits Mittag.“ Isabella fuhr sofort hoch. „Mittag!“ „Bitte, Bella, schrei nicht so rum. Meine Mutter ist bestimmt schon wach.“ Das verlief nicht nach seinem Plan. Er reichte Isabella ihr Kleid, das sie schnell überzog. Dann zog sie ihre Schuhe an und glättete soweit wie möglich ihr Haar. Ehe Edward viel nachdachte, zog er sich einfach seine Sachen von gestern Abend an. Sie würden hoffentlich nicht jemandem begegnen, den sie kannten. Er musste erst wissen, ob die Luft rein war. Die Luft war bis zur Treppe rein, aber vielleicht waren die Diener unten. Er wollte auf gar keinen Fall mit Isabella in einen derartigen Zustand gesehen werden.
Zusammen schlichen sie die Treppe runter und verschwanden durch die Tür. Dass sie von seiner Mutter und Lady Warwick gesehen wurden, bemerkten sie nicht. „Gib deinen Sohn auf jeden Fall meine Einladung zum Ball.“ Lady Stratton blinzelte kurz und lächelte gezwungen. „Natürlich.“ Hatte sie doch richtig gehört. Der Schrei ihres Sohnes hatte nun endlich eine Erklärung. „Ich werde dann gehen.“ Lady Warwick verabschiedete sich und Lady Stratton musste sich dringend setzen. „Mein Sohn und Miss Knight. Das ist zu verrückt um wahr zu sein.“
In Knight House angekommen, wurden sie schon von Knight erwartet. „Zu spät.“, war seine Begrüßung. Nachdem er beide gemustert hatte, schüttelte er den Kopf. „Großartige Idee, die Kleidung vom Vortag anzuziehen. Erst zu spät und dann noch das. Ihr seid miserabel, was Geheimhaltung angeht.“ Isabella lächelte nur keck und küsste Edward vor ihrem Bruder, der eine Braue hob. „Bis Bald.“ Wie benommen, starrte er ihr hinter her.
„Autsch. Dich hat es aber erwischt.“ Du hast keine Ahnung, Knight. Er durchbohrte seinen Freund, als ihm das Isabellas Benehmen einfiel. „Knight? Du solltest mir ganz schnell erklären, wieso du ihr das Buch >Die Schönheit der Wollust< zu lesen gegeben hast?“ „Komm mit in mein Arbeitszimmer. Dort können wir uns ungestört unterhalten.“ Oh, und wie. Knight goss ihnen beiden Brandy ein und setzte sich mit seinem Glas. Was regst du dich so auf? Du hast es doch auch gelesen.“ „Ähm.“ Knights Lächeln verschwand automatisch. „Du hast es doch gelesen?“ „Eigentlich nicht.“, gestand Edward peinlich berührt. Sein Freund starrte ihn lange an, ehe er weiter sprach. „Du hast das Buch nicht gelesen?“ Das brachte das Fass zum überlaufen. „Du weißt, wie ich mit sechzehn war, Knight. Ich hab es versucht, aber die Bilder und Beschreibungen haben mir jedes Mal rote Ohren verpasst. Ich konnte es einfach nicht lesen.“
„Du hast davon rote Ohren bekommen? Das war doch nur das Grundwissen. Nichts Außergewöhnliches.“ „Hast du das Buch denn gelesen?“, fragte ihn Edward aufgebracht. Knight zuckte nur mit den Schultern. „Natürlich. Zwölf Mal.“ Zwölf Mal? „Warum hast du das Buch deiner Schwester gegeben?“ Jetzt rutschte Knight unruhig auf seinen Platz rum. „Weißt du. Bella war ziemlich neugierig und ich konnte sie auf keinen Fall aufklären. Also hab ich ihr das Buch in die Hände gedrückt und ihr gesagt, dass da alles drinsteht.“ „Bist du noch zu retten, Knight!“ Sein Freund lächelte teuflisch. „Was? Hat sie dich überfordert, mein Lieber?“ Edward zuckte schuldbewusst zusammen. „Du hast keine Ahnung, was sie getan hat.“ „Ich denke lieber nicht darüber nach, sonst müsste ich dich erschießen.“
„Gib mir das Buch.“ „Was willst du damit?“, fragte ihn Knight misstrauisch. Edward schaute ihm lange in die Augen. „Ich habe mir geschworen, dass sie dafür büßen wird. Aber ich kann mich erst rächen, wenn ich es gelesen habe.“ „Meine Güte, was hat sie denn angestellt?“, fragte Knight belustigt und trank einen Schluck. „Hattest du keine aufregende Nacht? Muss ich dich doch noch fordern?“
Edward nahm das Buch an sich und drehte sich zu Knight um. „Darüber brauchst dir keine Gedanken machen. Deine Schwester ist immer noch jungfräulich.“ Er sah Knight an, dass dieser das nicht verstand. „Bitte? Was habt ihr denn gemacht?“ Edward zuckte die Schultern und setzte sich, um das Buch zu lesen. „Sie mag jungfräulich sein. Das kann man von mir aber nicht mehr behaupten.“ Über das Buch hinweg beobachtete er zufrieden, wie Knight sein Glas fallen ließ. „Das hat sie nicht getan.“ Edward lächelte ihn diabolisch an. „Oh doch. Und sie war wirklich bemerkenswert.“
Sein Freund wurde kreidebleich und stand auf. „Das will ich nicht hören!“ Er verschwand blitzschnell durch die Tür. Jetzt konnte sich Edward dem buch in Ruhe widmen. Schon die erste Seite schlug ihm auf den Magen. Da musste er jetzt durch.
Als er das Buch beiseite legte, hatte er mehr als nur rote Ohren. So viele Ideen, so viele Möglichkeiten! Er war wirklich ein Idiot gewesen. Und Knight sagte, dass das nur Grundwissen war! Was gab es denn noch alles zu wissen? Edward schaute sich die Bücher im Regal genauer an. Irgendwo musste Knight noch andere versteckt haben. Als er die Bücher durchsuchte, fand er eines >Die richtige Verführung einer Frau<. Daneben stand ein Buch aus Indien. >Das KamasutraGefahr im Verzug



Edward saß gerade in seinem Club, als er von Williams angesprochen wurde. „Stratton. Sie haben ja gestern für ganz schönes Aufsehen gesorgt!“ „Ist mir gar nicht aufgefallen.“, bemerkte Edward ruhig und trank seinen Kaffee. „Kommt wohl daher, dass Knights Schwester Sie ziemlich abgelenkt hat.“ „Was wollen Sie, Williams?“ Der Mann zog langsam einige Banknoten hervor und schob sie zu ihm rüber. „Sorgen Sie dafür, dass sie zu mir kommt, wenn Sie mit ihr fertig sind.“
„Bitte?“ Er hielt doch wohl Isabella nicht für seine Mätresse? „Ach, Stratton. Seines Sie nicht so. Die Kleine scheint ja ziemlich viel Feuer im Blut zu haben. Ihr Ruf ist ruiniert. Sie werden wohl kaum eine Ehe mit ihr in betracht ziehen?“ Der Mann hatte vielleicht Nerven. „Und wenn es so wäre?“ Williams sah ihn schockiert an. „Wie bitte? Stratton, sind Sie übergeschnappt?“ Edward wurde ziemlich wütend. „Nein, bin ich nicht. Wie können Sie sich anmaßen, so über Miss Knight zu reden? Haben Sie etwa unser Duell vor drei Jahren vergessen? Glauben Sie mir, ich bin seitdem um einiges besser geworden.“ Der Mann wurde vor seinen Augen kreidebleich. „Gehen Sie solange ich nicht die Geduld verliere.“ Glück für ihn, dass er das auch tat.
Auf einmal hatte er keine Lust mehr, hier zu sitzen. Auf dem Weg nach Stratton House begegnete er Dutzenden Leuten, die ihn dumm anstarrten und das machte ihn noch wütender. Warum konnten sie ihn nicht endlich in Ruhe lassen? War es so abwegig, dass er Isabella als Ehefrau geeignet fand? „Mutter?“ Sie war vielleicht ausgegangen. Er brauchte einen weiblichen Rat. Wenn er Knight fragen würde, wäre dieser sofort auf ein Duell aus. „Ich bin hier, Edward.“ Ah, gut. Sie saß im gelben Salon und empfing ihn mit einem Lächeln. „Was ist denn?“
„Ich brauche einen Rat von dir.“ Sie zeigte einfach auf den Platz neben sich und wartete. „Fändest du Isabella Knight als meine Ehefrau ungeeignet?“ Sie überlegte nur kurz, was er als gutes Zeichen deutete. „Nein. Sie passt perfekt zu dir. Willst du ihr denn einen Antrag machen?“ „Ich weiß noch nicht. Ich liebe sie und sie hat mir gesagt, dass sie mich liebt. Nur will sie mich vielleicht nicht heiraten.“ „Schneide das Thema einfach an und du wirst sehen.“ Das würde er auch tun, aber erst musste er mit Knight reden. „Danke, Mutter.“ Sie hielt ihn auf, indem sie ihm eine Einladung in die Hand drückte.
„Eine Einladung zu Lady Warwicks Ball.“ Oh. Lady Warwick zu versetzen wäre ein großer Fehler. Sie war die einflussreichste Frau in ganz London. „Schick eine Zusage.“ Dann ging er zu Knight. Sein Freund trat noch immer keinen Fuß vor die Tür, weil Kahlen McKinley in der Stadt weilte. „Ich muss mit dir reden, Knight.“ „Ich hoffe, du gibt’s mir meine Bücher wieder.“ „Selbstverständlich.“ Ein Lächeln umspielte seine Lippen. „Du weißt, dass ich sie dir nicht über Nacht mitgebe?“ Auch Edward lächelte. „Ich weiß. Meine Rache muss bis zur Hochzeitsnacht warten.“
„Hochzeit? Wie gelangst du zu der Ansicht, dass ich sie dich heiraten lasse?“ Ich durchschaue dich längst. „Sonst hättest du das gestern bestimmt nicht getan, oder?“ Knight schnaubte. „Du hast sie nicht verdient.“ Niemand wusste das besser als Edward. „Wenn es nach dir ginge, würde sie als alte Jungfer enden.“ „Du hast meinen Segen.“ Hinter der spöttischen Aussage steckte mehr, als man annehmen sollte. „Danke, Knight.“ Die erste Hürde war geschafft. Isabella war da ein anderes Kaliber.
„Bella?“ Er klopfte vorsichtig an ihre Tür, aber niemand antwortete. Schlief sie vielleicht? So leise wie möglich trat er ein und entdeckte pures Chaos. Das Zimmer war komplett verwüstet. „Knight!“ Sein Freund und auch Wilkons stürmten zu ihm. Beide waren geschockt, als sie das Zimmer betraten. „Was zum…“ „Wann hast du Bella das letzte Mal gesehen Knight?“ „Heute Morgen, als ihr gekommen seid. Danach nicht mehr.“ Edward schaute zu Wilkons, der die gleiche Antwort gab. „Wer war das? Welcher Idiot wagt es, in mein Haus einzubrechen?“ Er schlug gegen die Wand und war jetzt der Mann, den die Gesellschaft so verachtete. Vor diesem Mann hatte Edward ein Leben lang Angst gehabt, doch jetzt hatte er Respekt.
„Wehe ihr passiert was. Derjenige kann sich schon sein Grab schaufeln.“ „Knight, du musst ruhig bleiben.“ Sein Freund warf ihm nur einen eisigen von der Seite zu. „Du hast gut reden, Stratton. Es ist ja nicht deine Schwester.“ „Aber die Frau, die ich liebe.“, konterte Edward gereizt. „Wer hätte was davon, sie zu entführen?“ „Williams hat mich heute gefragt, ob ich sie ihm als Mätresse überlasse.“ Knight Blick wurde noch kälter. „Dieser Bastard. Du hättest ihn vor drei Jahren ins Herz schießen sollen statt mit seinem Arm vorlieb zu nehmen.“ Hätte er tun sollen. „Wo finden wir ihn jetzt?“ Knight schaute zu Wilkons, der bereits einen Zettel hervorzog.
„Sie verdienen sich damit eine weitere Erhöhung Ihres Gehalts.“ Der Butler nickte nur mit zusammengepressten Lippen. „Wenn ich den finde, wird sein Vater ihn auf dem Grund der Themse suchen müssen.“ „Wo kann er sie hingebracht haben?“ „Williams ist ein feiger Stümper. Außerhalb der Stadt besitzt er ein kleines Gut, dass er für seine Mätressen reserviert hat.“ Vielleicht würden sie Hilfe brauchen. „Wir müssen vorher zu den Docks. Wir brauchen Hilfe.“ „Mach, was du willst. Ich will Rache.“ Jetzt hast du einen großen Fehler gemacht, Williams. Wie ein Todesengel rauschte Knight durch die Tür ohne ein weiteres Wort zu verlieren.
Edward musste sich beeilen. An den Docks suchte er nach seinen ehemaligen Kameraden, die er recht schnell fand. „Archer!“ Der junge Mann war erfreut ihn zu sehen und rannte ihm schon entgegen. „Masen. Was gibt es?“ „Ich habe ein Problem. Lord Sommerfields Schwester wurde entführt. Er hat sich bereits auf den Weg gemacht und ist auf Rache aus.“ Der junge Mann schluckte hart. „Sagtest du gerade Sommerfield?“ „Ja, warum?“ Der Mann sah in alle Richtungen, ehe er weiterredete. „Es gehen einige schlimme Gerüchte um ihn um.“ Das wusste Edward auch so. „Hilfst du mir oder nicht?“ „Sicher. Wenn Sommerfield erfährt, dass wir ihm nicht geholfen haben, werden wir demnächst in der Themse schwimmen.“
Edward ging nicht weiter darauf ein, sondern schnappte sich sein Pferd. Zu fünft ritten sie im halsbrecherischen Tempo gen Osten. Das Gut kam nach drei Kilometern in Sichtweite, aber Edward konnte Knight nirgends sehen. Sein Pferd graste in der Nähe des Hauses, also musste Knight bereits drinnen sein. Mit geladenen Pistolen rannten sie ins Haus und fanden fünf Leichen im Erdgeschoss. Vom Obergeschoss her waren Schreie zu hören und Edward hatte ein ungutes Gefühl.
Knight stand über den verletzten Williams, hielt diesem eine Waffe an die Stirn. „Na. Wie ist das, wenn man bedroht wird? Schönes Gefühl?“ Isabella hockte, mit Blut befleckt, in einer Ecke. Sie zitterte am ganzen Körper.


Verlorener Freund



Edward erkannte seinen Freund nicht wieder. Während seine Schwester vor Angst in der Ecke kauerte, sah Knight nur auf sein Opfer. Ein irrer Ausdruck war in seinen Augen erkennbar, der Edward mehr sorgte als irgendetwas zuvor. „Knight. Lass die Waffe fallen.“ Dieser sah ihn kalt an und schüttelte den Kopf. „Oh nein. Nicht bevor er für seine Tat bezahlt hat.“ „Knight, bitte. Sieh dir doch deine Schwester an. Sie ist total verängstigt.“ Als er einen Schritt auf seinen Freund zuging, legte Knight einen Finger auf den Abzug. „Einen Schritt weiter und ich knall ihn ab.“
„Knight, tu das nicht.“ Jedoch hörte dieser nicht auf ihn. Er drückte auf den Abzug, sodass die Kugel direkt in Williams Brust traf. Der Mann war sofort tot. Edward konnte nicht glauben, dass Knight einen Mann vor den Augen seiner Schwester umbrachte. „Am besten, du nimmst jetzt Isabella und bringst sie nach Stratton House.“ „Knight.“ Sein Freund wehrte ihn ab. „Nein. Nimm sie und verschwinde.“
Knight immer noch im Blick bewegte sich Edward vorsichtig auf Bella zu. „Bella. Komm.“ Sie klammerte sich an seinen Nacken fest, hatte aber die Augen auf ihren Bruder geheftet. Bevor Edward den Raum verließ, drehte er sich noch mal um. „Soll ich die Polizei informieren?“ „Mach, was du willst, Stratton. Ich war schon in New Gate. Schlimmer als da geht es nicht.“ Edward nickte und ging mit Bella in den Armen hinaus. Als er draußen war, hörte er einen Schuss und schloss gequält die Augen. Leb wohl, mein Freund. „Bruder.“ „Nein. Sieh nicht zurück, Bella.“
Auf dem Rückweg ließ sie ihren Tränen freien lauf, während Edward sie sicher hielt. Archer verabschiedete sich mit den anderen Männern kurz vor der Stadt, versprach aber, dass es ein Geheimnis unter ihnen bleiben würde. Wilkons wartete auf sie. Nachdem er von den Ereignissen erfahren hatte, verließ er das Haus als gebrochener Mann. Isabella klammerte sich immer noch an ihn, dass es Edward das Herz brach. „Ich kann es immer noch nicht glauben.“ Ihm ging es genauso. Er hatte seinen besten Freund verloren und Isabella stand jetzt völlig allein da.
„Bella? Ich wollte dich eigentlich etwas fragen, aber das ist jetzt nicht der rechte Zeitpunkt.“ „Was wolltest du mich fragen?“ Trotz ihrer verquollenen Augen sagte sie es mit eiserner Bestimmtheit. „Ich wollte dich fragen, ob du mich heiraten möchtest.“ Sie sah ihn mit großen Augen an, nickte aber. „Es wäre mir eine Ehre.“ „Bist du sicher? Ist es dafür nicht etwas früh?“ „Nein. Nur eine Bedingung. Wir sagen nichts über meinen Bruder. Er ist im Ausland oder so.“ Edward verstand ihre Sorge und war bereit zu lügen.
„Dann verkünden wir auf Lady Warwicks Ball unsere Verlobung. Nur wann heiraten wir?“ Isabella legte ihren Kopf auf seine Schultern und streichelte seine Wange. „Können wir nicht nächste Woche heiraten?“ „Na gut.“


Das Glück der beiden wurde von Knights Tod überschattet. Auf dem Ball spielten sie das glückliche Liebespaar, das ihre Verlobung verkündete. In Knight House klammerten sie sich jedoch aneinander und trauerten um ihn. Es gab kein Begräbnis. Man hatte die Leichen von Williams nicht bergen können, weil ein Brand das Haus zerstört hatte. Edward war einerseits froh andererseits jedoch geschockt gewesen. Sein Freund würde nie ein anständiges Grab bekommen.
Zwei Tage später heirateten sie in St. Pauls Cathedral. Es war die größte Hochzeit der Saison und niemand neidete dem Paar das Glück. Die Klatschmäuler warfen zwar Gerüchte in die Runde, wurden aber nicht erhört. Isabella stand auf der Terrasse und dachte an ihren Bruder, als sie von Armen an einen warmen Körper gedrückt wurde. „Hier bist du also.“ „Ich hab an ihn gedacht.“ Ihr Mann küsste ihr Haar und flüsterte in ihr Ohr. „Ich auch. Ich werde ihn nie vergessen.“ „Wie konnte es nur soweit kommen?“ Ihre Stimme brach und sie legte ihren Kopf an Edwards Schulter.
„Er hat sich entschieden.“ In Gedanken fragte sich Edward immer wieder, wieso Knight das getan hatte. Antworten würde er aber nie erhalten. Das einzige, was er tun konnte, war Isabella zu lieben und zu beschützen.


Eine dunkle Gestalt beobachtete das Ehepaar vom Garten aus und ging zu seinem Pferd, dass auf der Straße stand. Die Person warf noch einmal einen Blick zurück und sah noch wie die beiden sich küssten. Dann trieb sie das Pferd an und galoppierte durch die dunklen Straßen der Stadt. Ein zufriedenes Lächeln umspielte dessen Lippen, als sie das Tier durch die Straßen lenkte.
Niemand sah den Reiter außer eine Frau, die aus einer Seitenstraße trat. Ihre grünen Augen funkelten im Mondlicht. Ihre Lippen verzogen sich zu einem Lächeln.


Ende ist noch nicht in Sicht ;)

Nächstes Buch wird bald veröffentlicht.

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 05.10.2011

Alle Rechte vorbehalten

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