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Das Spiel beginnt


Disclaimer:
Alle Figuren gehören Stephenie Meyer. Robert Knight stammt aber aus meiner Feder.


Edward Masen, Lord Stratton, saß in seinem Club und sah seinen besten Freund wütend an. Dieser ließ sich jedoch nicht beirren und legte langsam seine Karten nieder. „Knight, ich schwöre dir, wenn nicht augenblicklich setzt, fordere ich dich zum Duell.“ Robert Knight, Lord Sommerfield, trank belustigt von seinem Brandy. „Also bitte, Stratton. Geduld ist nicht gerade deine Stärke, hmmm?“ Edward biss die Zähne zusammen. Der einzige Mensch auf der Welt, bei dem er je seine Geduld vergaß, war Robert Knight. „Ich habe Geduld, aber du siehst deine Karten jetzt schon eine viertel Stunde an.“
Knight sah ihn belustigt an. Dabei funkelten seine braunen Augen belustigt auf. Er lächelte kühl und bedachte seinen Freund mit einem Zwinkern. „Ich bin es wert zu warten.“ Dann sah er auf die Uhr zu seiner rechten und seufzte. Edward warf seinerseits auch einen Blick auf die Uhr. Halb drei. Sie saßen über drei Stunden hier und spielten. „Was siehst du auf die Uhr, Knight?“ Sein Freund legte die Karten weg und bedeutete damit, dass er aufhörte. „Heute ist meine Glückssträhne zu Ende, mein Freund.“ Während Edward die Karten zusammenlegte, fragte er: „Und was sollte der Grund dafür sein?“
Knight, der für sein unerschöpftes glückliches Gemüt bekannt war, runzelte traurig die Stirn. „Meine Mutter besucht mich mit meiner Schwester.“ Edward erstarrte. Lady Knight war der Teufel in Menschengestalt. Normalerweise ließ sie sich nicht in London blicken, aber es musste wichtig sein. „Deine Mutter?“ Knight lächelte ihn feixend an. „Hast du etwa immer noch schiss vor ihr?“ Entrüstet strich sich Edward einen Fussel von seinem Jacket. „Natürlich nicht!“
„Gut, du kommst nämlich mit.“ „Was?!“, rief Edward und starrte seinen Freund an. Knight lachte. „Meine Güte Stratton, du müsstest dich jetzt in einem Spiegel sehen.“ „Das ist nicht witzig, Knight!“, beschwerte Edward sich, doch sein Freund winkte ab. „Ach, Stratton, sei kein Spielverderber. Du weißt doch, dass meine Mutter den Boden zu deinen Füßen vergöttert.“ Gerade das war es ja, was ihm Sorge bereitete. „Und wann soll sie eintreffen?“, wechselte er geschwind das Thema.
Knight sah wieder auf die Uhr. „Genau in diesem Moment. Ich hatte gehofft, sie würde es sich anders überlegen.“ „Warum kommt sie überhaupt?“ „Meine Schwester hat ihr Debüt.“, knirschte Knight unheilvoll. Edward, der gerade trank, spie es wieder aus. „Aber es ist doch nicht mal Saison.“, keuchte Edward, der nach Luft schnappte. Knight sah düster drein. „Sie soll ja auch erst vorbereitet werden. Kannst du dir vorstellen!“ Er stand auf und lief im Kreis. „Meine Schwester ist achtzehn, Stratton. Achtzehn! Viel zu jung, um eingeführt zu werden. Dazu ist sie völlig unerfahren. Ich sehe schon sämtliche Dandys der Stadt hinter ihr herrennen.“
Edward war baff. Knight machte sich um wenige Dinge Sorgen, aber das ausgerechnet seine Schwester sein Schwachpunkt war, hatte er nicht erwartet. Er versuchte sich an Knights Schwester zu erinnern. Das einzige Bild von ihr war ein schwarzhaariger Wildfang in Hosen, das durch die Wälder des Besitzes streifte. Damals war er schockiert gewesen, als er sie das erste Mal getroffen hatte. Isabella, für ihre Freunde nur Bella, war ein Albtraum jeder Erzieherin gewesen.
Als Lord Knight an Herzversagen gestorben war, gingen Robert und er noch auf die Universität Cambridge. Dann hatte Robert sein Studium abgebrochen und den Platz seines Vaters eingenommen. Lady Knight hatte sich auf eines der Landhäuser zurückgezogen und Knights Schwester, die zu diesem Zeitpunkt völlig verwildert war, hatte sämtliche Anstandsdamen in die Flucht geschlagen. Robert hatte es danach aufgegeben und ihr das Landhaus der Familie eingerichtet, das er regelmäßig besuchte. Auch wenn man Robert als Lebemann bezeichnete, hatte Edward doch den Ernst in dessen Augen gesehen, wenn er von seiner Schwester sprach.
„Dann ist Bella also schon soweit?“ Knight sah ihn kalt an. „Du meinst doch eher, ist sie kein Wildfang mehr?“ Ertappt errötete Edward. „Du weißt, dass ich…“ „Ich weiß, Stratton!“ Knight setzte sich wieder und fuhr sich übers Gesicht. „Es war meine Schuld. Ich hätte sie besser erziehen sollen.“ „Sicher ist Bella doch jetzt erwachsener geworden. Sie ist bestimmt nicht mehr so wild wie vor einigen Jahren.“ Knight sah ihn müde an und lachte leise. „Wenn du wüsstest.“


Knight House galt noch immer als das schönste Stadthaus der Stadt. Manchmal gestattete sich Edward neidisch zu sein. Noch ehe sie ausgestiegen waren, rannte ein Geschöpf in blassblauer Seide direkt in Knights Arme. Edward konnte nur sprachlos mit ansehen, wie Knight sich damit kreiste. „Bruder!“ Isabella Knight keuchte, als ihr Bruder sie wieder absetzte und ihr in die Nase zwickte. Edward erkannte den einstigen Wildfang mit der Schönheit vor ihm kaum wieder. „Schwesterchen, du sollst mich nicht immer gleich anfallen.“, tadelte sein Freund sie, doch der Schalk in seinen Augen, vernichtete den Tadel. „Dann hättest du schneller aussteigen sollen.“, konterte sie lachend. Erst jetzt bemerkte sie ihn und warf ihren Bruder einen fragenden Blick zu.
„Ach ja, du erinnerst dich vielleicht an Edward Masen, Lord Stratton.“ Bella musterte ihn kurz. „Natürlich. Lord Ich-habe-Angst-dass-meine-Sachen-nass-werden.“ Edward errötete, während Knight sie wieder zurechtwies. „Na, beleidige meine Freunde nicht. Die Männer, die ich nicht ausstehen kann, darfst du getrost vor den Kopf stoßen. Entschuldige dich.“ Bella zog eine Schnute und entschuldigte sich widerwillig. Habe ich eben gedacht, dass sie kein Wildfang mehr ist?, fragte sich Edward wütend, während er ihnen ins Haus folgte.
Immer wieder schaute Bella ihn über die Schultern hinweg an. Edward straffte sich jedes Mal und das zauberte ein Lächeln auf ihre Lippen. „Sieh an, hast du endlich Zeit, uns zu begrüßen.“ Mit dem Auftreten der Herrin Sommerfield wurde es deutlich kälter im Raum. Edward war versucht sich die Hände zu reiben. „Zeit ist ein Luxus, Mutter, den ich mir nicht leisten kann.“, begrüßte sein freund seine Mutter mit einem Lächeln. Hätte ich meine Mutter so begrüßt, wäre mir Ärger sicher, dachte sich Edward. Lady Sommerfield lächelte träge. „Sicher.“ Sie sah ihre Tochter an und musterte sie kritisch. „Warum hast du dieses Kleid angezogen? Was war mit dem roten?“ Bella zuckte sichtlich zusammen. „Das rote Kleid wollte ich für heute Abend lassen, Mutter.“
Robert strich seine Schwester über die Hand und bedachte seine Mutter mit einem giftigem Blick. „Das Kleid steht dir ausgezeichnet, nicht wahr, Stratton?“ Edward zuckte zusammen, als sein Name fiel. „Selbstverständlich. Deine Schwester sieht hinreißend aus.“ Lady Knight verschwendete das erste Mal einen Blick auf ihn und erstrahlte sogleich. „Oh, Lord Stratton, wie unnachsichtig von mir.“ Sie nahm seinen Arm und geleitete ihn zu einem Sessel. „Wie ich hörte, haben Sie Ihr Studium als einer der besten beendet. Möchten Sie etwas trinken?“ „Ja, Lady Sommerfield, das wäre nett.“ Die Frau bedachte ihre Tochter mit einem düsteren Blick. „Hast du nicht gehört? Lord Stratton möchte was trinken, also hol was!“
Gerade als Bella losgehen wollte, zog Knight sie auf seinen Schoß. „Warum gehst du nicht und holst etwas?“ Entrüstet erhob sich Lady Sommerfield und begab sich zur Treppe. „Ich fühle mich grad nicht. Auf wiedersehen, Lord Stratton.“ Damit ließ sie die drei allein. „Ging das die gesamte fahrt so?“, fragte Knight seine Schwester liebevoll. Sie nickte und legte, Trost suchend, den Kopf auf dessen Schulter. „Ich wollte ja gar nicht nach London. Ich war glücklich auf Sommerfield Hall. Sie sagte, dass es meine Pflicht sei, zu heiraten, um dir nicht länger auf der Tasche zu liegen.“
Knight streichelte seiner Schwester den Kopf und seufzte. „Das tust du doch gar nicht. Ich liebe es, dich auf Sommerfield Hall zu besuchen. Du musst nicht heiraten, wenn es nicht dein Wusch ist, Bella.“ Sie drückte sich enger an ihren Bruder. „Danke, meine liebster Bruder.“ Knight lächelte neckend. „Du bist viel zu gut für die Männer der Stadt.“ Bella lachte und für Edward hörte es sich an, als wenn Engel singen. „Natürlich. Das sagst du immer.“
„Weil es stimmt, oder siehst du das anders, Stratton?“ „Nun.“ Er musste sich räuspern. „Deine Schwester ist was besonderes. Einen geeigneten Mann zu finden, würde viel Zeit und Energie kosten.“ „Und Geld, Stratton. Vergiss das Geld nicht.“ Er blickte seine Schwester an. „Wie wäre es, wenn wir morgen einkaufen? Stratton kennt sicher einige der besten Händler.“ Bellas Augen leuchteten und beschworen Edward, nicht nein zu sagen. „Morgen um zehn.“, stimmte er seufzend zu.


Edward Masen stand also um Punkt zehn vor dem Stadthaus der Knights. Es war gegen seine Gewohnheiten, zu so einer unchristlichen Zeit jemanden zu besuchen. Der Butler öffnete die Haustür und ließ ihn mit einem höflichen Lächeln ein. Während er wartete, konnte er hören, wie sein Freund seiner Schwester zur Eile anregte.
„Da bist du ja schon, Stratton.“ Knicht kam die Treppe hinunter und lächelte spöttisch. „Du kennst die Frauen.“ Nein, tu ich nicht, dachte sich Edward. Er war kein berüchtigter Schürzenjäger und seine weiblichen Bekanntschaften beschränkten sich allein auf seine Mutter und Isabella. In Gegenwart von Frauen war Edward schüchtern und zurückgezogen. Er konnte es nicht mal annähernd mit dem berüchtigten Knight aufnehmen. Dessen Eroberungen reichten von erfahrenen Kurtisanen über Ladys der oberen Gesellschaft zu jungen Witwen. Knight war größer als die meisten Männer und war schon dadurch ein Blickfang. Hinzu kamen noch sein athletischer Körper und das gesicht eines Teufels, wie seine Mutter immer sagte. Knight war aber attraktiv geschnitten. Jedes Wesen würde ihn darum beneiden. Aber umso mehr schätzte es Edward, Knights bester Freund und Berater zu sein. Während andere Männer ihn einen Feigling oder Weichling hielten, sagte Robert immer, dass er eben ein Diplomat statt Kämpfer war. Als Edward in Erwägung gezogen hatte in die Armee einzutreten, war es Robert gewesen, der ihm gründlich den Kopf gewaschen hatte. Durch Robert Knight fühlte sich Edward nicht wie ein kleiner unbeholfener Junge.
„Ich bin doch nicht zu früh?“, fragte Edward, obwohl er wusste, dass dies nicht der Fall war. Knight schüttelte den Kopf und gab ihm eine Kopfnuss. „Wie oft muss ich dir noch sagen, dass du dich nicht so dumm stellen sollst, Stratton.“ Edward strich sich das Haar errötend zurecht. „Entschuldige.“ „Du bringst mich zum verzweifeln, Edward.“ Edward horchte auf. Nur selten sprachen sie sich mit Vornamen an. Das schien Knight herausgerutscht zu sein, denn er goss sich Brandy in ein Glas ein. „Wie soll ich aus dir einen Mann machen, wenn du jedes Mal deine Klugheit und dein ganzes selbst runterspielst?“
„Ich bin auch ohne deine Hilfe ein Mann, Knight.“, versuchte Edward sich zu verteidigen. Knight musterte ihn von Kopf bis Fuß, ehe er verächtlich schnaubte. „Von wegen. Sieh mal in den Spiegel. Warum zum Teufel stößt du nicht endlich deine Hörner ab und wirst ein Junggeselle wie er im Buche steht?“ „Das mag ja für dich zutreffen, aber ich bin zufrieden mit meinem geordneten Leben.“ Damit setzte er sich seinem Freund gegenüber. Knight ließ seinen Kopf auf das Polster gleiten. „Ordnung ist langweilig, Stratton. Das Spiel macht doch gerade seinen Reiz aus.“
„Das Spiel des ton kann mich da, wo die Sonne niemals scheint.“, gab Edward brüskiert zurück. Knight sah ihn an und lächelte. „Eine Wette, Stratton.“ Edward fühlte sich unbehaglich. „Was für eine?“, fragte er vorsichtig, wohl wissend, das es keine gute sein würde. „Eine harmlose. Diese Saison will ich, dass du mit Frauen flirtest.“ Edward errötete. „Du weißt so gut wie ich, dass ich keine Ahnung habe, wie man das macht.“ Sein Freund unterdrückte sein Lachen mit einem Hüsteln. „Okay, ich bring dir in den nächsten Wochen alles bei, was du wissen musst. Aber…“ Knight drohte ihm mit dem Finger. „Wenn die Saison beginnt, flirtest du mit einer Frau. Und zwar das volle Programm, Stratton.“
Edward schluckte. „Und wenn nicht?“ Knight lächelte boshaft. „Oho, wenn nicht, erzähle ich jeder Matrone, dass du beabsichtigst zu heiraten.“ „Das würdest du…“ Edward sah seinem Freund genauer an und seufzte. „Ja, das würdest du tun.“ Dann fiel ihm etwas ein. „Was wenn ich die Wette gewinne?“ Wieder lächelte Knight. „In dem Fall erfülle ich dir einen Wunsch, egal welchen.“ Edward musste kurz überlegen. Was konnte Knight ihm schon geben? Aber wenn er alles tun würde, würde es endlich einmal Knight sein, der den Kürzeren zog. „Abgemacht.“


Der erste Zug


„Was abgemacht?“, fragte ein Engel in dunkelblauer Seide. „Nur eine kleine Wette.“ Bella musterte ihren Bruder kritisch. „Du wirst Lord Stratton doch wohl nicht ausnehmen wie eine Weihnachtsgans?“ „Aber nein, nur eine Wette unter Freunden.“, versicherte Knight. Bella setzte sich mit skeptischem Blick auf die Lehne seines Sessels. „Erzähl.“ Gerade als Edward eingreifen wollte, lachte Knight lauthals. „Meine Schwester!“ Er zwinkerte ihr zu und sah Edward an. „Mein lieber Freund Stratton soll endlich auf die Frauenwelt losgelassen werden. Ich habe mit ihm gewettet, dass er diese Saison mit Frauen flirtet und zwar das ganze Programm. Sollte er verlieren, werde ich ihn an alle Matronen der Stadt als potenziellen Ehemann vorstellen. Sollte er aber wiedererwarten gewinnen, erfülle ich ihm einen Wunsch.“
Damit ging er hinaus. Edward folgte ihm auf den Fuß, blieb aber stehen, als Knight die Treppe hinaufging. „Knight, ich dachte, wir wollten deine Schwester ausführen?“ Knight drehte sich um. „Sagte ich das?“ Jetzt war Edward wütend. „Ja, gestern.“ Sein Freund winkte ab. „Verpflichtungen, mein Freund. Bella, ich rate dir, Lord Stratton nicht zu überfordern.“ „Ich doch nicht.“ Edward sah fassungslos die Treppe hinauf. „Aber…“ „Mein Gott, Stratton, sieh es einfach als erste Lektion an.“
Als Knight verschwunden war, herrschte Stille. Dann nachdem er sich beruhigt hatte, drehte sich Edward um. Bella stand erwartungsvoll an der Tür. „Sie wussten es.“ Bella schüttelte leise lachend den Kopf. „Lord Stratton, Sie müssten meinen Bruder besser kennen als ich.“ Das stimmte. Nur Knight wäre so hinterhältig, ihn reinzulegen. „Ich weiß, Sie sind auf meine Anwesenheit nicht erpicht.“, durchdrang sie seine Gedanken. „Aber ich möchte wirklich nicht die ganze Zeit hier im Haus bei meiner Mutter sitzen, während mein Bruder seinen Geschäften nachgeht.“
Wenn er jetzt ablehnte, würde Knight ihn Kielholen lassen. „Also gut. Wohin möchten Sie denn gehen, Miss Knight?“ „Was Sie mir bereit sind zu zeigen, Lord Stratton.“, entgegnete sie. Er fuhr sich durchs Haar und überlegte. Knight sagte, dass es die erste Lektion im Umgang mit Frauen sei. Wohin ging man denn mit einer Frau? „Sie haben keine Ahnung, was Sie mit mir anfangen sollen, nicht wahr?“, fragte der Wildfang in Seide. „Nein, nicht wirklich.“, beantworte Edward geknirscht die Frage. Bella lächelte und sagte leichthin: „Sie haben Glück, dass ich auch keine Ahnung habe, wie Männer der Stadt mit Frauen umgehen.“ „Gestern war ja die Rede gewesen, dass wir einkaufen gehen.“ Bella schaute ihn skeptisch an. „Und wie wollen Sie bezahlen?“ Edward überlegte kurz. Für eine Komplettausstattung einer jungen Dame würden seine Ersparnisse gerade so ausreichen, aber dann würde er die nächsten Monate mit dem notwendigsten leben müssen.
„Machen Sie sich keine Gedanken.“ Er reichte Bella seinen Arm und sie hakte sich nach kurzem überlegen ein. Auch an der Kutsche musste Edward Bella erst bitten, denn sie sträubte sich Hilfe von ihm anzunehmen. Die Fahrt zeigte sich als recht unterhaltsam. „Wissen Sie, mit was für Frauen mein Bruder sich die Zeit vertreibt?“ Diese Frage beunruhigte Edward etwas. Er wollte seinen Freund nicht schlecht machen. „Ihr Bruder hat einige Frauenbekanntschaften.“ Und das war noch untertrieben. „Es sind Frauen, die im Gewerbe tätig sind.“ Unter anderem. Bella nickte und sah ihn an. „Das hatte ich befürchtet. Er nimmt sich Mätressen.“ Nun war Edward verwirrt. „Woher kennen Sie Mätressen?“ Sie schaute belustigt zu ihm auf. „Stratton, nur weil ich auf dem Land lebe, heißt das nicht, dass ich von dem Treiben der Stadt keine Ahnung habe.“
„Verzeihung. Ich wollte Sie auf keinen Fall beleidigen.“ Sie sah nach draußen auf die belebte Straße. „Unsere Nachbarn haben mich oft eingeladen und die Damen des Hauses waren wohl der Meinung, dass mich das Treiben meines Bruders etwas anginge. Sie haben mich deutlich über seine Frauenbekanntschaften informiert.“ „Und Sie sind deswegen wütend, nehme ich an.“ Bella seufzte, während ihre Hände sich verkrampften. „Ich bin deswegen nicht erfreut, Lord Stratton. Was sollte ich aber dagegen tun können? Robert würde doch nie auf ein Kind hören, dass in Abgeschiedenheit lebt.“ „Er hat eine hohe Meinung von Ihnen, Miss Knight.“, versicherte Edward in der Hoffnung, dass sie ihren Bruder nicht verurteilte.
„Auch das weiß ich, Mylord. Was mich jedoch interessiert, ist, wie Sie zu ihm stehen?“ Da musste Edward nicht lange überlegen. „Knight ist mein engster und vielleicht auch mein einziger Freund. Er hat mich nicht abgeschrieben, sondern mich unter seine Fittiche genommen.“ Bella kicherte. „Das hört sich komisch an.“ Auch Edward lachte. „Ja. Aber es stimmt. Deswegen bin ich ihm sehr dankbar. Meine Loyalität ist ihm gewiss.“ Bella schaute ihm in die Augen und ihm war, als wenn sie ihm in die Seele sah. „Von allen Menschen dieser Welt glaube ich, dass Sie ihm der teuerste sind, Lord Stratton.“
Ob diesem Kompliment wurde er rot. Dann hielt die Kutsche und der Schlag öffnete sich. Edward stieg schnell aus und hob Bella aus dem Wagen. Sie standen vor dem ersten Laden von vielen, die sie besuchen würden. Während Bella sich die Maße nehmen ließ, redete die Schneiderin ohne unterlass darüber, wie sehr es sie erfreute, eine der berüchtigten Knights zu bedienen. Demnach machte sie ihnen Sonderpreise, sowie das versprechen, dass alles in drei tagen fertig sein sollte. Edward geleitete Bella danach in den Hutladen, sowie diversen anderen Läden. Und jedes Mal sahen die Frauen in den Geschäften ihn überrascht an.
Nach gut vier Stunden waren sie mit der Einkaufstour fertig, wobei Edward sich wegen der Rechnungen schon im Schuldengefängnis sah. Dass die Summe soo groß sein würde, hätte er nicht gedacht. Bella allerdings lachte unablässig und gab eine wunderbare Unterhaltung. Mit ihrem Charme und Witz machte sie es Edward unmöglich, in ihr wieder den Wildfang zu sehen. Ihre Naivität gegenüber den Männern zeigte ihm jedoch, dass sie zu unerfahren im Umgang mit dem ton war. Die Dandys umringten sie und das störte Edward ungemein. Schließlich stand sie in seinem Schutz. Als er gerade die jungen Sprotten zurechtweisen wollte, sah ihn einer von ihnen an. Er lachte und stieß seinen Freund an. „Sieh mal einer an, wen haben wir denn hier? Edward Masen, Lord Stratton.“ Edward versteifte sich. „Stratton? Du mit einem Mädchen? Wie kommt’s?“ Edward gab keine Erklärung, denn er wusste, dass es sie nicht interessierte. Einer schlang seinen Arm um seine Schultern. „Stratton, wie lange haben wir uns nicht gesehen, hmm?“ „Drei Monate.“, gab Edward angebunden zurück.
Bella sah unbehaglich von den Männern zu Edward. Seine steife Art machte sie nervös. Warum machten diese Männer sich über ihn lustig? „Meine Güte, sieh ihn dir an. Immer noch das ängstliche Weichei, dass sich nicht wehrt.“ Bella trat einen Schritt vor. „Hören Sie auf der Stelle auf, Lord Stratton zu beleidigen.“ Die Männer lachten sie aus und machten weiter, Stratton zu ärgern. „Oho, Stratton, lässt du dich jetzt von Mädchen verteidigen?“ Ihr tat Edward so leid. Er machte keine Anstalten sich zu wehren.


Derweil in Knight House…
„Du hast doch wohl nicht Stratton alleine mit Isabella gelassen?“, fragte Lady Sommerfield aufgebracht. Knight nahm einen Schluck seines Brandys und schmunzelte. „Es wird Zeit, dass er sich dem weiblichen Geschlecht nähert.“ „Aber doch nicht deine Schwester?“ Knight zog eine Augenbraue hoch. „Wieso nicht? Sie ist genau richtig für ihn.“ Seine Mutter winkte verächtlich ab. „Ich bitte dich! Sie würde ihn völlig überfordern. Sie ist unakzeptabel!“ Jetzt funkelte Knight seine Mutter wütend an. „Unakzeptabel? Ich werde dir jetzt was sagen, MUTTER! Wenn du nicht nach Vaters Tod abgehauen wärst und Isabella allein gelassen hättest, wäre sie niemals so geworden!“
Seine Mutter erbleichte. „Wie kannst du so etwas sagen?“ „Wie ich das kann?“ Er machte eine Handbewegung. „Ich weiß, was du vorhast, Mutter. Du willst sie an den erst besten verschachern, aber ich lasse das nicht zu. Sollte sich zwischen den beiden was anbahnen, kannst du dir sicher sein, dass ich das unterstütze. Stratton braucht nur Zeit, um sich mit ihr vertraut zu machen.“ „Wenn Stratton auch nur halb so klug ist, wie ich denke, wird er Isabella als unpassend befinden.“ Knight nahm noch einen Schluck und lachte. „Oh, das glaube ich nicht, aber wir können ja eine kleine Wette abschließen.“ Seine Mutter sah ihn herausfordernd an. „Um was?“ Jetzt hatte er sie am Haken. „Wenn Stratton Isabella innerhalb dieser Saison einen Antrag macht, wirst du sie in Ruhe lassen. Und wenn nicht, kannst du über sie verfügen wie du willst.“ Seine Mutter trat einen Schritt vor. „Das würdest du zulassen?“ Knight lächelte kalt. „Hinzu kommt, dass du meine Zukünftige aussuchen darfst.“
Knight wusste, dass seine Mutter dem Angebot nicht widerstehen konnte. Blieb nur zu hoffen, dass er sich in Stratton nicht täuschte. Knight wusste, dass Stratton genau der Richtige für seine Schwester war. Ihm jetzt seine Zukunft in die Hände zu legen, wäre vielleicht gewagt, aber das Risiko würde sich auszahlen. „Ja, ich würde das zulassen.“ Seine Mutter hielt kurz inne und lächelte dann kalt. „Also gut.“ Dann verschwand sie leise lachend. Knight warf einen Blick auf sein Glas. „Stratton, ich hoffe, du enttäuschst mich nicht.“

Wilkons, der Butler kam mit einem Brief herein. Knight nahm ihn und las den Inhalt. „Sind Sie sicher, Ihr Schicksal in Lord Strattons Hände zu legen?“, fragte der Mann besorgt. Knight lächelte seinen Butler an. „Haben Sie wieder gelauscht?“ Wilkons machte keine Anstalten sich zu entschuldigen, sondern wartete. „Ja, Wilkons, das habe ich vor.“ „Ich hoffe für Sie und Ihre Schwester, dass er es wert ist.“ Knight sah ihn an und erkannte, dass der alte Herr wirklich besorgt war. Seit sein Vater gestorben war, hatte sich Wilkons um ihn und seine Schwester wie ein Vater gekümmert und nie auch nur ein Wort des Dankes verlangt. „Wilkons, warum tun Sie das alles für uns?“ Der Mann straffte sich und erklärte: „Ich habe Ihrem Vater das Versprechen gegeben, Mylord. Außerdem sind Sie für mich wie meine Knider.“
„Wir haben Ihre Treue nicht verdient.“ Der Butler schüttelte den Kopf. „Nicht doch, Mylord.“ Doch Knight winkte ab. „Ich verstehe Ihre Sorge, aber ich vertraue Stratton.“ Der Butler runzelte die Stirn. „Lord Stratton ist aber so unbeholfen im Umgang mit Frauen.“ Knight lachte herzhaft. „Deswegen werde ich ihm helfen.“ Er begab sich in sein Arbeitszimmer und Wilkons folgte ihm. „Finden Sie, dass Stratton und Isabella zusammenpassen würden, Wilkons?“ Der Butler sah ihn lange an. „Miss Isabella ist eine Naturgewalt. Lord Stratton wird entweder völlig überfordert sein oder er wird sich komplett ändern und Ihrer Schwester nacheifern.“
Knight nickte anerkennend. „Genau das dachte ich auch. Und die Vorstellung gefällt mir überaus, dass Stratton eine Überholung bekommt. Er war lange genug ein Langweiler.“ Wilkons lachte leise. Das wird sehr interessant, dachte er bei sich, während er hinausging.

Mach deinen Einsatz


"Ich lasse mich bestimmt nicht von einer Frau verteidigen.", beschwerte sich Edward. Warum musste sich Knights Schwester einmischen? Er kam ganz gut allein zurecht. Williams ätzte jedoch weiter. „Werden wir etwa wütend, Lord Stratton?“ Seine Stimme triefte nur so vor Hohn. Genug. Er konnte mit Beleidigungen umgehen, wenn er allein war. Doch in Gegenwart von Isabella wollte er sich keine Blöße geben. Entweder jetzt oder nie, dachte sich Edward. „Wollen Sie mich beleidigen, Williams?“ Dieser grinste und bejahte. „Dann fordere ich Sie.“, sagte Edward bestimmt. Dafür wird mich Knight aufknüpfen. Williams sah ihn überrascht an und schluckte nervös. „Stratton, Sie machen Scherze?“ Edward schüttelte ernst den Kopf. „Nein, wählen Sie Ihre Adjutanten. Wir treffen uns morgen um neun.“ Dann nahm er Isabella beim Arm und führte sie an den konfusen Dandys vorbei.
„Lord Stratton?“, fragte Bella mit ungutem Gefühl. Edward schaute stur geradeaus. Jetzt bin ich geliefert, dachte er bei sich. Was habe ich denn da bloß angestellt? „Lord Stratton, ich bitte Sie, reden Sie mit mir.“ Edward lieb jäh stehen und wappnete sich gegen Bellas Wut. „Was haben Sie da getan? Sie haben den Kerl herausgefordert.“ „Er hat mich übel beleidigt, Miss Isabella.“, verteidigte er sich trotzig. „Ja und?“ Sie stemmte ihre Hände in die Hüften. „Sie hätten einfach gehen können.“ „Und mich wieder einen Feigling schimpfen lassen?“, fragte Edward aufgebracht. Bella wich einen Schritt zurück und senkte den Kopf. „Verzeiht mir, Mylord, aber haben Sie denn jemals ein Duell ausgetragen?“
Darauf wollte er nicht antworten. „Nun?“, hakte sie nach. „Nein.“, gab Edward widerwillig zu. Bella sah ihn geschockt an. „Sie haben nie ein Duell ausgetragen und haben einfach so jemanden herausgefordert? Sind Sie völlig verrückt!“ Das musste er sich nicht bieten lassen. Nur ihretwegen steckte er in dieser Sache und jetzt verletzte sie auch noch seinen Stolz. „Wenn Sie glauben, Mylady, dass ich mich von Ihnen beleidigen lasse, irren Sie sich. Ich habe Vorbereitungen zu treffen. Auf Wiedersehen.“ Er gab einem Lakai ein Zeichen, der daraufhin angerannt kam. „Fahren Sie Lady Isabella nach Hause.“ Er stapfte wütend und verletzt davon. So viel dazu, beeindruckend zu wirken. „Lord Stratton.“ Edward reagierte nicht und ging einfach weiter.


Knight House… 15 Minuten später


Gerade als Knight seinen Anwalt entließ, kam Isabella hereingestürmt. „Bella, ist was passiert?“ Sie fuhr herum. „Ob etwas passiert ist? Stratton hat irgendeinen Kerl herausgefordert!“ Das traf Knight wie ein Blitzschlag. Stratton und Duelle? Das kann gar nicht sein. Stratton duellierte sich nicht. „Bella, könntest du mir bitte alles von Anfang an erzählen?“ Also erzählte sie ihm die ganze Geschichte. Als sie geendet hatte, war Knight komplett geschockt. „Ich muss sofort mit ihm reden.“, entschied er entschieden.
So schnell wie möglich machte er sich auf den Weg. Gott, Stratton, was hast du wieder angestellt? Als wenn ich nicht genug Probleme hätte? Knight suchte seinen Freund erst in Stratton House auf. Nach dieser Sache müsste er sich hier aufhalten. Der Butler ließ ihn ein und erzählte ihm auf der Stelle, wo Stratton sich aufhielt. Knight ging dann energisch in das Arbeitszimmer. „Bist du denn des Wahnsinns!“, brüllte er seinen Freund an. Dieser sank völlig in sich zusammen. Knight tigerte durch den Raum. „Wieso? Wieso hast du so etwas getan?“ „Er hat mich beleidigt.“ Knight stoppte. „UND! Das machen sie ständig. Ich dachte, du stehst drüber?“ Edward sah ihn aufgebracht an. „Ich steh auch drüber, aber nicht wenn ich in Gesellschaft bin. Hätte deine Schwester mich für einen Angsthasen halten sollen?“
Knight raufte sich die Haare. „Gott, EDWARD! DU hast dich noch NIE duelliert! Du wirst draufgehen!“ „Ich dachte, dass du mir helfen könntest. Nur wenn du möchtest.“, bat ihn Stratton. „Edward, sieh mich an.“ Er wartete bis Edward ihn ansah. „Denk niemals, dass ich dir nicht helfe, hast du verstanden?“ Sein Freund nickte leicht und Knight seufzte erleichtert auf.
„Wie soll ich dir innerhalb eines Tages beibringen, mit einer Waffe umzugehen?“, fragte er sich beinahe selbst. In dem Moment wurde ihm bewusst, wie wenig er Edward all die Jahre geholfen hatte. Er hatte ihm nichts beigebracht, obwohl er es damals geschworen hatte. „Mann, ich bin so dumm.“ Er ließ die Schultern hängen. „Tut mir leid, Edward.“
Stratton erhob sich und kam näher. „Dir muss gar nichts leid tun, Knight.“ „Ach nein?“ Edward tust du wieder nur so, dass ich mich nicht schuldig fühlen muss? Sein Freund lächelte bekümmert. „Ich habe mich selbst da rein manövriert.“ „Stratton.“ Edward sah ihn an und bekam eine Kopfnuss. „Mach nie wieder so etwas dämliches oder ich ersäufe dich wie eine Katze.“ Beide mussten lachen.

Edward zielte auf eine Dose und schoss. Er verfehlte die Dose knapp und Knight klatschte. „Wow, nach nur zwei Stunden hast du sie beinah getroffen.“ Edward wischte sich mit dem Ärmel über die Stirn. „Im Duell kommt es doch darauf an, den Gegner zu treffen.“ „Stimmt auch, aber du hast heut erst angefangen und kannst jetzt schon sehr gut zielen.“ Wenn Knight so etwas sagte, muss es stimmen. Bei dem Gedanken lächelte er. „Was ist denn das für ein Lärm?“, kam es von drinnen. Das Lächeln erstarb auf Edwards Lippen. Seine Mutter!
„Mutter!“ „Edward? Bist du das, der da so einen Krach macht?“, fragte seine Mutter, ehe sie ankam. Schnell entwendete Knight ihm die Waffe und schoss selbst. Er traf die Dose in die Mitte. „Nein, Lady Stratton. Verzeihen Sie, ich mache den Lärm.“, sagte Knight, als Lady Stratton sich näherte. Sie musterte ihn missbilligend. Strattons Mutter hatte ihn noch nie leiden können. Für sie war Knight der Teufel, der ihren geliebten Sohn von rechtem Weg abbrachte. Das sollte ihm ganz recht sein. Solange Edwards Ruf bewahrt wurde, konnte sie ihn verdächtigen so viel sie wollte. „Edward, du weißt, ich mag es nicht, wenn du mit Waffen umgehst.“
„Keine Sorge. Wir gehen auch schon wieder.“ Knight nahm Edward bei den Schultern und begab sich zur wartenden Kutsche. Während der Fahrt überlegte Knight, wie er Edward noch beistehen konnte. „Ich bin dein Adjutant, klar.“ Edward nickte. „Danke.“ Knight winkte ab. „Du bist wegen meiner Familie in dieser Sache und deshalb werde ich dir helfen. Ich würde mich sogar für dich duellieren.“ Das würde er wirklich. Nur ging das nicht, nicht wenn Edward nicht offiziell zum Angsthasen gemacht werden sollte. „Wo gehen wir hin?“, fragte Edward ihn. „Boxclub.“ Edward sah ihn überrascht an. „Stratton, du kriegst jetzt das volle Programm.“ Sein Freund gab keine Widerworte. Nach weiteren zwei Stunden Boxtraining war Edward geschafft. Während er nach Luft schnappte, musste Knight nicht mal angestrengt atmen. „Gar nicht übel, Stratton.“, war sein Kommentar, während sie sich umzogen.

Am Abend saßen sie zusammen in Knights Arbeitzimmer und gingen die Formalien durch. „Du solltest jetzt schlafen gehen.“ Edward sah auf die Uhr und machte große Augen. Es war fast Mitternacht! „Ich sollte dann nach Hause.“ Knight seufzte schwer. „Stratton, nimm eines der Schlafzimmer oben. Es ist schon zu spät. Deine Bediensteten werden schon untergebracht.“ Edward widersprach nicht, dazu war er zu müde. Als er den Korridor entlang ging, entging ihm das Licht unter der Tür zu Bellas Zimmer. „Lord Stratton?“
Bei der Stimme drehte er sich um. Da stand die schönste Frau, die er je gesehen hatte. Das Nachthemd reichte ihr grad bis zu den Knöcheln und ihr Haar war vom Schlaf zerzaust. „Ja?“, fragte er, als er sich wieder gefasst hatte. Sie biss sich auf die Lippen und senkte den Blick. „Es tut mir leid, wegen meiner Worte. Ich war nicht besser als diese Typen.“ Edward lächelte sie sanft an. „Ich verzeihe Ihnen.“ Sie strahlte ihn an und kam geschwind näher. Dann drückte sie ihm einen Kuss auf die Wange und verschwand wieder in ihrem Zimmer. „Viel Glück.“, flüsterte sie noch leise.
Verdutzt legte er seine Finger auf seine Wange. Sie hat mich geküsst! Das war mein erster Kuss! Schnell legte sich ein Lächeln auf seine Lippen und er ging in eines der Zimmer. Obwohl er nichts getrunken hatte, schien er wie beschwipst, als er sich auszog. Es dauerte lange, bis er schlafen konnte.


Knight beobachtete von der Treppe aus das Gespräch zwischen seiner Schwester und seinem Freund. Als er sah, wie sie ihm auf die Wange küsste und Stratton dann wie ein Honigkuchenpferd grinste, musste er teuflisch lächeln. Oh, Mutter, ich sehe dich schon ganz weit weg. Die Sache lief besser als er gedacht hätte. Sollte es zwischen den beiden weiterfunken, müsste die Saison die Ereignisreichste seit langem sein. Der für seine Zurückhaltung bekannte Lord Stratton umwarb die unberechenbare Lady Isabella Knight! Robert konnte schon das Getratsche der Matronen hören, wenn sie das sahen.
Knight ging gut gelaunt sein Zimmer betrat. „Oh, meine kleine Schwester, ich hätte dich viel früher herholen sollen, wenn du Stratton so anziehst.“, flüsterte er kichernd. „Das wird eine recht spannende Sache.“ „Gute Neuigkeiten, Mylord?“ Teuflisch grinsend drehte sich Knight zu Wilkons um. „Wilkons, Sie glauben ja gar nicht, was Stratton wieder angestellt hat.“ Der Butler trat vor, um ihm beim Auskleiden zu helfen. „Es muss etwas gutes sein, wenn Sie bester Laune sind.“ „Nicht ganz das, was ich geplant hatte. Er duelliert sich morgen früh.“
Knight beobachtete seinen Butler genau, als dieser abrupt innehielt. „Aber Lord Stratton hat doch noch nie ein Duell bestritten.“ „Ich weiß und wissen Sie, was der Anlass war?“ Wilkons schüttelte derweil bedauernd den Kopf. „Das hätte ich von dem Jungen nicht gedacht.“ Knight lachte leise. „Natürlich nicht. Das hätte wohl keiner erwartet. Aber er hat es getan, um Isabella zu beeindrucken.“ Wilkons schaute skeptisch drein. „Deswegen musste er gleich sein Todesurteil unterschreiben?“ Knight seufzte. „Wie beide wissen, wie Stratton unter den ständigen Beleidigungen leidet, Wilkons. Normalerweise trifft ihn das nicht all zu sehr, aber diesmal konnte er es nicht auf sich sitzen lassen. Isabella hätte ihm nach, Stratton für einen Feigling gehalten.“
„Hätte sie das wirklich?“, fragte Wilkons. Knight schüttelte den Kopf. „Nein. Sie wäre enttäuscht, warum er nicht seinen Mann steht. Sie kennt ihn nicht gut genug, um ihn besser einzuschätzen.“ Wilkons sah ihn so lange an, dass Knight sich unwohl fühlte. „Was?“ „Nun, ich glaube mich zu erinnern, dass Sie Lord Stratton öfter Vorhaltungen gemacht haben, dass er alles kommentarlos über sich ergehen lässt.“ Das stimmte sogar. Wie oft hatte er Stratton dazu gedrängt, sich mal zu verteidigen. „Damit habe ich aber nicht gemeint, dass er sich duelliert.“
„Nun, Lord Stratton ist keine einflussreiche Persönlichkeit. Seine Stellung in der Gesellschaft ist unbedeutend im Gegensatz zum Hause Sommerfield.“ „Kommen sie mir nicht mit diesem Mist, Wilkons.“, beschwerte sich Knight. Dieses Geplapper hatte er sich von klein auf anhören müssen. Wilkons machte jedoch weiter. „Ich glaube sogar, dass Lord Stratton denkt, dass Sie ihn irgendwann einmal Fallen lassen werden.“ „Niemals.“, antwortete Knight sofort. „Mylord.“ „Nein!“, unterbrach Knight den Butler. „Wilkons. Stratton ist der einzige, der nicht meine Geld oder meinen Einfluss sieht. Er hat nicht mal nach einer Begleichung der Rechnungen verlangt, die während des Einkaufens entstanden sind.“
In diesem Moment sah Wilkons nicht den großen Lord Sommerfield, sondern den einsamen Jungen in ihm. Er hatte nie Freunde gehabt und Wilkons war so, als ob sich der junge Mann an die Freundschaft mit Stratton klammerte. „Das spricht für seinen Edelmut.“ „Von wegen, das zeigt wie dumm er ist.“, unterbrach ihn Knight. „Sie wissen wie wenig Geld ihm zu Verfügung steht. Im Schuldengefängnis würde er immer noch den Märtyrer spielen.“ Wilkons kannte den Jungen zu gut, als dass ihm seine schroffe Art einschüchtern könnte. Das verhalten des jungen Stratton hatte ihn verletzt.
„So weit werden Sie es bestimmt nicht kommen lassen, Mylord.“ Der ernst Ausdruck seiner Augen bestätigten mal wieder, wie sehr sich Knight für Stratton verantwortlich fühlte. „Worauf Sie wetten können.“


Was zeigt dein Blatt?


Am nächsten Morgen wurde Edward unsanft geweckt. Man schubste ihm einfach aus dem Bett. „Aua! Was zum…“ Die Worte erstarben, als er sich umsah. Wo war er? „Wolltest du etwa verpennen?“ Edward drehte seinen Kopf und sah Knight an. Dann fiel ihm alles wieder ein. Das Duell. Sofort sprang er auf, nur um sich an der Bettkante zu stoßen. „Mist.“, fluchte er aufgebracht. Mit einem wütenden Blick bedachte er Knight, als er sich mürrisch anzog. „Ein schöner Morgen, um sich zu duellieren.“, meinte Knight und zog die Vorhänge zur Seite. Es regnete in Strömen. Ein schlechtes Omen.
„Lass den Kopf nicht hängen. Weißt du noch mein Duell mit Warwick?“ Daran erinnerte Edward sich noch sehr gut. Im eiskalten Winter vor zwei Jahren hatte es sich Knight mit Warwick verscherzt. Knight hatte mit der noch recht jungen Ehefrau ein Verhältnis gehabt und war von ihrem Mann herausgefordert worden. So hatten sie sich um zehn Uhr mitten in einem Schneesturm duelliert. Dabei war Warwick am Arm verletzt worden, während Knight mit heiler Haut davongekommen war. „Sicher. Der kälteste Tag im meinem Leben.“
Knight lachte. „Ja und Warwick hat noch nicht mal heiße Getränke spendiert.“ Edward musste über die Worte den Kopf schütteln. Typisch Knight, sich über so was Unbedeutendes zu beschweren. Auf einem Stuhl lagen einige Sachen von Knight, die sich Edward anzog. Als er fertig angekleidet war, folgte er Knight zur Kutsche. „Das wichtigste ist, die Nerven nicht zu verlieren, Stratton. Selbst wenn du die Zahl zehn hörst, drehst du dich einfach um und schießt. Ob du triffst oder nicht ist unbedeutend, solange Williams dich nicht trifft.“ „Ist er denn ein so schlechter Schütze?“ Knight sah ihn von der Seite grinsend an. „Letzten Monat hat er sich mit Tempest duelliert und einen Ast fünf Meter hinter diesem getroffen. Williams gehen bei so was die Nerven durch.“
Das machte Edward etwas zuversichtlich die Sache unbeschadet zu überstehen. Am Treffpunkt wartete Williams bereits mit seinen Männern. Auch ein Wundarzt stand dabei. „Tsetse.“, meinte Knight neben ihm. „Vollidiot. Je später man bei einem Duell erscheint, desto mehr geht dem anderen die Muffe. Regel Nummer eins.“ Daran erinnerte sich Edward. Bei Knights Duellen waren sie erst fünf Minuten vorher aufgetaucht. „Ist das gut für mich?“, erkundigte er sich bei seinem Freund. „Stratton, ein Mann, der im Regen satte dreißig Minuten steht, ist wohl kaum in der Lage vernünftig zu zielen, oder?“
Knight stieg zuerst aus und lachte erst mal diabolisch. „Williams! Lange her, seit wir uns das letzte Mal gesehen haben. Nettes Wetter oder?“ Edward konnte genau sehen, wie Williams sich versteifte. „Sommerfield, Sie hier?“ Knight trat immer noch lächelnd näher. „Sicher. Ich bin Strattons Adjutant und wäre er mir nicht zuvor gekommen, Williams, würde ich mich jetzt mit Ihnen duellieren. Sie haben meine Schwester belästigt.“ Williams schluckte und Edward wusste, dass ihm die Angst in den Knochen steckte. Ein Duell mit Knight war das Schlimmste, was einem Mann passieren konnte.
„Dann mal los, ich hab keine Lust durchnässt zu werden.“ Knight kam auf ihn zu und zwinkerte. „Du schaffst das schon.“ Edward begab sich auf seinen Platz und hörte noch Knight rufen. „Denk einfach an Isabellas Kuss!“ Edward drehte sich überrascht um. Woher weißt du das? „Kluge Wahl, Knight zum Adjutanten zu machen.“, fauchte ihn Williams an. In Gedanken zählte jeder seine Schritte. Edward wurde immer nervöser. Ich hätte mehr trainieren sollen. „Zehn!“, brüllte der Adjutant von Williams. Tut mir leid, Mutter. Edward drehte sich um und schoss. Nach einer Weile öffnete er seine geschlossenen Augen und sah zu Williams. Dieser hielt sich den rechten Arm, während hinter Edward ein Ast zitterte.
Erleichtert atmete er aus. Knight kam fröhlich pfeifend auf ihn zu und schlang seinen Arm um seine Schultern. „Bravo!“ Er drehte sich zu Williams um. „Guter Schuss, Stratton.“ Edward lächelte, als er das Kompliment hörte und bekam sogleich eine Kopfnuss. „Bild dir bloß nichts darauf ein. Du hast mir einen Schrecken eingejagt. Das war dein erstes und letztes Duell.“ „Damit bin ich einverstanden.“ Knight klopfte Stratton auf die Schulter. „Ich bin stolz auf dich.“ Sprachlos starrte Edward ihm hinterher, während Knight zur Kutsche ging. „Was ist? Kommst du oder willst du ne Erkältung kriegen?“ Schnell eilte Edward zur Kutsche und stieg ein. Zwar bedauerte er Williams, aber er fühlte sich etwas selbstbewusster.
„Jetzt da du dein erstes Duell bestritten hast, können wir uns unserer Wette widmen.“, erklärte Knight mit zufriedenen Lächeln. „Wir fangen langsam an. Erst mal brauchen wir eine Frau, bei der du nicht gleich über deine eigenen Beine stolperst wie bei Lady Wickfield.“ Edward konnte sich noch deutlich an den Abend erinnern. Während des Tanzes waren ihm seine Beine immer im Weg gewesen. „Wo willst du die denn auftreiben?“ „Lass das mal meine Sorge sein.“ Edward fühlte sich hundemüde und schlief auch sofort ein.

Er erwachte in einem Bett, dessen Vorhänge geschlossen waren. „Sind Sie wach, Stratton?“ Isabella? Ein Vorhang wurde zur Seite geschoben und braune Augen sahen neugierig an ihn hinab. Edward warf einen Blick nach unten und zog schnell das Laken höher. Er war ja nackt! Missbilligend schaute er Isabella an, doch sie schmunzelte. „Miss Knight.“, mahnte er sie, aber sie schlug einfach die Vorhänge weiter zurück. „Ich dachte, Sie würden gerne etwas essen.“ Wie auf Befehl knurrte auch schon sein Magen. „Gerne.“ Isabella brachte ihm neue Kleidung. „Von meinem Bruder.“ „Danke.“ Isabella winkte ab. „Robert hat mir erzählt, dass Sie das Duell gewonnen haben.“, wechselte sie geschickt das Thema. „Das hab ich nur Williams zu verdanken, weil er ein mieser Schütze ist.“ Sie gab ihm eine Kopfnuss und lachte. „Ich soll das machen, wenn Sie wieder Ausreden haben.“
„Kommen Sie. Mein Bruder hat extra mit dem Mittag gewartet, bis Sie aufwachen würden.“ „Oh.“ Als er aufstand, vergas er das Laken festzuhalten, das jetzt an seinen Beinen hinunter glitt. Isabella schaute mit großen Augen auf seinen Schritt und Edward hatte große Mühe das Laken zu fassen zu bekommen und gleichzeitig seine Blöße mit den Händen abzudecken. Innerlich verfluchte er sich für sein Pech. Ausgerechnet jetzt und hier! Er wurde rot wie eine Tomate und das Schweigen machte es auch nicht besser.
Dann stapfte auch noch Knight herein und musterte ihn und seine Schwester kritisch. „Was ist denn los?“ „Nichts.“, erklärte Isabella etwas zu schnell und ging zur Tür. Auf der Schwelle blieb sie stehen und sagte errötend. „Nur, dass du recht hast. Lord Stratton macht sich wirklich kleiner als er ist.“ Sprachlos starrte Edward ihr hinterher, während Knight die Stirn runzelte. „Was meinte sie damit?“ Wortlos kleidete sich Edward an und errötete immer wieder.
Während des Essens starrte Edward auf seinen Teller. Nur manchmal warf er Isabella einen Blick zu, den sie immer weder erwiderte. Die Röte auf ihren Wangen vertiefte sich dabei etwas. Knight beobachtete das ganze höchst interessiert und musste an sich halten, nicht in Gelächter auszubrechen. Vielleicht hatte er ja die perfekte Frau für die Übungen gefunden. So wie er seine Schwester kannte, würde sie schnell dahinter kommen, dass sie Gegenstand der Wette war. Also musste er herausfinden, wie sie für Stratton empfand. „Schwester.“ Sie sah ihn fragend an. „Ich möchte nachher mit dir reden.“ „Sicher.“ An Stratton gewandt sagte er. „Ruh dich erst mal aus. Wenn deine Mutter fragt, sag, du hättest mich nach Hause fahren müssen, nachdem ich zu betrunken gewesen war.“ So wie er Strattons Mutter kannte, würde sie ihm das ohne Kommentar glauben.

Knight saß in seinem Arbeitszimmer und sah einige Briefe durch, als es klopfte. „Komm rein.“ Seine Schwester trat ein und setzte sich ihm gegenüber. „Du scheinst Stratton ja zu mögen.“ Auf Isabellas Wangen zeichnete sich wieder diese Röte ab. „Er ist ein netter Gentleman.“ Knight nahm einen Schluck seines Brandys. „Gewiss. Stratton ist der Traum aller Schwiegermütter.“ „Wenn dem so ist, warum ist er nicht verheiratet?“ Diese Frage war leicht zu beantworten. „Stratton hat… Probleme mit Frauen, Isabella.“ Isabella legte den Kopf schief. „Steht er mehr auf Männer?“ Das gab ihm den Rest. Er lachte aus vollem Hals. „Schwester, NEIN!“ Diese Vorstellung. Gott das war zu köstlich. „Er hat Probleme im Umgang mit Frauen. In ihrer Nähe benimmt er sich wie ein Trottel.“ „Ist mir nicht aufgefallen.“, kommentierte Isabella.
„Ja mir auch. Ich hab beschlossen, ihm etwas Hilfe zu geben.“ Isabellas Augen wurden schmal. „Was hat das mit mir zu tun?“ „Bella, Schatz. Gerade weil du wohl anders bist als andere Frauen, bitte ich dich, hilf mir.“ „Wie sollte ich dir helfen?“ Knight überlegte. „Na ja. Er braucht Tanzstunden, Tischetikette und so weiter. Du kannst dann auch gleich für die Saison proben.“ Der misstrauische Blick wich nicht aus ihren Augen. „Was hast du vor?“ Pokerface, Knight. „Nichts besonderes. Also hilfst du mir oder nicht?“ „Von mir aus. Dann kritisiert mich Mutter wenigstens nicht. Das wäre wohl eine gute Übung für mich.“


Am nächsten Morgen erschien Edward pünktlich um zehn. „Lord Stratton. Mylord und seine Schwester erwarten Sie im blauen Salon.“ „Danke, Wilkons.“ Der blaue Salon?, überlegte er kurz. Als er herein trat, standen Isabella und Knight sich gegenüber und er erklärte ihr, wie sie tanzen sollte. „Nein, Isabella, ich führe. Hör auf mich zu zerren.“ „Was soll ich denn dann tun?“, murrte sie, ehe sie ihn an der Tür stehen sah. „Lord Stratton, guten Morgen.“ „Ihnen auch einen guten Morgen, Miss Knight.“ Sie schnaubte und zeigte auf ihren Bruder. „Sieht das hier nach gut aus?“
„Jetzt kann Stratton sich mit dir abplagen.“ Knight rauschte an ihm vorbei und schloss die Tür hinter sich. „Das ist mehr als unschicklich.“, sagte Edward mit einem Blick auf Isabella. „Ist es das?“ „Waren Sie etwa öfter mit fremden Männern allein?“, konterte er geschickt. „Nein. Mein Bruder hat mit Adleraugen über mich gewacht.“ Wenn dem so war, warum lässt er mich dann mit Ihnen allein? „Tanzstunden?“ Isabella nickte. „Ja, Robert hat versucht, mir meinen Führungsdrang auszutreiben.“ Edward lächelte. „Der Fluch der Knights.“ Sie lächelte zurück. „Kann man so sagen.“
„Tanzen Sie?“, fragte sie neugierig und Edward schüttelte abwehrend den Kopf. „Bloß nicht. Ich bin kein guter Tänzer.“ Sie nahm seine Hand und zog ihn von der Tür weg. „Vielleicht fehlte Ihnen die richtige Frau dafür.“ Vielleicht. Er legte seine linke Hand auf ihre Hüfte und nahm ihre Hand. „Ich entschuldige mich jetzt schon, wenn ich Ihnen auf die Füße trete.“ Nach einigen Schritten kam ihm das Tanzen gar nicht so schlimm vor. Es war sogar richtig schön. Sie passte wirklich zu ihm, stellte er anerkennend fest.

War der Einsatz zu hoch


„Was zum Teufel…“, maulte Edward, als ihn jemand unsanft weckte. „Du hast dich duelliert!“ Edward erstarrte schuldbewusst und sah seine Mutter an. „Mutter…“ Sie vernichtete seine Erklärungsversuche, indem sie ihre Hand hob. „Bitte verschone mich. Ich kann es einfach nicht glauben. Wie konntest du nur?“ Edward setzte sich aufrecht an die Kante. „Was blieb mir übrig? Er hatte Miss Knight belagert.“ Seine Mutter warf die Hände hoch. „Knight! Diese Familie verdirbt dich.“ Wenn er jetzt widersprach, würde es eh nur Ärger geben. Also ließ er sie weiter zetern.
„Ich hätte dich nie in die Nähe dieser Familie lassen dürfen.“ „Mutter…“ Edward fühlte sich sehr erschöpft, weil er sich jedes Mal verteidigen musste. „Lord Knight ist äußerst großzügig mir gegenüber. Seine Freundschaft bedeutet mir sehr viel. Das geht mir mit Lady Knight auch so.“ Seine Mutter hob neugierig die Brauen. „Du magst Lady Knight?“ Oho. Jetzt hatte er sich zu weit vor gewagt. „Sie ist eine sehr nette Person.“, versuchte er auszuweichen, was bei seiner Mutter nur dieses typische Funkeln in die Augen trieb.
„Nett?“ Er wand sich ungemütlich, dann gab er auf. „Sie ist die schönste, liebreizendste und großzügigste Person, die ich kenne. Auch wenn unsere Bekanntschaft gerade mal zwei Tage beträgt.“ Seine Mutter machte große Augen. „Zwei Tage und du redest schon so von ihr?“ Edward zuckte bloß die Schultern. Was sollte er sagen? Er konnte es sich ja selbst kaum erklären. „Du ähnelst so sehr deinem Vater.“ Edward sah sie fragend an. „Er hat mir nach einer Stunde bereits einen Antrag gemacht.“ Wirklich? Wow.
Sie setzte sich neben ihn und lächelte leise. „Oh, er war so süß und tollpatschig. Alle haben mir gesagt, dass ich von ihm die Hände lassen soll, aber ich hatte mich einfach in ihn verliebt.“ Sie sah ihn neckisch an. „Weißt du. Er hat sich auch meinetwegen duelliert und hat jämmerlich versagt. Doch das war mein Beweis, dass er mich wirklich mochte.“ „Ich dachte Vater verabscheute solche Grässlichkeiten?“ Seine Mutter nickte. „Das stimmt ja auch. Er hat es verabscheut, aber nur weil er sich so blamiert hatte.“
„Wie dem auch sei. Sollte dir an dieser Miss Knight wirklich etwas liegen, dann gebe ich dir meinen Segen unter der Bedingung, dass du dich nicht mehr solcher Gefahr aussetzt.“ Edward musste lächeln. „Ja, Mutter.“


Knight House


Robert Knight saß misstrauisch seiner Mutter gegenüber. Sie hatte ihm etliche Listen passabler Männer vorgelegt. „Das soll doch wohl ein Witz sein?“, fragte er nachdem er den letzten Bewerber auf den Tisch gefeuert hatte. „Diese Männer sind über fünfzig!“ „Ja und?“, fragte sie unschuldig. Das brachte das Fass zum überlaufen. „Du willst deine Tochter an solche Typen verschachern!? Bist du übergeschnappt!“ „Diese Männer gehören zu den einflussreichsten Lords der Gesellschaft.“ Knight lachte abfällig und hob eine Mappe hoch. „Stimmt. Da ist ein verwitweter Earl mit zwei Kindern, die im selben Alter sind wie Isabella selbst!“
„Das ist doch das Beste. Sie muss sich keine Gedanken machen, dem Mann weitere Erben zu schenken.“ Robert sah sie schockiert an. „Hast du vielleicht daran gedacht, dass sie Kinder will?“ Seine Mutter verzog das Gesicht. „Wieso sie sich so etwas wünschen? Das ist das schlimmste in der Ehe. Seinen Körper für ein Kind zu verunstalten.“ „So wie du?“, sagte Robert sarkastisch und seine Mutter errötete vor Zorn. „Genau. Ich war schön und beliebt und dann kamst du und alles war vorbei. Nach einigen Jahren war ich wieder einigermaßen passable für die Gesellschaft und dann kam Isabella.“
Robert war das ganze leid. „Hasst du uns deshalb, Mutter?“ Er kannte die Antwort und kümmerte sich schon lange nicht mehr darum. „Ja, ich hasse dich und deine Schwester dafür.“
„Gut. Zu deiner Information. Diese Typen kannst du vergessen.“ Damit stand er auf, verließ den Raum und stieß mit seiner Schwester zusammen. „Isabella. Hast du wieder gelauscht?“ Isabella schaute an ihm vorbei und vergoss tränen. Alles konnte Knight ertragen, aber nicht das Weinen seiner Schwester. Er nahm sie bei den Schultern und brachte sie in den blauen Salon. „Nicht weinen.“ „Wie kann man nur seine eigenen Kinder so hassen?“, flüsterte sie und sah ihn an. „Gib nicht all zu viel auf ihre Meinung.“ „Will sie mich wirklich mit alten Männern vermählen?“ Knight seufzte und fuhr sich durchs Haar.
„Weißt du noch meine Wette mit Stratton?“ Isabella sah ihn stirnrunzelnd an, nickte aber. „Mutter hat mit mir eine Gegenwette laufen. Sollte Stratton dir nicht bis Ende der Saison keinen Antrag machen, müssen wir beide eine Person ihrer Wahl heiraten.“ Sie sah ihn schockiert an. „Wie konntest du?“ Knight seufzte. „Isabella. Stratton ist unsere einzige Chance.“ Seine Schwester erhob sich und gab ihm eine Ohrfeige. „Du Scheusal! Wie kannst du nur mit dem Leben anderer Leute spielen!“ Knight betastete seinerote Wange. Autsch. Das hat wehgetan. Ohne weitere Worte stürmte seine Schwester hinaus.
„Nicht die Reaktion, die Sie erhofft hatten, oder?“, meinte Wilkons, der in der Tür stand. Knight erhob sich und sah seinen Butler an, wobei er hämisch grinste. „Ich hab mir gedacht, dass sie so reagiert. Und sie hat ja Recht. Ich spiele mit Leben, einfach so aus Spaß.“ „Was, wenn sie Lord Stratton davon unterrichtet?“ Knight musste bei der Vorstellung lachen. „Er wird sauer sein, aber das dürfte die beiden zusammenschweißen.“ Sein Butler gab ihm seufzend die Morgenpost, unter der auch schon einige Einladungen zu Bällen waren.


Stratton House... fünf Minuten später


Stratton war wollte gerade frühstücken, als ein Diener eintrat. „Lord Stratton, Miss Knight wünscht dringend mit Ihnen zu sprechen.“ Stratton sah auf die Uhr und runzelte die Stirn. So früh? „Bringen Sie sie in den gelben Salon.“ Der Diener verbeugte sich und verließ wieder den Raum. Seine Mutter sah ihn fragend an, doch Stratton zuckte mit den Schultern. „Ich weiß nicht, was sie möchte.“ „Nun, es muss sehr dringend sein.“, meinte sie und trank ihren Tee. „Ja, muss es wohl. Ich geh dann.“
Im gelben Salon angekommen, blieb Edward vor dem aufgebrachten Geschöpf stehen. „Was ist denn los, Miss Knight?“ Sie nahm seine Rockaufschläge und schüttelte ihn so kräftig sie konnte. „Wussten Sie davon?“ Wovon wissen? „Miss…“ Weiter kam er nicht, denn sie schüttelte ihn wieder. „Wussten Sie von der Wette, Stratton?“ Mit einer bestimmten Bewegung hielt er ihre Hände fest. „Von welcher Wette sprechen Sie?“ Sie sah ihn mit großen Augen an und kämpfte sichtlich mit den Tränen. „Wussten Sie von der Wette meines Bruders und meiner Mutter?“ Die hatten eine Wette zu laufen?
„Ich hatte keine Ahnung.“, meinte er gelassen. Doch Isabella sank auf einen Sessel in sich zusammen. Stratton hockte sich vor sie und nahm ihre eiskalten Hände. „Was ist passiert?“ Unter tränen erzählte sie ihm alles, was sie gehört hatte. Danach war er ziemlich aufgewühlt. „Was hast du getan, Knight?“, flüsterte er benommen. „Ich weiß.“, sagte auch Isabella leise. „Dann hängt das Schicksal von Ihnen und Knight in meinen Händen?“ „Ja.“ Edward fuhr sich über das Gesicht und sprang auf. Plötzlich fühlte er sich wie ein Löwe im Käfig. „Das kann ich nicht.“, sagte er erstickt.
Isabella sah ihn mit verquollenen Augen an. „Aber Sie müssen, Lord Stratton.“ Edward schüttelte panisch den Kopf. „Tut mir leid, aber das geht nicht, niemals.“ Mit diesen Worten verschwand er so schnell er konnte. Er rannte geradezu zu seiner Kutsche und fuhr einfach los. Er wusste nicht wohin, aber plötzlich fand er sich am Hafen wieder. Es war Krieg in Frankreich. Mit einem Satz sprang er vom Wagen und ging zum nächstbesten Schiff, das nach Frankreich ging. Erst als das Schiff ablegte, konnte Edward durchatmen. „Es tut mir leid.“, flüsterte er mit Blick auf die Stadt.


Knight House…zwei Tage später


Robert Knight hielt gerade eine Nachricht in den Händen, als seine Schwester hereinkam. „Lord Stratton wird sicher wieder nach Hause zurückkehren.“ Knight lächelte traurig und zeriss die Nachricht. „Nein. Wird er nicht Isabella. Er ist gerade auf den Weg nach Frankreich.“ Hinter ihm hörte er seine Schwester aufkeuchen. Knight drehte sich nicht um, um ihr ins Gesicht zu sehen. Ich und meine Wetten, dachte er seufzend. Jetzt hast du auch noch deinen einzigen Freund vergrault.
Knight hatte plötzlich keine richtige Sicht mehr und bemerkte geschockt, dass er weinte. Selbst seine Schwester, die sich von hinten an ihn anschmiegte, hatte er nicht bemerkt. Gemeinsam teilten sie ihr Leid. Doch dann wurde die Stille von ihrer Mutter unterbrochen. „Wie ich hörte, ist Lord Stratton geflüchtet?“ „Halt den Mund.“, drohte Knight seine Mutter, aber sie lachte einfach. „Du hast die Wette noch vor Anfang verloren.“ Er ballte die Fäuste und drehte sich um. „Du hast gewonnen. Also mach, was du willst.“ Sie lächelte ihre Kinder eiskalt an. „Das werde ich.“
Nachdem sie gegangen war, sahen sich die Geschwister lange Zeit an. „Ich hasse ihn deswegen nicht.“, flüsterte Isabella und Knight strich ihr über die Wange. „Ich habe ihn da hineingebracht.“ „Ich mach mich dann fertig.“ Knight beobachtete, wie seine Schwester hoch erhobenen Hauptes den Raum verließ. „Lord Stratton hat sich also verdrückt.“ Knight sah Wilkons an und schüttelte bedauernd den Kopf. „Er ist nicht freiwillig gegangen, Wilkons. Es war meine Schuld. Ich hab es zu weit getrieben.“ „Aber jetzt werden Sie und Ihre Schwester die Konsequenzen tragen.“ Knight ließ sich in seinen Sessel sinken. „Ich weiß, aber ich verachte Edward nicht für sein Handeln.“
„Wenn Sie das Mal nicht bereuen.“


Fortsetzung: Wiedersehen mit Folgen

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Tag der Veröffentlichung: 03.10.2011

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