Proxima beklagt das beständige Einerlei im Kreislauf aller Dinge!
Wie ist alles so nichtig auf dieser Welt?
Ja, es ist alles umsonst getan oder gesagt oder gedacht. Oder auch geschrieben?
Proxima wundert sich.
Was hat der Mensch für Gewinn von all seiner Mühe, womit er sich plagt unter der Sonne?
Ein Geschlecht geht dahin, ein anderes kommt, aber die Erde bleibt ewig bestehen. Die Sonne scheint tag für tag, scheint auf ewig. Der Wind weht immerfort kreisend an allen Orten der Erde, nach Nord, Süd, Ost und West und kehrt zurück. Alle Flüsse gehen zum Meer und nie wird ein Ozean deshalb übervoll.
So nützt sich alles ab, doch kein Mensch vermag es je zu deuten.
Die Augen werden nicht satt zu sehen, die Ohren werden nicht voll vom Hören. Was passierte, wird wieder geschehen. Es gibt nichts Neues unter der Sonne. Egal, was du suchtest, du findest nichts neues darin. Längst schon ist es da gewesen.
Den Früheren gedenkt man bald nicht mehr. So wird es auch uns Späteren ergehen, durch jene, die nachher kommen.
So erkennt Proxima bitter: alles Streben nach Weisheit und nach Sinnengenuss ist nichtig. Denn sie gedachte alles, was unter der Sonne je geschah durch Weisheit zu erforschen und zu ergründen. Eine leidige Mühe, die uns Gott verhängt hat, dass sich die Menschen derart abrackern müssen. Alles Geschehen, das ich betrachte, alles, was unter der Sonne passiert ist nichtig, nur ein Haschen nach Wind, nur atmen.
Was krumm ist, kann der Mensch schlecht gerade biegen, was unzureichend ist, kriegt man nicht ganz.
Bei sich selbst stellte Proxima fest, dass sie sich immer größere Weisheit erworben hatte, dass ihr Herz Weisheit und Wissen in Fülle erschaute. Sie war darauf bedacht zu erkennen, was jede Art von Weisheit sei, was Tollheit und Torheit sei. Doch sie erkannte dann, auch dies ist nur ein Haschen nach Wind.
Denn wo viel Weisheit, da ist viel Verdruss und je mehr Wissen, desto mehr Schmerz stellte sich ihr ein.
Schließlich sagt sich Proxima erquickt, um nicht vollends zu resignieren: versuche man besser mit der Freude in der Sonne zu gehen und den Wind zu erhaschen und genieße der Tage Geschehen. Ist es doch besser als alle vorherige Erkenntnis für jene, die es nicht wissen wollen, wie auch alle danach kommenden, die es nicht wissen wollen. Was ist schon der Mensch, trotz all dem Wissen seiner Vorfahren? Und was sollten alle sein, die von Proxima nichts wissen wollen? Jeder ist der erste von allen. Proxima primus omnium. Ein jeder lebe nach seiner Weise und finde seinen Sinn.
So sprach Proxima zu sich selbst:
Wohlan, versuch´s also mal mit Freude und genieße!
Doch siehe, auch das war nichtig.
Vom Lachen musste sie sich sagen: es ist sinnlos. Und von der Freude: was schafft die?
Sie sann sich aus: ihren Leib mit Wein zu laben, doch so, dass ihr Verstand in Weisheit die Leitung hätte und nach der Torheit zu greifen, bis sie sehen wird, was für den Menschen gut sein kann unter Sonne und Himmel, für die kurze Zeit seines Lebens. In der Folgezeit unternahm sie viele Werke und Taten, um sich zu entfalten und nicht alleine der Freude zu huldigen. So wurde sie sich groß und größer und überdies verblieb ihr ihre Weisheit. Was ihre Augen begehrten, das wollte sie sich dann zur Belohnung gönnen, entzog ihnen nichts und keine Freude entsagte sie ihrem Herzen. Denn sie fühlte sich wohlgetan ihrem Sinn der Lebensfreude. Dies wurde der Lohn all ihrer Mühen.
Doch als sie alle ihre Werke wieder ansehen musste, mit aller Mühe, die sie damit gehabt, siehe da war wieder alles nichtig und wie ein Haschen nach dem Wind. Es gibt keinen Gewinn unter der Sonne, stellte sie ermattet fest.
Da ging sie wiederum daran die Weisheit mit der Torheit zu vergleichen. Sie konnte erkennen dass die Weisheit die Torheit so weit übertreffe, als das Licht die Finsternis übertrifft. Der Weise hat seine Augen im Kopfe, der Tor aber geht wie blind im Finstern dahin. Doch sie erkannte, dass ein Geschick ihnen allen begegnet. So dachte sie bei sich selbst: was dem Toren begegnet, wird auch mir begegnen! Wozu bin ich dann soviel weiser gewesen? Also ist auch dieses nichtig. Denn das Andenken der Weisen bleibt ebensowenig, wie das der Toren, weil in künftigen Tagen längst alle vergessen sind.
Ja. Der Weise stirbt wie ein Tor!
Mit dieser Erkenntnis wird mir das Leben verhasst, denn Übel erschien mir alles, was unter der Sonne geschah. Alles ist nichtig, wie ein Haschen nach dem Wind.
Verhasst wurden ihr all ihre Mühen, doch sie fragte sich noch inniger:
Muss ich es doch einem anderen, der nach mir kommt unter der Sonne, überlassen? Aber wer weiß ob es ein Weiser oder ein Tor sein wird? Dennoch, so oder so, wird er schalten und walten, wie er will, mit allem wofür ich Mühe und Weisheit aufwendete unter der Sonne. Auch dies wird dann nichtig sein.
Und so wollte sie dazu kommen an allem zu verzweifeln, worüber sie sich so sehr abmühte in ihren guten Tagen, denn sie wird endlich alles anderen überlassen müssen, was sie so gerne geschaffen hatte. Auch dieses wird ein großes Übel sein, mit ansehen zu müssen, wie die Werke übernommen werden an jene die sie nicht getan haben und ihren Wert nicht zu schätzen wissen, sondern nur den Gegenwert verlangen.
Was hat also der Mensch von all seinem Mühen und Streben?
Nur Schmerz und Verdruss bleibt ihm übrig und sogar bei Nacht hat sein Geist und sein Herz keine Ruhe dies zu empfinden.
Es gibt also für den Menschen nichts besseres, nichts sinnvolleres, als dass er esse und trinke und sich gütlich tue in all seiner Mühsal. Doch, so erkannte sie wieder, all das kommt ja aus der Hand Gottes, denn wer kann genießen ohne ihn? Dem, der ihm gefällt, gibt er Weisheit und Freude, Einsicht und Genuss, dass er essen und trinken kann mit Belohnung seiner Mühen. Den Toren aber lässt er sammeln und anhäufen, um es hernach dem zu geben, der Gott gefällt. Auch das ist nichtig und ein Haschen nach dem Wind. Aber, mit Gott gibt es doch einen Unterschied. Erkannte Proxima im Vergleich dessen und dachte weiter nach:
Jedes Ding unter dem Himmel hat seine Zeit und alles, was uns widerfahren soll hat seine bestimmte Stunde.
Welchen Gewinn hat also ein jeder von dem, worum er sich abmüht? Was Gott bestimmt, das gilt ewig, man kann nichts hinzu oder davon weg tun. Gott sucht das Entschwundene wieder hervor.
Aber was sah Proxima unter der Sonne geschehen? An der Stätte des Rechtes da war das Unrecht, an der Stätte der Gerechtigkeit da war Frevel. So dachte Proxima: Gott wird den Gerechten, wie den Frevler richten, denn jedes Ding und jedes Tun hat seine Zeit zum Zeitpunkt Gottes allein. Das Geschick des Menschen ist für ihn gleich dem des Tieres, wie dieser so sterben jene. Keiner hat einen Vorzug. Aus dem, was sie einst waren, das werden sie wieder sein.
So erkannte Proxima wieder, dass es für den Menschen nichts besseres gibt, als dass er fröhlich sei bei seinem Tun, das ist sein von Gott gegebener Teil. Denn nur der Mensch allein kann sich dazu bringen sich zu freuen, an dem, was mit ihm sein wird und Gottes Besorgnisse für die Erdenwesen sind andere. Die Freuden des Menschen sind ihm nicht Schaffen genug.
Mit Erstaunen erkannte dies Proxima und wunderte sich wieder und sah alle Bedrückungen, die unter der Sonne geschehen und Gott weniger bedrückt verfolgen musste. Sie sahen die Tränen der Unterdrückten fließen und niemand tröstete sie; von der Hand ihrer Bedrücker erlitten sie noch Gewalt und niemand wollte ihnen helfen. So sah sie auch, dass alles Mühen und Gelingen nur Eifersucht des einen gegen den anderen ist. Erschien ihr nichtig, wie das Haschen nach Wind. Besser eine Hand voll Ruhe als beide Hände voller Mühe und Haschen nach dem Wind. Zwei sind besser noch dran als einer alleine, denn sie haben doch guten Lohn für ihre Mühe und fällt einer, so hebt der andere ihn auf. Doch wehe dem Einzelnen, wenn er fällt und keiner da ist, ihm auf zu helfen. Und liegen zwei beieinander so wärmen sie sich, aber einer alleine findet wenig solcher Wärme. Doch wie kämen zwei auf die Idee, dass eine Schnur von dreien noch schwerer zu durchschneiden ist? Ja, auch das ist nichtig wie das Haschen nach Wind.
Aber jedem Einzelnen kommt seine Ehrfurcht vor Gott zugute. Hintreten um ihn zu hören ist besser als wenn die Toren Opfer bringen. Sei also nicht vorschnell mit deinem Munde, sagte sie sich, und rede zu Gott auch mit deinem Herzen und deiner Seele, denn er ist dort wo du nicht bist und du bist dort wo er nicht sein muss. Denn wie Träume kommen bei vielen Absichten, so kommt törichtes Gerede bei zu vielen Worten. Was du gelobst, das halte, weil Gott nicht viel Gefallen findet an den Worten der Toren. Gelobe nichts, wenn du nichts halten willst.
Wenn du also siehst, wie in deinem Lande der Arme bedrückt, wie Recht und Gerechtigkeit vorenthalten wird, so wundere dich nicht über die Sache, sondern strebe nach Hilfe und Höherem, bedenke den Gewinn für das Land, wenn es dem Rechte des Einzelnen dienlich ist.
Wer das Geld liebt, der wird dessen nicht satt und strebt ständig des Ertrages. So war es immer, so wird es immer bleiben, was Gott in solchen kleinen Geistern nie verwunderte, denn die Blinden sehen mehr an Reichtum. Wenn aber das Gute sich mehrt, so mehren sich all die, die davon zehren wollen. Der Gierige will das Ansehen, das nichts bedeutet, der Gute aber hat es, ohne dass er es erstrebte und hat einen süßen Schlaf dabei. Es lohnt sich nur für die Guten die Mühe, denn ihrer ist der rechte Lohn, wenn er sich abmüht unter der Sonne. Gott will den Reichtum nicht sehen den einer auf Erden hat, aber er will sehen welchen Reichtum an Güte einer mit bringt, wenn er zu ihm kommt. Denn ein solcher denkt nicht viel an die Mühen und die Kürze seines Lebens, weil Gott ihm ständig die Freude des Herzens gewährt.
Mag also einer auf Erden seinen falschen Reichtum noch so genießen, aber keiner von denen könnte ein Glück genießen, das er nie hätte, denn jeder andere mit dem Reichtum der Güte in seinem Herzen ist mehr Licht unter der Sonne, wie in der Dunkelheit der Nacht, in der der Reichtum nur zur Plage dient, seine Gier wird nie gestillt und noch vor Gott will er von seinen Begierden prahlen.
Was immer geschieht, das ist längst bestimmt, es steht mehr fest, was mit einem Menschen geschieht, keiner kann mit dem rechnen, was mächtiger ist als er, denn das wird ihn erwarten, was keines Reichtums bedarf außer dem der Güte im Menschlichen. So wird Gott einen jeden empfangen und wehe dem, der von anderen Werten sprechen will, als von den ewig gültigen! Denn je mehr Worte einer von sich gibt, desto mehr hört man Nichtiges.
Beide Gegensätze hatte Proxima gesehen: mancher Fromme kommt früher um bei all seiner Frömmigkeit und mancher Gottlose wird alt bei all seiner Schlechtigkeit. Halte an deiner Güte fest, so gehst du nicht Fehl, denn es gibt auch keinen Frommen auf Erden, der nur Gutes täte und niemals fehlte. Achte nicht auf alles, was geredet wird, dann hörst du nicht wie dein Nachbar fehl geht und dir nur Verdruss brächte, über seine Flüche, denn auch du hast nicht überall ohne Flüche auskommen wollen.
Siehe, dies habe ich gefunden, stellte Proxima fest: was meine Seele immerfort suchte und was ich fand, ist dieses: dass Gott die Menschen recht geschaffen hat ist unabänderlich, sie aber suchen viele Künste, statt ihresgleichen zu finden, den Nächsten, der gleich sein will wie jeder andere. Wer ist wie der Weise und wer versteht die Deutung der Dinge? Die Weisheit erleuchtet des Menschen Antlitz und die Härte seines Antlitzes wandelt sich. Übereile dich nicht, gehorche der allgemeinen, wie der Ordnung Gottes, bleibe nicht bei bösen Handeln, tue deine Sache selbst und erfordere sie nie von Gott, denn hilfst du deinem Nächsten so hilft er dir ebenso, wenn du es nötig hast. Jedes Ding hat seine Gerichtszeit, was der Mensch böses tut, lastet schwer auf ihm, so schwer, dass er es mit Gott nicht klären kann. Kein Mensch hat Gewalt über den Wind, er könnte ihn nie aufhalten, ebenso hat keiner Gewalt über den Tag des Todes und es gibt keine Lösungen durch Kriege und seinen Frevel lässt keinen Täter entkommen. Irgendwann wartet das Gericht seines Gewissens auf ihn.
Als ich meinen Sinn darauf richtete Weisheit zu lernen und die Dinge besser zu beobachten, die auf Erden geschehen, da erkannte ich, dass es dem Menschen unmöglich ist, das ganze Tun Gottes zu ergründen, alles was unter der Sonne geschieht zu verstehen. Denn wie immer sich der Mensch abmüht, zu suchen, er ergründet es nicht, selbst wenn es der Weiseste zu verstehen meint.
All dies hatte sich Proxima zu Herzen genommen, all das hatte sie gesehen: dass die Frommen wie die Weisen und ihre Werke in der Hand Gottes liegen. So trifft alle das Gleiche Geschick, die Frommen wie die Gottlosen, den Guten wie den Bösen, den Reinen und den Unreinen, den, der opfert und den, der nicht opfert, den Guten wie den Sünder, den der schwört, wie den, der sich vor dem Eide fürchtet. Das ist das Schlimme, bei allem, was unter der Sonne passiert, dass alle das selbe Geschick trifft, aber der Böse geht immer in der Unruhe, die er stets verbreitet hat, wogegen die Guten mit ihrer Ruhe, wie mit der Ruhe Gottes selig ihr Geschick verstehen und hinnehmen, als sei es die Belohnung für all ihr Tun an ihren Werken.
Worte von Weisen, die sich in Ruhe vernehmen lassen, sind besser als das Geschrei eines Herrschers unter den Toren. Weisheit ist besser als alle Kriegswaffen, eine einzige, die fehl geht, verdirbt schon viel Gutes. Dem Weisen bringen die Worte seines Mundes Gunst, dem Toren verderben seine eigenen Lippen. Viele Toren machen viele Worte, wo noch kein Mensch weiß, was sein wird. Nur eines weiß der Tore, dass nach ihm wieder Tore sein werden, ansonsten kann er keinem sagen, was nach ihm geschieht. Gleichwie keiner weiß, wohin der Wind weht, so kennst du auch das Tun Gottes nicht, durch das er alle Dinge wirken lässt.
Früh am Morgen säe deínen Samen und bis zum Abend lass deine Hände nicht ruhen. Denn du weißt nie, was aufgeht und dir glückt. Süß ist dem Auge das Licht, köstlich ist es, die Sonne zu erblicken. So freue sich der Mensch an allem, an seiner Arbeit, wie in seinem Raum und des ganzen Tages, der für ihn geschaffen ist. Banne den Unmut und halte alle Übel von dir fern. Sei deines Schöpfers bewusst in der Blüte deines Lebens, wie in den bösen Tagen, die kommen können. Ja, jeder Mensch ziehe es vor in sein ewiges Haus zu gehen, statt klagend in der Gasse umher zu ziehen.
Denn jeder Odem kehrt wieder zu Gott, wie er ihn einst gegeben und der Staub wird wieder zu Erde, wie er gewesen. Es war doch alles kein Haschen nach dem Wind, nichts war nichtig und nie war etwas umsonst, wenn es unter der Sonne mit Gott getan wurde. So erkannte Proxima in der ganzen Fülle ihrer Weisheit und freut sich auf alles, das da kommen mag. Folgen wir ihrer Weisheit!
Sind wir nur für uns auf dieser Welt? Nein. Es darf sich nicht jeder selbst der Nächste sein, es ergibt sich viel mehr Sinn, den anderen näher zu sein als sich selbst.
Texte: vivyky.autorenschaft
Tag der Veröffentlichung: 07.02.2011
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Für alle, die ihre Gedanken in dieser Fabel wieder finden.