Nemesis sah eher die innere Beladenheit der Menschen als ihre äußere, wie sie sich für jene eher ausmachen sollte. So war auch Okas erst überrascht als er sie zu einer Zeit traf, da er sich gerade eine stärkere Aufgabe aufzuladen gestattete, nämlich endlich dem Sinn des Lebens auf den Grund zu kommen, was ihm nach all so vielen Jahren noch immer nicht gelungen war. Wozu er sich so abplagte und doch keine rechte Freude, geschweige denn, einen Sinn darin finden zu können, was ihn zu sehr wurmte. Aber Nemesis erwischte ihn gerade in diesem Augenblick auf dem falschen Fuß oder falsch beladen, wie man so sagt und wie er den Eindruck machen musste, was sie ihm nun gerne sagen wollte.
Gerade hatte Okas die Stadt der Gerechtigkeit erreicht, die man so nennt, weil Nemesis dort zuhause ist, als sich die beiden am Ortseingang begegneten. Da Okas schon öfter in ihrer Stadt gewesen ist, kannte sie den unermüdlichen Wanderer und Marktbesteller sehr gut, weil er gerne seine Waren auf den Märkten feilbot, dieses Mal jedoch ohne sichtbare Lasten daher kam, was der schönen Frau zweifellos auffallen sollte. Sie wollte es sich aber nicht anmerken lassen und fragte ihn, wie erstaunt.
„Sag mir doch, Okas, was kommst du heute so seltsam beladen daher? Was schleppst du denn alles mit dir herum, dass du schier unter der Last zusammenbrechen wolltest, wie es den Anschein hat? Obwohl du keine Waren für den Markt dabei hast. Musst du denn all das mit dir herumtragen? Du hast ja gar keinen Platz mehr Neues aufzuladen. Gehst du deshalb ohne Waren zum Markt?“
„Wie meinst du das jetzt, Nemesis? Ich habe meine Hände doch frei, wie du unschwer erkennen kannst.“
Ja, deine Hände schon, aber ich spreche doch von deinem Geist, mit dem ich dich so beladen sehe. Deinen Geist, der dich so plagt, mit all deinen Vorurteilen, die dich so beladen zeigen, wie ich dich sonst vorher nicht gesehen habe, obwohl du oft größere und andere Lasten zu tragen hattest.“
„Das sehe ich nicht so, wie du, liebe Freundin der Gerechtigkeit.“
„Ach so? Da müsste ich mich aber sehr täuschen wollen, wenn ich das jetzt falsch sehen würde. Und du weißt genau, dass ich solche Täuschung nicht mag, die Ungerechtigkeit nach sich zieht.“
„Das muss ich dir zu gestehen. Dafür bist du sehr bekannt, Nemesis.“
„Schön. Dann sage mir doch bitte, was lässt dich so erscheinen, mein Freund Okas, den ich ganz anders kenne? Denn deine Manier ist doch eher von guter Absicht, wie ich beurteilen kann.“
„Dann mag sich mein Geist wohl anders zeigen, als mir gewahr ist. Verzeihe mir. Ich muss auch zugestehen, dass mich ein schwerer Gedanke noch plagte, als ich die Stadt betreten hatte, dachte aber, er sei wieder verflogen. Vielleicht liegt es auch daran, dass ich diesen Gedanken öfters habe und er mir schon zur Gewohnheit wurde, dass er sich mir nicht mehr vollends entziehen will. Doch immer verschließt sich mir eine klare Antwort und so lege ich die Frage beiseite, wie du sie, dank deiner seherischen Fähigkeit, noch gesehen haben magst, an mir oder in mir.“
„Welche Frage könnte einen guten Menschen, wie dich, so beladen, dass er mir gar so überbeladen erscheinen sollte? Das wundert mich doch sehr. Kannst du mir sagen, was dich so beschäftigen will?“
„Ich sage es dir gerne, verehrte Nemesis, und es mag dich verwundern, aber vielleicht lässt sich mit Gerechtigkeit besser damit umgehen oder eine gute Antwort finden, stelle ich mir vor. Es ist die Frage nach dem Sinn, von der wir reden. So viele habe ich schon getroffen, die dazu neigten, zu sagen, für sie hätte das Leben keinen Sinn. Und alle Wissenden, Weisen, Philosophen, wie auch die Prediger des Glaubens, konnten mich nicht recht überzeugen mit ihren Aussagen, dass ich mich stets wieder fragen musste, wie ich deutlicher zur Lösung dieser Frage kommen könnte. Aber du siehst mich mehr beladen als jemals zuvor, wie du mir ebenso zu verstehen gegeben hast.“
Ich bedauere, dass ich so direkt zu dir gesprochen habe, doch das ist meine Art und besonders bei guten Freunden pflege ich diese nicht zu verbergen. Aber ich muss dir schon zugestehen, dass du in einem deiner Antwort schon sehr nahe bist, denn du hast gut erkannt, dass du sie selbst finden musst, die Lösung zu deiner Frage.“
„Wie bitte, erst sagst du, ich sehe sehr beladen aus und dann siehst du schon so viel Erkenntnis an mir. Wie soll das zusammen passen?“
„Das kann ich dir sagen. So einfach, wie eine gute Waage, die von zwei Lasten hin und her sich senkt und doch mit dem Guten beladen ist.“
„Das verstehe ich schon und doch lässt es mich wieder zweifeln, als ob die beiden Lasten immer zwei Lasten bleiben und unabhängig voneinander fortdauern. Als gäbe es gar keine Antwort noch Lösung für die Frage und das Problem, von dem wir sprechen.“
„Ich könnte dir helfen sie zu finden, wenn du sie denn selbst finden willst, Okas.“
Nun, wenn es diese Möglichkeit geben sollte, dann will ich auf deine Ratschläge ungern verrichten. Wenn du der Gerechtigkeit so hold sein kannst, wird es sich dir auch erlauben, mir den Sinn klar aufzeigen zu können. Muss ich doch erkennen und zugeben, dass sich viele Leute, die ich traf, die am Sinn so sehr zweifelten, mehr aus der Ungerechtigkeit speisten. Da ist vieles dran, will ich damit sagen. Auch die Philosophen und Prediger zeigten sich nur wenig auf der Seite der Gerechtigkeit. Du magst also gut darin liegen, den Sinn deutlicher zu sehen als all die vielen anderen, die mir begegneten. Doch so einfach lässt es sich bestimmt nicht erklären, wie ich mir vorstelle. Oder hast du ein Paraderezept für die Sinnerklärung?“
„Da liegst du völlig richtig, das ist wahrlich nicht einfach, hier etwas Allgemeingültiges aufzustellen. Deshalb schlage ich dir vor, wir gehen zuerst zu mir und ich lasse dich wissen, was ich dazu zu sagen habe, während wir dabei etwas Gutes essen und trinken.“
„Ich will
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Texte: vivyky.deAlle Rechte sind dem Autor vorbehalten.kykyde.de
Tag der Veröffentlichung: 04.02.2011
ISBN: 978-3-86479-720-0
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Allen, die sich finden wollen.