Cover



Die Rosen der Güte


Eine Verstehensnovelle


Von


Klaus Ky Kyde


Alle mit diesem Werk zusammen hängenden Rechte sind ausschließlich dem Autor vorbehalten, mit Ausnahme der Zitate von Sappho und Archilochos.


Herstellung:
Sub Lit Plus
vivyky house


Covergestaltung: bhg. Curt Hauser, München
Autor: Klaus Ky Kyde
E-mail: kykyde@web.de
WWW.kykyde.de.tl


1

Takuan. Ins neue Leben

Gebrochenes Herz. Aus.

Gebrochene Herzen. Aus.

Sie wollte das nicht mehr. Nein.

Er wollte das nicht mehr. Nein.

Das Innere nach außen. Nicht mehr. Vorbei.

Ende eines letzten Versuches. Schluss mit den Versuchen.

Schluss mit den Schmerzen. Schluss mit dem Leiden.

Sie hatte es erkannt. Für sich erkennen wollen.

Für immer!


Für immer?

Kann man das sagen? Für immer. Immer?

Bestimmt nicht. Besonders aus der Sicht des Anderen.

Auch nicht aus der Sicht des Kommenden. Das weiß doch niemand.

Aber für sich? Für seine Erfahrung. Aus seiner eigenen Erfahrung. Für seine Lebensweise kann man das schon sagen.

Überall kann man es lesen. Zwischen den Zeilen.

Überall kann man es hören. Zwischen den Dialogen.

Überall kann man es sehen. Wenn sie alleine sind.

Wann ist der Krug voll? Wann läuft er über?

Jetzt?


Ja. Jetzt.

Gebrochene Herzen darf es nicht mehr geben. Sie will es nicht. Sagt sie sich. Endlich.

Gefallene Engel kann es nicht geben. Sind wir doch nur kurz das Leben. Ist das Leben doch nur kurz für uns. Unser Kind ist immer länger in uns. Nichts hält warm genug. Auf Dauer. Bis sich diese Kälte kaum mehr ertragen lässt.

Nein. Kälte lässt sich jetzt nicht mehr ertragen. Gerade dann, wenn man allein gelassen wird.

Mit dem Schmerz?

Man kann keinen Schmerz teilen. Nicht zurück lassen. Kein Organ lässt sich auf den Schmerz behandeln. Nerven sind überall dabei. Nur dabei. Das Stechen der Seele. Doch, wo sollte das sein? Noch andere Schmerzen werden kommen.


Ja. Über die Jahre. Wie dieses dumpfe Denken bleiben wird. Stete Gedanken von einer Narbe. Immer sichtbar. Nie verheilend.

Lieber so. Aber anfangen? Nie mehr so.
Die Blätter fallen. Und wachsen wieder. Sie sind keine Liebe. Brauchen keine Liebe. Oder sind sie mehr Liebe als wir sehen können?

Sind wir zu blind dafür? Zu blind für die Natur. Sind wir zu sehr Kultur? Zu sehr verkünstelt. Künstlich. Unfähig für das Stete?

Stetigkeit? Beständigkeit? Dauerhaftigkeit?

Die Vögel draußen zeigen niemals eine Seele. Oder doch? Sehen wir sie nur nicht? Wir sehen mehr als wir sehen wollen und sehen doch viel zu wenig. Und sie zeigen keine gebrochenen Herzen. Wenn, dann sehen wir sie nicht. Sind wir zu sehr rationales Denken, wo Tiere rationales Fühlen zeigen?


Man muss sie genau ansehen, ihnen zusehen, wie sie tollen. Ihre permanente Freude an Bewegung überdeckt vieles. Jahreszeit auf Jahreszeit. Jahr für Jahr haben sie ihren Spaß. Sie nehmen die Liebe, wie sie ist. Sie nehmen das Leben, wie es kommt. Auf sie zukommt. Sie fühlen das Leben, spüren, wie bewusst, ihr Dasein, ohne viel denken zu müssen.
Menschen sind anders, könnten dies niemals, nie so permanent zeigen. Ein leidiger Vergleich. Wir sind ganz anders. Eine andere Art von Natur.

Menschen benutzen zu sehr das Denken, ihr Denken, für ihr Tun. Verlieren dabei vieles an Glück, an Freuden, an Ausgelassenheit, an Losgelöstheit.


Wir nehmen alles zum Anlass für das Verlieren. Alles komplizieren. Zu kompliziert sein wollen. In Kleinigkeiten besonders. Der Schal verrutscht, als sei er der übertragene Verlust. Der Wasserhahn dreht sich nicht zu, als wollte er nicht los lassen von dir. Der Wind bläst dich fast fort mit einer lauen Brise. Alles nimmt dir die Luft. So trauert kein Vogel. So leidet kein Blatt. Ungern gehst du deine Wege.

Bleibst lieber zu Hause. Gewöhne dich erst wieder an dich. Nur Abstand. Licht im Dunkeln einschalten. Anderen zusehen. Ihre Verluste vergleichen. Eingeschränkt. Die Welt wird jetzt kleiner. Und doch zu groß. Selbst zurück gestellt. Selbstachtung akzeptieren. Es dauert seine Zeit. Man benötigt seine Zeit dazu. Verstand und Gefühl müssen sich erst trennen, bevor sie wieder zueinander finden wollen.

Nein. Sich verlieren gehört nicht dazu. Denn Wert hat jetzt nichts. Die Angst muss kein Begleiter sein. Die Umstände sind andere. Für andere. Keine Fragen. Keine Antworten. Was wollte einer helfen? Hilfe ist kein Ausweg. Der Ausweg ist in dir. Nur in dir. Du hast die Zeit dazu.

Wenn kein Ausweg mehr gewollt ist.

Ausweg? Heraus?


Ja. Der Weg nach draußen. Heraus. Nicht in Räumen bleiben wollen. Sie verschachteln das Geschehene. Das Seelenleid in Kisten. Behältnisse der Seele. Draußen ist keine Sehnsucht mehr. Draußen ist der freie Raum. Unendlichkeit zum Abstand.

Den Alltag wieder besorgen. Erledigungen. Anschaffungen. Kleinigkeiten zu Beginn. Zum Discounter fahren, um Abwechslung zu gewinnen. So absurd, wie sinnvoll. Sinn ist Gewohnheit gegen Gewohnheiten, die nicht gut täten. Danach.

Jetzt wieder alles nur für sich selber besorgen. Für sich. Nur für sich. Die Menschen sind wie immer. Immer sind sie so. Menschen halt. Was sollten sie bemerken? Was bemerken sie schon, was andere quält? Alles ist an seinem Platz. Unpässlichkeiten zeigen, wäre störend. Sie wollen nicht belästigt sein, in diesem Alltagstrott. Routine ohne Rücksicht. Sie passt sich wieder an. Taucht darin unter. Erledigungen. Zum Diskounter.


Alles ist, wo es immer war. Man findet es auch alleine. Gedränge an der Kasse. Unnötige Unhöflichkeiten fallen plötzlich auf. Leere Gedanklichkeiten. Warum kein Lachen? Es machte vieles einfacher.

Heute wollte sie ein Lachen zurück erwarten. Wusste nicht genau, warum. Sonst bemerkte sie es gar nicht so. Das Wägelchen klackert in die anderen. Ein bekanntes Geräusch. Aber jetzt, erschreckend fast. Scheint jetzt ein ekliges Geräusch. Sonst war es manchmal sogar angenehm, lustig, spaßig fast oder fiel gar nicht auf. Wie sich doch kleinste Dinge ändern? So einfach. Nur weil die Hälfte fehlt. Nicht mehr dabei ist.

Nur gleich wieder unter Menschen! Unbedingt. Es ist das Beste. Das Wichtigste. In ein Cafe in der Nähe? Die angenehme Atmosphäre spüren, erleben, erfühlen.


Wie ist es, wenn man alleine dort ist? Die Düfte genießen. Die Gespräche der Leute in sich aufnehmen. Zuhören. Zusehen. Das Durcheinander vernehmen. Löffel- und Tassengeklirre. Stärker als sonst. Lauter als sonst. Man hört mehr zu. Alles ist anders. Angenehm aber doch mit zu viel Leere gefüllt.

Ruhig sein. Sich in Ruhe lassen. Ruhe haben. Ganz, mit Abstand.

Sonst konnte immer jemand kommen, der störte. Jetzt ist das anders. Ruhe ist anders. Jetzt würde jeder stören. Das darf nicht auf Dauer so sein. Man muss es für sich abstellen. Schneller. Als wäre es schon bekannt. Es ist doch auch schon bekannt. Man hatte alles schon irgendwann einmal erfahren. Miterlebt. Oder mit Bedacht getan.

Es ist gut so. Man muss sich kontrollieren. Im Griff haben. Nichts stört. Nichts darf stören. Alles ist Übergang. Alles setzt sich fort. Kein Ende der Vorläufigkeit. Nie soll es kommen. Nie wird es kommen. Erlebte man es je? Es ist immer etwas Vorläufiges. Immer ist Vorläufigkeit. Keine hatte je ein Ende. Nie soll es kommen.


Immer weiter gehen. Leben hat Wege. Wege, die wir gehen. Das Ziel ist nur ein Punkt. Wege sind mehr Erfüllung als alle Ziele. Im Wege findet sich die Ruhe. Wege geben Kraft. Wege haben Substanz. Man wird nicht geschoben. Man schiebt sich nur selber.

Wege geht man mit Menschen. Menschen sind Stationen auf den Wegen. Man ist nie alleine.

Die wonnige Atmosphäre in einem Cafe ist wie ein Ruhepol auf dem neuen Wege. Hatte ihr sehr gut getan. Wieder die Wege des Alltags gehen zu können. Zu wollen. Man muss die Wege des Allmählichen wieder gehen. Wieder nach den stummen Freunden suchen und surfen. Im Webhouse ist immer Trubel und Stimmung. Musik, die manchmal lästig klingt, aber doch nur Hintermalung bedeutet. Es ist die Hektik der Ausgelassenheit, das Mekka der Jugend. Wir alle haben heute mehr Jugend.


So what? Na und. Was soll das? Tönt es aus den Lautsprechern der Kids. Es hilft der Ausgelassenheit. Auch der deinigen. Jede junge Generation will das, braucht das. Wir gehören dazu. Es ist heute schwerer sich auszuschließen. Alles ist anders. Man ist im Fluss. Man hat seinen Weg. Man muss seinen Weg mitgehen.

Online gehen. Sich wieder im Web finden wollen. Dreiunddreißig Spams. Unwichtige Meldungen. Ohne Bedeutung. Haben sich angesammelt. Löschen. Alle löschen. Alles will neu sein. Alles soll neu sein. Doch das Neue muss etwas richtig neues sein. Etwas, das nicht dazu gehörte. Fort mit dem anderen. Das stört zu sehr. Weg damit. Es lässt sich nicht mehr darüber lachen. Keine Sache machen.

Auch neue Meldungen von den alten Freunden. Sie wollen etwas wissen. Was mit einem ist? Wie man ist? Alles bestens! Alles gut bestellt. Keine glatten Lügen. Keine halben Lügen. Dass ihr euch keine Sorgen macht. Es geht weiter. Das Leben. So sagtet ihr doch immer? Wenn einer verlustig ging. Weiter. Der Weg, er setzt sich weiter fort.


Ihn hat man auch schon gesehen. Sagte man ihr. Es geht ihm gut. Welch eine Aussage? Wie kann es ihm gut gehen?

Er kann alles verbergen. Wie sonst auch? Geschick haben, um sich im rechten Licht zu zeigen. Er kann vergessen. Immer jung bleiben, sich immer fit halten. Es geht doch weiter.

Nein. Keine Chats. Keine Mails. Jetzt nicht. Nur Grüße und Vertröstungen. Hätte jetzt keinen Sinn sich sorgenfrei zu zeigen. Nein. Kein Smalltalk. Keine Gefälligkeiten. Keine falschen Nettigkeiten. Alles auf Abstand halten. Solide sein. Unauffällig.

Schon dunkel draußen. Jetzt nur gelassen mit sich nach Hause kommen. Schlafen wollen. Durchschlafen. Ins Wochenende. Den frühen Samstagmorgen genießen. Unerschöpft.

Der Kaffee zum Frühstück muss heiß sein, die Croissants knusprig warm gebacken sein, dass die Buttercreme darauf zerfließt. Sich an kleinen Dingen erfreuen. Jetzt. Im Jetzt sein.


Die Zeitung meldet nichts Neues. Krisen. Falsche Geldverteilungen. Stellenabbau. Verschiebungen. Ergebnisse. Was wäre daran neu? Man verzieht nur das Gesicht. Man ist schnell woanders. Gedanken suchen das Wesentliche.

Empathie folgt nicht, sondern bestimmt eher der Vernunft.

Der Rest des Kaffees ist immer kalt. Dennoch. Austrinken.


Sich etwas frisch machen. Duschen. Abtrocknen. Anziehen. Joggingdress, heute. Schuhe schnüren. Gelenke dehnen. Bewegen. Wege in den Wald finden. Gleich raus. Hinaus. Die weichen Wege finden. Die schlechte Luft heraus treiben. Vollen Sauerstoff tanken. Zuhören, was sich bewegt, was ruft, was singt und schreit. Alle Geräusche des wilden Waldes. All seine harzigen Düfte aufnehmen. Den Wirrwarr der Tiere, der Vögel, Geknatter und Gekreische hören. Sägen. Hacken. Knacken. Singen und Quieken. Wie Schreie. Dann Stille. Wehende Winde durch die Blätter rascheln hören. Mehr hören als sonst. Lauschen. Brechende Äste. Auf Steine und Wurzeln treten. Schnaufen. Stöhnen. Fast selber schreien wollen, stattdessen leise summen. Sich hören. Sein Schnaufen spüren. Hastiger atmen.


Impressum

Texte: vivykyde
Tag der Veröffentlichung: 02.02.2011

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Allen, die verstehen lernen wollen.

Nächste Seite
Seite 1 /