Cedric saß daheim auf der Couch und frustete so vor sich hin. Marco war schon wieder ohne ein Wort abgehauen. Fünf Monate waren sie jetzt zusammen, lebten gemeinsam in einer Wohnung. Nur fühlte es sich nicht wie ein gemeinsames Leben an. Außer Sex und Frühstück teilten sie kaum etwas miteinander.
Dabei hatte alles so vielversprechend angefangen. Der erste Abend im Gay-Club war heiß und aufregend gewesen, Flirten und Tanzen ohne Unterbrechung. In der Nacht darauf hatten sie alles gemacht, außer Schlafen. Marco war witzig und charmant, stand immer unter Strom und sah echt gut aus mit seinen schwarzen Haaren und den kaffeebraunen Augen. Viele Gemeinsamkeiten waren zwar nicht vorhanden, aber sie verstanden sich ganz gut. Vor allem die Nächte waren wild und leidenschaftlich. Wenn sein Freund denn mal zuhause war, was immer seltener vorkam.
Leider hatte Marco zudem keinerlei Interesse an Zärtlichkeit oder liebevollen Gesten. Etwas, auf das Cedric viel Wert legte. Nur Sex reichte ihm einfach nicht. Doch Marco schob immer seine Hand beiseite, wenn er ihn berühren wollte. Ein Lächeln bekam er nur selten von ihm, außer dem verruchten Grinsen, das Marco im Bett gerne aufsetzte.
Mit Liebe hatte das alles nichts zu tun. Das war Cedric schon lange klar geworden. Nur konnte er sich nicht zu einer Trennung durchringen. Die Angst vor Einsamkeit war stärker und so ein Magnet war er nun nicht, dass er sich die Männer aussuchen könnte.
Seine Haarfarbe konnte sich nicht zwischen blond und braun entscheiden. Die Augenfarbe kippte abwechselnd ins Grüne oder Blaue, und mit ein Meter vierundsiebzig fiel er auch nicht sonderlich auf. Außerdem wirkte er zwar schlank - gegen den kleinen Bauch kämpfte er jedoch seit Jahren vergeblich an. Alles in allem fühlte er sich im Moment nicht besonders attraktiv.
Mit seiner Anhänglichkeit hatte er bereits vor Marco so manchen in die Flucht geschlagen. Cedric wollte eben, verdammt nochmal, auch kuscheln, egal, wie unmännlich das nun klang. Wollte sich zuhause fühlen, geborgen und verstanden. Eine richtige Beziehung haben, in der man alles miteinander teilte, nicht nur harten Sex. Das war eh nicht so sein Ding. Sex schon, auf jeden Fall, jede Nacht - nur mit mehr Gefühl. Mist, hier alleine rumjammern half auch nicht weiter.
Die Jacke in der Hand, machte er sich zu Fuß auf ins „Charleston“, eine Cocktailbar in der Nähe, in die Marvin, einer seiner wenigen Freunde, oft ging. Dieser war mit seinem Steven so glücklich, dass man neidisch werden konnte und das seit bereits eineinhalb Jahren.
Das „Charleston“ war im 20er-Jahre-Stil eingerichtet, mit Schwarz-Weiß-Fotos, Petroleumlampen und roten Polstersesseln. In der Mitte gab es eine kleine Tanzfläche, die heute extrem voll war, wie auch der Rest der Bar. An einem Samstagabend im Frühsommer wollte wohl niemand zuhause bleiben.
„Hey Cedric, was ziehst du denn für ein Gesicht?“, sprach Marvin ihn an.
„Hi, Marvin, alles Mist, echt. Marco ist heute schon wieder alleine abgehauen. Das kommt in letzter Zeit ganz schön oft vor und er weicht mir ständig aus, obwohl wir zusammenwohnen. Da sollte man doch meinen, dass man irgendwann miteinander spricht“, antwortete Cedric. Den Groll in der Stimme konnte er nicht zurückhalten.
„Dann bleibst du eben hier. Der hat dich sowieso nicht verdient, wenn du mich fragst. Das hier ist übrigens Sebastian. Dem war daheim auch langweilig“, erwiderte Marvin und wies auf den Mann neben ihm. Kurze braune Haare, eine Handbreit größer als er selbst, breite Schultern und, wow, wunderschöne, grüne Augen.
„Hi, ich bin Cedric. Ist dir auch jemand abgehauen?“, sprach er diesen Traummann an.
„Ja, so könnte man das auch ausdrücken. Ich hatte heute meine Scheidungsunterlagen in der Post“, antwortete Sebastian mit einem Schulterzucken.
„Oh Mann, das tut mir leid“, entgegnete Cedric. Und wie ihm das leidtat - dass er hier keine Chance hatte.
„Ach, muss es nicht. Das Ganze war von Anfang an ein Fiasko, eher so eine Art Kooperationsvertrag zwischen unseren Vätern. Meine Frau, äh, Exfrau, ist eher der kalte Typ. Ich hätte sie gar nicht erst heiraten dürfen“, sagte Sebastian und klang reichlich frustriert.
„Das kenne ich. Mein Freund wirft mir auch ständig vor ich sei zu anhänglich. Nur Sex ist mir eben einfach zu wenig“, gab Cedric etwas verlegen zu. Sebastian lächelte jedoch verständnisvoll. Vielleicht ging es dem Mann ähnlich wie ihm selbst. Schade, dass sie nicht im gleichen Team spielten.
Im Laufe des Abends stellte er fest, dass er noch weitaus mehr mit Sebastian gemeinsam hatte. Sie liebten beide Reiseberichte aus exotischen Ländern und hörten die gleiche Musik. Sebastian arbeitete mit Computern und Software, genau wie er selbst. Dass jeder von ihnen eine Beziehung mit einem gefühlskalten Partner hatte, war eine weitere Übereinstimmung. In vielen Dingen lagen sie auf der gleichen Wellenlänge.
Ein Jammer, dass Sebastian außerhalb seiner Reichweite war. Der Mann reizte ihn ungemein. Die durchtrainierte Figur, die Lachfältchen um die schönen, grünen Augen, sein Duft, wenn er ihm zu nahe kam. Es kam ihm vor, als hätte er ein lange verschollenes Puzzleteil wiedergefunden, mit dem das Bild nun komplett war, aber Heteros verführen gehörte nicht zu Cedrics Hobbies. Im Grunde war er eher schüchtern.
Vier Stunden saßen sie nun hier, amüsierten sich prächtig und Cedric hatte völlig vergessen, weshalb er überhaupt hergekommen war. Bis Marco anrief und ihm mitteilte, dass er in den nächsten Tagen seine Sachen rausräumen solle, die Beziehung sei beendet. Heute bräuchte er gar nicht mehr zu kommen, das würde den Besuch stören.
Cedric war fassungslos und starrte auf das Handy. Aus diesem Fremdkörper in seiner Hand waren die verächtlichen Worte gekommen. In seinem Kopf herrschte totales Chaos.
„Wo soll ich denn jetzt hin?“, flüsterte er. Die Worte waren ihm einfach herausgerutscht.
„Kannst du nicht zu deinen Eltern oder zu Freunden?“ fragte Sebastian ihn bestürzt.
„Ich weiß nicht … meine Eltern sind im Urlaub. So viele Freunde habe ich nicht … Ich weiß gar nichts mehr“, antwortete Cedric und konnte den Blick nicht von dem Telefon in seiner Hand abwenden. „Nach fünf Monaten bin ich ihm nicht mal ein persönliches Gespräch wert. Er schmeißt mich raus wie einen One-Night-Stand.“
Cedric wusste nicht, was er denken oder sagen sollte. Die Trennung selbst war gar nicht mal so schlimm, aber die Art und Weise war verletzend. Er fühlte sich benutzt und weggeworfen wie überflüssiger Trödel. War er tatsächlich so wertlos? Die erste Träne lief ihm die Wange herunter, seine Gefühle bekam er einfach nicht in den Griff. Plötzlich spürte er einen starken Körper an seinem, Arme, die ihn festhielten und tröstende Hände auf dem Rücken.
„Dann kommst du halt mit zu mir. Platz habe ich genug und bei mir gibt es niemanden, der sich gestört fühlen könnte“, bot Sebastian an. Das leise Brummen in dessen Stimme vibrierte in Cedrics Brust und schlagartig wurde ihm die Jeans zu eng.
„Das würdest du tun?“ fragte Cedric und sah in diese lächelnden, grünen Augen. Ihm wurde ganz anders, oh Mann, am liebsten würde er Sebastian ins nächste Bett zerren. Das würde eine verflucht harte Nacht werden, aber auf dieses großzügige Angebot verzichten und auf der Straße schlafen war auch keine Option.
„Na klar. Komm, wir fahren, es ist schon spät genug“, antwortete dieser Traum von einem Mann.
Bei Sebastian angekommen ging Cedric zuerst ins Bad, zog sich bis auf die Shorts aus und ließ sich dann in das gemütliche Bett des Gästezimmers fallen. Einschlafen konnte er jedoch nicht. Er dachte an die Stunden im „Charleston“ und wie viel Spaß er mit Sebastian gehabt hatte. Ständig hatte Cedric ihn vor Augen, fühlte immer noch seine Arme um sich, hörte die tiefe Stimme.
Seine Erregung wuchs und ihm wurde so heiß, dass er die Bettdecke zurückschlug und aufstand. Vielleicht half ein Glas Wasser aus der Küche. Dazu musste er durchs Wohnzimmer und bemerkte dort Sebastian im Halbdunkel, mit gesenktem Kopf. Er wirkte so verloren, wie er da nur in Shorts auf der Couch saß und auf den Boden starrte.
„Was machst du denn hier, alleine mitten in der Nacht?“, fragte Cedric besorgt und setzte sich neben Sebastian. „Deine Hände zittern. Geht es dir nicht gut?“
„Das ist normal, erblich bedingt, nichts Schlimmes“, antwortete dieser etwas verhalten. Es schien ihm peinlich zu sein, dabei gab es doch dafür gar keinen Grund.
Cedric griff nach den ruhelosen Fingern und streichelte mit den Daumen über die glatte Haut. Sebastians Hände zu halten, fühlte sich so gut an.
„Sieh mal, jetzt bist du ganz ruhig“, stellte Cedric erstaunt fest und sah ihn lächelnd an.
Das hätte er nicht tun sollen. Er versank in diesen Augen und innerhalb von Sekunden rauschte sämtliches Blut aus dem Kopf in seine stahlharte Länge. Sebastian kam immer näher und auch er neigte den Kopf zu ihm wie ferngesteuert. Ihre Lippen trafen aufeinander, eine Zunge kam der anderen entgegen, erst zärtlich und spielerisch. Leidenschaft kam hinzu, wild umschlangen sie sich.
Er konnte nicht mehr denken, wollte nur noch den anderen fühlen, berühren, die Lust auf ihn ließ sich nicht mehr bremsen. Cedric zog ihn mit der Hand im Nacken an sich, drückte ihn dann sachte auf die Couch und strich über Sebastians Brustwarze, bis sie hart wurde.
Als er Sebastians Hände auf dem Rücken spürte, wie sie über seine Haut glitten, konnte er ein Stöhnen nicht mehr zurückhalten. Hitze brandete durch seine Adern, Schweiß brach ihm aus, er wollte, nein, er musste ihn anfassen. Cedric zog erst die eigene, dann Sebastians Shorts herunter und umfasste dessen Härte, kreiste mit den Fingern um die Eichel und glitt mit den ersten Tropfen davon bis zur Wurzel. Sebastians Hüfte zuckte hoch, gierig stieß Cedric ihm die Zunge in den Mund und nahm dann beide Glieder in die Hand, rieb sie fieberhaft aneinander auf und ab.
Cedric spürte, wie sich Finger in seinen Hintern krallten, hörte den Mann unter sich keuchen und bekam selbst kaum noch Luft. Sebastian bäumte sich auf und kam mit einem kehligen Schrei in Cedrics Hand. Pures Feuer rauschte durch seinen eigenen Körper. Er sah nur noch Sterne und ging stöhnend über die Klippe. Auf Sebastian liegend, zitterte er von oben bis unten und hatte Mühe, seine Atmung unter Kontrolle zu bringen.
Sebastian hielt ihn fest an sich gedrückt, und Cedric genoss dessen Streicheln im Nacken, bis ihm wieder einfiel, was er getan hatte. Er hatte Sebastian bedrängt, weil er sein eigenes Verlangen nicht hatte beherrschen können.
„Es tut mir leid“, flüsterte Cedric schuldbewusst an Sebastians Ohr. „Ich … ich wollte dich nicht so überfallen. Das ist sonst gar nicht meine Art, aber du bist unwiderstehlich. Ich konnte einfach nicht anders.“
„Ich weiß nicht, ob ich dir böse sein soll. Ich hatte gerade den himmlischsten Orgasmus meines Lebens“, hörte er Sebastian sagen.
Cedric hob den Kopf, sah ihn lächeln und ihm wurde beinahe schwindlig. Dieser Mann war das Beste, was ihm seit langer Zeit passiert war.
„Du bist wunderschön, wenn du kommst. Und ich habe mich schon den ganzen Abend in deiner Nähe so wohlgefühlt“, erwiderte er. Seine Gefühle konnte er nicht für sich behalten. Er legte Sebastian die Hände auf die Wangen und hauchte ihm einen Kuss auf die Lippen.
Dann sagte er leise: „In dich könnte ich mich verlieben. Wenn es nicht schon passiert ist.“
In Sebastians Gesicht schienen sich tausend verschiedene Empfindungen widerzuspiegeln. Dann erschien ein zaghaftes Lächeln auf dessen Lippen und die wunderbaren, grünen Augen leuchteten.
„Dann bleib doch einfach hier und finde es heraus. Es würde mir viel bedeuten, denn ich glaube, ich bin schon verliebt“, sagte er bewegt und strich Cedric zärtlich mit der Hand über die Wange.
Cedric lächelte ihn glücklich an und flüsterte: „Das könnte länger dauern. Was hast du so vor in den nächsten Jahren?“
„Dich im Arm halten und nicht mehr loslassen“, flüsterte Sebastian ebenso glücklich zurück.
Texte: Die Rechte am Buch und an den Figuren liegen natürlich alle bei mir :-)
Bildmaterialien: deviantart.com/spazzy mcgee
Lektorat: Sissi Kaiserlos
Tag der Veröffentlichung: 25.06.2013
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
„Darin besteht die Liebe: Dass sich zwei Einsame beschützen und berühren und miteinander reden.“
Rainer Maria Rilke