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Am Morgen wachte ich mit einem Schwindelgefühl auf. Irgendwas erwartete mich, da war ich mir sicher. Nur was es war wusste ich nicht.

Als ich in der Schule ankam, war das Mobbingopfer der Schule, Merle, noch nicht da. Aber das wunderte weder mich noch meine Freunde. Wir hatten mittlerweile angefangen sie zu verteidigen, was auch eigentlich ganz gut klappte. Trotzdem kam sie erst spät oder zu spät.
Heute kam sie nicht.
Und in der 4. Stunde die Schocknachricht: Merle war spurlos verschwunden. Niemand wusste etwas.
Und ich wusste warum ich mich am Morgen so komisch fühlte. Alle waren erstarrt und sahen sich verwirrt um. Auf der Suche nach einer Erklärung. Doch die gab es nicht. Noch nicht. Es war mein persönliches Ziel.
Nicht untätig sein. Ein Verbrechen, direkt vor meinen Augen und ich hatte die Chance zu helfen.
‚Interessant. Niemand weiß etwas. Seit gestern nach der Schule wurde sie nicht mehr gesehen. Ich muss sie finden! Und das am besten lebendig! Ab Heute werde ich, Lucky Helling, die Detektivin sein und ihr verschwinden aufspüren! Dieser Verbrecher wird nicht ungestraft bleiben!...’, dachte ich entschlossen, aber dann bekam ich mit einem Mal eine Vision.
‚Ihre Tasche. Sie liegt im Gebüsch. Ich... Muss... Fotos... machen und der Polizei geben, aber dann denken sie ich sei der Täter. Graue Augen. Blut. Überall Blut. Klassenkameraden liegen tot vor mir. Ich schaue auf meine Hände- Blutverschmiert. War ich wirklich eine Mörderin? Nein. „Lass dich auf ihn ein und du stirbst.“ Diese unbekannte Stimme. „Was? Auf wen denn?“, rief ich der Stimme hinterher, doch niemand gab mir eine Antwort. Dann meine Freunde. Sie wenden sich von mir ab. Warum? Sogar Svenja. Meine beste Freundin... NEIN! Bleib hier! Ich bin keine Mörderin! Ich bin unschuldig. Dann sehe ich mich selbst. Auf dem Boden. Blutverschmiert. Eine Nachricht mit meinem Blut an die Wand geschmiert. Flache Atemzüge... Stille.’ Erschrocken riss ich die Augen auf.
„Was war das denn?!“, flüsterte ich ängstlich zu mir selbst. Entschlossen stand ich auf und ging. Raus aus der Schule. Raus, einfach nach Hause.
Ich ging meinen Hinweg zurück. Nur warum? Ich wusste es nicht. Normalerweise lief ich nach Hause einen anderen Weg. Egal. Jetzt war es sowieso zu spät. Ein schmerzvoller Stich in meinem Kopf. Sofort drückte ich meine Hände auf den Kopf und blieb stehen.
„Verdammt... Was soll das?!“, sprach ich mit mir selber.
Dann sah ich es.
Die Tasche von Merle. Sie lag, wie in meiner Vision, im Gebüsch. Wie unheimlich.
‚Das kann doch nicht sein...?! D-Das ist genauso wie in meiner Vision... Aber dann... werde ich... Ich muss stark sein! Niemals werde ich gegen ihn verlieren! Ich werde mich einfach in niemanden verlieben! Keiner kann mich unterkriegen. Dafür werde ich sorgen!’, dachte ich voller Optimismus. Hastig zog ich mein Handy aus der Hosentasche und machte Fotos. Es war wie immer eingeschaltet. Anfassen tat ich die Tasche nicht. Das war sehr schlecht. Denn dann würden man glauben, ich war der Täter.
Nachdem ich meiner Meinung nach, genug Fotos gemacht hatte, ging ich zur Polizei und nicht nach Hause.

„Was können wir für Sie tun?“, fragte ein Beamter hinter seinem Schreibtisch als ich ankam. Schüchtern sah ich ihn an.
„Ich habe eine Tasche gefunden. Sie gehört Merle, die vermisst wird. Ich habe auch Fotos gemacht.“ Die Augen des Beamten weiteten sich, aber dann war er wieder vollkommen bei der Sache. Er sprach irgendwelche Anweisungen und ich machte mich aus dem Staub.

Die nächsten Tagen verliefen erst ganz normal, aber dann starben meine Klassenkameraden. Jeden Tag ein neuer Tod. Das merkwürdige war, dass es in einer bestimmten Reihenfolge war. Den Polizisten fiel es wahrscheinlich nicht auf. Mir aber schon. Erst starb Tobias. Er hatte Merle am meisten gemobbt. Dann Lukas, er war am zweit Schlimmsten. Das war das System. Und ich wusste es. Als ich diese Erleuchtung hatte, hatte ich es auch gleich der Polizei berichtet. Ich glaubte, ich sei einer der Hauptverdächtigen. Aber warum sollte ich die Jungs töten? Und warum sollte ich Merle entführen? Diese Polizisten waren absolut unwissend.
Mit der Zeit wurden meine Visionen immer schlimmer und diese grauen Augen faszinierten mich immer mehr. Und ich kam auch immer weiter.

Es war Sommer und ich ging in die Eisdiele um ein Eis zu essen. Endlich mal wieder zu entspannen. Doch ich musste mir neue Theorien ausmalen.

‚Was wenn Merle nicht verschwunden ist, sondern selbst ihr Entführer und Mörder der Jungs war? Aber das war doch absurd. Das wäre zu einfach. Und was sollen diese grauen Augen und die heftigen Kopfschmerzen? Beziehungsweise Stiche? Und warum soll ich als Täter in Frage kommen? Das ist doch absolut unlogisch! Ach, verdammt! Ich verstehe es nicht! Wieso ist alles so kompliziert?’, dachte ich und stocherte mit einem Löffel in meinem Eis herum.
„Hallo. Darf ich mich zu dir setzen?“, fragte ein gutaussehender Junge mich. Verwirrt nickte ich.
“Mein Name ist Adam. Und wie heißt du?“, fragte er neugierig als er sich zu mir setzte.
„Lucky.“, brachte ich flüsternd hervor und musterte Adam genau.
Guter Stil und hübscher Körper. Rabenschwarze Haare und silberne Augen. Ein Mädchenschwarm, keine Frage.
„Ich bin neu in der Stadt und ich habe dich gesehen. Da dachte ich mir, ich sage mal ‚Hallo’. Wie geht es dir?“, fragte er lächelnd. Sein Charme und seine bloße Anwesenheit brachte mich um den Verstand.
„Mir geht es den Umständen entsprechend. Cool und wie geht es dir?“, antwortete ich etwas gefasster.
„Mir geht es echt super, aber warum den Umständen entsprechend? Gehörst du in DIE Klasse?“, fragte er neugierig weiter.
„Ja und ich suche den Mörder. Auch wenn ich in Betracht gezogen werde, der Mörder zu sein. Das ist echt unverzeihlich von den Beamten. Die verdächtigen mich, weil sie sonst niemanden haben.“, brachte ich wütend und mit zusammengebissenen Zähnen heraus. Mitleidig sah er mich an und strich mir eine Strähne aus dem Gesicht.
„Das tut mir unendlich leid.“, murmelte er.
Wir redeten noch eine Weile bevor ich mich verabschiedete und mich auf den nächsten Schultag vorbereitete. Die Morde hatten aufgehört, da wir keine ‚Mobber’ mehr in der Klasse hatten und wir mussten nach einem Monat Trauerzeit wieder zur Schule.

In der Klasse war es die reinste Hölle. Alle tuschelten sie über mcih und meine Freunde... Eher Ex-Freunde waren jetzt mit den restlichen Mädchen aus meiner Klasse zusammen. Super! Gelassen und mit einer Maske aus Gleichgültigkeit setzte ich mich an meinen Tisch.
Das unaufhaltsame passierte: Meine beste Freundin setzte sich weg und sah mich nur abwertend und angeekelt an.
Was glaubten die denn alle?! Ich war nicht der Mörder! Niemals!
Heftiges Stechen im Kopf. Mein Kopf donnerte auf meinen Tisch und krampfhaft hielt ich meine Hände an meinen Kopf. In der Hoffnung er würde so zusammen bleiben.
Die Glocke schellte und ich hielt es einfach nicht mehr aus. Fluchtartig verließ ich den Raum und rannte in jemanden hinein. Starke Arme hielten mich fest.
„Adam...“, murmelte ich verloren und Tränen flossen mein Gesicht herab. Vorsichtig, als könnte ich zerbrechen, streichelte er meinen Kopf und versuchte mich zu beruhigen. Nach ein paar Versuchen, die missglückten hob er mich hoch und ging mit mir aus der Schule.
„Es tut mir alles so unglaublich leid, meine Liebste.“, flüsterte er und setzte mich vor einem kleine, heruntergekommenem Haus ab. Verwirrt sah ich zu ihm hoch. Er küsste mich liebevoll.
„Ich liebe dich Lucky und es tut mir so unendlich leid, aber ich kann es nicht rückgängig machen.“, seufzte er und sah mich betreten an.
„Dann bist du...?“, setzte ich an, konnte aber meine Gedanken nicht aussprechen. Stumm nickte er und ließ mich nicht aus den Augen.
„Ich liebe dich auch, aber so kann ich nicht leben. Wo ist Merle?“
„Da drin. Aber ich habe ihr nichts getan. Sie hat mich angeheuert.“, beteuerte er.
Stumm ging ich ins Haus und sah Merle auf dem Boden liegen. Sie war tot. Daneben lag ein Brief.

„Hallo Adam!
Ich hatte keine Lust mehr und du hättest die Rasierklingen vor mir verstecken sollen. Jetzt bin ich wegen dir tot. Ich war psychisch am Ende. Und niemand wird diesem Brief Glauben schenken, denn ich bin ja tot. Bis dann. Wir werden uns in der Hölle sehen. Mörder
Merle“

Sie hatte sich tatsächlich umgebracht, aber warum? Man hätte eher ihr Glauben geschenkt als ihm.
Adam betrat das Haus und sah entsetzt auf Merle.
„Was...?“, fing er an.
„Sie hat sich umgebracht. Warum weiß ich nicht. Aber eins weiß ich: Du hast mich die ganze Zeit über getäuscht. Und jetzt bin ich einfach nur entsetzt. Wie konntest du so etwas tun?! Besitzt du nicht einen Funken Verstand?“, schrie ich ihn wütend an und Tränen stiegen in mir auf. Ich fühlte mich leer.
„Lucky. Ich liebe dich und bereue es. Aber ich brauchte das Geld, das ich bekommen hätte. Merle hat mich getäuscht. Mich die Drecksarbeit erledigen lassen und dann einfach sich umbringen. Jetzt sitzen wir beide echt in der Klemme. Du, weil du hier bist und man wird von dir Spuren finden. Ich habe dein ganzes Leben ruiniert. Am besten sollte ich mich umbringen und genauso feige sein wie sie.“, sagte er mit solch einem Selbsthass, den ich selbst für nie möglich gehalten hätte. Aber er hatte Recht. Niemals würde ich normal leben können.
Langsam ging ich zum Tisch und nahm ein Papier vom Block. Dann nahm ich ein Stift und begann zu schreiben:

„Ihr werdet mich und Adam finden. Wir können nicht fliehen. Er war der Mörder, aber Merle hatte ihn auf die Jungs angesetzt. Und mich hieltet ihr auch für den Mörder. Wie erbärmlich! Ich wollte nur helfen, aber jetzt... empfinde ich Mitleid für eure sogenannte ‚Gerechtigkeit’ und eurem Durst nach der ‚Wahrheit’. Ihr werdet nie verstehen warum ich so handele. Ich kann es euch auch nicht erklären. Jedenfalls tue ich es wegen Adam und weil ihr mich dazu gebracht habt. Fühlt euch schuldig, dass sich ein junges Mädchen das Leben nimmt. Fühlt euch schuldig, weil ihr zu schwach seid um Fehler einzusehen. Auf dieser Welt habe ich nichts mehr zu suchen und Adam auch nicht. Wir bleiben für immer zusammen, denn ich liebe ihn. Mehr als mein eigenes Leben.

Lucky

P.S. Meine Familie hatte mir Kraft gegeben und zu mir gehalten. Sie glaubten an die Wahrheit. Meine ‚Freunde’ nicht. Haltet meine Familie in Ehren.“
Die letzten Worte schrieb ich unsauber, aber dennoch lesbar. Sorgfältig faltete ich den Zettel und stand auf. Liebevoll lächelte ich Adam an. Es war mir schlicht egal, warum er das getan hatte. Ich wollte nur bei ihm sein. Für immer. Und wenn ich für ihn sterben musste, tat ich es auch mit Stolz.
Leidenschaftlich küsste ich ihn.
„Wir werden zusammen sterben. In Ordnung?“, flüsterte ich in sein Ohr. Er nickte. Schnell wählte ich die Polizeinummer und warf das Handy dann achtlos irgendwo hin. Denn ich brauchte es nie wieder.
Adam ging in einen anderen Raum und hastete mit einem Messer wieder raus.
„Ich warte auf dich meine Liebste.“, flüsterte er und küsste mich ein letztes mal. Dann stach er mit dem Messer in seine Brust. Schmerzvoll keuchte er auf, sank aber dann friedvoll auf den Boden.
Mit Tränen in den Augen griff ich nach dem Messer in seiner Hand. Von weitem hörte ich bereits die Polizei.
Kraftvoll rammte ich mir das Messer in meine linke Brusthälfte. Ein riesiger Schmerz breitete sich in mir aus, verflog aber dann auch wieder.

Ob die Tränen vor Trauer oder vor Glück waren wusste ich nicht.
Die Visionen haben sich zum Teil bewahrheitet. Aber ich starb aus Liebe zu Adam. Nicht, weil er mich tötete.
Aber ich wusste das die Polizei da war, denn ich sah noch einen Lichtstrahl der breiter wurde, wie wenn man die Tür öffnete.
Nach diesem unendlichen Schmerz war alles leer.
Ich war wie beflügelt und hoffte sehnlichst auf ein Leben nach dem Tod.
Schwerelos glitt ich in meinen Schlaf und fühlte, dass ich neben ihm lag.
Ein letztes mal.

|Wie der Tod sein würde, weiß niemand.
Denn niemand konnte je darüber berichten.
Man kann es sich nur vorstellen.
Der Tod ist unaufhaltsam und für viele grausam.
Aber bei einem bin ich mir sicher:
Mit und für den Geliebten zu sterben ist wohl einer der schönsten Toden überhaupt.
Die Zeile sollte nicht heißen: Bis das der Tod euch scheidet.
Sondern: Bis das die Ewigkeit nicht mehr existiert.|

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 16.05.2010

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