© K.-H. Kupfer
Strahlende Medizin
- Untersuchungen mit Risiko
Ein Ratgeber für alle, denen eine medizinische Untersuchung unter Anwendung von hochenergetischer Strahlung bevorsteht.
Fast allen medizinischen Behandlungen gehen entsprechende Untersuchungen voraus, und nicht immer sind sie ohne Risiko, vor allem wenn bei den Untersuchungen energiereiche Strahlung zur Anwendung kommt, wie beispielsweise bei Röntgenaufnahmen, bei der Computertomografie (kurz CT genannt) oder gar bei der Szintigrafie, einem nukleartechnischen Verfahren zur Beurteilung der Knochendichte oder zum Auffinden von Krankheitsherden.
Die Magnetfeld-Resonanz-Tomografie, kurz als MRT bezeichnet, wird hier nicht näher besprochen, weil dabei keine Strahlung in dem Sinne zur Anwendung kommt, sondern „nur“ äußerst starke Magnetfelder, die man zwar für ungefährlich erachtet, dennoch sollte man sich fragen, warum sehr darauf geachtet wird, dass sich keine Fremdperson in der Nähe der Anwendungsräume aufhält.
Bei jenen Verfahren, wo energiereiche Strahlung zum Einsatz kommt, muss man noch zwischen einer aktiven und einer passiven Strahlenanwendung unterscheiden. Bei der passiven Anwendung wird der Patient von außen her mittels eines Gerätes bestrahlt, wie beispielsweise beim Röntgen, während bei der aktiven Strahlenanwendung, die beispielsweise bei der Szintigrafie Anwendung findet, der Patient selbst zum Strahler gemacht wird. Das geschieht auch bei der Untersuchung der Schilddrüse.
Energiereiche Strahlung in jeder Form ist nicht harmlos, denn selbst bei einer normalen Röntgenaufnahme rüttelt die Strahlung gehörig am Gefüge der Zellen unseres Körpers und hinterlässt bei genügender Intensität und Bestrahlungsdauer entsprechend auch Schäden. Dennoch sollte man nicht gleich in große Ängste verfallen, weil wir alle stets und ständig einer natürlichen energiereichen Strahlung ausgesetzt sind, die sowohl aus dem Erdboden kommt als auch aus den kosmischen Höhen. Nur dieser natürlichen Strahlendosis ist bei medizinischer Anwendung von energiereicher Strahlung diese oben auf die natürliche Strahlung draufgesetzt und muss der Gesamtmenge (Dosis) während eines Lebens hinzugerechnet werden.
Leider steigt die Strahlenanwendung in der Medizin stark an. In den letzten 25 Jahren stieg die Dosis um mehr als 700 %. Würde man das auf die gesamte Bevölkerung Deutschlands umrechnen, dann würde das 2 mSv (Millisievert) pro Einwohner und Jahr ergeben. Diese Veranschaulichung zeigt, welch eine Mehrbelastung das für den einzelnen Patienten bedeutet. Dennoch wendet man vermehrt die Strahlung an, obwohl man weiß, dass die Gefahr, an Krebs zu erkranken, dadurch deutlich steigt. Wissen sollte man in diesem Zusammenhang, dass die natürliche Strahlung im deutschen Flachland nur rund 0,25 uSv/h (Mikrosievert pro Stunde) beträgt, also nur ein Zehntausendstel von dem vorher genannten Wert.
Welche Dosis bei welcher Anwendung?
Bei einer normalen Thorax-Röntgenaufnahme muss der Patient mit einer Strahlenbelastung von rund 20 – 50 uSv (Mikrosievert) rechnen. Diese Dosis entspricht 200 Stunden der uns umgebenden natürlichen Strahlung. Bei einer Mammografie beträgt die Strahlenbelastung bis zu 600 uSv. Ganz anders sieht es bei einem CT des Herzens oder des Magens aus, denn da beträgt die Belastung rund 10 – 25 mSv, was einer Strahlendosis von mehr als 50.000 Stunden der uns umgebenden natürlichen Strahlung entspricht. Bei einem Ganzkörper-CT ist die Belastung entsprechend höher.
Die stärkere Belastung bei einem CT ist der gesundheitliche Preis, den der Patient zahlen muss, damit entsprechende Schichtaufnahmen von seinem Körper gemacht werden können, die am Computerbildschirm zusammengesetzt eine 3D-Ansicht für den Arzt ermöglichen, sodass sich ein Geschehen im Körper eines Menschen von allen Seiten betrachten lässt, und manche krankhafte Veränderung erkannt werden kann, die bei einer normalen Röntgenaufnahme verborgen bleiben würde. Das wäre zwar mit einem MRT auch möglich, sogar noch genauer und ohne Strahlenbelastung, aber eben auch viel teurer und zeitaufwendiger.
..... Oder man hat es in dem jeweiligen Klinikum mit einem der neuen CT-Geräte zutun, mit einem
Volumen-CT-Gerät,
bei dem durch spezielle Veränderungen in der Strahlentechnik, der Gerätekonstruktion und der Software die Strahlenbelastung erheblich gesenkt werden kann. So z.B. bei einem Herz-CT von rund 25 mSv auf ca. 2 mSv, oder bei einem Thorax-CT noch immer von rund 10 mSv auf 4 mSv.
Die Verharmlosung der Aktivstrahlung
Kommen wir nun zur Szintigrafie, bei der der Patient selbst zum radioaktiv strahlenden Objekt gemacht wird, einer besonders heiklen medizinischen Untersuchungsmethode, die so manchen Atomkraftgegner schaudern lassen sollte, und die zudem nicht selten wegen der Strahlung auch das eine oder andere Kopfhaar kostet, weil die Strahlung, die von dem relativ großen Schädelknochen ausgeht, unmittelbar auf die darüber liegenden Haarwurzeln trifft und diese erheblich schädigen kann.
Soll nun bei einem Patienten eine Szintigrafie seines Knochengerüstes erstellt werden, um mögliche Veränderungen sichtbar zu machen, dann bekommt er unmittelbar vor der Untersuchung eine speziell auf sein Körpergewicht und seine Größe abgestimmte, direkt kurz vor der Untersuchung angefertigte Flüssigkeit injiziert, wovon er nicht weiß, was es ist, und er darüber auch nicht sonderlich informiert wird. Vielmehr werden Fragen verharmlosend beantwortet, wie in einem Fallbeispiel erfahren.
Nach der Injektion muss der Patient innerhalb einer Stunde einen Liter Wasser trinken, damit sich das Medikament im Körper verteilt und in den Knochen anreichert. Während dieser gesamten Zeit sitzt normalerweise ein Angehöriger arglos neben ihm, der nicht annähernd ahnt, welcher Strahlung auch er ausgesetzt ist.
Dann wird der Patient untersucht. Dabei wird die von dem zuvor mit radioaktiven Substanzen präparierten Körper abgegebene Strahlung mittels eines entsprechenden Scanners gemessen und aufgezeichnet. Während der Zeit muss die Begleitperson in einem Vorraum warten, wo überall Hinweisschilder auf radioaktive Strahlung herumhängen. Bittet sie nun verunsichert das Personal um Auskunft, was das alles bedeutet und ob die Untersuchung gefährlich sei, dann erhält sie als Antwort, dass das alles gar nicht so schlimm ist. Man solle nur in den nächsten Stunden nicht unbedingt ein Kleinkind auf den Schoß nehmen. Zudem sei in ca. sechs Stunden alles abgeklungen und wieder normal.
Und die Realität ?
Ein Fallbeispiel zeigt, dass selbst der Hinweis, die Strahlung würde nach sechs Stunden abgeklungen sein, ein Schmarren ist und zudem einen sorglosen Umgang mit gefährlicher Strahlung bedeutet, was der Autor selbst anhand von Messungen festgestellt hat.
Noch sechs Stunden nach Behandlungsbeginn prasselte der Geigerzähler (Messgerät für radioaktive Strahlung) schon in zwei Metern Abstand von dem Patienten. Am Körper des Patienten gemessen lag der Wert bei etwa 50 uSv/h (Mikrosievert pro Stunde), was rund Faktor 200 über der Strahlung unseres natürlichen Umfeldes liegt und fast 20 Mal so hoch ist wie der zulässige Grenzwert für Personal in beispielsweise Kernkraftwerken.
Erst am vierten Tage war die Strahlung soweit abgeklungen, dass sie in etwa der natürlichen Strahlung entsprach. Direkt während der Erstellung des Knochen-Szintigramms kann man von rund 100 uSv/h ausgehen. Somit betrug die Strahlenbelastung am ersten Tage insgesamt fast 1000 uSv, was für in Kernkraftwerken arbeitendes Personal völlig unzulässig wäre, nicht aber ganz offensichtlich für vielleicht schon erkrankte Personen. Spricht man medizinisches Personal darauf an, weicht man konkreten Antworten aus, oft mit dem Hinweis auf eine Notwendigkeit, und dass schließlich jedes Medikament Nebenwirkungen habe.
Was sagt der Gesetzgeber dazu?
Eine entsprechende Anfrage beim Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) wurde dahingehend beantwortet, > dass die Strahlenbelastung für den Patienten rund 4 mSv pro Anwendung betrage (was übrigens auch meine Messungen ergeben haben) und dass sie somit ungefähr der natürlichen Strahlenexposition in Deutschland entspräche. Damit wären gesundheitliche Schäden höchst unwahrscheinlich. Zudem seien diese aufgrund der niedrigen Dosis auch nicht individuell nachweisbar. <
Weiter in dem Schreiben: > Medizinische Anwendungen würden zuvor einer rechtfertigenden Indikation durch einen strahlenschutzkundigen Facharzt bedürfen, wobei der Nutzen (Erkenntnisgewinn) gegen das Risiko für die zu untersuchende Person abzuwägen ist. Und der Patient sei grundsätzlich über die Strahlenanwendung aufzuklären.
Ein stundenweiser Aufenthalt in ein bis zwei Metern Abstand zum Patienten würde nicht zu einer Überschreitung der für die Bevölkerung bestehenden Grenzwerte führen. Anders wäre es bei der Untersuchung der Schilddrüse mit Jod-131, wo eine Hospitalisierung des Patienten notwendig sei. < Schriftsatz Ende.
Offene Fragen
Zwar scheint seitens der Behörden alles in Ordnung, dennoch ein lautes Hallo, weil sich diese Strahlenbelastung als zusätzlich auf die natürliche Strahlung aufaddiert. Verschweigt man das bewusst? Und wieso geht das Umweltministerium nicht darauf ein, dass selbst der vom Patienten ausgeschiedene Urin mit bis zu 60 uSv/h ins Abflusssystem gelangt und nicht unwesentlich die Umwelt beeinflusst. Und wie ist das mit den Angehörigen, die beispielsweise eine ganze Nacht neben einem szintigrafierten und somit radioaktiv strahlenden Partner verbringen?
Bestimmt die Sichtweise die Gefahren?
Der Umgang mit radioaktiver Strahlung wird ganz offensichtlich sehr unterschiedlich beurteilt, je nach Interessenlage und Anwendungsgebiet. Deshalb sei abschließend ein I-Tüpfelchen gesetzt, weil man wissen sollte, dass bei einer Strahlen-„Therapie“ im Verlauf der gesamten Anwendung gezielt und gebündelt punktuell ohne Weiteres von 40.000 mSv Strahlenbelastung auszugehen ist, womit entsprechendes Gewebe im Körper zustört werden soll. Hier hat halt selbst eine tödliche Strahlung einen lebenserhaltenden Wert.
Das führt nun wirklich zu der ernsthaften Frage, inwieweit die medizinische Anwendung hochenergetischer Strahlung gut oder schlecht ist. Letztendlich muss das jeder für sich entscheiden, was nicht immer leicht sein dürfte, besonders wenn dem Betroffenen eine solche Untersuchung bevorsteht und er wegen seiner Krankheit sowieso stark unter psychischen Druck steht.
Führt eine diagnostische Strahlenbelastung zu einer lebensrettenden Erkenntnis oder Maßnahme, wird sie jeder als gut erachten. Hat sie im späteren Verlauf dann aber negative Folgen, ist das Gegenteil der Fall. Deshalb sollte man dem Arzt kritische Fragen stellen und auf alle Fälle Doppeluntersuchungen vermeiden, vor allem, wenn es auch Wege ohne oder mit wenig Strahlenbelastung gibt. Und was eine Szintigrafie anbelangt, so sollte man während der folgenden zwei Tage nach der Anwendung stets zwei Meter Abstand zum diesem Patienten halten.
Ein paar Entscheidungshilfen
Wissen sollte man, dass die natürliche Strahlung in Deutschland pro Jahr rund 2 mSv beträgt, was je nach Bodenverhältnisse und Höhenlage stark schwanken kann. Zu der natürlichen Strahlung darf laut Gesetzgeber jährlich 1 mSv „künstliche“ Strahlung (alle Einzelwerte aufaddiert) hinzukommen. Für Arbeiten in strahlenexponierter Umgebung (Arbeiten in Atomkraftwerken etc.) gilt 20 mSv (Jahresdosis) als Grenzwert. Bei 500 mSv kommt es zu sogenannten deterministischen Schäden, wo zwar noch keine direkten Schädigungen festgestellt werden können, dennoch kann es zu Veränderungen am Erbgut kommen, was als Spätfolge zu einer Krebserkrankung führen kann.
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Bildmaterialien: Siemens Medizingeräte
Tag der Veröffentlichung: 01.07.2015
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