© K.-H. Kupfer
Die Wiedervereinigung
........ die es nie gab
Da war er mal wieder, jener 03.Oktober, der Tag, an dem die Deutschen die Wiedervereinigung ihres Landes feiern. Aber ist diese Wiedervereinigung formaljuristisch überhaupt vollzogen worden?
Vergleicht man die Fakten, dann sollte man schon zweifeln, zumal Behörden bis hin zur Justiz seltsam reagieren, wenn man die Argumente vorträgt und beispielsweise eine Gerichtsbarkeit anzweifelt. Da werden schnell bloße Behauptungen ohne jeglichen Beweis aufgestellt. Oder es werden Verschwörungstheorien unterstellt. Inzwischen gibt es von Landesregierungen bereits Formschreiben, wie Behörden mit Eingaben umzugehen haben, die nicht dem Mainstream und der politisch gewollten Sprachregelung entsprechen. Aber der Reihe nach:
Die Zeit von Kriegsende (1945) bis zum Jahr 1989 möchte ich überspringen, weil es zu umfassend wäre, hier alle Vorgänge im Zusammenhang mit dem derzeitigen deutschen Staatsgefüge in aller Kürze darzustellen. Gehen wir einfach mal davon aus, dass es 1989 zwei deutsche Staaten gab, die DDR und die BRD.
In der DDR wurde durch friedliche Demonstrationen ein Abdanken der seinerzeitigen Regierung erzwungen, woraufhin es eine neue, vom Volk gewählte Regierung gab, die im Jahre 1990 das Gebiet der DDR mit dem der BRD vereinen wollte, was grundsätzlich Volkes Wille war.
Das allerdings ging so einfach nicht, denn schließlich hatten die Alliierten, die ehemaligen Siegermächte, ein Wörtchen mitzureden, weil es mit der Souveränität Deutschlands nicht so ist, wie man es dem Volke immer wieder glauben machen will. Und das gilt auch noch nach Abschluss des Einigungsvertrages.
Und so mussten die deutschen Regierungsvertreter und Regierungschefs zunächst mit den Regierenden der Siegermächte bzw. mit deren Vertreter Verhandlungen aufnehmen, teils offiziell, teils privat, was durch unzählige Berichte und Protokolle belegt ist. Schließlich gab es die 2+4-Verhandlungen (oder besser 4+2) zwischen den vier Siegermächten und den beiden deutschen Staatsvölkern.
Seitens der vier Siegermächte gab es teils erhebliche Bedenken, nicht zuletzt, dass Deutschland nach einer Wiedervereinigung zu stark werden könnte. (Siehe hierzu K.-H. Kupfer „Wie konnte es geschehen“.) Es gab ein gutes Druckmittel, um Deutschland zu zügeln, nämlich die Bedingung, die D-Mark dem Euro zu opfern. Wie es sich zeigt, ist die Wirkung für jeden Deutschen deutlich wahrnehmbar mit ungewissem Ausgang.
Die Rangelei bei den Verhandlungen um eine Verfassungsgebung soll hier nicht weiter thematisiert werden, denn für jeden leicht erkennbar haben wir keine Verfassung, sondern noch immer nur ein Grundgesetz zur Aufrechterhaltung einer Ordnung. Zwar wird uns beides als gleichwertig verkauft, dennoch bestehen wesentliche Unterschiede. Aber auch das soll hier nicht Gegenstand der Erörterungen sein.
Wesentlich ist, dass in diesem Grundgesetz der Artikel 23 auf Anordnung der Alliierten mit Wirkung zum 18.07.1990 : 00 Uhr gestrichen wurde, was bisher von amtlicher Seite Deutschlands vehement bestritten wird, weil es grundsätzlich bedeutet, dass die Bundesrepublik Deutschland mit dieser Streichung bereits zu diesem Zeitpunkt unterging, und damit seither nicht mehr existiert.
Denn der Artikel 23 GG beschrieb in seiner damaligen Urfassung die einzelnen Länder, die die Bundesrepublik Deutschland bildeten. Streicht man den Artikel, dann streicht man auch die Länder. Und streicht man die Länder, dann hat das Grundgesetz keinen Geltungsbereich mehr.
Und das wirft erhebliche Fragen auf. So zum Beispiel: Wenn all das gestrichen ist und nicht mehr existiert, wer gab dann den Verhandlungsführenden in Sachen Wiedervereinigung überhaupt eine Legitimation zur Führung der Verhandlungen? Hätten diese Personen nicht vom deutschen Volk dazu legitimiert werden müssen?
Lassen wir auch das offen, obwohl es von wesentlicher Bedeutung ist, und widmen wir uns dem Abschluss und dem Ergebnis dieser Verhandlungen, die letztendlich zu dem Einigungsvertrag führten.
Der Einigungsvertrag wurde am 31.08.1990 unterzeichnet. Er besagt im Artikel 1 Abs. 1:
Auszug: „Mit dem Wirksamwerden des Beitritts der Deutschen Demokratischen Republik zur Bundesrepublik Deutschland gemäß Artikel 23 des Grundgesetzes am 3. Oktober 1990 werden die Länder Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen Länder der Bundesrepublik Deutschland. ……..“ (Zitat Ende)
Schaut man sich den Art. 23 GG in der derzeitigen Fassung an, dann steht dort:
Auszug: „ (1) Zur Verwirklichung eines vereinten Europas wirkt die Bundesrepublik Deutschland bei der Entwicklung der Europäischen Union mit, die demokratischen, rechtsstaatlichen, sozialen und föderativen Grundsätze und dem Grundsatz der Subsidiarität verpflichtet ist und einen diesem Grundgesetz im wesentlichen vergleichbaren Grundrechtsschutz gewährleistet. Der Bund kann hierzu durch Gesetz mit Zustimmung des Bundesrates Hoheitsrechte übertragen. Für die Begründung der Europäischen Union sowie für Änderungen ihrer vertraglichen Grundlagen und vergleichbare Regelungen, durch die dieses Grundgesetz seinem Inhalt nach geändert oder ergänzt wird oder solche Änderungen oder Ergänzungen ermöglicht werden ....... usw. usw.“ (Zitat Ende)
Wo gibt es hier einen logischen Zusammenhang zum Text des Einigungsvertrages? Es gibt ihn nicht, denn der Einigungsvertrag bezieht sich auf die ehemalige Fassung des Art. 23 GG.
Hier diese Fassung des ehemaligen Art. 23 GG:
(Zitat Art. 23 GG) „Dieses Grundgesetz gilt zunächst im Gebiet der Länder Baden, Bayern, Bremen, Groß-Berlin, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein, Württemberg-Baden und Württemberg-Hohenzollern. In anderen Teilen Deutschlands ist es nach deren Beitritt in Kraft zu setzen.“ (Zitat Ende)
Hier passt der Wortlaut des Einigungsvertrages. Allerdings wurde dieser Art. 23 des Grundgesetzes auf Beschluss des Bundestages v. 20.09.1990 mit Wirkung zum 29.09.1990 : 00 Uhr gestrichen. Das ergibt sich aus den Unterlagen des Bundestagsarchivs und hat Gesetzesrang. Er wurde also zum zweiten Mal rechtlich verbindlich gestrichen. (Siehe Anhang 2)
Damit gab es am 03.10.1990, an jenem Tage also, an dem die Wiedervereinigung vollzogen werden sollte, nachweislich keinen Art. 23 im GG worauf sich der Art. 1 des Einigungsvertrages juristisch / rechtlich hätte beziehen können. Es handelt sich in dem Fall um den juristischen Sachverhalt der Unmöglichkeit, weshalb die Wiedervereinigung juristisch als nichtig, und damit als nicht vollzogen anzusehen ist.
Der später eingefügte neue Text des Art. 23 GG, womit der alte Art. 23 GG einige Monate nach dessen Löschung in recht fragwürdiger Weise überschrieben wurde, passt inhaltlich nicht zum Einigungsvertrag, sodass ein Bezug hierauf ebenfalls den juristischen Tatbestand der Unmöglichkeit erfüllt und nicht für die Rechtfertigung einer rechtsgültigen Wiedervereinigung herangezogen werden kann.
Damit ist die Wiedervereinigung bis heute ohne jeglichen rechtlichen Vollzug. Aber was nun? Einen Hinweis gibt es im neuen Art. 23 GG. (Siehe Anhang 1)
Dort steht sehr deutlich ein Bekenntnis des untergegangenen Deutschlands zur europäischen Union, und somit, dass die Wiedervereinigung - ob nun vollzogen oder nicht - offensichtlich nur als eine Randerscheinung auf dem Wege einer Zusammenführung der Länder Europas gedacht ist, was durch die alljährlichen Reden zum Tag der deutschen Einheit nur noch bestätigt wird.
Man spricht über und von Europa statt endlich für eine Souveränität Deutschlands und einen längst fälligen Friedensvertrag zu sorgen, und dafür, dass die noch immer geltende Feindstaatenklausel (UN-Charta Artikel 53,107) gegen Deutschland aus der UN-Charta verschwindet.
Zudem ist die angebliche Grenzregelung und die stetige Behauptung seitens der Politik, der 2+4-Vertrag sei der Friedenvertrag, so nicht stimmig, was allein schon aus dem Protokoll des französischen Vorsitzenden, Anlage 2, Nr. 354B vom 17.07.1990 der 2+4-Verhandlungen hervorgeht. Dort steht (Zitat) „Die BRD .... unterstreicht .... dass ein Friedensvertrag oder eine Friedensregelung nicht beabsichtigt sind. ....“ (Zitat Ende) Und (Zitat) „Der Außenminister Polens ... weist darauf hin, dass nach Ansicht der polnischen Regierung diese Erklärung keine Grenzgarantie durch die vier Mächte darstellt.“ (Zitat Ende) Andere Quellen werden sogar noch deutlicher.
Damit stellt sich am Ende dieses Büchleins die ernsthafte Frage, was Deutschland derzeit überhaupt ist: Eine Verwaltungsgemeinschaft im Übergangsstadium zu einem wie auch immer gearteten Europa?
* * * *
Anhang
1) Zunächst der komplette Wortlaut des derzeitigen (neuen) Art. 23 GG.
Zitat GG, neuer Artikel 23: „(1) Zur Verwirklichung eines vereinten Europas wirkt die Bundesrepublik Deutschland bei der Entwicklung der Europäischen Union mit, die demokratischen, rechtsstaatlichen, sozialen und föderativen Grundsätzen und dem Grundsatz der Subsidiarität verpflichtet ist und einen diesem Grundgesetz im wesentlichen vergleichbaren Grundrechtsschutz gewährleistet. Der Bund kann hierzu durch Gesetz mit Zustimmung des Bundesrates Hoheitsrechte übertragen. Für die Begründung der Europäischen Union sowie für Änderungen ihrer vertraglichen Grundlagen und vergleichbare Regelungen, durch die dieses Grundgesetz seinem Inhalt nach geändert oder ergänzt wird oder solche Änderungen oder Ergänzungen ermöglicht werden, gilt Artikel 79 Abs. 2 und 3.
(1a) Der Bundestag und der Bundesrat haben das Recht, wegen Verstoßes eines Gesetzgebungsakts der Europäischen Union gegen das Subsidiaritätsprinzip vor dem Gerichtshof der Europäischen Union Klage zu erheben. Der Bundestag ist hierzu auf Antrag eines Viertels seiner Mitglieder verpflichtet. Durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, können für die Wahrnehmung der Rechte, die dem Bundestag und dem Bundesrat in den vertraglichen Grundlagen der Europäischen Union eingeräumt sind, Ausnahmen von Artikel 42 Abs. 2 Satz 1 und Artikel 52 Abs. 3 Satz 1 zugelassen werden.
(2) In Angelegenheiten der Europäischen Union wirken der Bundestag und durch den Bundesrat die Länder mit. Die Bundesregierung hat den Bundestag und den Bundesrat umfassend und zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu unterrichten.
(3)Die Bundesregierung gibt dem Bundestag Gelegenheit zur Stellungnahme vor ihrer Mitwirkung an Rechtsetzungsakten der Europäischen Union. Die Bundesregierung berücksichtigt die Stellungnahme des Bundestages bei den Verhandlungen. Das Nähere regelt ein Gesetz.
(4) Der Bundesrat ist an der Willensbildung des Bundes zu beteiligen, soweit er an einer entsprechenden innerstaatlichen Maßnahme mitzuwirken hätte oder soweit die Länder innerstaatlich zuständig wären.
(5) Soweit in einem Bereich ausschließlicher Zuständigkeiten des Bundes Interessen der Länder berührt sind oder soweit im übrigen der Bund das Recht zur Gesetzgebung hat, berücksichtigt die Bundesregierung die Stellungnahme des Bundesrates. Wenn im Schwerpunkt Gesetzgebungsbefugnisse der Länder, die Einrichtung ihrer Behörden oder ihre Verwaltungsverfahren betroffen sind, ist bei der Willensbildung des Bundes insoweit die Auffassung des Bundesrates maßgeblich zu berücksichtigen; dabei ist die gesamtstaatliche Verantwortung des Bundes zu wahren. In Angelegenheiten, die zu Ausgabenerhöhungen oder Einnahmeminderungen für den Bund führen können, ist die Zustimmung der Bundesregierung erforderlich.
6) Wenn im Schwerpunkt ausschließliche Gesetzgebungsbefugnisse der Länder auf den Gebieten der schulischen Bildung, der Kultur oder des Rundfunks betroffen sind, wird die Wahrnehmung der Rechte, die der Bundesrepublik Deutschland als Mitgliedstaat der Europäischen Union zustehen, vom Bund auf einen vom Bundesrat benannten Vertreter der Länder übertragen. Die Wahrnehmung der Rechte erfolgt unter Beteiligung und in Abstimmung mit der Bundesregierung; dabei ist die gesamtstaatliche Verantwortung des Bundes zu wahren.
(7) Das Nähere zu den Absätzen 4 bis 6 regelt ein Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf.“ (Zitat GG Ende)
2) Änderung Grundgesetz / Streichung Art. 23
Bundestagsarchiv Auszug: (Zitat)
13.2 Grundgesetz-Änderungsgesetze
Stand: 31.3.2010
11. Wahlperiode (1986–1990)
Titel: [36.] Gesetz zu dem Vertrag vom 31. August 1990 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands (Einigungsvertragsgesetz)
Initiative: Regierungsvorlage sowie textidentisch eingebracht von CDU/CSU und FDP
Inhalt: Änderung der Präambel des Grundgesetzes mit Vollendung der Einheit Deutschlands; Aufhebung von Art. 23 GG (Geltungsbereich des Grundgesetzes); Änderung von Art. 51 Abs. 2 GG betr. Stimmenverteilung im Bundesrat; Anfügung eines Abs. 2 an Art. 135a GG betr. Verbindlichkeiten der DDR (u. a. als Grundlage für die Regelung offener Vermögensfragen); Einfügung eines Art. 143 GG betr. Abweichung von Verfassungsnormen auf dem Gebiet der ehemaligen DDR längstens bis zum 31. Dezember 1995; Änderung des Art. 146 GG betr. Verfassung für das ganze deutsche Volk.
GG-Artikel: geändert: Präambel, Art. 23, Art. 51 Abs. 2, Art. 135a Abs. 2, Art. 143, Art. 146 eingefügt: Art. 143 aufgehoben: Art. 23
Gesetzgebung: Gesetzgebung: Verabschiedet im BT: 20.9.1990; Gesetz vom 23.9.1990, verkündet am 28.9.1990, BGBl. II S. 885; Inkrafttreten am 29.9.1990 (Zitat Ende)
Tag der Veröffentlichung: 29.12.2013
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