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Samuel Feuchtfinger


Am Rand unseres Zaubergartens gibt es einen kleinen Teich. Umrandet von Bergenienblättern ist es ein idealer und beliebter Versammlungsort für alle Chöre unter den Fröschen. Da sind die einmal die Spree-Kosaken mit ihren dunkelblauen Matrosenkragen und weißem Besatz und zum anderen die die Havel-Shanty-Singer mit den hellblauen Kragen und ebenfalls weißem Besatz. Das Blau-weiß der über die Stadtgrenzen hinaus bekannten Hertha vereint und trennt doch säuberlich, was zusammengehört und was nicht.
Beide Gruppierungen beanspruchen für sich die jeweils zu recht bekanntesten und beliebtesten Gesangsgruppen im weiten Umkreis zu sein. Die Shanty-Singer wegen ihrer übergroßen Füße und die Kosaken wegen ihrer Fähigkeit, das Maul am weitesten aufzureißen.
Trotz aller bedeutsamen Unterschiede hatten sie sich jedoch vereinigen können, als es darum ging Samuel Feuchtfinger zu verpflichten, den stadtbekannten Wasser-Dirigenten in ganz Berlin. Noch übten beide Gruppen getrennt ihre Partituren, denn das Werk, das heute zur Aufführung kommen sollte war bekannt als „Die Symphonie mit dem Platsch“, ein weithin bekanntes schwieriges Chor-Werk.
Und dann war es soweit, Samuel Feuchtfinger war eingetroffen und er verbreitete sogleich ein ehrfurchtsvolles Schweigen soweit das bei den Sängern und Sängerinnen möglich war.
Ein schwungvolles „Psssst“ mit dem Dirigentenstab aus Schilf ließ beide Gruppen Aufstellung nehmen. Die eine Gruppe geschlossen auf der linken Seite, die andere natürlich rechts. Nur in der Mitte klaffte eine notgedrungene Lücke, da die Anordnung der Dirigenten-Augen es vermuten ließ, dass dort die Sehkraft nicht so stark ausgeprägt war.
Und dann ließ Samuel Feuchtfinger sein bekanntes Räuspern hören und er forderte zum gemeinsamen Einquaken auf.
Ein Kreisen mit dem Dirigentenstab und ein schwungvolles Absenken beendete die Vorbereitungsphase.
„Also meine werten Damen und Herren, ich setze den Text als bekannt voraus“, ließ sich Feuchtfinger vernehmen. „Beim ersten Teil achten bitte alle darauf, dass die Passianato-Stellen auch wirklich ganz passionato kommen“.
„Im Abendwind ganz leise schwanken die Rosen dahin; an meinen Liebsten zu denken, das kam mir in den Sinn!“
Und das bitte quaken die Damen als Solo!“
„ Die Herren dagegen werden gebeten an dieser Stelle das Fliegenfangen einzustellen, da selbst in einem modernen Werk das flapsige Maulschließen ein unzulässiges Stör-Element darstellt“.
„Ja, das passt schon ganz gut, wenn die Damen jetzt nur noch mit einem leichten Beinschwenken im Wasser ein untermalendes Wassergeräusch erzeugen könnten.“
„Und nun zu Ihnen meine Herren. Bitte ganz konzentriert das erste Quaaak!
Also: Quaaak so sang er, Huppppps so sprang er, voller Wonne in der Abendsonne“.
Nein, nein, nein unterbrach Samuel, das erste Quaaak muß aus voller Überzeugung und voller Kehlblase erfolgen und das anschließende Huppps dafür viel simulanter, wenn Sie verstehen, was ich meine.
Und dann unisono, aber noch nicht mit voller Kraft alle gemeinsam:
„Froschfrau und Froschmann, sahen sich dann an!“ Da möchte ich den gespannten Ausdruck bei beiden Chören noch verstärkt heraushören.
Diese Erwartungshaltung, diese Vorfreude auf das Kommende, auf die erste Gemeinsamkeit seit Stunden.
Also bitte mit gespanntem Vibrato und mit einem leichten Varioso bitte.
Samuel Feuchtfinger war jetzt schon ganz in seinem Element. Mit seinen gezielten Anordnungen hatte er alle Beteiligten ganz in seinen Bann gezogen. Sie hörten und sahen nur noch ihn und versuchten das Beste aus sich herauszuholen, um ihn nicht zu enttäuschen. Die gesamte Umgebung war nicht mehr wichtig. Selbst Fliegen konnten sich frech in der Nähe niederlassen, ohne fürchten zu müssen mit einem schnellen Schnapp verspeist zu werden. Es war egal, ob die Sonne schien, oder ein dunkler Schatten zeitweilig das Geschehen verdunkelte alle waren von dem Zauber der Symphonie und vom berühmten Feuchtfinger in voller Konzentration auf das Wesentliche vereinigt.
Auch Feuchtfinger selbst war nicht mehr er selbst, er war voll gefangen in seiner Aufgabe aus allen das stimmlich Beste mit vollem Einsatz herauszuholen. Mehr spassicato forderte er hier und ein viel weicheres amoroso falsotto dort.
Und da kamen auch schon die ersten Zuschauer und Zuhörer. Zwei Maulwürfe steckten ihre Köpfe kurz heraus. Weil es aber noch zu hell war konnten sie nicht so gut hören und sehen und so verzogen sie sich bald wieder.
Und alle Frösche bereiteten sich langsam auf das Finale Furioso vor, auf den Großen Platsch, wenn dann beide Gruppen die Spree-Kosaken und die Havel Shanty Singer gemeinsam im genau abgepassten Moment aufeinander zuspringen sollten, um die Vereinigung von Froschfrau und Froschmann zu symbolisieren. Dann musste der große Platsch, der der Sinfonie auch den Namen gegeben hatte im genau abgepassten Moment erfolgen, um auch den letzten Zuhörer aufzurütteln.
Wieder strich ein dunkler Schatten kurz über den Teich, aber niemand hörte auf zu quaken, niemand beachtete etwas anderes als Samuel Feuchtfinger, der in gebieterischer Pose sich aufgerichtet hatte und forderte: „Jetzt volles Rohr ich will ein Staccato hören, das die Welt aufweckt aus ihrer selbstverliebten Schläfrigkeit und dann den….“
Aber weiter kam er nicht mehr, denn der riesige, gewaltige Platsch kam eindeutig zu früh, aber dennoch gerade noch zeitig genug, um im Teich eine gewaltige Spritzerei zu veranstalten mit dreißig Spree-Shanty-Singern und dreißig Havel-Kosaken und Samuel Feuchtfinger dazu schafften es alle mit dieser gewaltigen Wasserkaskade Meister Adebar die Sicht zu nehmen, der aus des Himmels Bläue herabgestoßen war, weil er ein leicht zu fangendes Abendmahl vermutet hatte.
Alle waren gerettet unter dem Schutz der großen Bergenienblätter. Und Samuel Feuchtfinger grinste schon wieder sein bekanntes Pressegrinsen, als er sich wieder aufrichtete und der Nachwelt verkündete:
„ So soll die Welt erfahren, welche Lebensverlängerung in der richtig ausgeübten Gesangskunst zu finden ist!“
Und alle Anwesenden bestätigten dies mit einem glücklichen gemeinsamen QUAAAAAK!
Don

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Tag der Veröffentlichung: 11.02.2010

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