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Der Junge schaut sie neugierig an. Irgendwie macht es ihm Spaß, sie zu beobachten. Er spürt ihre Nervosität genau. Ihr zittern unter seinen Berührungen.

Er hat sie zuvor nie beachtet. Immer wenn er zur Arbeit ging oder den Weg nach Hause einschlug, war sie da. Aber niemals ist es ihm in den Sinn gekommen sie anzusehen.

Er streicht ihr über den Rücken. Ein weicher Rücken, denkt er.

Sie hat Angst, also flüstert er ihr beruhigende Worte ins Ohr. Nie wieder wird er sie vergessen können. Dazu sind ihre grünen Augen viel zu schön und gleichzeitig viel zu traurig. Er nimmt sich vor, für sie zu sorgen. Für sie da zu sein und sich um sie zu kümmern. Für immer. Was soll sie auch anderes tun können? Wenn der Junge sie nicht gefunden hätte, wäre sie innerhalb der nächsten Wochen einsam und alleine irgendwo in einer Gasse verhungert. Das andauernde Betteln wurde ihr in dem Fall auch nichts bringen. Ich bin ihre einzige Hoffnung, redet er sich zu Recht ein. Ohne mich hat sie keine Chance …

Ein anderer Mann kommt vorbei und mustert ihn beim Vorübergehen. Er bleibt stehen und sieht ihn direkt an. „Du willst sie doch nicht etwa mit nach Hause nehmen, oder?“, fragt er.

Er Junge kennt den Mann. Dieser antwortet und drückt sie dabei noch fester an sich: „Oh doch, Dad, und du wirst mich nicht davon abhalten!“

Der Mann macht einen gleichgültigen Gesichtsausdruck und geht weiter. „Ich hoffe du weißt, wie man mit ihr umgeht.“, ruft er ihm noch über die Schulter zu.

Der Junge nickt nur stumm. Er weiß, dass es schwer werden wird, aber das arme Ding sollte nicht auf der Straße verhungern müssen. Besonders nicht hier unter so vielen Kerlen, die sich gerne an ihr vergreifen würden, nur damit sie dann mit den Babies allein dasteht.

Er wickelt sie also in seine Jacke ein und trägt sie in seine Wohnung. Auf der Couch setzt er sie ab und legt eine Decke um das kleine Wesen. Ihr ist bestimmt kalt, weshalb er die Heizung in dem kleinen Raum, das er sein Wohnzimmer nennt etwas aufdreht. Dann geht er in die Küche.

Nach ein paar Minuten ruft er nach ihr und sie läuft vorsichtig und neugierig zu ihm. Mit großen grünen Augen beäugt sie das mit Milch gefüllte Schälchen.

„Lass es dir schmecken, kleines Kätzchen.“

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Tag der Veröffentlichung: 28.01.2017

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