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Der Fels

Neugierig hob Reni die Plane zur Seite, viele Vorräte waren in der Kammer zu entdecken.

Sie wusste, dass die Regel besagt: Nimm, wenn du etwas benötigst, und fülle mit etwas auf, was nachfolgende Wanderer auch benötigen könnten.

So war sie nie mit schwerem Gepäck unterwegs, denn in den Hütten gab es immer eine gut gefüllte Kammer. Wasser konnte am Brunnen oder aus einer nah gelegenen Quelle geholt werden.
Reni freute sich schon sehr auf die Holzhackaktion, denn dafür lagen auch die entsprechenden Geräte bereit und genügend Einfeuerung musste sein, um ihr geliebtes Heißgetränk fertig werden zu lassen. Also geschwind die Joppe gewechselt, das Beil lag gut in der Hand und raus zum Klotz.

Ein mit gehaktem Holz gefüllter Korb stand zwar gleich bei der Feuerstelle, doch Reni freute sich schon zu sehr auf diese so ursprüngliche Herausforderung trieb sie, wie in den Jahren vorher, immer wieder in diese Region.

Nachdem sie einen guten Vorrat an Spänen angelegt hatte, nahm sie aus dem Korb die benötigten Späne und schichtete alles fachgerecht in die Esse.

Hölzer zum Entzünden gab es auch, diese hatte sie in ihrem Gepäck und waren immer griffbereit.

Kurze Zeit später, Reni hatte ihren Kaffee, nahm sich noch einen Kanten Brot aus ihrem Rucksack und setzte sich vor die Hütte, um den langsam verändernden Farben der untergehenden Sonne zuzusehen.

 

Die zerklüfteten Felswände gaben ein Licht- und Schattenspiel, Reni folgte in ihren Gedanken immer mehr bis in das Innere des Felsens.

Fast konnte sie die Kanten spüren, die inneren Aushöhlungen fühlen, ohne direkten Kontakt.

Immer mehr, immer intensiver erlebte sie diesen Felsen, direkt vor ihrem inneren Auge. Er kam ihr so bekannt vor, wie ein fast vergessener Freund.

Einer, der ihr vor so vielen Jahren so viele unbeantwortete Fragen hinterließ.

Damals war sie nicht in der Lage, sich auf diese Ebene zu begeben. Genau jetzt sah sie vieles direkt: Ohne die Mauern, die er ihr hin gestellt hatte.

Reni wusste jetzt kaum mehr von ihm, als damals. Doch diese Verbindung, diese Liebe saß noch immer in ihr und jetzt sah sie die tiefen Verletzungen, die Aushöhlungen, die es ihm nicht möglich machten, ihr das zu geben, was sie so sehr wünschte. Sein Zugewandsein, sein Gefühl, seine Liebe.

Je mehr sie ihre Liebe zeigte, desto mehr zeigte er seine Kanten. Nein, er wollte sie nicht verletzen, wollte sie aber abschrecken, auf Abstand bringen.

Doch Reni verletzte sich, Tränen liefen in Strömen, jeder Sommerregen wurde dazu ersehnt, sich in den Regen fallen zu lassen, um im Schatten des Felsens gehalten und behütet zu werden.

Doch das konnte er nicht, seine Küsse nahmen ihre Tränen auf und doch brannte sie innerlich vor Verlangen, zu fliegen.

 

Fels

©Alf Glocker

 

 

 

Fels
steht einfach so im Weg
vorbei ein Steg
bietet mir Schutz und Ruh
hält mich, mach die Augen zu
bietet mir Ecken und Kanten
läßt mich los
fang an zu schwanken

will mich dran reiben
hab ihn lieb
will mich dran reiben
ist wie ein Dieb
mag ihn sehr leiden
nimmt mir den Weg
verbirgt den Steg



der Fels
zerklüftet, voller ausgespülter Nischen, deren glatte Flächen einladen sich wohlig hinein zu begeben, wenn die Zugänge nicht so zerklüftet, voller abgeschlagene Ecken, Kanten die verletzen können, der Durchgang nicht zu schmal wäre.

die Brandung
wäscht heraus, bricht ab, nimmt Halt.

tränengleich
atemlos

Sehnsucht nach Weite, Herzschlag, Meer/mehr

Impressum

Texte: ©Leahnah Perlenschmuck
Bildmaterialien: ©Alf Glocker
Lektorat: ©BK
Tag der Veröffentlichung: 11.06.2016

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