Inhaltsverzeichnis
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 1
Wieso ist mir so kalt? Habe ich das Fenster in meinem Schlafzimmer offen gelassen? Aber wo ist denn dann meine Bettdecke?
Ein wenig unbeholfen tastete ich um mich herum, fand sie jedoch nirgends. Das einzige was ich fand war Sand und Gras. Keine Decke, kein Bettlacken, kein Kissen und auch nicht der Schalter meiner Nachttischlampe.
Wo zum Henker bin ich hier nur? Vielleicht sollte ich es mal mit dem einfachsten versuchen, um mich zu orientieren. Die Augen öffnen.
Einen großen Vorteil brachte mir das nicht. Es war dunkel, nur der Mond erhellte die Lichtung zu meiner Seite.
Da bewegte sich doch etwas. Ich rieb mir den Schlaf aus den Augen und stand auf. Erst jetzt bemerkte ich, dass ich gar nicht meine normalen Schlafklamotten anhatte. Ich trug eine Jeans, ein Langarmshirt und Sneakers.
Aus dem Augenwinkel nahm ich wieder die Bewegungen auf der Lichtung wahr. Mit ein wenig Konzentration konnte ich zwei Gruppen ausmachen, die sich gegenüberstehen. Die eine Gruppe bestand aus 8 Personen und die andere waren mehr als die anderen. Außerdem waren es riesige Hunde, oder eher Wölfe.
Okay, jetzt ist klar, dass ich nur träume.
Das kommt der Szene aus Eclipse wirklich sehr nahe. Nachdem meine beste Freundin Sophie mich gestern zum fünften Mal gezwungen hatte mir alle Filme noch einmal anzusehen, war es eigentlich kein Wunder, dass ich davon Alpträume bekam.
In dem Moment drehte sich eine der Personen auf der Lichtung ruckartig in meine Richtung. Das war’s dann wohl mit der Hoffnung, die Rolle des stillen Beobachters übernehmen zu können. Die Person, die mich entdeckt hatte, drehte sich zu den anderen. Anscheinend informierte sie die anderen über mein Auftauchen.
Also Tarnung aufgeflogen, da bleibt mir nur noch Kapitulation. Flucht war keine Option, da wenn ich eins von meiner Twilight-Folter gelernt habe, dann dass ich keine Chance habe, vor diesen Kreaturen davon zu laufen.
Meine weiße Fahne habe ich aber leider in meiner anderen Hosentasche gelassen. Ich wusste doch, ich habe etwas vergessen.
Sarkasmus lässt grüßen.
Vielleicht mit erhobenen Händen herauskommen und mich auf den Boden legen. Aber da war ich eben noch und der ist extrem kalt. Also lasse ich das mal ganz einfach sein.
Während meines inneren Monologs kam die vampirisch-menschliche Hälfte des Treffens auf mich zu und war nun nur noch einige Meter entfernt.
Ein wenig überraschte es mich schon, dass es nicht die Gesichter der Schauspieler waren, die ich erblickte. Sondern Gesichter, die noch perfekter und schöner waren. Selbst Bella war bei weitem hübscher. Dabei war sie an diesem Punkt der Geschichte doch noch ein Mensch. Wenn auch nicht mehr lange.
Das Gesicht von, ich vermute mal wild drauf los, Edward verzog sich schmerzhaft. Stimmt, er wollte ja nie, dass sie verwandelt wird. Damit war dann auch klar, dass ich nicht soviel Glück wie Bella habe und meine Gedanken vor ihm sicher sind.
In dem Moment fing Carlisle an zu sprechen.
„Hallo, wer bist du? Können wir dir irgendwie helfen? Hast du dich verlaufen?“
Verlaufen nicht direkt, eher verträumt.
„Mein Name ist Stella Heine. Ich glaube nicht, dass ihr mir helfen könnt. Aber ich vielleicht euch.“
Ich hatte gerade die Entscheidung getroffen, dass wenn ich mir den ganzen Scheiß schon wieder ansehen muss, dann versuche ich wenigstens die Stellen zu ändern, die mir nicht gefallen hatten.
Zum Beispiel der Kuss zwischen… Dass sollte ich jetzt vielleicht lieber nicht zu ende denken. Sonst wird der Übermittler der schlechten Botschaft noch aus Versehen gegen einen Baum geschleudert.
Obwohl, ich würde es ja nicht spüren. Nein, dass wäre einfach nur grausam.
Anscheinend hatte ich bei unserer Unterhaltung nicht aufgepasst, denn ich wurde fragend angesehen.
„Tut mir leid, was hattet ihr gefragt?“
„Wie du meinst uns helfen zu können?“ antwortete Carlisle mir.
„Ach so. Ganz einfach. Ich weiß, dass Alice wegen der Wölfe den Ausgang nicht sehen kann, also dachte ich mir, dass es euch vielleicht interessieren würde, dass niemanden etwas passiert. Obwohl euer Plan mit dem verstecken vor Victoria nicht so ganz geklappt hat. Aber kein Grund zur Panik, Bella passiert nichts und wenn die Wölfe nach dem Kampf soviel Weitsicht an den Tag legen und die Anzahl der toten Neugeborenen überprüft spart Jacob sich auch einige Knochenbrüche.“
Sprachlos wurde ich angestarrt. Nun gut, dass ein einfacher Mensch ihnen den Ausgang ihres Kampfes mitteilt ist auch etwas ungewohnt. Hoffentlich denkt Alice jetzt nicht, ich wollte ihr ihren Job streitig machen, denn die Zukunft konnte ich nun wirklich nicht sehen.
Edward schien sich als erster wieder zu fangen.
„Vielleicht erklärst du uns alles noch einmal von ganz vorne. Was machst du hier? Warum glaubst du, du träumst und was meintest du eben mit den Änderungen der Geschichte?“
Wenn ich jetzt alles Haarklein erzähle, dann trainieren sie heute Nacht nicht und dann könnte das ganze doch ganz anders ausgehen. Vor allem die Wölfe brauchen das Training von Jasper. Esme und die anderen können es bestimmt auch gebrauchen.
Auch wenn dies nur ein Traum ist, soll ihnen meinetwegen nichts passieren. Edward schien sich mal wieder meine Gedanken angehört zu haben.
Denn er nickte kurz und sagte dann „Da hast du vermutlich Recht. Wir sollten alle wie geplant trainieren und dann kannst du uns immer noch über alles aufklären.“
Ich erntete genervte Blicke von Emmett, der es nicht ausstehen konnte, dass er nur einen Teil des Gesprächs Mitanhören konnte. Ich kann ihn ja verstehen, dass muss wirklich frustrierend sein.
Langsam folgte ich ihnen zur Mitte der Lichtung. Der große schwarze Wolf sah fragend zu Edward. Dieser antwortete auch gleich auf seine Gedanken.
„Ich weiß im Moment nicht woher Stella so plötzlich kam. Sie wird uns alles nach dem Training erklären. Sie ist der Meinung, dass es wichtiger ist, dass Jasper uns in die ‚Kunst’ des Neugeborenentötens einweiht.“
Damit wandte er sich an mich. Am besten du setzt dich erst einmal zu Bella an die Seite und ihr seht zu.
Es ist wohl besser, wenn ich der Aufforderung folge leiste. So ein zusammenprall mit einem Vampir scheint mir keine gute Idee zu sein. So ging ich mit Bella zu einem Baum und wir setzten uns darunter und sahen gespannt dem Training zu.
Kapitel 2
Dies war schon in dem dritten Film die einzige gute Szene. Aber mein Traum war noch eine Spur besser. Die Wölfe sahen wirklich echt aus und den Bewegungen konnte ich nun auch nicht mehr folgen. Sie waren einfach zu schnell.
Aber als die Bewegungsabläufe noch einmal langsam vorgeführt wurden bekamen Bella und ich auch etwas zu sehen und nicht nur verschwommene Gestalten.
Nach den ersten Runden stellte Bella die erste Frage von vielen, die noch folgen sollten.
„Wieso bist du eigentlich hier und warum kennst du das Ergebnis des Kampfes?“
Ich überlegte kurz, wie ich ihr das ganze erklären sollte, aber da es eh mein Traum war, kam es eigentlich auch nicht darauf an, ob sie mir meine Geschichte glaubte.
„Es ist eigentlich ganz einfach. Ich musste mir gestern mit meiner besten Freundin Sophie wieder alle bisher erschienenen Teile der Twilight-Saga ansehen. Ihr seid alle Figuren in diesen Filmen, bzw. Büchern. Jetzt träume ich mich mitten in die einzige Szene des dritten Films, die ich einigermaßen ertragbar fand. Meine Idee war, dass wenn ich mir die Geschichte schon wieder ansehen muss und diesmal ein Teil davon bin, dass ich die Dinge auch einfach etwas ändern kann.“
Sie sah mich ein wenig überrascht an.
„Du glaubst, dass du das ganze nur träumst? Von welchen Filmen sprichst du überhaupt?“
Ist ja klar, dass die Hauptperson der Geschichte nichts von den Filmen und Büchern weiß, wäre ja auch noch komischer, wenn es so wäre.
„Ich glaube nicht nur, dass ich träume, ich bin davon überzeugt. Die Filme beruhen auf vier Büchern, die von der Schriftstellerin Stephenie Meyer geschrieben wurde. Eigentlich sind es Bücher, die aus deiner Perspektive geschrieben wurden. Sie beginnen mit deinem Umzug hierher nach Forks. Im Moment befinden wir uns im Dritten Buch. Im Vierten wird geheiratet und noch so einiges mehr.“
Der Unglauben auf Bellas Gesicht wurde immer größer, je mehr ich ihr erzählte.
„Vielleicht sollte ich den Rest einfach nachher erklären? Dann kann ich auch versuchen zu beweisen, dass ich nur die Wahrheit erzähle. Hoffentlich kriege ich die ganze Geschichte auf die Reihe. Ich habe die Bücher mit eher geringem Interesse gelesen und die Filme eher über mich ergehen lassen. Wenn Sophie jetzt hier wäre, wäre sie euch sicher eine größere Hilfe als ich.“
Sie sah mich immer noch mit großen Augen und einem O auf den Lippen an. Sagen konnte sie offensichtlich nichts mehr. Alles was sie zustande brachte war ein eher angedeutetes Nicken.
Wir waren mittlerweile bei der Stelle mit dem Schnüffeln angelangt. Die Cullens stellten sich alle in eine Reihe und die Wölfe gingen langsam an ihnen vorbei und rochen an ihnen.
Jetzt war wohl der Zeitpunkt gekommen mein Auftauchen hier zu erklären, welch ein Spaß! Ich verdrehte meine Augen, bevor ich mich erhob und Bella eine Hand entgegen streckte, um ihr aufzuhelfen. Sie sollte sich nicht noch beim aufstehen verletzen oder so etwas in der Art. Ihre Tollpatschigkeit hatte ich nicht vergessen.
Zusammen gingen wir zurück zur Mitte der Lichtung. Jacob und Sam hatten sich gerade verwandelt und kamen aus dem Wald zurück. So vermutete ich zumindest, da der große schwarze Wolf und der rostfarbene verschwunden waren. Der Linke von beiden musste Jacob sein, weil er Bella ein strahlendes Lächeln zuwarf. Sie wollten ihre Fragen offensichtlich lieber persönlich stellen. Meinetwegen.
Mit den Worten „Na dann sollte ich wohl jetzt mit der Geschichte anfangen.“ traten wir zu ihnen.
Ein einheitliches Nicken ermunterte mich fortzufahren.
„Ich bin heute Abend, nach mehrstündiger Twilight-Folter durch meine beste Freundin, ins Bett gegangen. Vorhin bin ich hier neben der Lichtung wieder aufgewacht. Also bin ich am träumen.“
Hier wurde ich von Carlisle unterbrochen.
„Was ist denn bitte eine Twilight-Folter?“
Ich lachte kurz humorlos auf.
„Meine beste Freundin ist von den Büchern der Autorin Stephenie Meyer besessen. Sie schrieb die Twilight-Saga, welche auf Bellas Leben beruht. Nach dem Erfolg der Bücher wurden sie verfilmt. Ich wurde zuerst gezwungen die Bücher zu lesen, danach musste ich mir die Filme im Kino ansehen, aber die größte Folter ist eigentlich, mir diese Filme mindestens alle zwei Wochen komplett ansehen zu müssen. Nichts für ungut.“
Entschuldigend sah ich Bella an, bevor ich mit meiner Erklärung fortfuhr.
„Diese Szene spielt im dritten Teil und ist echt die einzige Szene, die in dem Film zu ertragen ist. Ich glaube das war eigentlich alles. Habt ihr noch Fragen?“
An das ungläubige Gesicht von Bella habe ich mich ja schon gewöhnt, aber jetzt sahen mich alle anderen eben so ungläubig an. Besonders bei den Wölfen sah das Ganze äußerst lustig aus. Sie hatte ihre Köpfe alle zur linken Seite gebeugt und sahen mich skeptisch an.
Nach etwa fünf Minuten absoluten Schweigens, brach ein Stimmengewirr um mich herum aus. Sie schienen alle zu diskutieren, ob ich die Wahrheit sagen könnte, wo ich so plötzlich herkomme, usw. Abwehrend hob ich die Hände hoch und versuchte sie zu beruhigen.
„Hey, immer schön ruhig bleiben. Eins nach dem anderen. Wie soll ich das ganze beweisen? Vielleicht mit Kleinigkeiten aus dem Buch, also Bellas Leben?“
Wieder erhielt ich skeptische Blicke. Nun gut. Wo fange ich an? Hm… Ah ich hab’s.
„Edward hat dir doch viele Fragen gestellt, nachdem Abend in Port Angeles. Eine der Fragen war, welches dein Lieblingsedelstein ist.“
Ungläubig sahen mich die beiden an.
„Was? Ich fand die Frage schon beim Lesen total bescheuert. Da ist sie mir im Gedächtnis geblieben. Deine Antwort war, der Topas, weil der seiner…“
Weiter kam ich nicht, da Bella mir mit Hochrotem Kopf den Mund zuhielt. Edward sah seine Bella mit einem Blick voller Liebe an. Das war wirklich süß. Alle anderen grinsten mich nur an.
Nur Jacob sah etwas mitgenommen aus. Er tat mir schon etwas leid, aber was er noch tun wird, ist echt nicht in Ordnung. Bella so zu verarschen, nur weil er nicht akzeptieren kann, dass die beiden zusammen gehören.
Wenn er wüsste, dass dies auch zu seinem Besten ist, würde er sich vielleicht nicht so aufführen. Oh Mist, ich muss meine Gedanken etwas im Zaum halten, sonst verändere ich noch Dinge, die mir eigentlich ganz gut gefallen hatten.
Kapitel 3
Plötzlich wurde ich in die Seite gezwickt.
„Ouch, verdammt, das tat weh! Was sollte d…? So ein Mist! Das ist ja gar kein Traum. Wie bin ich dann hier her gekommen? Wo bin ich überhaupt?“
Jetzt war es an der Zeit doch richtig Angst zu bekommen.
Dies ganze war kein Traum. In Träumen spürte man keinen Schmerz, so heißt es doch. Mir fällt auch kein Traum ein, in dem ich bisher jemals Schmerz fühlte. Aber wenn das kein Traum ist, was ist dann passiert?
Ich kann doch unmöglich in dem Buch sein. Ein Paralleluniversum? Oder habe ich meinen Verstand verloren, vielleicht sollte ich mich einweisen lassen.
Vielleicht gehen mit ganz vielen Antidepressiva und sonstigen rezeptpflichtigen Drogen meine Wahnvorstellungen weg? Aber wo kamen die Wahnvorstellungen her?
Hat Sophie mich einmal zu oft mit den Filmen gequält? So schlimm war die Folter nun auch wieder nicht.
Meinen Kopf habe ich mir aber auch nirgends angeschlagen.
Ich hatte gar nicht mitbekommen, wie ich mich auf den Boden habe sinken lassen, und in den Untiefen meines Gehirns verschwand. Bis ich einen weitern Schmerz auf meiner linken Wange spürte.
Erschrocken fuhr ich hoch und sah in braune Augen. Bella hatte mich offensichtlich mit einer Ohrfeige wieder in die Gegenwart zurückgeholt.
Ein wenig verstört blickte ich mich einmal um. Alle Anwesenden hatten einen Kreis um mich herum gebildet und sahen mich an. In den Augen aller konnte ich Sorge erkennen.
Ein Augenpaar viel mir dabei besonders auf. Ein dunkelgrauer Wolf blickte mich so voller Sorge an, als ob seine gesamte Welt gerade zusammengebrochen war. Plötzlich blickten alle Wölfe und Edward zwischen mir und dem dunkelgrauen Wolf hin und her. Was war denn jetzt kaputt?
Ist ja jetzt auch egal. Ich habe wichtigeres zu überdenken, als diese merkwürdigen Blicke. Ich war hier an einem fremden Ort.
Moment, ich war hier in den USA, genauer im Bundesstaat Washington. Wieso verstanden mich die alle, wenn ich doch deutsch spreche? Mein Englisch war ja nicht schlecht, aber so gut nun auch wieder nicht.
Ohne mir meine Sätze vorher genau zu überlegen konnte ich kein Gespräch führen. Das ist doch alles total merkwürdig. Edward unterbrach mal wieder meinen inneren Monolog.
„Du hast die ganze Zeit mit uns Englisch gesprochen. Einen Akzent kann man auch nicht heraushören. Du sprichst einwandfreies Oxford Englisch. Deine Gedanken sind jedoch auf Deutsch.“
Na dann. Ein Mysterium weniger. Das Edward neben vielen weiteren Sprachen auch Deutsch spricht, überrascht mich jetzt weniger.
Was mache ich denn jetzt? Ich habe nichts bei mir, außer den Klamotten, die ich am Leib trage. Weder Geld, Papiere noch ein Handy.
Ob ein Handy aus meiner Welt hier überhaupt funktioniert hätte? Wenn ja, wären die Minutenpreise eh extrem hoch gewesen. Wenn man in eine andere Realität telefonieren will, nur damit die Mitbewohner und die Familie sich keine Sorgen machen.
Oh nein, was passiert jetzt mit meinem Leben? Meine Eltern werden das nicht verstehen, warum ich einfach so verschwinde, ohne ihnen etwas zu sagen. Was ist mit meinen Freunden? Meinem Studium? Alle werden sich wahnsinnige Sorgen machen.
Aber das sind alles Dinge, auf die ich zurzeit keinen Einfluss habe. Am besten ich beschäftige mich mit Dingen, die ich selbst verändern kann.
Wo schlafe ich heute Nacht? Vielleicht kann ich bei irgendjemandem auf der Couch schlafen? Geld für ein Hotelzimmer hätte ich eh nicht. Außerdem bezweifle ich, dass es ein Hotel in Forks gibt. Aber vielleicht eine Pension.
Dann brauche ich wohl auch einen Job, aber wie soll ich das anstellen, ohne Zeugnisse und vor allem ohne Ausweis.
In Filmen gibt es immer einen Chef, der so freundlich ist jemanden ohne Papiere einzustellen. Meistens sind das aber Kellnerinnen oder Köche. Beides keine gute Idee.
Das mit dem Kellnern hat schon in meiner Welt nicht funktioniert und zum kochen fehlt mir das Talent, ich bezweifle, dass irgendjemand wässrige Spaghetti mit Tütensoße in einem Restaurant essen will.
Vielleicht kann ich als Aushilfe in einem Supermarkt anfangen? Das scheint eine gute Idee zu sein. Leuten fröhlich lächelnd ihre Einkäufe in Papier oder Plastik einzupacken, dürfte auch ohne Qualifikation möglich sein.
Gut ein Grundkonzept zum Überleben habe ich also schon einmal. Jetzt muss ich nur noch eine Möglichkeit finden dies umzusetzen.
„Jetzt dürfte sie wieder ansprechbar sein. Stella! Hey Stella! Hör zu! Das kriegen wir schon hin. Jetzt müssen wir uns erst einmal überlegen, wo du heute Nacht schlafen kannst.“ Sagte Edward direkt neben mir.
Offensichtlich war ich mal wieder tief in meiner Gedankenwelt versunken. Ich muss mich mehr auf meine Umgebung konzentrieren. Nach einem tiefen Atemzug blickte ich wieder hoch.
Ich saß immer noch auf dem Boden. Edward hatte sich neben mir gehockt und lächelte mich freundlich an. Mir tat er ein wenig leid, dass er sich meine Gedanken anhören musste. Aber daran kann er sich schon mal gewöhnen, wenn wir uns öfter sehen. Meine Gedanken springen grundsätzlich von Thema zu Thema.
Warum gehe ich eigentlich davon aus, sie alle öfter zu sehen? Vielleicht wollen sie sich auch gar nicht mit mir rumschlagen. Edward konnte über meine Gedanken nur schmunzeln und meinte dann „Darüber mach dir mal keine Sorgen. Das wird bestimmt nicht passieren.“
Der graue Wolf, der mir eben noch schräg gegenüber gesessen hatte war nun durch einen hoch gewachsenen dunklen Mann ersetzt worden, der wunderschöne dunkelbraune Augen hatte. Ein leichtes Lächeln umspielte seine Lippen. Ich konnte nicht anders und musste dieses Lächeln erwidern. Die Augen meines Gegenübers nahmen mich gefangen. Es schien mir unmöglich wegzusehen.
Eine weiße Hand, die vor meinem Gesicht wedelte unterbrach diesen Blickkontakt.
„Stella, wenn du willst kannst du doch heute Nacht bei uns übernachten. In unseren Betten schläft eh keiner. Das ist bestimmt bequemer als irgendeine Couch.“ Sprach Alice mich an.
Die wedelnde Hand gehörte auch zu ihr. War es eine gute Idee bei ihnen zu bleiben? Ich will ihnen keine Unannehmlichkeiten bereiten. Jasper fiel es doch laut Buch so schwer in der Nähe von Blut zu sein.
Als ich das letzte Mal beim Arzt war wurde mir rotes Blut abgezapft, also dürfte es für ihn schwer sein mich in seiner Nähe zu haben. An Bella konnte er sich langsam gewöhnen und sie schlief auch nicht dort.
Derjenige, über den ich gerade nachdachte mischte sich in meine Gedanken.
„Warum auf einmal so besorgt? Wenn du nicht in einem Haus voller Vampire schlafen möchtest, kann dir das keiner zum Vorwurf machen.“
Der Mann mit den wunderschönen dunkelbraunen Augen mischte sich nun in unser Gespräch ein.
„Sie kann unmöglich in einem Haus voller Vampire schlafen. Das ist viel zu gefährlich! Sie kann ja bei Bella oder Leah übernachten.“
Mein Blick wanderte automatisch zu dem kleinsten der Wölfe. Überraschung spiegelte sich in den Augen des Wolfes wieder. Sie sah mich gar nicht so böse an, wie ich es von ihr erwartet hätte. Ich sah Verständnis in ihren Augen.
Ob es ihr ähnlich erging, als sie sich zum ersten Mal verwandelte? Sie fand sich auch plötzlich in einer neuen Welt wieder. Nur dass sie noch zusätzlich mit Sam konfrontiert wurde. Vielleicht konnten wir uns gegenseitig helfen.
„Wenn Leah nichts dagegen hat, würde ich gerne bei ihr bleiben. Aber bevor sich jemand schlecht fühlt erkläre ich wohl besser warum. Alice, ich sollte vielleicht nicht bei euch übernachten. Ich möchte nicht, dass Jasper sich unwohl fühlt, weil ich dort bin. Obwohl ich weiß, dass er mir nichts tun würde, müsste er sich doch bemühen. Das will ich einfach nicht.
Bei Bella sollte ich wohl aus zwei Gründen nicht bleiben. Zum einen ist ihr Vater der Polizeichef, wenn er keine Fragen stellt, wo ich so plötzlich herkomme, wer dann? Zum zweiten wird Edward eh bei Bella sein, da würde ich nur stören.
Bei Leah scheint es mir am einfachsten zu sein, da Sue bestimmt Fragen stellen wird, aber meiner Erklärung wohl am ehesten glauben wird. Alle mit meiner Erklärung zufrieden? Keiner fühlt sich vor den Kopf gestoßen?“
Alice schmollte ein wenig. Aber plötzlich hellte sich ihr Gesicht auf.
„Ich bin nicht sauer, wenn du dafür mit uns morgen shoppen gehst. Du brauchst unbedingt neue Klamotten. Außer der Jeans und dem Shirt hast du ja nichts hier.“
War ja klar, dass ein solcher Gedanke sie in einen Glückstaumel befördert.
„Gut, aber es gibt Einschränkungen. Keine Designerklamotten und nicht mehr wie ich für unbedingt nötig halte. Ach und Bella muss nicht mit, wenn sie nicht will.
Ich weiß, dass eine Diskussion über Geld unnütz ist, da du am Ende eh bezahlen musst, da ich hier nicht einen Cent besitze. Bei dem Vorschlag, es zurückzuzahlen wirst du mir vermutlich den gleichen Vortrag halten wie Bella. Also ersparen wir uns den Zeitaufwand und ich sage nichts, wenn du meinen Bedingungen zustimmst.“
Eine Minute lang überlegte Alice offensichtlich ob es ein Hintertürchen für sie gab, mir doch ihre Lieblingsdesigner aufzudrängen. Aber sie stimmte, wenn auch widerwillig meinen Bedingungen zu.
Bella sah mich dankbar an. Hey, wenn sie nicht mit will, sollte sie auch nicht gezwungen werden sich in die Shopping-Hölle zu begeben, nur weil ich keine Klamotten habe.
„Dann hole ich dich morgen um halb 10 bei Bella zu Hause ab. Einer der Wölfe kann dich ja zu ihr fahren.“ Erteilte mir Alice einen Marschbefehl.
Nun mischte sich wieder der Mann mit den unglaublich schönen Augen ein.
„Stella kann doch nicht alleine mit einem Blutsauger den ganzen Tag verbringen. Nehmt wenigstens Leah mit.“
Was ging es ihn eigentlich an, mit wem ich meine Zeit verbringe? Vorhin bei der vorübergehenden Wohnsituation hatte er sich auch schon ungefragt eingemischt. Was sollte das denn bitte werden?
Ich brauche keinen Aufseher, wenn ich shoppen gehe. Außerdem bezweifle ich, dass Leah Lust hat sich den ganzen Tag in Alice Gesellschaft aufzuhalten. Nur weil sie die einzige Frau ist, die sich in einen Wolf verwandelt, kann er doch nicht von ihr erwarten, mich zu begleiten.
Meine Gedanken stachelten meine Wut immer weiter an. Dann war die Wut, wie durch Zauberhand, verschwunden und zurück eine merkwürdige Ruhe, die mich erfasste. Das war eindeutig Jasper. Mit einer, für Menschen, schnellen Bewegung drehte ich mich zu ihm herum und funkelte ihn wütend an.
Ich mag es nicht, wenn man mir etwas vorschreiben will. Genau dies tat er jedoch gerade. Er schrieb mir meine Gefühle vor.
„Wenn dir dein neues Motorrad etwas bedeutet, dann lässt du das besser bleiben!“ zischte ich Jasper an.
Wieder einmal sah ich ein überraschtes Gesicht, weil ich soviel über sie wusste. Tja, ich weiß leider noch bei weitem mehr. Nur hatte ich mir das meiste Wissen nicht einmal freiwillig angeeignet.
Ohne Sophies ständige Gefrage, wo ich denn gerade beim Lesen der Bücher wäre, hätte ich dieses Detail bestimmt vergessen. Aber nachdem ich mir eine halbe Stunde einen Vortrag darüber anhören konnte, wie süüüüß es doch von Edward war ein Motorrad zu kaufen, damit er mit Bella zusammen fahren kann, werde ich nie wieder vergessen, dass er es daraufhin Jasper schenken wollte.
Wenn ich doch damals bloß meine Klappe gehalten hätte und nicht meine Meinung gesagt hätte. Mir wären einige Minuten des Vortrags erspart geblieben.
Natürlich war es lieb von Edward so an Bella zu denken, aber das Motorradfahren war halt ein Jacobding.
Wo war ich? Ach ja, ich hatte gerade besagtes Motorrad bedroht, wenn ich nicht meine Wut zurückbekam. Wütend war ich auf den Mann, dessen Namen ich nicht kenne, weil er mich ständig bevormundet und entscheidet, was für mich zu gefährlich ist und was nicht. Bei dem Gedanken kam meine Wut unvermindert zurück.
„Jetzt hör mir mal zu. Du komischer Kerl, dessen Namen ich nicht einmal kenne. Ich bin schon groß und kann ganz alleine zur Toilette gehen. Ich weiß genau worauf ich mich einlasse, wenn ich mit Alice shoppen gehe.
Sie wird mich in das erst beste Geschäft schleppen. Ich werde mich in eine Umkleidkabine stellen und die sämtliche Kollektion des Ladens durchprobieren müssen. Danach werde ich in das nächste Geschäft geschleppt und das ganze beginnt von vorn.
Wenn es dir darum geht, dass Alice ein Vampir ist, dann schlucke deine Sorge runter und überlege mal, dass du dich bei der kleinsten Aufregung in einen riesigen Wolf verwandelst, der mich zerquetschen würde, wenn wir in einem engen Raum, wie einem Auto sind. Immer noch Einwende gegen meinen Shopping-Trip?“
Ich wusste, dass meine Augen mittlerweile vor Wut blitzten. Sophie hat mal gesagt, wenn eine Person einen tödlichen Blick hat, dann war ich das. Jeder Ausbilder der Bundeswehr würde sich unter diesem Blick winden.
Doch mein Gegenüber war ein würdiger Gegner. Er blickte mich mindestens genauso wütend an. Bei ihm kam jedoch das zittern vor Wut der Werwölfe hinzu.
„Wenn du dich jetzt verwandelst unterstützt du meine Theorie nur noch zusätzlich, also solltest du versuchen dich zu beruhigen.“
Diesen Satz konnte ich mir einfach nicht verkneifen.
Kapitel 4
“Nur mal so nebenbei. Wie kommt es, das du sämtliche Namen der Blutsauger kennst, aber unsere nicht. Hat Bella in ihrer Geschichte nicht von uns berichtet?” fragte mich mein großer, dunkler, Gutaussehender Fremder giftig.
Oh, ist er etwa eifersüchtig? Edward fing an zu kichern, wie ein kleines Schulmädchen. Ich drehte mich mit entsetztem Gesicht in seine Richtung und sah ihn fragend an. Er zuckte nur mit den Schultern. Ist ja auch egal. Weiter im Text.
„Das ist ganz einfach zu erklären. Sieh dir doch die ‚Blutsauger’ einmal an. Dir ist bestimmt aufgefallen, dass ihre Haarfarben und körperlichen Merkmale sehr unterschiedlich sind. Folglich leicht anhand einer Beschreibung zu identifizieren.
Soweit ich weiß, seht ihr euch in eurer menschlichen Gestalt alle sehr ähnlich, wie Brüder. Sam und Jacob konnte ich nur durch das Ausschlussverfahren identifizieren. Also halt mal schön den Ball flach und sag mir deinen Namen.“
Er grummelte irgendwas, das ich nicht verstand und das folglich auch nicht für meine Ohren bestimmt war.
„Ich heiße Paul Johnson.“
Ach Paul. Mit der Information lässt sich doch etwas anfangen.
„Gut Paul, möchtest du wissen, was ich über dich weiß? Auch wenn es nicht viel ist.“ Fragte ich ihn. Mit einem kurzen nicken zeigte er mir, dass ich fortfahren solle.
„In den Büchern spielt hauptsächlich Jacob eine Rolle, weil er Bella so geholfen hat. Später auch noch Leah und Seth. In den Filmen hast du glaube ich nicht einen Satz. Aber dein außergewöhnliches Temperament, welches regelmäßig mit dir durchgeht wird in einer Szene besonders betont.“
Um mich herum sah ich nur noch grinsende Gesichter. Die Wölfe sahen wirklich komisch damit aus, soweit ein Wolf halt grinsen kann. Aber jeder schien mir zuzustimmen.
„Aber ich vermute, dass Bella euer Geheimnis erraten hat, so wie von Jacob verlangt und nicht, dass du dich nicht beherrschen konntest, weil sie dir eine geklebt hat.“
Paul fing schallend an zu lachen. „Nein, *lach* sie hat nur *lach* Jacob *lach* eine geklebt, weil er sie geküsst hat.“ Versuchte Paul mir durch sein volltönendes Lachen mitzuteilen.
Ich drehte mich zu Bella um, die ganz rot angelaufen war. Ich ging zu ihr und umarmte sie.
„Das muss dir nicht peinlich sein. Du hast das getan, was jede Frau tun sollte, die so angegriffen wird. Deine angebrochene Hand tut mir allerdings leid. Hat sich der Verursacher dafür eigentlich schon entschuldigt?“
Den letzten Satz zischte ich in Jacobs Richtung. „Oh man Stella, bleib mal ruhig. Ja, ich habe mich entschuldigt, dass sie sich die Hand angebrochen hat. Aber für den Kuss werde ich mich nicht entschuldigen.“
Meine Wut schien in diesem Augenblick überhand zu nehmen. Mit geschlossenen Augen versuchte ich mich durch tiefe Atemzüge zu beruhigen. Mein Versuch wurde jedoch jäh unterbrochen.
„Was hat sie denn jetzt? Das ist doch eine Sache zwischen mir und Bella, warum regt sie das so auf?“ sagte Jacob.
Ich riss nach diesen Worten meine Augen auf und sah ihn strafend an.
„Was mich das angeht? Ich weiß, welchen Mist du noch veranstalten wirst! Wenn Bella die EINE für dich wäre, hättest du dich doch auf sie geprägt. Du kannst mir glauben, dass deine Zukunft nicht so übel aussieht, wie sie dir jetzt gerade vorkommt. Ich weiß, dass das Ganze schwer für dich ist. Schließlich durfte ich mich auch in deiner Gedankenwelt ein wenig umschauen.“
Bevor ich meine Rede auch nur annährend beende konnte wurde ich abrupt unterbrochen.
„Was meinst du denn damit? Ich dachte, die Bücher wären aus Bellas Perspektive?“ schrie Jacob mich an.
Ups, da hatte ich wohl einen Teil der Geschichte vergessen zu erwähnen. Ich hörte jemanden knurren. War das Jacob, weil er so sauer auf mich ist?
„Hey, das ist ja nicht meine Schuld, das war die Autorin! Das letzte Kapitel des dritten Buchs und der mittlere Teil des vierten Buches sind aus deiner Perspektive geschrieben. Die Autorin fand wohl deine Sicht der Dinge da besonders spannend. Ach da fällt mir etwas ein. Paul, kannst du mir kurz mal helfen?“
Mit großen, bittenden, blauen Augen sah ich ihn an. Paul brauchte gar nicht zweimal überlegen. Er grinste mich nur an und sagte
„Natürlich Süße, wer kann so einen Blick schon widerstehen?“
Ich schenkte ihm mein schönstes Dankes-Lächeln. Alle anderen starrten mich gespannt an. Sie hatten keine Ahnung, was ich plante. Nur Edward schien es schwer zu fallen vor lauter Lachen sich aufrecht zu halten.
„Tu einfach nichts, außer meinen Bewegungen zu folgen.“ Ich schnappte mir seine linke Hand und umfasste sein Handgelenk. Ich holte aus und verpasste Jacob eine saftige Ohrfeige.
Völlig verdutzt starrte er mich an. Alle anderen hatten Probleme sich auf den Beinen zu halten vor Lachen. Selbst Esme und Carlisle schienen sich ein schmunzeln nicht verkneifen zu können.
Ich drehte mich zu Bella und sagte zu ihr „Jetzt weißt du, wie du in Zukunft gebrochene Knochen vermeiden kannst. Das wirkt bestimmt genauso gut bei Vampirbrüdern und Vampirfreunden.“
Bella schlug sich mit der flachen Hand an die Stirn.
„Darauf hätte ich auch selbst kommen können. Jetzt weiß ich bescheid, wie ich Emmett das nächste Mal zum schweigen bringe, wenn er sich über meine Tollpatschigkeit lustig macht.“
Abrupt hörte der Bedrohte auf zu Lachen.
Mein Blick fiel auf die langsam aufgehende Sonne. Wir sollten bald aufbrechen. Sonst bekommt Bella Probleme mit ihrem Bewährungshelfer. Soweit ich weiß ist ihre Isolationshaft erst seit kurzem aufgehoben.
Edward schien mal wieder kein anderes Opfer für seine Gedankenrecherche zu haben, denn er musste wieder einmal auf meine Gedanken antworten.
„Ich denke Stella, du hast Recht. Wir sollten uns auf eine Zeit für heute Abend einigen und dann zusehen, dass wir nach Hause kommen.“
Wie soll ich eigentlich ins Reservat kommen? Ist es sehr weit zu laufen? Einfach mal abwarten. Sam und Carlisle einigten sich auf eine Zeit und die Wölfe verabschiedeten sich von Bella. Ich verabschiedete mich auch artig von Allen.
Paul, Sam und ein vor sich hingrummelnder Jacob machten sich auf ins Gebüsch um sich zu verwandeln. Na super, keiner hatte mir gesagt, wie ich denn jetzt zu Leah kam. Edward übersetzte für mich. Ich gebe es ja zu, manchmal war dieses Gedankenlesen praktisch.
„Paul hat sich freiwillig gemeldet, dass er dich zu Leah trägt.“
Der dunkelgraue Wolf kam zurück auf die Lichtung gelaufen und legte sich neben mir hin. Ich sollte wohl auf seinen Rücken klettern. Das wird bestimmt interessant, war mein letzter Gedanke, bevor ich mich ans Klettern machte.
Alice rief mir noch ein „Denk dran halb zehn bei Bella!“ zu, als Paul mit mir erst langsam und dann immer schneller die Lichtung verließ.
Das war ein unbeschreibliches Gefühl. Ich presste mich an den warmen Körper unter mir und spürte den kalten Wind in meinem Gesicht. Wir waren unglaublich schnell. Meine Umgebung war nur noch ein verschwommenes Braun-Grün. Aber dennoch fühlte ich mich unglaublich wohl und geborgen. Ein wenig merkwürdig war das ja schon.
Kapitel 5
Von den anderen Wölfen konnte ich keinen entdecken. Sie waren offensichtlich schon vorgelaufen. Nach einer viel zu kurzen Zeit wurde Paul langsamer.
Die Vegetation um uns herum wurde immer lichter. Wir nährten uns wohl dem Waldrand. Dann konnte ich auch schon ein gemütlich aussehendes Holzhaus vor uns erkennen. Das schien Leahs Zuhause zu sein.
Leah kam gerade aus der Hintertür heraus. Sie half mir von Paul herab zu klettern.
„Ich habe schon mit meiner Mutter gesprochen. Du kannst hier bei uns bleiben.“ Teilte mir Leah mit.
„Danke fürs Tragen, Paul. Du brauchst dir wegen Alice morgen wirklich keine Sorgen machen. Sie wird mir nichts tun. Das kann ich dir versprechen.“
Warum ich den Drang verspürte Paul meine Sicherheit zu versichern, weiß ich nicht. Aber Paul schien es etwas zu erleichtern. Ich strich ihm noch einmal über den Kopf, bevor ich Leah ins Haus folgte.
Die Hintertür führte direkt in eine gemütliche Küche. Am Küchentisch saßen Leah, ein grinsender, zu groß geratener Junge und eine Frau. Das waren vermutlich Seth und Sue Clearwater, Leahs und Seths Mutter.
Höflichkeit hat noch nie geschadet, darum stellte ich mich erst einmal vor.
„Guten Morgen Mrs. Clearwater. Mein Name ist Stella Heine. Wie sie vielleicht schon wissen, bin ich einfach hier gelandet. Wie weiß ich nicht. Es ist wirklich sehr freundlich von Ihnen mich vorübergehend aufzunehmen.“
Doch Mrs. Clearwater winkte nur ab.
„Ach, das ist doch nicht der Rede wert. Du bist irgendwie hier gelandet, vollkommen allein. Außerdem scheinst du uns mit deinem Wissen helfen zu wollen. Da du ja hier wohnen wirst nenn mich doch einfach Sue.“
„Gerne Mrs, äh Sue. Ich werde versuchen ihnen so gut es geht nicht zur Last zu fallen.“ Versicherte ich ihr. Doch Sue winkte schon ab.
„Mach dir darüber mal keine Sorgen. Das pendelt sich schon alles ein. Vielleicht sollten wir uns erst einmal kennen lernen. Wie du ja schon weißt, bin ich Seths und Leahs Mutter. Ich arbeite als Schulkrankenschwester an der La Push Highschool.“
Auch wenn ich schon fast alles von dem eben genannten wusste, sagte ich nichts.
„Meinen Namen wisst ihr ja schon. Ich bin 20 Jahre alt und habe vor meinem unfreiwilligen Besuch hier Mathematik studiert.“
Mein gähnen unterbrach meine weitere Vorstellung.
„Oh du bist echt müde. Am besten Leah zeigt dir gleich dein Zimmer und dann schläfst du dich erst mal aus.“
Das klang nach einem guten Plan, nur leider hatte ich eine Verabredung mit Alice. Ein Blick auf die Uhr über der Küchentür bestätigte meine Vermutung, dass mein Schlaf noch etwas hinausgezögert wird. Es war mittlerweile schon acht Uhr. Damit hatte ich noch eineinhalb Stunden bis zu meine Verabredung.
„Tut mir leid, aber ich muss um halb zehn bei Bella sein. Könnte mich jemand fahren?“
Seth grinste und antwortete mir dann.
„Das wird nicht nötig sein. Paul hat uns schon gesagt, dass er dich hier um neun abholt und dich und Alice auf eurer Shoppingtour begleitet.“
Das war eine Überraschung. Zum einen war die Vorstellung von Paul beim Shoppen zu komisch und zum anderen verstand ich nicht, wo sein Problem lag. Ich kann schon auf mich selbst aufpassen.
Gut gegen einen Vampir hatte ich keine Chance, aber ich wusste, dass Alice mir nie etwas antun würde. Aber wie bekomme ich diesen Gedanken in das sture Gehirn eines Werwolfs eingehämmert?
Leah schien zu bemerken, wie es in mir langsam anfing zu brodeln.
„Ich glaube einfach nicht, dass ich das jetzt wirklich sage, aber Paul macht sich nur Sorgen. Du musst ihn verstehen. Für uns sind diese stinkenden Blutsauger unsere Feinde, wie sollen wir ihnen da ein Menschenleben anvertrauen, auch wenn es nur für wenige Stunden ist?“ beruhigte mich Leah.
„Ich verstehe ja, dass es für euch schwer ist, ihnen zu vertrauen. Doch müsst ihr in den nächsten Tagen eh zusammenarbeiten. Um des lieben Friedens Willen kann Paul gerne mitkommen, auch wenn er sich zu Tode langweilen wird. Wann kommt eigentlich Rachel, Jacobs Schwester zu Besuch?“
Überraschte Gesichter blickten mich an.
„Hey, so langsam solltet ihr euch doch daran gewöhnen, dass ich eine Menge weiß. Es scheint wirklich mehr in meinem Gedächtnis hängen geblieben zu sein, als ich angenommen hatte.“
Sue fing sich als erste wieder. „Rachel kommt am Ende der Woche. Wieso fragst du?“
Es ist wahrscheinlich besser, wenn ich nichts dazu sage. Nicht das ich noch etwas unbeabsichtigt ändere.
„Ach nichts, nur ein Detail, welches mir gerade eingefallen ist. Nicht wirklich wichtig.“ Versuchte ich mich herauszureden.
Schnell versuchte ich das Thema zu wechseln.
„Sue, kann ich mir einen Kaffee kochen, sonst überlebe ich den Tag bestimmt nicht.“
„Klar, ich mach für uns alle einfach schon mal Frühstück, Leah und Seth können bestimmt auch etwas vertragen. Mach du dich doch schon mal für deine Shoppingtour frisch. Leah zeigt dir alles.“
Ohne zu murren stand Leah auf und gab mir zu verstehen, ihr einfach zu folgen.
Im ersten Stock angekommen, musste ich meine Frage, die mich schon die ganze Zeit brennend interessierte, loswerden.
„Leah, warum bist du so nett zu mir? Ich hatte beim Lesen den Eindruck, dass du es nicht magst, wenn Fremde dein Geheimnis kennen. Dabei kenne ich mehr Details aus deinem Leben, als andere.“
Ein wenig gequält sah Leah mich an. Sie dachte einen Moment über ihre Antwort nach.
„Irgendwie ist es merkwürdig. Ich habe ein wenig das Gefühl dich schon ewig zu kennen, außerdem war die Aktion mit Jacob zum Schreien. Allein deswegen muss ich dich schon lieben.“
Bei dem Gedanken an Jacobs verdutztes Gesicht musste ich wieder anfangen zu lachen. Mit einer Hand stützte ich mich an der Flurwand ab, um nicht auf den Boden zu sinken. Auch Leah schien es schwer zu fallen stehen zu bleiben. Wir brauchten einige Minuten, bis wir uns wieder beruhigt hatten.
„So sehr habe ich ja schon ewig nicht mehr gelacht! Am besten zeige ich dir jetzt erst einmal dein Zimmer und dann das Bad. Du musst dich noch für deinen Horrorshoppingtrip fertig machen.“ Ich folgte Leah ein paar Schritte weiter den Flur hinab, bis wir vor einer dunkelbraunen Tür standen.
„Hier links ist dein Zimmer und genau gegenüber ist das Bad. Ich suche dir ein paar Klamotten raus, die dir passen müssten. Ich lege sie dir vor die Badezimmertür.“
Mit einem dankbaren Lächeln verschwand ich im Bad und stieg als erstes unter die Dusche.
Als ich mich in eines der flauschigen Handtücher eingewickelt hatte sah ich kurz vor die Tür, nach den versprochenen Sachen von Leah. Schnell hatte ich mich angezogen und konnte mich nun meinen Haaren widmen. Nach meinem Nickerchen auf dem Waldboden musste ich sie wohl oder übel waschen.
Ich suchte kurz nach einem Föhn, den ich schon bald im Schrank rechts neben dem Waschbecken fand. Mit dem Handtuch wischte ich den vollkommen beschlagenen Spiegel trocken und sah in meine hellblauen Augen. Sie wirkten ein wenig müde, aber das war ja zu erwarten. Da ich keine Schminke dabei hatte, verzichtete ich einfach darauf. Ein Haargummi hatte ich auch nicht dabei, also mussten meine langen schwarzen Haare wohl auch offen bleiben.
Vielleicht sollte ich mir eine Einkaufsliste schreiben, mit allen Dingen, die ich so brauchen würde. Mir fehlte es ja eigentlich an allem.
Ich sollte mir wohl schnellst möglich einen Job suchen. Eventuell weiß ja einer der anderen, ob eine Stelle im Supermarkt frei ist oder so.
Aus der Küche kam mir schon der Geruch nach frischem Kaffee entgegen. Es gibt nach einer durchzechten Nacht keinen besseren Geruch. Normalerweise ist mein Grund für die durchgemachte Nacht ein anderer.
Am Küchentisch hatten es sich schon Leah, Seth und Paul gemacht, während Sue am Herd stand und Rührei machte. Es schien, als ob sie nur auf mich warten würden, damit sie endlich essen durften.
Sue, die sich gerade zu mir umgedreht hatte, schien meinen spekulativen Blick auf den gedeckten Frühstückstisch richtig zu deuten, denn sie sagte
„Eine der wichtigsten Regeln im Zusammenleben mit Wölfen ist, immer zuerst seinen Teller zu füllen, sonst muss man hungern.“ Das schien eine durchaus nachvollziehbare Regel zu sein.
Als auch das Rührei und der Speck fertig waren, gesellte Sue sich zu uns an den Tisch. Wir beide füllten unsere Teller und sobald wir die Teller abgestellt hatten, fing das Gezanke um den Speck an. Es folgte Streit um das Rührei und das Brot.
Als sämtliche Lebensmittel vom Frühstückstisch auf die einzelnen Teller verteilt waren, kehrte ein wenig Ruhe ein.
Mit Faszination sah ich den drei Wölfen beim Essen zu. Wobei Leah noch annährend gesittet aß. Die Jungs schienen sämtliche Tischmanieren, die ihnen von ihren Müttern eingebläut wurden vergessen zu haben.
Kauten die zwischendurch auch einmal, oder schlangen sie das Essen so herunter? Vielleicht sollten sie sich mal bei so einem Wettessen, die in den USA ja so beliebt sind, teilnehmen.
Dort werden wohl kaum Dopingproben der Teilnehmer genommen. Ich bin mir nämlich nicht sicher, ob das Blut der Wölfe sich nicht von dem normaler Menschen unterscheidet.
Einige Zeit später konnte ich mich von dem schockierenden Anblick losreißen und meine Frage stellen, die mir schon einige Zeit im Kopf herumgeistert.
„Ich habe mir überlegt, da ich ja keine Papiere oder Zeugnisse habe, dass ich mein Studium als abgebrochen betrachte und mir einen Job suche. Hat einer von euch ne Ahnung, ob eine Aushilfe im Supermarkt oder so gesucht wird?“
Alle schienen einen Augenblick darüber nachzudenken, als Sue rief
„Ich weiß! In der Highschool suchen sie jemanden für die jüngeren Schüler, der den Matheunterricht übernimmt. Mit deinem Studium bist du dafür doch geeignet. Bisher hat sich niemand auf die Stelle gemeldet, da sie so weit Außerhalb liegt. Darum war der Direktor einverstanden auch nicht ausgebildeten Lehrern eine Chance zu geben.“
Das wäre in der Tat der perfekte Job für mich, aber ich habe weder ein Schulabschlusszeugnis, noch ein Zwischenzeugnis von der Uni. Ohne diese werde ich doch niemals eingestellt.
Genau das sagte ich Sue auch. „Sue, die Idee ist echt gut, aber ich habe doch nicht mal einen Pass, wie sollen die mich da ohne jegliche Qualifikationen einstellen?“
Doch Leahs Mutter winkte schon ab.
„Ach Papperlapapp, lass mich mal machen. Das kriegen wir schon hin. Du kannst zwar bestimmt erst im neuen Schuljahr anfangen, aber bis dahin kannst du ja Nachhilfe geben, ich kenne einige Wölfe, die für ihre letzten Klausuren noch durchaus ein wenig Hilfe gebrauchen könnten.“
Sue sah niemanden bestimmten an. Doch Seth schien den Wink mit dem Zaunpfahl verstanden zu haben.
„Ja ist ja gut, ich habe verstanden. Aber Stella kann das Ganze bestimmt viel besser erklären als Mr. Williams.“
Genau diesen Satz hatte ich von vielen meiner Nachhilfeschüler während der letzten vier Jahre gehört.
Ich grinste ihn breit an und sagte „Ich werde es auf jeden Fall versuchen. Wann willst du denn am liebsten von mir mit gemeinen Matheaufgaben gefoltert werden?“
Seth zuckte mit den Schultern, das sollte vermutlich soviel heißen wie ‚mir egal, am liebsten nie’.
Der Zeiger der Küchenuhr nährte sich der neun, sodass ich Paul fragte „Wann müssen wir eigentlich los, damit wir pünktlich sind?“
„Ach es reicht, wenn wir hier so gegen zehn nach wegfahren.“ Antwortete Paul. Das waren noch etwa fünfzehn Minuten. Ich wandte mich an Leah, um meine Idee mit der Einkaufsliste in die Tat umzusetzen.
„Duuu Leah, würdest du mir bei einer Einkaufsliste helfen?“ fragte ich Leah mit meiner besten Kleinmädchenstimme und einem überzeugenden Hundblick. Die Angesprochene schnaufte nur und ging zu eine der Küchenschubladen. Sie kehrte mit Stift und Block zum Tisch zurück.
„Nur weil ich dir jetzt helfe, heißt das nicht, dass die Masche eben funktioniert hat.“ Motzte Leah mich an.
Na klar, wenn das nicht funktioniert hätte, dann würde sie mir jetzt nicht helfen.
„Ich brauche ganz dringend Haargummis, soll ich dir eigentlich noch etwas mitbringen, wenn ich schon in Port Angeles bin. In eine Drogerie oder einen Supermarkt muss ich eh.“
Wir schrieben schnell die Liste zusammen und fügten einige gemeine Dinge, wie Tampons der Liste hinzu. Pauls Gesicht, wenn er mir bei der Suche nach den einzelnen Produkten helfen muss, wird bestimmt genial.
Pünktlich verließen wir mein neues vorübergehendes Zuhause und fuhren zu Bella.
Kapitel 6
Die ersten Minuten schwiegen wir uns an. Die Stille, die herrschte, war jedoch nicht unangenehm. Pauls Gesellschaft hatte etwas Beruhigendes. Ich fühlte mich absolut sicher.
Meine Gedanken schwirrten um den Mann auf dem Fahrersitz. Jedes Detail zu seiner Person versuchte ich mir ins Gedächtnis zu rufen. Viele waren das jedoch nicht.
Er war einer der ersten Wölfe, die sich verwandelten. Zusammen mit Jared und Sam hatten sie nach Bella gesucht, als diese im Wald verloren gegangen war.
Paul viel es schwer seine Wut zu kontrollieren, obwohl er damit gerade nicht wirklich Schwierigkeiten zu haben schien. Auf mich wirkte er entspannt.
Konzentriert blickte er mit seinen wunderschönen dunkelbraunen Augen auf die Straße. Wow, was war denn das gerade? Wunderschöne Augen? Mit so einem Schwachsinn sollte ich gar nicht erst anfangen, in wenigen Tagen prägt er sich auf Rachel.
Außerdem warum bilde ich mir ein, dass er mich mögen könnte. Nur weil er zu meinem Aufpasser bestimmt wurde? Das war mit Sicherheit eine Anweisung von Sam.
Es ist so wie Leah gesagt hat, sie können nicht über ihren Schatten springen und einem Vampir das Leben eines Menschen anvertrauen.
Nachdem ich mich selbst zurechtgewiesen hatte und mein Herz davon überzeugt hatte, dass es Gespenster sieht, hielt ich es für besser mich von dieser Art der Gedanken abzulenken und das Radio einzuschalten. Ich streckte die Hand nach den Knöpfen des Radios, als Pauls Stimme mich davon abhielt.
„Tut mir leid, aber das Radio funktioniert nicht. Ich könnte dir etwas vorsingen, aber dann müsstest du schreiend vor Angst aus dem fahrenden Auto springen.“ Grinste mich Paul an.
„Gut dann musst du mich halt anderweitig unterhalten. Wie wäre es, wenn du mir ein paar Fragen beantwortest?“
Ohne groß darüber nachzudenken antwortet er mir.
„Klar, aber nur wenn ich dir im Gegenzug für jede beantwortete Frage auch eine stellen darf.“
Dem konnte ich zu stimmen.
„Okay, erst Frage. Wie alt bist?“
Ich gebe es ja zu, die Frage war nicht sonderlich originell, aber doch ein guter Einstieg.
„Puh, da bin ich aber erleichtert! Ich dachte schon, du fragst etwas Komplizierteres. Aber das ist mir auch recht. Ich bin 21. So jetzt bin ich dran. Was meinte Sue eben damit, dass du mit deinem Studium doch die Matheklasse übernehmen kannst?“
„Ich habe bevor ich hierher kam Mathe studiert. Mein Hauptgebiet sollte jedoch die Finanzmathematik werden. Aber ob ich an einer Highschool unterrichten kann, weiß ich nicht. Bisher habe ich nur Nachhilfe gegeben. Jetzt bin ich aber wieder dran. Ich geh mal davon aus, dass du nicht mehr zur Highschool gehst, also was machst du, wenn du nicht gerade die Einwohner des Reservats vor Blutsaugenden Monstern beschützt?“
„Sam hat sein eigenes Bauunternehmen gegründet. Jared und ich helfen ihm dabei. Im Moment bauen wir ein Haus in Forks. Gut, jetzt bin ich wieder an der Reihe.“
So vergingen auch die nächsten zwanzig Minuten wie im Flug. Ich erfuhr eine Menge über ihn, nur ein Thema war offensichtlich Tabu und das war das Thema Familie.
Als ich ihn nach Geschwistern fragte, wurde er etwas einsilbig und verzog das Gesicht, bevor er mir mit einem „Keine“ antwortete. Dieses Thema streifte ich danach nicht einmal mehr ansatzweise.
Paul hielt vor einem dieser typischen amerikanischen kleinen Einfamilienhäuser. Vor dem Haus stand bereits ein gelber Porsche. Alice war also schon da.
Ein Polizeiwagen war weit und breit nicht zu sehen. Charlie war somit schon weg.
Die Haustür öffnete sich und Alice kam tänzelnd auf den Wagen zu.
„Da ich unseren Shoppingtrip nicht mehr sehe, heißt das wohl, dass dein Wachhund mitkommt. Aber in mein Auto kommt er nicht!“
Alice zog ihre Nase kraus. Bei dem Gedanken an den Geruch in ihrem geliebten Porsche wurde ihr vermutlich schon schlecht, soweit dies für einen Vampir möglich ist.
„Glaub bloß nicht, dass du kleiner Giftzwerg in mein Auto kommst. Am besten ist es wahrscheinlich, wenn du dich mit uns am Einkaufszentrum triffst.“ Fuhr Paul sie an.
„Das kannst du gleich mal wieder vergessen. Du kommst doch uneingeladen mit zu unserer Shoppingtour, also fährt Stella auch bei mir mit.“
Das glaube ich jetzt echt nicht. Die beiden streiten sich um mich, wie zwei Kindergartenkinder um ein neues Spielzeug. Für Alice war ich wahrscheinlich genau das. Eine neue Barbie, die man immer wieder neu anziehen und frisieren kann. Nur was war ich für Paul? Wie ein neues Spielzeugauto fühlte ich mich jetzt nun nicht gerade.
Mittlerweile standen sich die beiden Streithähne zähnefletschend voreinander. Paul zitterte schon am ganzen Körper vor Wut. Bevor das Ganze noch eskaliert sollte ich wohl mal dazwischen gehen. Obwohl das nach einem wirklich dummen Plan klang. Ein Mensch zwischen einem Vampir und einem Werwolf, die sich gerade anfeindeten. Trotz aller Bedenken stellte ich mich zwischen die Beiden und legte jedem eine Hand auf die Brust.
„Jetzt beruhigen wir uns alle erst einmal, atmen tief durch und bilden im Anschluss einen Gesprächskreis zum Thema ‚Bei wem fährt Stella mit’.“ Sagte ich in meiner besten Pädagogen Stimme.
Als wäre mir plötzlich ein zweiter Kopf gewachsen wurde ich von den Beiden angestarrt. Mein Lachen konnte ich nun nicht länger unterdrücken.
„So, da ihr Beide ja nun ruhig seid, kann ich euch ja einen Vorschlag für dieses Dilemma machen. Auf dem Hinweg fahre ich mit Alice. So können wir quatschen und du kannst mir erzählen, in welche Geschäfte wir unbedingt müssen und so weiter. Auf dem Rückweg fahre ich mit Paul, da er ja genau wie ich ins Reservat muss. Okay?“
Den Streithähnen schien mein Plan zu gefallen, denn er wurde kommentarlos durchgeführt. Alice schliff mich zu ihrem kanariengelben Sportwagen und Paul ging zu seinem schwarzen Truck zurück.
Alice erzählte mir auf der Fahrt zum Einkaufszentrum in welche Geschäfte wir unbedingt mussten. Sie erzählte mir von ihren letzten Shoppingstreifzügen in Paris, London und Berlin. Mailand musste dieses Jahr leider wegen des zu Guten Wetters ausfallen.
Kaum beim Einkaufszentrum angekommen, wurde ich auch schon zum Eingang hinein geschoben. Paul hatte, soweit ich das beurteilen konnte, noch nicht einmal einen Parkplatz gefunden.
Alice rief ihm den Namen eines Geschäfts zu und zog mich dann hinter sich her.
Hier stand ich nun in der Umkleidekabine und probierte die zehnte Jeans mit dem fünfzehnten Shirt an, als ein genervter Paul plötzlich vor mir auftauchte.
„Zum Glück geht’s dir gut. So war das aber nicht abgemacht, ihr hättet wenigstens auf mich warten können.“
Mir tat es unglaublich leid. Meiner Meinung nach, hätten wir die fünf Minuten auch noch warten können. Das sagte ich ihm dann auch.
„Es tut mir wirklich leid! Alice schien die fünf Minuten nicht mehr warten zu können. Aber du erwartest doch nicht ernsthaft von mir, dass ich mich zwischen Alice und einem Shoppingcenter stelle. Das wäre nun wirklich glatter Selbstmord.“
Ein weiteres Outfit wurde mir in die Hand gedrückt.
„Ha ha! Ich habe nur nicht verstanden, warum wir hätten warten sollen, wenn er doch so wie jetzt auch einfach nachkommen kann. Es ist ja nicht so, als ob er sich an unserem Einkauf beteiligen will. Anziehen!“
Wow. Da war aber jemand gestresst. Hat Alice etwa Zeitdruck, da wir nur noch fünf Stunden hatten für diesen Trip?
Einige Stunden und etliche Geschäfte weiter hatten wir meiner Meinung nach genug eingekauft. Jetzt fehlte mir noch Unterwäsche. Dabei brauchte ich nun wirklich keinen männlichen Werwolfbodyguard.
„Paul, was hältst du davon etwas Essen zu gehen, während Alice und ich den Rest besorgen, den ich noch brauche. Dann müssen wir nur noch in einen Supermarkt oder ne Drogerie.“
Er musterte mich skeptisch.
„Wieso sollte ich dich jetzt auf einmal mit dem shoppingsüchtigen Blutsauger allein lassen? Dann hätte ich mir die vorherigen Stunden ja auch sparen können. Also vergiss es. Ich folge dir auf Schritt und Tritt. Bis zum bitteren Ende.“
Ich seufzte. Es wäre ja auch zu einfach gewesen, ihn einfach so zum Essen schicken zu können.
„Na schön! Du hast gewonnen, aber dieses Mal wartest du draußen. Egal welche Meinung du zum Beschützen aus der Ferne hast. Du. Bleibst. Draußen.“
Das ließ mich schmunzeln.
„Was ist? Ja, ich habe verstanden, ich warte draußen.“ Meckerte Paul genervt.
Nun konnte ich einen neuen Lachflash nicht mehr verhindern. Beide sahen mich an, als hätte ich meinen Verstand endgültig verloren. Dabei hatte ich gedacht sie wüssten, dass ich den schon lange verloren habe. Schließlich war ich davon überzeugt, in einer anderen Welt zu sein.
Am besten ich kläre die beiden auf.
„Alice, du warst doch schon in Berlin. Sind dir am Eingang der meisten Geschäfte Verbotsschilder aufgefallen?“
Sie stellte sich wohl gerade die Geschäfte bildlich vor, denn sobald sie wusste, was ich meinte fing sie auch an schallend zu lachen. Nun musste ich nur noch meinen Wachhund aufklären.
Dem schienen die Schilder mit dem Satz ‚Wir müssen draußen bleiben’ nicht so zu gefallen.
Ich schnappte mir Alice Hand und zog sie, besser gesagt sie folgte mir freiwillig, hinter mir her zum nächsten Wäschegeschäft.
Als Paul merkte, welchen Laden wir ansteuerten, fingen die Proteste schon an. Jedoch nahmen sie andere Ausmaße an, wie gedacht. Anstatt sich wie erwartet zu beschweren, dass er dort hin musste, meckerte er, dass er als Mann ja wohl qualifizierter beim Unterwäschekauf wäre. Irgendetwas murmelte er noch in seinen nicht vorhandenen Bart, als wir ihn einfach vor dem Geschäft stehen ließen.
Mein drohender Blick ließ ihn an Ort und Stelle stehen bleiben. Im Geschäft fragte ich Alice danach, was Paul vor sich hingemurmelt habe.
„Er meinte nur, dass er als … Mann besser wüsste, was dir steht und in welchen Farben er dich … in welchen Farben du gut aussehen würdest.“
Ich wusste gar nicht, dass Vampire Probleme haben Sätze zu formulieren. Bevor ich jedoch weiter darüber nachdenken konnte, wurde ich schon mit einem Berg Unterwäsche in die Kabine geschoben.
Am Ende hatte ich genug Unterwäsche für das gesamte nächste Jahr und darüber hinaus. Die vorherrschenden Farben dabei waren rot und türkis.
Als wir uns mit Paul vor der Tür trafen grinste er über beide Ohren. Ich drehte mich fragend zu Alice um und sah gerade noch, wie sie ihren Mund schloss. Hatte sie Paul etwas zu geflüstert? Ich zuckte innerlich mit den Schultern und wollte nun noch den vorletzten Punkt auf meiner Liste abhaken.
„Ich muss noch zu einem Optiker oder so etwas. Meine Brille hat es nämlich nicht mit mir hierher geschafft.“
Alice schien etwas an meiner Aussage zu stören. Doch bevor ich weitere Vermutungen anstellen konnte unterbrach sie meine Gedanken auch schon.
„Wenn du ne Brille brauchst, warum hast du das nicht eher gesagt? Jetzt hast du die ganzen Klamotten gar nicht bewundern können, die wir eingekauft haben. Warum nicht lieber Kontaktlinsen, die verstecken wenigstens nicht dein Gesicht.“ Sie schmollte.
„Hey, ich brauche vielleicht ne Brille, bin aber nicht blind. Ich brauche die nur zum Autofahren, in der Uni und im Kino. Keine Kontaktlinsen für mich. Ich trage meine Brille nur in den jeweiligen Situationen und nicht die ganze Zeit. Das würde mit Kontaktlinsen schwierig werden.“
Ohne weitere Worte machten wir uns auf zum Optiker. Nach langen Diskussionen, welche Brille mir am besten stand, konnten wir endlich die Shoppingmeile verlassen.
Vor der Mall verabschiedete ich mich mit einer Umarmung von Alice, während Paul meine Tüten auf der Ladefläche seines schwarzen Trucks verstaute.
„Nochmals Danke für die ganzen Sachen, Alice. Ich weiß, dass du mein zukünftig verdientes Geld nicht annehmen wirst, darum frage ich gar nicht erst, aber ich Schulde dir mindestens einen riesigen Gefallen. Also wenn du in Zukunft jemand beim organisieren oder etwas anderem brauchst, bei dem ein einfacher Mensch dir helfen kann, scheu dich nicht mich zu fragen.“
Sie wollte schon abwinken. Doch ich unterbrach sie.
„Ich meine es ernst, wenn ich euch irgendwie helfen kann, lasst es mich wissen. Auch wenn es nur ein Reisetipp ist.“
Ich umarmte sie noch einmal und stieg dann zu einem ungeduldigen Paul in den Wagen. Bevor wir den Parkplatz der Mall verließen erinnerte ich ihn an den Supermarkt.
Paul hielt vor einem riesigen Supermarktkomplex. Ich wusste ja, dass alles in Amerika größer ist, aber so groß? Mit einem Einkaufskorb, in dem die Wocheneinkäufe einer vierköpfigen Familie passten machten wir uns auf den Weg.
Ich zeigte Paul meine Einkaufslist und wie erwartet mochte er den Punkt mit den Hygieneartikeln überhaupt nicht. Er nuschelte etwas von ‚hoffentlich sieht mich keiner’ und von ‚Wie kann ich das bloß vor den anderen verbergen?’
Äußerlich ließ ich mir nichts anmerken, aber innerlich lag ich kichernd auf dem Boden. Bei den Sachen von meiner Liste blieb es schließlich nicht. Paul hatte, wie nicht anders zu erwarten Hunger.
Wir sind fast jeden Gang des Supermarktes entlang gegangen. Die Auswahl war riesig und die Verpackungsgrößen erst. Wer braucht denn bitteschön einen Kanister mit Milch, das ist doch total unpraktisch für den Kühlschrank.
Beim Brotaufstrich musste ich aber dringend etwas mitnehmen. Es geht doch nichts über eine leckere Scheibe Brot mit Nutella und einem Glas Milch dazu. Der Preis ließ mich doch etwas zurückschrecken, aber wenn Nussnougatcreme, dann nur die Originale.
Zum Glück reichte das Geld, welches mir Leah zugesteckt hatte, dafür noch.
Den Rest der Fahrt setzten wir schweigend fort. Die Ruhe zwischen uns war nicht unangenehm. Sie war eher erholend.
Nach dem Lärm der Mall und des Supermarktes, war die Stille doch ein wahrer Segen. Paul schien es ähnlich zu ergehen, denn er fuhr entspannt, mit einem kleinen Lächeln um die Mundwinkel, schweigend über den Highway.
Ich sah aus dem Fenster und besah mir mein neues Zuhause.
Überall standen Bäume, die Stämme waren mit Moos bewachsen und der Himmel war von einer grauen Wolkendecke bedeckt. Das Wetter war für mich eigentlich nichts Neues. In Deutschland war das Wetter ja auch nicht immer das Beste, aber wir haben doch wenigstens einen richtigen Sommer. Mit Sonnenschein, schwimmen im Freibad oder im Meer.
Doch davon konnte man hier wohl nur träumen.
Kapitel 7
Zurück bei den Clearwaters, konnte ich mich noch für zwei Stunden zum Schlafen hinlegen, doch dann wurde ich von einer unerbittlichen Leah aus dem Bett geschmissen.
„Wenn du jetzt mit willst, solltest du dich fertig machen. Dein Taxi kommt in einer viertel Stunde.“
Was auch immer Leah mir mit dem Taxi sagen wollte, ich musste in fünfzehn Minuten fertig sein. Also da musste ich mich etwas beeilen.
Pünktlich auf die Minute stand ich in der Küche. Mit mir kamen auch Seth und Leah in die Küche. Sie gingen direkt zur Hintertür hinaus in den Garten.
Ich folgte ihnen einfach mal, sie würden mir schon mitteilen, wie ich zur selben Lichtung wie gestern kam. Kaum stand ich im Garten, kam mir auch schon ein Paul in Wolfsgestalt entgegen. Das war dann wohl mein Taxi.
Leah half mir auf Pauls Rücken. Dort klammerte ich mich wie heute morgen fest. Wieder überkam mich dieses Gefühl der absoluten Geborgenheit. Hier konnte mir nichts passieren.
Es ist schon merkwürdig, wie ich mich verhalte und fühle. Meinen Kopf barg ich zwischen den massiven Schulterblättern des Wolfes unter mir. So konnte mir der kalte Wind nichts anhaben.
Schon nach wenigen Minuten wurde Paul langsamer. Wir hatten die Lichtung erreicht. Edward kam langsam auf uns zu und hob mich langsam von Paul hinunter. Diesem schien das ganze nicht wirklich zu passen. Vermutlich weil ein ‚Blutsauger’ ihm so nah war und er ihn nicht zerfetzen durfte.
Edward antwortete mir mal wieder auf meine Gedanken.
„So etwas in der Art. Setz dich doch wieder zu Bella und wir fangen mit dem Training an.“
Bevor ich mich zu Bella setzte drehte ich mich noch zu Paul um, um mich zu bedanken.
„Danke fürs herbringen.“
Ich stellte mich auf meine Zehenspitzen, um ihn umarmen zu können. Paul kam mir auf halben Weg entgegen, sodass ich meine Arme um seinen Hals schließen konnte.
Wie in der vergangenen Nacht trainierten die Cullens der Reihe nach mit Jasper und die Wölfe sahen zu.
Nach etwa einer halben Stunde, die Bella und ich plaudernd auf dem Boden verbracht hatten, kam Jacob in Wolfsgestalt zu uns herüber. So langsam wurde es kalt, wenn man mehr oder weniger still auf dem kalten Waldboden sitzt, kann das ja schon mal vorkommen.
Er schien das erkannt zu haben, denn er ließ sich zwischen uns beide nieder. So nah an seinem riesigen Wolfskörper, der eine angenehme Wärme von 42° C ausstrahlt, wurde uns schnell wieder warm.
Abwesend streichelte Bella durch Jacobs Fell. Er hatte seinen Kopf in Bellas Schoß gebettet. Da viel mir wieder ein, dass ich dringend noch mit ihm unter vier Augen sprechen musste.
Die Stunden des Trainings vergingen wie im Flug. Meine Augenlieder wurden immer schwerer. Die durchzechte Nacht machte sich langsam bemerkbar. Als sich plötzlich Kälte dort breit machte, wo eben noch Wärme war, wurde ich jedoch wieder abrupt wach.
Der menschliche Jake, ging gerade auf Edward zu. Sie wollten wohl den Verbleib von Bella während des Kampfes diskutieren. Da konnte ich ihnen einige Diskussionen ersparen.
Ich konnte nicht riskieren, dass durch eine Veränderung an den Ereignissen Victoria womöglich noch davon kommt, also musste alles so bleiben, wie es bis dahin war.
Nur ein ernstes Gespräch mit Jacob konnte hoffentlich eine Menge unnötigen Herzschmerz ersparen. Also machte ich mich auf den Weg zu den beiden Streithähnen.
„Das ganze ist doch ganz einfach. Im Buch habt ihr es letztendlich so gelöst. Jacob hatte die Idee, dass man Bellas Geruch mit seinem Überdecken kann, was super funktioniert. Er bringt Bella an einen Ort irgendwo in den Bergen. Den Ort kennst du Edward. Den Kampf verbringen Edward, Seth und Bella dort und warten darauf, dass alles vorbei ist. Da Seth in seiner Wolfsgestalt als Livereporter fungieren kann, wisst ihr, wann ihr zurückkommen könnt. Es wird einen richtigen Sturm geben, also besorgt einen Heizstrahler oder so etwas für Bella. Der Schlafsack, eine Unmenge an Klamotten und ein Zelt reichen nicht. Wenn ihr dann immer noch kalt ist, kann Jacob sie immer noch wärmen. Sozusagen als Notlösung.“
Zurück zu den Clearwaters kam ich auf den gleichen Weg, wie ich zur Lichtung kam. Jacob half mir auf Pauls Rücken zu kommen und schon ging die Reise los. Es war einfach toll, wie schnell Paul durch den Wald rannte. Die Bäume zogen an mir vorüber, ohne dass ich sie einzeln ausmachen konnte. Das war besser als jede Achterbahn. Soviel Achterbahn war ich noch nie innerhalb von eineinhalb Tagen gefahren. Wow, so kurz bin ich erst hier. Man kann es kaum glauben. In der kürze der Zeit habe ich fast genauso viel erlebt, wie in einer Woche zu Hause. Im Garten der Clearwaters wartete dieses Mal Seth auf mich, um mir von Paul herunter zu helfen. Bevor ich mich jedoch verabschiedete und bedankte, musste ich ihn noch um einen Gefallen bitten. „Du Paul, ich muss dich noch um einen Gefallen bitten. Ich muss wirklich dringend morgen mit Jacob reden. Kannst du ihm Bescheid sagen, dass er mich hier besuchen soll?“ Ein kurzes zögerndes Nicken machte mir klar, dass er Jacob bescheid sagt, ihm aber das Ganze nicht gefiel. Das konnte ich nachvollziehen, doch ließ es sich leider nicht vermeiden. Hoffentlich konnte Jacob seine Gedanken einigermaßen im Zaum halten, wenn er in Wolfsgestalt ist oder in der Nähe von Edward. Mit einer Umarmung und einen Kuss auf seinen haarigen Hals bedankte ich mich bei Paul. Unendlich müde viel ich in mein neues Bett und viel sofort in einen tiefen Schlaf.
Im Laufe des Nachmittags kam Jacob bei den Clearwaters vorbei. Ich konnte ihn davon überzeugen, mich auf einen Spaziergang zu begleiten. Wir gingen in den Wald, sodass wenn er vor Wut im wahrsten Sinne des Wortes explodiert, niemand seinen Ausbruch unbeabsichtigt beobachten kann.
In Gedanken erinnerte ich mich daran, bei den ersten Zeichen abstand zu halten. Es war nicht einfach, was ich ihm sagen musste.
Nach guten zehn Minuten des schweigend nebeneinander Herlaufens, raffte ich mich dazu auf ihm den Kopf zu waschen. Wie sollte ich das Gespräch nur anfangen.
Leere Phrasen wie ‚Ich weiß, es ist jetzt nicht leicht, aber …’ halfen mir nicht wirklich weiter. Auch wenn ich aus erster Hand wusste, wie ihm dabei zu mute ist. Ich kannte ja seine Gedanken.
„Jacob, was ich dir nun sage, erzähle ich dir nur, damit dir und Bella eine Menge erspart bleibt.“
Ich holte noch einmal tief Luft und begann dann zu erzählen.
„Du musst wissen, dass Bella Edward wirklich über alles liebt. In einer Welt ohne mystische Wesen, wärt ihr Beiden bestimmt zusammen, aber hier ist Edward ihr Seelenverwandter. Wenn du es wärst, hättest du dich geprägt. Das wissen wir Beide.
Doch ich weiß, dass auch du bald deinen Seelenverwandten triffst. Alles ist dann genau so wie es sein soll. Bella und du seid die besten Freunde, Bruder und Schwester. Na ja, so ähnlich.“
Prüfend sah ich Jacob an. Bisher hatten seine Hände nur leicht gezittert. Doch das Zittern wurde stärker. Ich ließ ihn einen Moment, um sich zu beruhigen bevor ich den Rest erzählte.
„Bitte sei jetzt nicht böse, aber für den Rest werde ich einige Meter abstand halten. Denk bitte daran, nicht den Boten der schlechten Nachricht dafür verantwortlich zu machen und mich ausreden zu lassen. Ich werde dir erzählen, was passiert, wenn du nicht auf mich hörst und wen du mit deinem Verhalten eher unbeabsichtigt verletzt.
Nachdem du Bella in der Nacht wärmen musstest, weil in dem Buch kein Heizstrahler oder so etwas in der Art da war, hörst du mit an, wie Bella und Edward sich über ihre schönsten Nächte ihres Lebens unterhalten.
Bevor du dich aufregst, keine davon beinhaltet Sex.
Doch die schönste ist für Edward, die Nacht, in der Bella seinen Heiratsantrag angenommen hat. Daraufhin wirst du richtig wütend.
Hör weiter zu. Wenn es leichter in deiner Wolfsgestalt zu ertragen ist, dann bitte, aber hör zu.“
Jacob ließ sich nicht zweimal bitten und verschwand schnell im Wald um sich zu verwandeln. Doch er kam kurz darauf wieder zurück.
„Gut weiter im Text. Bella hört, wie du schmerzverzerrt aufheulst und bittet Edward dich zurück zu bringen, um mit dir zu reden. Wie Edward das schafft weiß ich nicht, aber du kommst zurück.
Ihr redet und irgendwie kommt ihr zu dem Thema, dass du keinen Sinn hast diesen Kampf zu überleben. Du erpresst Bella mit dem Leben ihres besten Freundes, damit sie dich küsst.
Du willst, dass sie merkt, dass sie auch ein wenig in dich verliebt ist. Das gelingt dir auch. Bella bemerkt ihre Gefühle für dich. Mit einem Grinsen auf dem Gesicht verschwindest du zum Kampf.
Während des Kampfes überseht ihr einen der Neugeborenen, den Leah am Ende aufspürt und sich beweisen will. Doch bevor ihr etwas passieren kann, springst du dazwischen und rettest sie. Nur um dich selbst zu schützen ist es zu spät.
Sam tötet den Neugeborenen und du hast die komplette linke Hälfte deines Körpers gebrochen, weil der Vampir dich zupacken bekommen hat.
Carlisle muss deine Knochen erneut brechen, da sie nicht korrekt zusammengewachsen sind. Bella kommt dich nach dem Kampf sofort Besuchen. Sie hat deine Verletzung mitbekommen und macht sich schreckliche Sorgen in typischer Bella Manier. Bevor sie geht teilt sie dir noch ihre Entscheidung mit, sie hat sich für Edward entschieden.
Auf ihrem Rückweg bricht sie zusammen, vor Schuldgefühlen und ein wenig vor Herzschmerz. Sie heult einen kompletten Tag und Edward tröstet sie. Nachdem du wieder geheilt bist verschwindest du, nach einem Gespräch mit Leah über die Einladung zur Hochzeit, für einige Monate als Wolf in den Wald. So ist dein Herzschmerz leichter zu ertragen.
Während Charlie wie ein irrer nach dir sucht, weiß dein Vater zwar wo du bist, macht sich aber trotzdem Sorgen. Billy und Charlie streiten sich deswegen sogar. Doch nicht nur sie Sorgen sich. Sondern auch der Rest des Rudels und Bella.
Die Hochzeit findet aber auch ohne dich statt. Etwas mehr als zwei Monate nach der Hochzeit prägst du dich.
Ich hoffe, dass wir eine Menge dieses Herzschmerzes durch ein paar Veränderungen vermeiden können. Wenn du dir nicht den Schmerz ersparen willst, dann erspar ihn wenigstens deinem Vater, deinen Brüdern und vor allem erspar ihn Bella.“
Die Rede ließ ich erst einmal eine Zeit lang auf ihn wirken. Er musste das ganze erstmal verarbeiten, um eine Entscheidung treffen zu können. Zu seinem Glück konnte ich ihn nicht zwingen.
Kapitel8
Als ich Jacob mit seinen Gedanken alleine ließ, schien es so, als ob er nicht wüsste was er tun sollte. Ich konnte es ja auf eine Art verstehen.
Er liebt Bella wirklich und will auf keinen Fall, dass sie zu dem wird, was er so sehr verabscheut. Das Wesen, welches ihn überhaupt erst zu einem Wolf werden ließ. Andererseits wird er gerade durch diese Veränderung seine Seelenverwandte treffen.
Genaueres konnte ich ihm von Renesmée nicht erzählen, da er seine Gedanken vermutlich nicht unter Kontrolle hat und das Rudel oder womöglich Edward etwas von ihr aufschnappen könnten.
Wenn Edward seine Meinung ändert, gibt es keine Nessie und somit kein Glück für Jacob. Das durfte nicht passieren.
Genauso verhielt es sich mit dem Kampf.
Wenn ich es verhindere, dass Victoria auf Edward trifft, dann verschwindet sie womöglich noch und die Geschichte verändert sich komplett. Ich war mir sicher, dass Victoria sterben musste, bevor sie sich noch etwas anderes vielleicht schlimmeres ausdachte und einer der Cullens oder der Wölfe verletzt oder gar getötet wurde.
Zurück bei den Clearwaters, erwartete mich schon eine strahlende Sue.
„Stella, da bist du ja endlich! Ich habe tolle Neuigkeiten. Der Rektor der Highschool ist einverstanden dich einzustellen. Du wirst bis zu den Sommerferien als Aushilfslehrerin eingestellt und hilfst den jetzigen Mathelehrern, um dich an den Unterrichtsablauf einer Highschool zu gewöhnen. Es ist eine Art Eingewöhnungs- und Probezeit. Am Montag ist dein erster Schultag. Rektor Manners erwartet dich um viertel vor acht. Damit er dir noch alles zeigen kann und alles weitere zu bereden.“
Ein Problem weniger, über das ich mir Gedanken machen musste. Ich hatte also einen Job.
Aber wollte der Rektor gar keine Zeugnisse sehen? Verzichtete er darauf, weil ich mich durch die Probezeit beweisen musste? War der Rektor gar Mitglied im Ältestenrat der Quileute?
Das würde erklären, warum die jüngeren Wölfe keine riesigen Probleme in der Schule bekommen, wenn sie mal nicht zum Unterricht erscheinen.
„Ich freu mich total Sue! Danke, dass du für mich mit dem Rektor gesprochen hast. Aber wie konntest du ihn davon überzeugen, mich ohne Vorstellungsgespräch und Zeugnisse einzustellen?“
Sue winkte ab.
„Das habe ich doch gerne gemacht. Rektor Manners habe ich vorhin beim Einkaufen getroffen. Er konnte bisher noch niemanden dazu überreden in das verregnete Forks oder La Push zu ziehen. Da habe ich ihm von der Tochter einer Freundin erzählt, die zurzeit bei uns wohnt. Ich habe ihm deine Situation erklärt und er hat Verständnis, das es für dich schwierig ist all deine Unterlagen so schnell zusammen zu bekommen, wo doch das Haus deiner Eltern erst vor einigen Wochen abgebrannt ist. Dein Verlust tut ihm übrigens sehr leid.“
Ich verstand nicht wirklich, worauf Sue hinaus wollte. Dann fiel der Groschen. Sue hatte dem Rektor erzählt, dass das Haus meiner Eltern mit ihnen zusammen abgebrannt ist.
Doch das löst das Problem meiner nicht vorhandenen Papiere nur kurzfristig. Vielleicht können mir die Cullens ja bei dem Problem helfen. Die brauchen ja öfter mal neue Papiere.
Ich fragte Sue, ob ich an den Computer durfte. Natürlich durfte ich. Im Internet fand ich, wonach ich suchte. Lehrpläne des Staates Washington für das Fach Mathematik.
Etwas mehr als eine Stunde las ich mich schon in meinen neuen Job ein. Die Schüler hier lernten in etwa das gleiche wie in Deutschland. Nur wurden die Kurse anders zusammengestellt. So gab es Kurse wie Trigonometrie.
Es war nicht einfach ohne meine Unterlagen einen Unterricht zu planen. Mir fehlte es an allem. Übungsaufgaben, Diagramme und noch so einiges mehr.
Zu Hause hatte ich sämtliche Arbeitszettel von meinen Mathelehrern. Außerdem hatte ich alle Regeln gut verständlich aufgeschrieben. Ich brauchte also dringend Mathebücher und nicht nur die, die von der Schule verwendet wurden.
Da stand wohl noch eine Menge Shopping an.
Bei Google bekam ich heraus, dass die nächste Wissenschaftliche Buchhandlung in Seattle ist. Vielleicht sollte ich mich morgen auf den Weg dorthin machen, schließlich werde ich dort morgen sicherer sein, als in der nähe von Forks. Auch wenn die anderen sich um die herannahende Gefahr kümmern würden.
Leah schneite ins Büro um zu sehen, was ich gerade machte. Mit einem Blick auf den Monitor wusste sie es auch schon.
„Wenn du nach Seattle fährst, will ich mit! Endlich mal ein paar Stunden weg von dem ganzen Mist hier. Keine Blutsauger und kein Sam. Das wäre die reinste Erholung.“
Die Gedanken konnte ich gut nachvollziehen. Es ist bestimmt nicht leicht immer wieder mit ansehen zu müssen, wie der Mann den man liebt mit einer anderen glücklich ist.
Als Dankeschön für die Gastfreundschaft könnte ich ihr doch ein wenig Frieden verschaffen und meinen Trip nach Seattle zu einem Kurzurlaub machen. Shoppen, Sightseeing und Tanzen schien genau das Richtige zu sein.
Keiner könnte etwas einwenden, wenn ich mit einem Wolf für drei Tage nach Seattle fuhr. Viel sicherer konnte ich gar nicht sein.
Bevor Leah noch etwas sagen konnte, suchte ich schon nach kleinen Hotels in Seattle. Ein wenig merkwürdig sah Leah mich an, sagte aber nichts.
„Was ist? Ich dachte wir wollten nach Seattle. Warum also nicht ein Mädelswochenende dort verbringen? Irgendwo müssen wir zwischendurch mal schlafen und unsere Einkäufe unterstellen, wenn wir die Clubs unsicher machen. Duschen wäre auch nicht schlecht. Drei Tage sind doch etwas lang ohne ein Badezimmer, findest du nicht?“
Das ich Leah jemals in Alice-Manier kreischen und rumhüpfen sehen würde hätte ich mir niemals erträumt. Aber genau das tat Leah gerade.
Sie war kreischend aufgesprungen hatte mich von meinem Stuhl hochgerissen und ist mit mir herumgehüpft. Dabei hat sie immer wieder gerufen
„Drei freie Tage! Drei Tage kein Sam! Drei Tage Spaß!“
Das schien ihr neues Mantra zu sein, da sie es immer wieder wiederholte.
Seth kam zu uns ins Büro gelaufen und wollte wissen, was zum Teufel denn hier los wäre. Doch Leah erklärte ihm nichts. Sie rief ihm nur ihr neues Mantra zu und schnappte sich seine Hände und zwang ihn mit uns herumzuhüpfen.
In dem Moment wünschte ich, ich hätte eine Kamera. Da viel mir Leahs Handy ein. Sie hatte es in ihrer hinteren linken Hosentasche. Ich entwendete also ihr Handy und machte einige Schnappschüsse.
So hatte ich immerhin den Beweis, dass ich mir die hüpfende Leah nicht nur eingebildet hatte.
Als sie sich wieder beruhigt hatte, erklärte ich Seth unseren Wochenendtrip. Einerseits schien er sich für uns zu freuen. Andererseits schien ihm auch etwas Sorgen zu bereiten.
„Ich finde ihr solltet noch jemanden mitnehmen. Paul könnte doch mitkommen.“ sagte er.
Das war jetzt nicht sein ernst. Wir sind doch keine kleinen Kinder, die eine Aufsichtsperson brauchen. Verdammt ich war 21. Selbst in den USA war ich Volljährig. Ich war sauer.
„Und wieso sollten wir einen Aufpasser mitnehmen? Immerhin sind wir Volljährig. Um die mysteriösen Morde kümmert ihr euch morgen. Danach ist es in Seattle wieder genauso sicher wie davor auch. Keine Monster, die unser Blut wollen. Nur die ganz normalen menschlichen Monster. Vor denen kann uns deine Schwester ganz gut beschützen. Oder stellst du das etwa in Frage?“ fragte ich ihn mit giftiger Stimme.
Seth wich automatisch etwas zurück. Leah hatte sich nämlich neben mir aufgebaut und betrachtete ihren kleinen Bruder mit einem ihrer berühmten biestigen Blicke.
Abwehrend hob er die Hände und versuchte uns zu beschwichtigen.
„Ihr habt ja Recht. Ich dachte ja nur.“
Da platzte Leah der Kragen.
„Und genau das ist der Fehler. Du hast gedacht. Wir wollen nichts als drei Tage unsere Ruhe zu haben. Drei Tage! Danach kann Paul wieder Wachhund spielen.“
Ich verstand zwar nicht, was Paul damit zu tun hat. Aber das überging ich einfach mal.
„Hör zu, Seth! Wir fahren freitags los und werden dann erst mal meine Bücher für die Schule besorgen. Abends werden wir es uns mit Filmen auf unserem Zimmer gemütlich machen und all den ungesunden Kram in uns hineinstopfen und über euch Jungs herziehen.
Am Samstag werden wir Shoppen gehen und abends in einen Club. Dort werden wir etwas trinken, tanzen und einfach unseren Spaß haben. Gönnst du den deiner Schwester etwa nicht? Ich weiß zwar nicht, in wie vielen Clubs deine Schwester schon war, aber ich versichere dir, ich war in genügend für uns beide zusammen.
Sonntags werden wir uns wie typische Touristen verhalten und uns einige Sehenswürdigkeiten ansehen. Schließlich war ich noch nie in Seattle. Abends fahren wir dann zurück.
Also wo liegt deiner Meinung nach die Gefahr für uns beide? Ich verspreche dir, Leah und ich bleiben die ganze Zeit zusammen. Wir werden sogar zusammen aufs Klo gehen, wenn du dich dann besser fühlst.“ Erklärte ich ihm meinen Plan für unser Wochenende.
Außerdem bezweifelte ich, dass Paul auch nur an einer der Aktivitäten seinen Gefallen finden würde. Ganz ehrlich, es gibt doch nicht viele heterosexuelle Männer, die gerne einkaufen gehen.
Beim Shoppen mit Alice ist er ja auch nur widerwillig hinter uns her getrottet und in das einzige Geschäft in das er uns gerne gefolgt wäre, durfte er nicht mit.
Seth riss mich aus meinen Gedanken.
„Ach ja, wieso ich eigentlich zu euch wollte, bevor ich herumhüpfen musste wie ein Mädchen.“ Vorwurfsvoll sah Seth zu seiner Schwester. „Sam hat für heute Abend ein Rudeltreffen einberufen. Wir treffen uns um sieben bei Sam und Emily. Stella, du sollst auch mitkommen. Emily kocht natürlich.“
Drehte sich das Treffen um dass was ich Jacob gesagt habe? Oder wollen sie sich besprechen, wie die Taktik für den morgigen Kampf aussieht? Ich werde es wohl abwarten müssen.
„Wofür brauchst du eigentlich Bücher?“ wurden meine Gedanken mal wieder unterbrochen.
Das schien hier zur Gewohnheit zu werden.
„Hat Sue es dir noch nicht erzählt? Deine Mutter hat mit dem Rektor deiner Highschool gesprochen und ich treffe mich am Montag vor Unterrichtsbeginn mit ihm, um alles weitere zu besprechen.
Ab Montag werde ich zuerst als Aushilfslehrerin und nach den Sommerferien als Mathelehrerin bei euch die unteren Klassen unterrichten.“
Seth schien sich für mich zu freuen, denn ich wurde von ihm in die Arme gezogen und im Kreis herumgewirbelt.
Seth mag zwar Leahs kleiner Bruder zu sein, er war aber trotzdem fast einen halben Meter größer als ich.
„Oh, ich freu mich so für dich! Du wirst bestimmt die beliebteste Lehrerin der ganzen Schule. Obwohl du Mathe unterrichtest.“ Rief Seth mir ins Ohr, sodass ich fast taub war, als er mich wieder auf den Boden absetzte.
Ich lächelte ihm zu. Wuschelte durch seine Haare und sagte zu ihm
„Das werden wir ja sehen. Ich verstehe gar nicht, warum Mathelehrer Hassobjekt Nummer eins in einer Schule sind. Der Lehrer kann doch nichts dafür, wenn man ein Fach nicht mag. Meistens jedenfalls nicht.“
Kapitel 9
Sam und Emily wohnten in einem kleinen Holzhaus, mit einem wunderschönen Garten, der das Haus umgab. Überall blühten bunte Blumen.
Leah und Seth gingen einfach durch die Tür ins Haus, ohne vorher angeklopft zu haben oder etwas in der Richtung. Die Beiden steuerten durch den Flur in einen angrenzenden Raum, aus dem Stimmen hervordrangen und es duftete köstlich dort. Ich folgte ihnen einfach mal.
Mit einem einheitlichen ‚Hey!’ wurden wir von den anderen begrüßt. Ich stand im Türrahmen zu einer geräumigen Küche, welche maßlos überfüllt mit riesigen Kerlen war. Sämtliche Sitzplätze waren besetzt. Seth und Leah hatten sich die letzten beiden freien Plätze geschnappt.
Also hatte ich entweder die Wahl mich auf den Boden zu setzen oder es so wie, ich vermute mal, Emily und Kim zu machen und mich auf den Schoß von einem der Wölfe zu setzen.
Nur auf wen sollte ich mich setzen? Seth war am anderen Ende des Raumes, Leah sah mich mit einem tödlichen Blick an, Jacob schien noch mit meinem Vortrag vom Nachmittag beschäftigt zu sein.
Die anderen hatte ich noch nicht persönlich kennen gelernt. Bisher habe ich sie alle nur in ihrer Wolfsgestalt gesehen, da wollte ich mich nicht gleich aufdrängen und sie als Sitzgelegenheit missbrauchen. Also blieb noch Paul über.
Ihm schien es ja auch nicht viel auszumachen, wenn er mich durch den Wald tragen musste. Ohne weiteres Grübeln setzte ich mich auf Pauls Schoß und sah die anderen erwartungsvoll an.
Einige der mir bis dato unbekannten grinsten mir und Paul dreckig zu.
„Was denn? Keiner von euch Hornochsen hat es für nötig gehalten mir, einem armen wehrlosen kleinem Mädchen, einen Platz frei zu machen, da muss ich mir halt selbst helfen.“
Der Reihe nach sah ich sie anklagend an.
Da ich Kim und Emily noch nicht begegnet war, hielt ich es für besser, mich erst einmal vorzustellen.
„Hey, ihr seid bestimmt Emily und Kim. Ich bin übrigens Stella. Aber ihr habt ja bestimmt von meinem Auftritt auf der Lichtung gehört.“ Ich grinste die beiden an.
„Ja die sind wir. Von dir haben wir auch schon eine Menge gehört. Das wir noch nicht eher darauf gekommen sind, wie wir uns gebrochene Hände ersparen, wenn wir ihnen einen Schlag auf den Hinterkopf verpassen müssen, bleibt mir echt ein Rätsel.“ Sagte Emily.
„Ich glaube es ist etwas im Sinne von ‚Den Wald vor lauter Bäumen nicht sehen’. Aber irgendwie musste ich mich ja während meiner Stundenlangen Folter beschäftigen, da kamen mir so manche nützlichen Einfälle. Wenn ihr wollt können wir uns ja mal austauschen. Bella freut sich sicher auch über einige Tipps.“
Jetzt wechselten die Blicke von Jared und Sam von belustigt zu besorgt.
„Warum sollte ich jetzt eigentlich bei diesem Treffen dabei sein?“ fragte ich an Sam gewandt.
Er räusperte sich einmal und begann dann zu sprechen.
„Zum einen sind wir hier um die Taktik für morgen zu besprechen und zum anderen würden wir dir gerne einige unserer Legenden erzählen und einige Eigenheiten der Werwölfe näher bringen. Kannst du uns etwas über die beste Taktik erzählen? Weißt du, wie wir uns entscheiden sollten und etwaige Gefahren, was ist damit?“
Einen Moment dachte ich darüber nach, ob ich etwas über die Angriffsstrategie der Wölfe wusste, aber mir viel nichts dazu ein.
Emily und Kim hatten sich in der Zwischenzeit wieder dem Essen gewidmet. Aber sie hörten dennoch gespannt und besorgt zu.
„Zuerst einmal seid ihr technisch gesehen keine Werwölfe, sondern Gestaltwandler, die zufällig die Gestalt von riesigen Wölfen annehmen.
Zu eurer Angriffstaktik kann ich nicht viel sagen. Ich weiß nur, dass Jacob Bella morgen zum Camping bringt. Seth wird am nächsten Morgen zu ihnen stoßen und seinen Platz dort während des Kampfes einnehmen und Jacob kommt zu euch. Brady und Collin, so heißen doch eure jüngsten, oder? Die Beiden bleiben hier in La Push um mögliche Ausreißer zu eliminieren.
Sonst weiß ich nicht wirklich etwas über den Kampf. Der wird nur aus Bellas Sicht dargestellt und da sie nicht vor Ort ist, weiß sie nicht was passiert. Wie gesagt solltet ihr nach eurem Kampf auf jeden Fall die Köpfe eurer Gegner zählen, ob auch alle da sind.“ Teilte ich ihnen mein Wissen über den bevorstehenden Kampf mit.
Collin, Brady und Seth schienen mit ihrer Rolle im Kampfgeschehen, oder der eher fehlenden Beteiligung dabei, nicht einverstanden zu sein. Denn schon gingen die Diskussion los, ob sie denn La Push bewachen mussten, bzw. bei Bella bleiben mussten und warum ausgerechnet sie und nicht Leah usw.
Als Seth bockig wurde, weil er wie ein kleines Kind behandelt wurde, musste ich mich echt zusammenreißen, damit ich ihm nicht sagte, dass auch er seinen Kampf bekommen würde.
Jacob schien das ganze nur Teilnahmslos über sich ergehen zu lassen. Wahrscheinlich war er noch immer mit seiner Entscheidung beschäftigt, ob er sich den Herzschmerz ersparen sollte oder ob er seine Chance, auch wenn sie noch so gering wäre nutzen sollte.
Paul schien nichts zur Diskussion beitragen zu wollen. Er seufzte nur ab und zu einmal. Dabei hatte ich aus den Büchern und Filmen eher den Eindruck, dass er ein Hitzkopf wäre, davon habe ich außer bei einigen Gelegenheiten noch nicht viel mitbekommen.
Irgendwann hatte er seine langen Arme um mich geschlungen und mich zu sich an seine breite Brust gezogen. Seinen Kopf hatte er auf meine linke Schulter gelegt. So konnte er den anderen bei ihrer Diskussion zusehen.
Mir lief ein angenehmer Schauer über den Rücken, als ich mich näher an ihn schmiegte. Ob durch meinen ‚Weltensprung’ mein Gefühlsleben durcheinander gebracht wurde? Vielleicht sind es auch einfach nur die Hormone? Warum müssen wir auch so abhängig von Hormonen sein. Sie diktieren uns unser gesamtes Denken.
Sie sind schuld daran, dass ich mich zu einem Mann hingezogen fühle, der in wenigen Tagen die Liebe seines Lebens trifft. Seine Seelenverwandte. Ich werde hier noch irre!
Ich hatte schon einige Minuten nicht wirklich aufgepasst, was um mich herum passierte. So bekam ich erst jetzt mit, dass Emily und Kim anfingen das Essen aufzutragen. Von der Menge her hätte man gut fünfzig normale Leute damit ernähren können, oder aber zehn Wölfe und drei Menschenmädchen.
Ebenso wenig hatte ich nicht mit bekommen, was letzten Endes entschieden wurde. Zum Glück fasste Sam noch einmal den Entschluss zusammen.
„Es bleibt so wie besprochen. Ihr beiden bewacht La Push. Seth du bleibst bei Bella und der Rest hilft uns den Neugeborenen den Kopf abzureißen. Jetzt wird aber erst einmal gegessen. Lasst es euch schmecken. Ach und Stella, bei uns gibt es eine Regel: Menschen zuerst, der Rest ist für die Wölfe.“
Ich grinste ihn an. „Die Regel wurde mir mit freundlicheren Worten schon von Sue eingetrichtert. Aber danke, dass du an mich gedacht hast.“
Jetzt wurde es spannend. Wie wollte Paul essen, während ich auf seinem Schoß saß. Die Frage war schnell beantwortet. Er blieb so sitzen wie zuvor. Nur nutzte er seine Hände, die mich zuvor noch an Ort und Stelle gehalten hatten zum Essen. Immer wieder fuchtelte er mir mit seinem Arm vor dem Gesicht herum, sodass ich etwas aufpassen musste.
Er löste unser kleines Problem, indem er sein Essen in Mundgerechte Stücke schnitt, die bei einem Wolf größer zu sein scheinen als bei normalen Menschen, und aß dann mit der linken Hand.
Ich hatte irgendwo mal gesehen, dass diese Art zu Essen bei den Amerikanern sowieso Gang und Gebe war. Darum schien es auch niemanden zu überraschen, das Paul so aß, wie bei uns kleine Kinder essen.
Nach einem geselligen Essen begaben wir uns alle in das angrenzende Wohnzimmer. Wieder gab es das gleiche Platzproblem, wie in der Küche. Dieses Mal ging ich jedoch auf Abstand zu Paul.
Mir waren die Gefühle, die ich bemerkte, wenn ich in seiner Nähe war nicht geheuer. Ab nächsten Freitag hätte ich eh keine Chance mehr. Dann würde Rachel hier auftauchen.
Sam begann die Legenden, welche keine waren, zu erzählen. Die meisten Legenden kannte ich jedoch schon. Zum Beispiel die der dritten Frau. Ich finde es jedoch äußerst sexistisch, dass man den Namen der dritten Frau nicht behalten hatte.
Die dritte Frau war eigentlich auch die erste Prägung, soweit ich dies aus den Geschichten hinaushören konnte. Nach den Legenden fragte mich Sam, was ich denn über Wölfe wissen würde.
„Ich weiß, dass ihr unglaublich schnell seid, da ihr selbst Vampire einholen könnt. Ihr verwandelt euch zum ersten Mal, wenn Vampire in der Nähe sind. Ihr seid sehr stark, ihr heilt sehr schnell und ihr könnt euch prägen und eure Gefühle beeinflussen eure Verwandlung. Ich glaub das war soweit alles. Sonst fällt mir nichts ein.“
Bei dem Wort Prägung war Paul etwas zusammen gezuckt. Was hatte er dagegen, seine Seelenverwandte zu finden? Ist es nicht etwas gutes, die Liebe seines Lebens so zu finden?
Sie konnten sich wenigstens zu 100% sicher sein, die Richtige gefunden zu haben. Das Warten bis dahin war natürlich blöd. Er muss ja nicht mehr lange warten.
Sollte ich ihm vielleicht einen Tipp geben? Was ist, wenn ich seine Reaktion richtig gedeutet habe und ihm die ganze Sache mit dem Prägen nicht gefällt? Würde er dann Rachel aus dem Weg gehen, damit ihm das Schicksal seine Frauenwahl nicht abnimmt?
Ich halte wohl besser meine Klappe, sonst verändere ich noch sein Schicksal. Mist jetzt hatte ich die Frage, die Sam mir gestellt hatte nicht mitbekommen. Blöde Gedanken, die von einem zum nächsten hüpfen.
„Sorry Sam. War gerade mit meinen Gedanken weit weg. Was war die Frage?“ fragend sah ich Sam an.
Paul, der mir gegenüber saß verspannte sich immer weiter. Was war denn jetzt los?
„Ich habe dich gefragt, was du genau vom Prägen weißt.“
Ach so.
„Eigentlich weiß ich eine ganze Menge darüber. Das ihr für eure Prägung alles seid, was sie braucht. So braucht Claire zum Beispiel zurzeit eher einen großen Bruder. Wenn ihr eure Seelenverwandte / Seelenverwandten…“ fügte ich mit einem Blick auf Leah hinzu. Ich war der festen Überzeugung, dass auch für sie jemand dort war, der ihr perfekter Partner war.
„…trefft, dann ist es so als hättet ihr zum ersten Mal das Licht gesehen, oder so ähnlich. Ach und ihr habt eine Theorie, die besagt, dass es etwas mit der Weitergabe des Wolfgens zutun hat.“
Wieso sahen die mich denn jetzt so merkwürdig an? Die wussten doch, dass ich ne Menge über sie weiß. Ich zog fragend eine Augenbraue hoch und sah Sam fragend an.
„Wir sind nur überrascht, dass du so genau über das Prägen bescheid weißt.“ Beantwortete Sam meine unausgesprochene Frage.
„Ach so. Ist einfach zu erklären, ich war sozusagen live dabei, als Jacob sich geprägt hat, oder prägen wird. Ich steckte so gesehen in seinem Hirn.“
„Stimmt darüber müssen wir auch noch reden, warum hast du Jacob etwas über die kommenden Ereignisse erzählt? Meinst du nicht, dass du damit zu sehr ins Schicksal eingegriffen hast? Wieso versuchst du ihn davon abzubringen, Bella zu retten?“
War ja klar, dass sie es aus diesem Blickwinkel betrachten würden.
„Vielleicht habe ich zu sehr eingegriffen, aber wie ihr live mitverfolgen konntet, habe ich Jacob und Bella nur versucht vor einer Menge unnötigem Herzschmerz zu bewahren.
Ihr wisst nicht, was in Bellas Hirn zurzeit vorgeht. Ich weiß es als einzige. Selbst ihre entdeckten Gefühle für Jacob wären schwach im Gegensatz zu ihrer Liebe für Edward. Die beiden gehören genauso zusammen wie du und Emily, Sam.“
Ich blickte ihm in die Augen, ich konnte Überraschung dort entdecken.
„Warum soll sie nicht das werden, was ihre große Liebe ist? Emily, wenn du die Möglichkeit hättest für immer mit Sam zusammen sein zu können, würdest du dich dagegen entscheiden?“ Der einzige Preis wäre, dass du nicht mehr altern würdest.“ Emily schüttelte nachdenklich den Kopf.
„Würdest du, Jared, auf ewiges Glück mit Kim verzichten wollen?“ Wieder erntete ich ein nachdenkliches Kopfschütteln.
„Kommt mir jetzt nicht mit der Gefahr. Ihr seid so gesehen auch gefährlich.“
Jacob mischte sich nun ein. „Wir laufen aber nicht umher und saugen unschuldigen Menschen das Leben aus dem Körper. Bella wird nicht mehr die sein, die sie jetzt ist. Es wird so sein, als wenn sie gestorben ist und jemand anderes ihren Körper besetzt.“
Ich seufzte. „Beruhigt es euch zu wissen, dass Bella ganz genau die gleiche bleiben wird. Jacob, sie bleibt deine beste Freundin. Sie wird kaum das Verlangen nach menschlichem Blut haben. Bei ihrer ersten Jagd wird sie auf einen Wanderer treffen, sie rennt vor ihm davon, weil die Möglichkeit bestehen könnte, dass sie ihn kennt. Ich bestreite nicht, dass es für sie schwierig sein wird, aber sie wird es meistern. Ganz ehrlich, aus dem was ich weiß würde ich schließen, dass das Schicksal sie für das Leben als Vampir ausgewählt hat.“
Ich blickte in leicht fassungslose Gesichter. Gerade Sam und Jared sollten wissen, wie es ist seine große Liebe zu finden. Nur weil Edward sich nicht in einen Wolf verwandelt, ist er noch lange nicht schlechter als sie.
Alle haben doch gesehen, was eine Trennung von Edward für Auswirkungen hat. Meine beste Freundin vertritt ja die Theorie, dass Bella ungefähr das gleiche durchmachen musste, wie ein geprägter Wolf, wenn er lange Zeit nicht bei seiner Prägung sein kann.
Mittlerweile war es schon halb elf. Es wurde Zeit, dass wir uns auf den Weg machten. Sie sollten besser alle Ausgeschlafen sein, auch wenn der eigentliche Kampf noch einen Tag warten musste.
„Ich weiß, dass ihr nicht viel Schlaf braucht, aber ihr solltet fit sein. Darum sollten wir hier vielleicht einen Schlussstrich ziehen. Es ist eh Jacobs Entscheidung, die kann ich ihm nicht abnehmen. Ich habe ihm nur die Konsequenzen aufgezeigt, die zumindest einer der Wege hätte.“
Alle folgten meinem Rat und wir brachen alle auf. Am nächsten Tag wollten alle noch ein wenig Zeit mit ihren Liebsten verbringen.
Kapitel 10
Seth und Leah verbrachten ihre Zeit mit Sue. Da wollte ich nicht stören. Sie sollten sich verabschieden, auch wenn ich mir sehr sehr sicher war, dass sie einander wieder sehen würden.
Doch jeder wollte für den schlimmsten aller Fälle gewaffnet sein. Wenigstens wollten sie sich verabschiedet haben.
Also beschloss ich den Tag am Strand zu verbringen. Ich hatte mir eines der Bücher aus dem Regal der Clearwaters ausgeliehen und saß nun friedlich im Sand und las.
Gegen Mittag wurde ich an meine Schulter gefasst. Vor mir stand Jacob. Er wollte wohl noch einmal mit mir reden, bevor er sich auf den Weg macht Bella zu treffen.
„Ich würde gerne noch einmal mit dir reden, bevor ich los muss. Hast du kurz Zeit?“
Das war offensichtlich nur eine rhetorische Frage, denn ich hatte augenscheinlich nichts anderes zu tun, außer in einem Buch zu lesen. Ich legte dieses beiseite und sah zu Jacob hinauf.
„Setz dich doch zu mir, sonst bekomme ich noch einen steifen Nacken.“
Er ließ sich vor mir fallen. Seine Hände strichen rastlos über den Sand.
„Du bist dir also absolut sicher, dass ich keine Chance bei Bella habe?“
Mit traurigem Blick sah ich zu ihm hinüber. Selbst im sitzen war er noch einiges größer als ich.
„Ich befürchte nicht. Das ist jetzt für dich wirklich schwer. Das kann ich mir gut vorstellen. Schließlich habe ich eine gute Vorstellung davon, wie es in deinem Hirn aussieht. Aber glaub mir, du wirst noch froh sein, dass du Bella nicht noch einmal geküsst hast. Es muss eine wirklich merkwürdige Situation sein, wenn du deiner Prägung irgendwann einmal davon erzählst.“
Ein wenig unschlüssig sah er mich an.
„Kannst du mir vielleicht etwas mehr von ihr erzählen?“
Eigentlich durfte ich ihm ja nichts erzählen. Aber einen kleinen Hoffnungsschimmer sollte ich ihm schon geben.
„Ich sollte dir nichts von ihr erzählen, sonst verändern wir noch diesen Teil der Geschichte. Das wollen wir ja nicht. Aber ich kann dir sagen, dass diejenige auf die du dich prägen wirst, Schnee sehr gerne mag und es liebt sich in deine Arme zu werfen. Dass du sie durch Bella kennen lernst, weißt du ja schon. Vielleicht sollte ich noch erwähnen, dass du sie noch kennen lernst, bevor Bellas Wandlung abgeschlossen ist. Mehr kann oder besser gesagt sollte ich dir wohl nicht erzählen.“
Diese kleinen Informationsbrocken schienen ihm schon ungemein geholfen zu haben.
„Danke! Zu wissen, dass dort in naher Zukunft meine große Liebe auf mich wartet macht das Ganze etwas leichter. Du bist dir wirklich sicher, dass Bella und ich ganz einfach beste Freunde sein können? Obwohl sie zum Himmel stinken wird?“
Ich nickte ihm zu. „Meine Theorie ist, dass du dich nach einiger Zeit an den Geruch gewöhnt haben wirst, ebenso anders herum. Nur mit Rosalie wirst du so deine Probleme haben. Aber vielleicht denkst du dir schon ein paar gute Blondinenwitze aus. Das scheint eure Art der Kommunikation zu sein.“
Wir saßen noch einige Zeit schweigend nebeneinander. Nach einigen Minuten drehte Jacob sich zum Meer und starrte vor sich hin. Ich nahm mein Buch wieder auf und las weiter. Etwa eine Stunde später machte Jacob sich auf den Weg.
Etwas mehr wie die Hälfte des Buches hatte ich schon durch, als ich erneut unterbrochen wurde.
Paul stand vor mir. Ich deutete ihm, sich doch zu mir zu setzen und legte das Buch neben mich. Er ließ sich nicht zweimal bitten und setzte sich nah neben mich. Seine Hitze strahlte von seinem Körper zu mir hinüber. Diese Wölfe waren wirklich angenehm warm.
„Ich dachte mir, ich sehe mal nach, was du so machst. Vorhin habe ich Leah, Seth und Sue getroffen, die mir gesagt haben, dass du hier her wolltest.“
„Ja, ich wollte ihre Familienzeit nicht stören. Darum hatte ich beschlossen, den Regenfreien Tag zu nutzen und am Strand ein wenig zu lesen. Jacob war vorhin auch schon hier.“
„Ja, er hatte darüber nachgedacht noch einmal mit dir zu sprechen.“
Der Wind frischte auf. Sodass ich die mitgebrachte Decke enger um mich zog. Ohne weitere Worte legte Paul seinen Arm um mich und zog mich näher zu ihm. Es wurde langsam spät. So langsam bekam ich Hunger.
Paul schien keine Familie zu haben. Wenn doch, dann verstand er sich nicht mit ihnen. Sonst wäre seine Familie kein Tabuthema. Auf keinen Fall wollte ich, dass er heute Abend alleine ist. Bei den Clearwaters störte ich wahrscheinlich eh nur.
„Was hältst du davon, wenn ich heute Abend für dich koche? Sozusagen als Dankeschön für das Fahren und Tragen. Wie könnte man sich besser bei einem von euch bedanken, als mit Essen.“
Ihm schien meine Idee zu gefallen, denn er war aufgesprungen und streckte mir abwartend seine Hand entgegen. Er wollte mir wohl aufhelfen.
„Nun mach schon, ich bin halb verhungert. Wenn du deine Kochdienste nicht so freundlich angeboten hättest, hätte ich Sam und Emily in ihrer freien Zeit stören müssen. Das hätte Sam mir nur wieder Tage lang vorgehalten.“
So machten wir uns auf den Weg zu ihm nach Hause.
„Hast du überhaupt frische Zutaten im Haus oder sollten wir gleich auf dem Weg aus dem kleinen Supermarkt an der Ecke das nötigste mitnehmen?“
Verlegen kratzte Paul sich am Hinterkopf.
„Ehrlich gesagt habe ich nur noch Frühstücksflocken und Milch da. Vielleicht sollten wir dann doch noch kurz einkaufen gehen.“
Dachte ich es mir doch. Ein Junggeselle, der nicht die geringste Ahnung vom Kochen hat.
„Wie hättest du den Rest des Wochenendes überlebt, wenn du nicht einmal Spaghetti da hast?“ Er zuckte mit den Schultern.
„Emily kocht doch eh immer für das gesamte Rudel. Außer um ab und zu mal zu frühstücken, brauche ich meine Küche eigentlich nicht.“
Wir gingen weiter schweigend nebeneinander her. Seine Hand stupste ab und an meine an. Bei jeder Berührung durchfuhr mich ein elektrischer Schlag. Ich hoffte nur, dass mein Herzschlag mich nicht irgendwie verriet.
Beim Supermarkt angekommen, suchte ich schnell alle Zutaten für eine Lasagne zusammen. Wirklich Lust etwas Aufwendigeres zu kochen, hatte ich nicht.
„Hoffentlich ist Lasagne für dich in Ordnung. Ich verspreche dir ein anderes Mal ein richtiges deutsches Sonntagsessen, aber das dauert mir heute zu lange.“
Er nickte mir nur strahlend zu. War es die Aussicht auf ein weiteres Essen, oder die Wahl des Gerichts für heute Abend?
Vom Supermarkt aus war es nicht mehr weit bis zu ihm nach Hause. Als wir jedoch vor einem kleinen gemütlich wirkendem Holzhäuschen standen, war ich doch ein wenig überrascht. Wie konnte er sich das leisten?
Er schien meinen Unglauben zu bemerken, denn er antwortete auf meine nicht ausgesprochene Frage.
„Ich habe es geerbt. Es ist zwar nicht groß, aber für mich allein reicht es vollkommen.“
Wir gingen über die Veranda, die das Haus umgab zur Haustür. Man stand direkt nach dem Eintreten in einem gemütlichen Wohnzimmer. Die Einrichtung war insgesamt etwas älter. Nur das Sofa und der Fernseher waren offensichtlich neu.
Das Sofa war riesig und sah ungeheuer bequem aus. Der Fernseher war auch ungeheuerlich, aber ungeheuerlich groß.
Paul verschwand durch eine Tür mit den Einkäufen. Er hatte darauf bestanden, wie ein Gentleman die Tüten zu tragen. Da ich wusste, dass ihm das Gewicht nichts ausmachte, ließ ich ihm seinen Willen.
Ich folgte ihm, um mich direkt an die Arbeit machen zu können.
„Lass mich nur schnell die Lasagne vorbereiten. Du musst mir nur sagen wo ich was finde. Erzähl mir doch etwas, während ich hier arbeite.“
Paul schien erleichtert zu sein, dass er nicht helfen sollte.
„Was möchtest du denn wissen?“
Einen kleinen Augenblick überlegte ich bevor ich antwortete. Ich wollte nicht nach dem Falschen fragen.
„Erzähl mir doch etwas von deinem Leben, bevor du dich in einen riesigen Wolf verwandelt hast. Wo finde ich einen Topf und eine Auflaufform?“
Das war doch ein guter Kompromiss, so konnte er selbst entscheiden, was er mir erzählen will und was nicht.
Er erzählte von seinen Tagen in der Grundschule. Davon, dass er und Jared schon immer beste Freunde waren und davon, dass sie immer in Schwierigkeiten zu stecken schienen. Wie kleine Jungs halt so sind. Die Beiden schienen immer einen Streich auszuhecken, oder die Konsequenzen eines vorherigen Scherzes zu tragen.
Schnell war die Lasagne im Offen und ich wendete mich dem Salat zu.
„Du kannst ja schon mal den Tisch decken.“
Mit einem Murren machte sich Paul an seine Aufgabe. So ein Macho. Ist es wirklich zuviel von einem Mann verlangt, dass er den Tisch deckt? Noch dazu in seinem eigenem Haus. Ich sparte mir jedoch jeden Kommentar.
Während des Essens erzählte ich ihm von meinem bisherigen Leben. Von meinem Zuhause. Wie ich nach dem Abi in eine Stadt am anderen Ende Deutschlands zog, um zu studieren. Dort mit meiner besten Freundin in eine WG zog und wir immer unseren Spaß hatten, außer wenn ich mal wieder zum Twilight sehen verdonnert wurde. Das ich sie trotzdem unglaublich lieb habe, auch wenn sie mich damit gefoltert hat.
Nach einem großen Becher Eis für Paul und einem normal großen für mich machte ich mich auf den Weg zurück zu den Clearwaters. Paul bestand darauf mich zu begleiten.
Wir liefen schweigend nebeneinander her. Vom Himmel schien der Mond hinunter. Er hatte sich durch die dichte Wolkendecke gemogelt. Die Sterne konnte man nicht sehen. Daran musste ich mich hier wohl gewöhnen. Man sah hier eher selten einen klaren Himmel. Vorm Haus angekommen drehte ich mich zu Paul um mich zu verabschieden.
„Pass morgen auf dich auf.“
Mich überkam ein merkwürdiges Gefühl der Angst. Was wenn sich mehr geändert hatte, als bisher ersichtlich ist. Was wenn jemanden durch meine Ankunft etwas passiert? Was wenn dieser jemand Paul ist.
Er war mir seit meiner Ankunft so sehr ans Herz gewachsen. Meine Gefühle für ihn konnte ich wohl nicht mehr leugnen. Ich machte mir riesige Sorgen um ihn. Warum musste ich mich auch in einen Mann verlieben, der nicht für mich bestimmt ist? Das kann einfach nicht gut enden. Paul schien meine Anspannung zu bemerken.
„Natürlich pass ich auf mich auf. Uns passiert nichts. Du hast uns doch vor allen Gefahren gewarnt. Da geht nichts schief.“
Dumm nur, dass er mich mit diesen Worten nicht wirklich beruhigen konnte. Ich hatte Edward und Seth nicht gewarnt. Was bei den anderen während des Kampfes los war wusste ich nicht, also gut möglich, dass sie sich zu sicher fühlen und nicht vorsichtig genug sind.
„Nur weil ich euch erzählt habe, dass es niemanden erwischt, heißt das nicht, dass ihr unvorsichtig sein könnt. Ich kenne keine Details eures Kampfes mit den Neugeborenen, also seid vorsichtig und seid auf der Hut.“ Flehte ich ihn an.
Paul nahm mich in seine starken Arme und drückte mich leicht an sich. Ohne Vorwarnung überkam mich das Gefühl der absoluten Sicherheit. Solange ich in seinen Armen war konnte mir nichts passieren. Seinen Kopf hatte er auf meinem abgelegt und murmelte in mein Haar
„Wir werden vorsichtig sein. Keinem wird etwas passieren. Wir passen auf einander auf.“
Er atmete tief ein. Er schien den Geruch meines Haares einzuatmen. Es roch bestimmt nach Meer. Schließlich habe ich einige Stunden dort verbracht.
„Ich muss dir noch unbedingt etwas sagen.“
Der Satz klang nach einem ‚bevor ich nicht mehr die Gelegenheit dazu habe’. Ehe er weiter sprechen konnte hatte ich ihm den Mund zu gehalten.
„Du sagst es mir morgen nach dem Kampf, dann musst du dich extra anstrengen, damit du es mir sagen kannst. Ich gehe jetzt rein. Du sagst den anderen auch noch einmal, dass sie trotz aller Warnungen nicht unvorsichtig sein sollen. Wir sehen uns morgen. Gute Nacht.“
Damit drehte ich mich um und ging ins Haus. Seth und Leah sagte ich auch noch einmal, dass sie auf sich aufpassen sollen.
Seth schien meinen besorgten und schuldigen Blick auf sich zu spüren, denn er stand kurze Zeit später vor meiner Tür und klopfte an.
„Was ist los Stella? Irgendetwas bedrückt dich.“
Ich seufzte.
„Wie gut hast du deine Gedanken unter Kontrolle?“
Seth dachte einen Moment nach.
„Nicht so gut, fürchte ich.“
Ich nickte nur. Etwas anderes hatte ich nicht erwartet.
„Sagen wir es so. Es tut mir leid, dass ich ein Detail der Geschichte weglassen musste, aber ich befürchte, dass wenn ich diesen Teil der Geschichte verrate, sich alles verändert. Möglicherweise so sehr, dass jemanden noch etwas passiert. Darum konnte ich es euch nicht sagen. Wenn alles genauso verläuft wie im Buch, dann passiert niemandem etwas. Gut Jacob wurde verletzt, aber er war schnell wieder auf den Beinen, dank Carlisle. Von daher ist mir diese Version lieber, von der ich den Ausgang kenne und niemandem von euch etwas Ernsthaftes passiert, als eine veränderte Version, von der ich den Ausgang nicht kenne.“
Schweigend sah Seth mich einen Augenblick lang an.
„Ich bin mir sicher, dass du deine Gründe hast. Verstehen werde ich sie vermutlich erst morgen nach dem Kampf. Bei dem ich ja dank deiner Fürsprache nicht dabei bin.“
„Du wärst so oder so nicht dabei gewesen. Oder glaubst du Leah würde dich kämpfen lassen, wenn sie es verhindern kann. Sie hätte Sam bestimmt solange bearbeitet, bis du in La Push geblieben wärst. Sie hätte sämtliche Schuldgefühle, die Sam ihr gegenüber hat, dafür genutzt.“
„Da hast du vollkommen Recht. Du hast Glück, dass du bei Bella Wache schieben darfst. So bist du wenigstens in Gesellschaft eines Blutsaugers und das auch nur, weil Stella so überzeugt ist, dass er dir nichts tut.“ Unterbrach Leah uns.
Sie stand im Türrahmen. Hoffentlich hasst sie mich morgen Abend nicht. Immerhin bringe ich ihren Bruder in Gefahr, mit meinem Schweigen.
Kapitel 11
Ich hatte mir die ganze Nacht die schrecklichsten Horrorszenarien ausgedacht. Von Mal zu Mal wurde es grausamer.
Zuerst kam Victoria an Bella nah genug heran, um sie zu Beißen. Sie verwandelt sich Renesmée wird nicht geboren und Jacob muss trotz meiner Versprechen den Rest seines Lebens leiden.
Das letzte und schlimmste Szenario beinhaltete, dass die Volturi eher ankamen und die Wölfe entdeckten. Weil sie sie für Werwölfe hielten, beschuldigten sie die Cullens sich mit dem Feind zu verbrüdern und als nächstes die Volturi stürzen zu wollen. Alec war bei ihnen und nahm jedem die Sinne. So konnten sie alle der Reihe nach abschlachten.
Nachdem sie mit der Lichtung fertig waren, kamen sie nach La Push und töteten jeden Einwohner des Reservats.
Am frühen Morgen fiel ich dann wohl doch noch in einen unruhigen Schlaf. Denn als ich wach wurde war es bereits halb elf. Das Haus war leer. Seth und Leah waren wohl schon aufgebrochen und wo Sue abgeblieben war, dass erklärte mir ein Zettel, den ich auf dem Küchentisch fand.
Liebe Stella,
ich bin zu Billy Black gegangen. Alle die von der Existenz der Wölfe wissen sind dort und warten auf Neuigkeiten. Ich wollte dich nicht wecken, da du sehr müde aussahst, als ich nach dir sah. Wenn du möchtest kannst du ja nachkommen. Du musst einfach nur von der Haustür aus der Straße nach links folgen und an der zweiten Weggabelung nach rechts gehen. Es ist das letzte Haus auf der linken Seite.
LG Sue
Ich beschloss mich gleich auf den Weg zu machen. Hunger hatte ich eh nicht. Im Moment bekam ich einfach nichts runter.
Nach einem Fußmarsch von fast zehn Minuten kam ich an dem Has der Blacks an. Ich klopfte. Schon bald öffnete mir eine zittrig wirkende Emily die Tür. Sie machte sich wohl große Sorgen um Sam.
Keiner versuchte sich jedoch die Sorge direkt anmerken zu lassen, da Charlie mit im Wohnzimmer vorm Fernseher saß. Er schaute sich ein Spiel an. Doch die Anspannung der Anwesenden schien ihm nicht zu entgehen.
Ich stellte mich den Leuten vor, die ich noch nicht kannte.
„Hey, ich bin Stella. Meine Mutter war eine Freundin von Sue.“
Mir ging diese Lüge nicht leicht von den Lippen. Es war wirklich merkwürdig von seiner Mutter in der Vergangenheit sprechen zu müssen. Aber es war ein gutes Training für mein morgiges Vorstellungsgespräch.
Neben Sue, Emily und Kim waren auch noch Quils Großvater und ein weiterer der Ältesten anwesend. Die Blicke aller wanderten immer wieder zur Uhr und zur Haustür. Nur Charlies Blick blieb auf dem Fernseher.
Mir kam es wie Stunden vor, bis Sam ins Haus kam. Man konnte keinen fluchenden Jacob hören, so hat wenigstens das geklappt. Er wurde nicht verletzt. Jacob trat direkt nach ihm ein. Um mich herum hörte ich erleichtertes Aufatmen.
Dies schien Charlie noch ein wenig mehr zu verwirren. Wir verabschiedeten uns alle schnell von Billy und Charlie und gingen zu Sams Haus.
Vor Sams Haustür erwartete mich schon eine vor Wut kochende Leah. Etwas anderes hatte ich auch nicht erwartet. Das wird dann wohl die erste und vermutlich schlimmste Standpauke des Tages werden.
Neben ihr stand ein nervöser Paul. Kaum war ich in Hörweite legte sie auch schon los.
„Sag mir nicht, dass du die Tatsache, dass mein kleiner Bruder von einem Blutsauger angegriffen wird, verschwiegen hast! Wie konntest du das nur tun? Wir haben dich bei uns aufgenommen. Du schienst mich zu verstehen und Seth hat dich wie seine Schwester behandelt, wie konntest du diese wichtige Information für dich behalten. Unseren Trip nach Seattle kannst du so was von vergessen! Mit Betrügern verbringe ich nur die Zeit, die ich muss! Such dir jemand anderen, der dich aufnimmt. In unserem Haus bist du nicht mehr Willkommen.“
Endlich musste Leah einmal Luft holen und ich kam auch zu Wort.
„Gut, das habe ich verdient. Aber ich kann dir sagen, dass mir meine Entscheidung, wie ich sie getroffen habe nicht leicht gefallen ist. Die gesamte Zukunft, die ich kenne hängt an einem seidenen Faden. Was wäre, wenn Victoria hätte fliehen können, weil sie nicht der Spur zu Bella gefolgt ist, weil sie woanders ist? Würde Bellas Hochzeit wie geplant stattfinden? Würde Jacob somit seine Prägung treffen und seinem Leiden ein Ende gesetzt werden?
Wäre Victoria mit einem neuen Plan angekommen, um sich an Bella und dem Rest zu rächen? Wäre die nächste Neugeborenenarmee größer? Was wäre gewesen, wenn nicht Seth bei Edward gewesen wäre, weil wir ihn im Reservat gelassen hätten? Wären Collin oder Brady bei Edward gewesen? Wären sie auch unverletzt aus dem Kampf hervorgegangen?
Wäre einer der anderen bei ihm gewesen, wärt ihr mit eurem Teil der Neugeborenen klar gekommen, ohne verletzt zu werden? Sag mir welche Entscheidung du getroffen hättest, dann weiß ich wie ich die nächste treffen soll!
Zumal ich mir ziemlich sicher war, dass wenn sich dieser Teil der Geschichte nicht ändert, Seth nichts passiert und hinterher einfach nur unglaublich Stolz auf sich ist. Was hättest du entschieden?“
Meine Rede schien sie etwas zu beruhigen, aber sie war noch nicht bereit mich vom Haken zu lassen.
„Ich hätte alle beteiligten über die Gefahren aufgeklärt und hätte dann das Rudel die Entscheidung treffen lassen.“
Fuhr mich Leah an. Na klar, wer’s glaubt.
„Wirklich, du die Dickköpfige und brummige Leah hättest dich friedlich mit allen an einem Tisch gesetzt und hättest die Entscheidung ausdiskutiert. Ganz bestimmt. Vielleicht solltest du dem Friedenschor beitreten.“
Einige der Jungs mussten sich ein Lachen verkneifen.
Leah stand jetzt direkt vor mir. Sie zitterte vor Wut und stieß mir bei jedem Wort den Zeigefinger etwas zu hart gegen die Brust. Morgen hätte ich einen riesigen blauen Fleck an der Stelle.
Paul, der sich hinter mich gestellt hatte, schlang seine Arme um mich. Vermutlich wollte er mich für den Fall, dass Leah sich verwandelte, wegziehen können.
„DU. HAST. MEINEN. BRUDER. IN. GEFAHR. GEBRACHT!“
Das war der eigentliche Grund für ihre Wut. Denn Wut war leichter zu ertragen, als die angst, die sie um ihren Bruder hatte. Ich nahm sie einfach in den Arm, ein erschrockenes Aufkeuchen konnte man von den anwesenden hören, und sagte
„Ich weiß, dass du dir große Sorgen um Seth gemacht hast. Du konntest ihm nicht helfen, weil du nicht schnell genug bei ihm sein konntest. Aber Seth ist dazu in der Lage sich selbst zu verteidigen und wenn nicht, dann muss er es lernen. Du kannst ihm ja nicht ständig aus der Patsche helfen, auch wenn große Schwestern dafür da sind. Ich verspreche dir, wenn ich gewusst hätte, dass er auch nur einen Kratzer aus dem Kampf mitnimmt, hätte ich ihn zumindest gewarnt. Kannst du mir verzeihen?“
Beim letzten Satz hatte ich mich von ihr gelöst und sie mit den traurigsten Hundewelpen Augen angesehen, die ich zustande bringen konnte. Der Blick schien seine gewünschte Wirkung zu haben, denn Leahs Wut verließ langsam aber sicher ihre Augen und ein anderes Gefühl schien die Vorherrschaft zu übernehmen.
Sie zog mich wieder in ihre Arme und drückte mich an sich.
„Na gut, ich verzeihe dir! Wenn du deiner Schwester versprichst, dass du ihr sagst wenn unser kleiner Bruder das nächste Mal in Gefahr ist.“
Mir traten die Tränen in die Augen. Leah hatte mich als ihre Schwester akzeptiert! Ich hatte bisher nie eine Schwester, aber eine bessere als Leah konnte ich mir auch nicht vorstellen.
„Heißt das, dass wir zwei Schwestern nächstes Wochenende nach Seattle fahren?“
Jetzt lachte Leah.
„Ja das heißt es. Du weißt doch Drei Tage frei! Drei Tage kein Sam! Drei Tage Spaß!“
Bei ihrem neusten Lieblingsmotto hüpfte sie wieder mit mir zusammen auf und ab. Alle um uns herum sahen uns, als hätten wir nun endgültig den Verstand verloren. Ich blickte einmal in die Runde.
„Was denn? Genau das werden wir nächstes Wochenende haben. Drei Tage lang Spaß.“
Seth lachte. „Das ist glaube ich nicht das Problem. Die anderen sind absolut geschockt. Sie haben Leah sich noch nie so schnell beruhigen sehen und schon gar nicht vor Freude herum hüpfen.“
Mit einem Blick auf Sam fügte Seth noch hinzu
„Und Sam scheint ein wenig gekränkt zu sein, dass drei Tage ohne ihn euch so freuen.“
Ich versuchte die Wogen ein wenig zu glätten.
„Es ist eher eine Metapher dafür, dass wir drei Tage lang einfach nur ganz normale Frauen in einer fremden Stadt sein können. Keine Regeln, keine Verwandlung in einen riesigen Wolf und keine Frau aus einer anderen Welt sein.“
Diese Chance ließ Leah sich nicht entgehen.
„Nein, für mich heißt es einfach drei Tage kein Sam.“
Mit einem Gefühl nicht vorhandenen Mutes drehte ich mich zu Sam.
„Gut, du bist der nächste, der seinem Ärger Luft machen kann. Also raus mit den Vorwürfen, schlimmer kann es ja nicht mehr werden.“
„Lasst uns doch erst einmal rein gehen.“
Noch bevor Sam zu Ende gesprochen hatte, waren alle Wölfe im Haus verschwunden, vermutlich um sich einen Platz zu sichern. Ich folgte den anderen und ging in die Küche. Wie vermutet, war jeder Stuhl des riesigen Tisches besetzt.
Seth zog mich zu sich auf seinen Schoß. Er war wohl der einzige, der mit meiner Entscheidung vollkommen zufrieden war. So hatte er doch noch den Kampf bekommen, den er so unbedingt wollte.
Paul, der neben Seth saß knurrte ihn an, als dieser seine Arme um meine Taille schlang. Hatte ich das jetzt richtig gehört? Hatte er tatsächlich geknurrt? Bevor ich meine Frage selbst beantworten konnte fing Sam auch schon mit seiner Standpauke an.
„Ich verstehe ja, dass du nur das best für uns wolltest, aber du hättest wenigstens mir die gesamte Geschichte erzählen können. Dann hätten wir gemeinsam nach einer Lösung suchen können. Möglich, das wir zum gleichen Ergebnis gekommen wären, aber so hast du meine Autorität einfach untergraben und uns mit Halbwahrheiten in eine gefährliche Situation gebracht.“
Sam machte eine Pause, dass war meine Chance.
„Hättest du denn deine Gedanken effektiv vor dem Rudel verbergen können? Wären deine Gedanken auch vor Edward sicher gewesen? Wir wissen, denke ich alle, wie Edward darauf reagiert hätte. Er hätte nicht lange mit sich diskutieren lassen und hätte Bella von hier weggeschafft. Dann würde Victoria noch da draußen herumlaufen und den nächsten, vermutlich noch schlimmeren Plan schmieden. Also musste ich die Entscheidung allein Treffen und versuchen meine Gedanken im Zaum zu halten. Was mir zum Glück ja auch gelungen ist.“
Zufrieden grinste ich in die Runde.
„Da hast du vermutlich Recht. Aber ab jetzt keine Geheimnisse mehr!“
Ich sah Sam bedauernd in die Augen.
„Tut mir wirklich Leid, aber eine Sache muss ich noch für mich behalten. Aber ich kann dir Versprechen, dass niemand aus deinem Rudel direkt davon betroffen sein wird.“
Das war wieder eine dieser Halbwahrheiten. Ich war mir noch nicht sicher, ob ich die Trennung der Rudel verhindern sollte. Für Leah war das ganze ein Segen, auch wenn sie Wachhund für einen Haufen Blutsauger spielen musste, wie sie so treffend formuliert hat.
Frustriert stieß Sam die Luft aus.
„Na schön! Behalte es für dich, aber schwöre mir, dass niemanden aus diesem Rudel etwas passieren wird.“
„Ich schwöre, dass niemandem der hier Anwesenden körperlich etwas zustoßen wird. Das ist nur ein weiterer Schritt in Richtung Glück bis in alle Ewigkeit, wenn auch ein sehr wackeliger.“
Nach und nach verließen alle das Haus. Paul berührte mich an meiner Hand.
„Ich wollte dir doch noch etwas sagen, würdest du mit mir spazieren gehen?“
Eigentlich hatte ich gehofft zuerst alle Standpauken über mich ergehen zu lassen, um dann mit Paul über etwas hoffentlich Erfreulicheres zu sprechen. Aber vielleicht kann er mich ja zu meiner letzten Standpauke als seelische Unterstützung begleiten?
„Paul, können wir uns zuerst mit Edward treffen? Denn ich denke, er will seinem Ärger auch noch Luft machen. Danach würde ich gerne mit dir einen Spaziergang machen. Vielleicht können wir ja an den Strand. In Deutschland habe ich den nicht oft zu sehen bekommen.“
Bittend sah ich ihn an.
„Na schön, dann erst der Blutsauger und dann können wir endlich reden!“
Ich fischte mein Handy, ein Geschenk von Alice, aus der Tasche und wollte gerade die Nummer im Telefonbuch suchen, als es klingelte. Alice.
„Hey Alice! Kann ich kurz mit deinem gedankenlesenden Bruder sprechen?“
„Klar, ich habe ihn schon zur Grenze geschickt. Er kocht vor Wut, darum ist Jasper bei ihm.“
„Danke! Wir telefonieren die Tage noch einmal ich muss dich und deine Familie noch um einen weiteren Gefallen bitten, wenn ich den heutigen Tag überlebe, heißt das.“
Alice lachte und wir verabschiedeten uns.
Paul hatte das Gespräch mitbekommen und war schon im Wald verschwunden, um als großer grauer Wolf wieder vor mir zu stehen. Von mal zu mal schien es leichter zu werden auf seinen Rücken zu klettern. Übung macht wohl den Meister. Kaum saß ich sicher zwischen seinen Schulterblättern, als er auch schon los zischte.
Wenige Minuten Später kam er zum Stehen. Direkt vor mir stand Jasper, mit einem störrischen Gesicht. Edward konnte ich nicht erkennen, aber ich befürchte, dass er die verschwommene Masse ist, die neben Jasper ist.
Edward kam zum stehen, als er meine Gedanken hörte.
„Wie konntest du Bella nur solch einer Gefahr aussetzen? Sie wurde schon einmal von einem Vampir verletzt, eine Widerholung von den Geschehnissen in Phoenix braucht sie wohl nicht.“
Da ist er wieder der dramatische Edward. Ich verdrehte die Augen.
„Ganz ehrlich, ein bisschen weniger Drama würde dir gut tun. Erstens wusste ich, dass du Victoria besiegen würdest. Ebenso, wie Seth Riley besiegen würde. Und zum zweiten wusste ich auch, dass Bella nichts passieren würde.
Bevor du mir jetzt ihren Zustand nach eurem Kampf vorwirfst, sie hatte keine Angst vor dir. Sie hatte nur Angst UM dich. Der Stein sollte keine Waffe zum verteidigen sein, sondern eher das Äquivalent zum Messer der dritten Frau aus den Legenden der Quileute.“
Paul ging wohl gerade die Legende in seinem Kopf durch, denn nach kurzem schweigen sagte er
„War ja klar, dass Bella sich damit identifiziert und so etwas versuchen würde.“
Genau.
„Es tut mir nicht leid, dass ich dir nichts gesagt habe. Was hättest du denn getan, wenn du auch nur den Hauch einer Gefahr für Bella erahnt hättest?“
„Ich hätte sie natürlich von hier weggeschafft!“
„Genau das wäre aber ein Fehler gewesen. Du hast doch in Victorias Gedanken gelesen, dass sie sich nicht den Neugeborenen angeschlossen hätte. Was glaubst du hätte sie getan? Ihre Rache einfach aufgeben, oder einen neuen Plan fassen und es erneut versuchen?“
Wie der Plan ausgesehen hätte, will ich lieber gar nicht wissen. Ich ging noch einmal meinen Streit mit Leah durch, sodass Edward wusste, welche Gedanken ich mir zu dem Ganzen gemacht hatte. Selbst er musste anerkennen, dass ich meine Entscheidung nicht leichtfertig getroffen hatte.
„Du hast ja Recht. So waren wir auf der sicheren Seite und ich gebe zu, wenn du mir das Ganze vor dem Kampf gesagt hättest, hätte ich dir nicht zugehört, sondern gehandelt. Du kennst uns wirklich alles sehr gut.“
„Das Wissen erlangte ich eher widerwillig, aber nach vier Büchern, die aus Bellas Sicht geschrieben sind, lernt man einiges. Du weißt doch, wie gut sie beobachten und schlussfolgern kann.“
Schmunzelnd nickte er mir zu.
Während des gesamten Gesprächs hatte ich mich an Paul gekuschelt, er war einfach herrlich warm.
„Übrigens, danke für deine Gespräche mit Jacob. Als er Bella heute Nacht gewärmt hat, weil der Heizlüfter ausgefallen war, ging er euer Gespräch in Gedanken durch. Trifft er wirklich so bald schon die Richtige? Das würde mich wirklich für ihn freuen.“
Mist falsches Thema, schnell an etwas anderes Denken. An mein Zuhause, meine Freundin, wie sie mich mit den Twilight-DVDs in der Hand durch unsere Wohnung jagt. Was einer der Professoren zu beginn des Studiums zu uns gesagt hat.
„Er trifft sie schon bald, wenn alles glatt geht.“
Wenn ich mich recht erinnere ist es der 10. September. Am Freitag trifft Paul seine Prägung. Gut dass ich dann nicht hier sein werde. Dann muss ich nicht mit ansehen, wie sich der Mann, in den ich mich verliebt habe auf jemand anderen prägt. So muss es Leah wohl auch ergangen sein.
Mist! Edward, wag es nicht auch nur ein Wort meiner Gedanken laut auszusprechen! Das geht niemanden etwas an, auch nicht Jasper.
„Wir sollten jetzt gehen.“
Edward half mir auf Pauls Rücken. Dieser rannte in Richtung Strand davon.
Kapitel 12
Kurz bevor wir den Wald verließen und zum Strand gelangten, rutschte ich von Paul herunter und ging schon einmal vor. Er würde mich schnell eingeholt haben. Ein nun angezogener Paul kam auf mich zu. Er schien nervös zu sein.
Irgendetwas verriet seine innere Unruhe, auch wenn ich mir nicht sicher war was genau. Machte ihn unser bevorstehendes Gespräch so nervös? Wollte er mir eigentlich gar nicht erzählen, was er auf dem Herzen hatte?
Nach einigen Metern, die wir schweigend neben einander am Meer entlang gelaufen waren, räusperte er sich. Wir blieben stehen. Ich drehte mich zu ihm und sah ihm in die dunklen, tiefen Augen.
Wenn ich nicht etwas aufpasste, würde ich mich in seinen Augen verlieren.
„Stella, ich habe …“ er beendete seinen Satz nicht.
Stattdessen fing er einen neuen an.
„Du weißt doch, dass wir Wölfe …“
Wieder ein unbeendeter Satz. Es schien ihm wirklich schwer zu fallen, es mir zu erzählen. Bevor er weitere Sätze anfing ohne sie zu beenden, sagte ich
„Paul, egal was du mir sagen willst, sag es einfach gerade heraus. Wirf es mir an den Kopf. Danach können wir darüber reden. In Ordnung?“
Er lies sich nicht lange bitten. Es schien für ihn so wirklich einfacher zu sein.
„Ich habe mich auf dich geprägt!“ schrie er mich schon fast an.
Ich sah ihn geschockt an. Ich blinzelte einmal, aber Paul stand immer noch vor mir und sah mich vorsichtig an. Er schien auf eine Reaktion zu warten. Was hatte er da gesagt? Er hatte sich auf mich geprägt.
Aber das ist doch unmöglich, er war doch für Rachel bestimmt, oder anders herum. Sie waren für einander geschaffen. Vielleicht hat er seine Gefühle für mich auch einfach falsch gedeutet? Wie sage ich ihm jetzt am einfühlsamsten, dass er sich geirrt haben muss?
„Ich bin mir sehr sicher, dass du deine Gefühle falsch interpretiert haben musst. Du kannst nicht auf mich geprägt sein, weil du dich doch auf Rachel prägst. Wenn sie also deine Seelenverwandte ist, dann kann ich es ja wohl nicht sein.“
Auch wenn ich es mir sehr wünschen würde. Paul sah mich schockiert an.
„Egal, was in diesen bescheuerten Büchern steht, ich habe mich auf DICH geprägt. Ich weiß, dass es schwer für dich zu verstehen ist, aber immer wenn du in meiner Nähe bist, geht es mir gleich gut. Das Rudel ist total geschockt, wie ruhig ich in deiner Gegenwart bin. Meine Wutanfälle sind, wenn ich dir in die Augen sehe, einfach verschwunden. Kein negatives Gefühl ist dann mehr in mir… Oh man, jetzt klinge ich schon wie so ein Vollpfosten aus einer dieser dämlichen Soaps. Sag bloß niemanden, dass ich das gerade wirklich gesagt habe! Kaum vier Tage geprägt und schon mutiere ich zu einem hoffnungslosen Romantiker. Hoffentlich fange ich nicht nächste Woche an Blumen zu pflücken. Es sei denn du wünscht dir einen selbst gepflückten Blumenstrauß.“
Während seiner kleinen Rede durchlebte Paul eine Bandbreite an Gefühlen. Von Wut zu Aufrichtigkeit. Seine Augen blickten mich jedoch die ganze Zeit absolut liebevoll an. Er schien wirklich davon überzeugt zu sein, auf mich geprägt zu sein. Zum Schluss schien er schon fast verzweifelt zu sein.
Das konnte ich nicht ertragen. Wie aus Reflex schmiegte sich meine rechte Hand an seine Wange. Meine Berührung schien er sehr zu genießen, denn er lehnte sich in meine Hand und seine Gesichtszüge entspannten sich vollkommen. Auf seinen Lippen breitete sich ein Lächeln aus.
„Paul“
bei seinem Namen öffnete er seine Augen wieder und sah mich abwartend an.
„Ich weiß wirklich nicht, was passiert ist. Du müsstest dich auf Rachel prägen. Keine Ahnung, wie ich damit umgehen soll. Wäre es für dich also sehr schlimm, wenn wir mit jeder weiteren Entscheidung bis nächsten Montag warten? Du triffst Rachel am Freitag und siehst ihr tief in die Augen. Wenn du dich dann prägst, ist nichts zwischen uns vorgefallen, was wir bereuen müssten.“
Ungläubig sah Paul mich an. Seine beiden Hände umfassten mein Gesicht und hinderten mich daran seinen Augen auszuweichen.
„Ich weiß nicht, was zum Teufel in deinem süßen Kopf vorgeht, aber eins kann ich dir versichern. Ich, Paul Johnson, habe mich auf dich, Stella Heine, geprägt. Das kann keiner ändern. Weder Rachel Black, noch sonst irgendjemand in dieser Welt. Die Prägung ist unwiderruflich und irrt sich nie. Aber wenn es dich beruhigt, dann gebe ich dir gerne die nötige Zeit und ich sehe auch Rachel in die Augen, aber das wird an meinen Gefühlen für dich nichts ändern.“ Sagte Paul langsam und bestimmt.
Konnte ich wirklich darauf hoffen, dass Paul sich auf mich geprägt hat? Kamen daher meine Gefühle für ihn? Soweit ich weiß, funktioniert die Prägung in beide Richtungen.
Das war einfach alles ein wenig viel. Zuerst wache ich mitten im Wald auf einer Lichtung auf, die in einem Buch ist. Als nächstes verliebe ich mich in den Mann, der eigentlich in wenigen Tagen seine Seelenverwandte treffen soll und nun behauptet eben dieser, dass ich seine Seelenverwandte wäre.
Aber wenn eigentlich Rachel für ihn bestimmt ist, wie kann ich es dann auf einmal sein? Hat die Prägung vielleicht gar nichts mit Seelenverwandtschaft zu tun? Gibt es sie nur, damit Wölfe mit verbesserten Genen geboren werden? Was sagt das dann über mich aus? Meine Gene kommen doch offensichtlich aus einer anderen Welt, als Pauls.
Sind sie daher besonders kompatibel? Hätte sich also jeder der Wölfe auf mich prägen können? War Paul rein zufällig nur der erste, der mir in die Augen gesehen hat?
Was wenn, der total abwegige Fakt, dass Paul sich auf mich geprägt hat und wir dafür bestimmt sind den Rest unseres Lebens miteinander zu verbringen wahr ist? Was geschieht mit ihm, wenn ich plötzlich wieder in meiner eigenen Welt aufwache? Ich habe doch nicht einmal den Hauch einer Ahnung, warum und wie ich hier gelandet bin.
Also weiß ich auch nicht, was ich machen muss um zurück zu kehren oder um für immer hier bleiben zu können. Das wäre doch grausam vom Schicksal. Erst verändert es alles, indem es mich hier her schickt und dann nimmt es Paul seine Prägung, wenn es mich zurück schicken würde. Kann es wirklich so ein grausames Schicksal geben. Ist Paul schon der Gedanke gekommen, dass ich eines Morgens einfach nicht mehr hier in meinem Bett liege? Meine Gedanken kreisten nur noch so umher. Ich brauchte einfach etwas Ablenkung.
„Das Ganze ist ein wenig viel für mich. Können wir einfach etwas unternehmen, das mich auf andere Gedanken bringt und jede Entscheidung auf die nächste Woche verschieben? Hast du vielleicht Lust dir einen Film anzusehen? Du darfst dir auch aussuchen welchen.“
Paul lächelte mich glücklich an.
„Gerne! Wie wäre es mit Fluch der Karibik? Den habe ich schon ewig nicht mehr gesehen.“
„Von mir aus können wir den gerne sehen. Ich mag Jack Sparrow.“
So verbrachten wir also den Abend vor seinem überdimensionalen Fernseher auf seiner urgemütlichen riesigen Couch und sahen Jack Sparrow dabei zu, wie er versucht sein Schiff zurück zu bekommen.
Mein Schlafmangel und der ereignisreiche Tag machten sich schon bald bemerkbar, so dass schließlich an Paul gelehnt einschlief. Am Ende des zweiten Teils machte mich Paul vorsichtig wach.
„Wenn es nach mir geht, dann würdest du heute hier schlafen, aber du hast doch morgen früh diesen Termin in der Schule. Von daher sollte ich dich jetzt wohl besser nach Hause bringen.“
Noch war ich nicht richtig wach, sodass ich nicht wirklich verstand was er von mir wollte. Mein Gehirn braucht nun mal ein wenig länger, bis es vollkommen wach ist und seine normale Betriebsgeschwindigkeit aufgenommen hat. Doch hat es diese einmal erreicht ist es schwer es wieder auszuschalten.
„Ach ja, der Termin mit dem Direktor. Ich habe ganz vergessen, Edward zu fragen, ob er mir irgendwie bei der Beschaffung von neuen Papieren helfen kann. Ich kann ja schlecht zum nächsten Amt gehen und sagen, dass ich einen neuen Pass brauche, weil mein alter nicht zusammen mit mir hier her in diese andere Welt geschickt wurde.“
Zum Glück schlafen Vampire nicht. Darum war es doch bestimmt nicht unhöflich so spät noch bei ihnen anzurufen, oder?
Ich kramte mein Handy hervor und rief Alice an. Schon beim zweiten Klingeln hatte sie abgenommen.
„Hey Stella! Jasper wird gleich morgen nach Seattle fahren, um dir alle nötigen Papiere zu beschaffen. Auf welche Geschichte habt ihr euch eigentlich geeinigt, warum du hier bist. Den Teil konnte ich nicht sehen. Nur, dass Jasper morgen für dich neue Papiere besorgt.“
Ich rieb mir den letzten Schlaf aus den Augen bevor ich antwortete.
„Meine Eltern sind bei einem Hausbrand gestorben und in dem Feuer sind auch sämtliche Unterlagen von mir verbrannt. Meine Mutter war eine Freundin von Sue, Leahs Mutter. Nach dem Tod meiner Eltern wollte ich hier ein neues Leben anfangen. Mein Studium konnte ich leider nicht beenden. Also wäre es gut, wenn ich eine Art Zwischenzeugnis von irgendeiner Uni in Deutschland bekommen könnte. Sonst brauche ich halt einen Ausweis, Führerschein und ein Visum oder so etwas.“
„Das kriegen wir schon hin. Wir besorgen dir alles, was du unbedingt brauchst. Willst du denn deinen richtigen Namen behalten, oder einen anderen?“
„Mir wäre mein eigener Name eigentlich am liebsten. Es ist ja nicht so, als ob ich irgendwelche Spuren hier verwischen müsste.“
„So wo das geklärt ist, können wir uns ja den wichtigen Dingen zuwenden. Wieso verbringst du dein nächstes Wochenende in Seattle zum Shoppen und Feiern ohne mich? Das ist ganz und gar nicht fair von dir! Das ist dir hoffentlich klar.“
Paul, der mich während meines Telefonats mit Alice, an sich gezogen hatte und mit eine meiner langen Haarsträhnen spielte hielt bei ihrem Ton angespannt inne.
„Ich fahre nach Seattle, um mir Fachbücher für meinen neuen Job zu besorgen. Alles andere ist nur ein Nebeneffekt. Leah hat mich bei meiner Recherche im Internet gesehen und da dachte ich, ein klein wenig Abstand würde ihr gut tun. So wurde aus einem Tagestrip ein Wochenendtrip.“
Hätte ich Alice auch fragen sollen? Offensichtlich. Ob Leah ein Wochenende in der Gesellschaft von Vampiren genießen kann? Ich denke mal nicht. Es fällt ihr bestimmt nicht leicht, gegen ihre Urinstinkte ankämpfen zu müssen. Da kann ich ihr doch nicht drei Tage Kampf zumuten, wenn sie doch die Sorgenfreie Zeit genießen soll.
„Alice, ich glaube nicht, dass es für Leah erholsam wäre, wenn ein Vampir mit ihr das Wochenende verbringt. Kannst du das ein wenig verstehen?“ fragte ich sie mit bittender Stimme.
Ich hörte ein schnaufen. Das passte Alice wohl nicht.
„Irgendwie kann ich es verstehen. Es wäre nur so toll gewesen mit dir ein richtiges Mädelswochenende zu verbringen. Shoppen in Seattle wäre auch mal ne angenehme Abwechslung gewesen. In den letzten Wochen war ich nur in Port Angeles.“
Sie wollte mir ganz eindeutig ein schlechtes Gewissen einreden. Darin war sie wirklich gut. Bei mir wirkte es auf jeden Fall.
„Wer hat dir eigentlich von Seattle erzählt?“ versuchte ich sie und mich abzulenken.
„Edward, er hat es in den Gedanken der Wölfe irgendwo aufgeschnappt. Sie machen sich wohl alle Sorgen, dass euch etwas passieren könnte.“
Ich drehte mich zu Paul um. Seine Augen waren schuldbewusst auf meine Haare fixiert. Er machte sich wohl die größten Sorgen.
„Da brauchen sie sich keine Sorgen zu machen. Das ist doch nur ein bisschen Shopping, Sightseeing und Tanzen in einer Großstadt. Nichts davon ist gefährlich.“ Versuchte ich Paul zu überzeugen.
„Das brauchst du mir nicht zu erzählen! Jazz macht sich auch immer Sorgen um mich, dabei kann ich super auf mich aufpassen. Das muss irgendein Gendefekt bei Männern sein.“ Wetterte Alice nun.
Der Satz hätte auch von meiner besten Freundin stammen können. Wie ich sie hier doch vermisste. Sie würde vor Begeisterung ständig in Ohnmacht fallen. Wie so ein hysterischer Fan, der zum ersten Mal das Gesicht seines Schwarms vor sich sieht. Sie ist mittlerweile bestimmt schon fast gestorben vor Sorge. Ich bin ja auch einfach so aus meinem Bett in unserer gemeinsamen Wohnung verschwunden.
Paul schien wieder einmal zu wissen was gerade in mir vorging, denn er zog mich noch ein wenig enger an sich und legte seinen Kopf auf meine Schulter, während seine Hände beruhigend meine Arme hinauf und hinunter glitten.
„Du, Alice sei mir nicht böse, aber ich sollte jetzt wirklich ins Bett. Mein Termin mit dem Direktor ist noch vor der Schule.“ Leitete ich meine Verabschiedung ein.
„Dann sag Paul, dass er dich jetzt in Ruhe lassen soll, sonst bekommst du heute Nacht keinen Schlaf.“
Woher wusste die kleine Zauberkugel denn jetzt schon wieder, dass Paul neben mir saß?
Ich hätte mir mit der flachen Hand vor die Stirn hauen können, so bescheuert war der Gedanke. Natürlich wusste sie, dass er hier war. Selbst wenn sie die Wölfe nicht in ihren Visionen sehen kann, so hört sie doch mit ihrem übermenschlichen Gehör seinen Herzschlag neben mir. Wer sollte auch sonst neben mir sitzen, wenn nicht Paul.
„Mach ich. Ruf mich doch einfach an, wenn du etwas Neues wegen meiner Papiere weißt. Oder auch einfach, wenn du mit mir quatschen willst. Gute Nacht, Alice.“
„Dir auch eine gute Nacht. Ach und ich lass mir eine Wiedergutmachung für den Seattletrip einfallen.“
Damit hatte Alice auch schon aufgelegt.
Wie am Abend zuvor begleitete mich Paul nach Hause. So fühlte sich das Haus der Clearwaters langsam aber sich an. Wie ein neues Zuhause. Mein altes vermisste ich aber trotzdem sehr.
„Darf ich dich morgen von deinem Gespräch mit Rektor Manners abholen? Wir könnten zusammen Frühstücken gehen.“ Fragte mich Paul mit einem hoffnungsvollen Blick. Dem konnte ich einfach nicht widerstehen.
„Ich würde mich wirklich darüber freuen. Aber ich weiß nicht, wann ich fertig bin. Wenn es schon später ist können wir ja stattdessen zusammen zu Mittag essen.“ Bestätigte ich ihm.
Mit einer liebevollen Umarmung wünschte mir Paul noch ‚Schöne Träume’ und ging dann. Voller Hoffnung, dass alle meine Träume der letzten Tage in Erfüllung gehen könnten, viel ich in mein Bett.
Kapitel 13
Viel zu früh für meinen Geschmack, riss mich Leah aus meinem wundervollen Traum. Ich träumte, dass Paul wirklich für mich bestimmt war. Da war Leahs ‚Stella, jetzt werde endlich wach! Du kannst heute noch den ganzen Tag mit Paul turteln. Jetzt musst du dich erst mal um deinen Job kümmern’ wie ein Eimer kaltes Wasser. Aber wo sie Recht hatte, hatte sie Recht. Mein Job war in diesem Augenblick am wichtigsten.
Schnell zog ich mir meine schwarze Hose und die dunkelrote Bluse an. Beides hatte ich in Hoffnung auf ein Vorstellungsgespräch gekauft. Jedoch hatte ich nicht mit so einer frühen Gelegenheit zum Tragen gerechnet.
Nervös ging ich runter in die Küche, wo mich schon eine strahlende Sue und ein mürrischer Seth erwarteten. Er war nicht so begeistert, dass er heute wieder in die Schule musste, wo er doch bis um drei Uhr Streife laufen musste. Dabei hätte ich nie damit gerechnet Seth jemals in einer anderen Stimmung zu erleben, als gut gelaunt.
„Guten Morgen!“ begrüßte ich die Beiden und setzte mich zu Seth an den Küchentisch.
Auf den Kaffee verzichtete ich an diesem Morgen, schließlich war ich schon nervös genug. Wir frühstückten und dann ging Seth mit mir zusammen zur Schule.
Es waren noch nicht viele Leute da, als wir ankamen. Es war eine kleine Schule. Das rote Backsteingebäude war nicht größer, als meine alte Grundschule bei uns auf dem Dorf. Auf diese Schule gingen 197 Schüler. Die meisten davon gehörten davon dem Stamm der Quileute an. Ich sollte die Siebt- bis Zehntklässler unterrichten.
Das Sekretariat war nicht sonderlich groß. Aber es arbeitete auch nur eine Person dort. Seth hatte mich bis hierher begleitet und machte sich nun auf den Weg zu den anderen Wölfen. Sie blieben in der Schule außerhalb des Unterrichts die ganze Zeit zusammen.
„Guten Morgen. Mein Name ist Stella Heine. Ich habe einen Termin mit Rektor Manners.“
Die ältere Blondine, sie war so um die 55, lächelte mich freundlich an.
„Natürlich, Miss Heine. Ich bin Julia Miller, aber nennen sie mich doch Julia. Mr. Manners erwartet sie schon.“ Stellte sich die Sekretärin vor.
„Danke Julia. Aber dann nennen sie mich doch bitte Stella.“
„Gerne, Stella. Gehen sie doch einfach durch.“
Nervös ging ich zur Tür, auf die Julia gewiesen hatte und klopfte an. Mit einem ‚Herein’ betrat ich das Büro des Direktors. Vor mir saß ein Mann, der noch sehr jung zu sein schien. Er konnte noch nicht lange Direktor der Highschool sein. Unser Gespräch drehte sich um mein Studium, welche Fächer ich belegt hatte, mein Studienschwerpunkt und so weiter. Nach einiger Zeit erklärte er mir ein wenig den Ablauf der Schule und wie mein Aufgabenbereich bis zu den Ferien aussehen sollte.
Ich würde die Mathelehrer der verschiedenen Jahrgänge begleiten, um mir ihre Unterrichtsmethoden anzusehen. Als Mr. Manners erfuhr, dass ich aus Deutschland stammte, schlug er vor, ich könnte doch auch Deutschunterricht anbieten. Warum jemand in den USA Deutsch lernen wollte, war mir zwar nicht klar, aber es sollte mir gelingen, ihnen ein wenig meiner Muttersprache beibringen zu können. Also kamen noch einige Bücher auf meine Einkaufslist hinzu. Mein erster Tag wäre am Mittwoch. Bis dahin sollte ich mir überlegen, ob ich nicht eine Art Schnupperkurs für den Deutschkurs anbieten wollte. Das klang nach einem guten Plan. So hatten die Schüler die Chance die Sprache auszutesten, bevor sie sich ein ganzes Halbjahr damit herumschlagen mussten.
Um halb zehn war alles so weit geklärt, dass ich gehen konnte. Paul wartete schon vor der Schule auf mich. Wie lange er da wohl schon stand?
„Paul, du hast doch jetzt nicht wirklich die ganze Zeit seit Schulbeginn hier gewartet?“
Ich ging weiter auf ihn zu. Solange bis ich Fußspitze an Fußspitze mit ihm stand. Er lächelte auf mich hinunter und sagte,
„Nein, ich habe dort unter dem Baum gesessen und auf dich gewartet.“
Mit diesen Worten zog er mich in eine Umarmung. Wieder stellten sich Gefühle wie Sicherheit und Geborgenheit ein. Einige Momente genossen wir beide einfach nur die Nähe des anderen. Wie viel Zeit verstrich konnte ich nicht sagen, aber irgendwann knurrte Pauls Magen.
„Es wird wohl Zeit, dass wir dir etwas zu Essen besorgen. Was hältst du von Frühstück im Diner?“
„Klingt gut!“
Er legte seine Hand auf meinen Rücken und schob mich in Richtung seines Pick-up-Trucks. Ganz Gentleman hielt Paul mir die Beifahrertür auf und ich stieg ein.
In einer Ecke des Diners studierte ich die ausführliche Frühstückskarte. Ich hatte nicht den blassesten Schimmer, was ich auswählen sollte.
„Was nimmst du denn? Kannst du vielleicht etwas empfehlen?“ fragte ich Paul.
„Ich nehme das große Frühstück. Hier ist eigentlich alles gut, also such dir etwas aus.“
Hätte ich mir ja auch eigentlich denken können. Wölfen ist es egal was sie essen, solange es viel ist. Aber eigentlich kein schlechter Plan. Das große Frühstück konnte man auch als ‚einmal quer durch die Karte’ bezeichnen. Nur diese Menge konnte ich auf keinen Fall alleine essen.
„Du, Paul… Wenn ich auch das große Frühstück bestelle, isst du dann den Rest von meinem zusätzlich zu deinem?“
Jetzt noch den Bitte-Bitte-Blick aufsetzen und dann dürfte ich ihn überzeugt haben.
„Klar, Süße! Du weißt doch, dass wir Unmengen essen können. Du tust mir damit sogar noch einen Gefallen.“
Während des Essens redeten wir nicht viel. Paul war zu sehr mit Essen beschäftigt und ich damit ihn anzustarren.
Nach dem Frühstück erzählte ich ihm bei einer weiteren Tasse Kaffee die Einzelheiten, die ich mit Rektor Manners abgesprochen hatte. Er wollte bei der ersten Erwähnung des Deutschkurses wissen, ob er auch daran teilnehmen dürfte. Das ist echt süß von ihm, dass er für mich Deutsch lernen möchte.
„Ich verspreche dir, dass ich mit dem Rektor darüber reden werde.“ Antwortete ich ihm.
„Du kannst mir ja schon mal ein paar Sätze auf Deutsch beibringen. Dann habe ich dem Rest etwas voraus.“ Flehte mich Paul fast an.
„Na schön. Was möchtest du denn sagen können?“
Er überlegte einen Moment und sagte dann
„Hey, mein Name ist Paul und meine Freundin ist die schönste Frau der Welt.“
„Du Schmeichler, aber wer ist denn deine Freundin, die so unglaublich schön ist?“
„Nun ja, noch ist sie nicht wirklich meine Freundin, aber hoffentlich ist sie es nach dem kommenden Wochenende.“
Stella, lass dir das jetzt nicht zu Kopf steigen! Paul müsste sich ja eh auf Rachel prägen. Also am einfachsten übersetzte ich ihm den Satz und tue so, als ob ich nichts verstanden hätte. Ich übersetzte es und sagte es ihm langsam auf Deutsch vor.
Wir übten die Aussprache eine geschlagene Stunde. Es viel ihm schwer die harten Vokale auszusprechen. Witzig waren seine Versuche auf jeden Fall. Den Inhalt unserer Worte blendete ich komplett aus.
Nach unserem Frühstück musste Paul wieder Patrouille laufen. Er fuhr mich noch zu den Clearwaters und verschwand von dort aus in den Wald.
Sue war ganz aufgeregt, als ich das Haus betrat. Sie wollte alles ganz genau wissen. Mit welchen Lehrern ich zusammenarbeiten werde, welche Klassen ich nach den Sommerferien übernehmen werde und noch tausend anderer Dinge. Geduldig beantwortete ich jede ihrer Fragen.
Endlich wurden die Fragen, die mir entgegengefeuert wurden, weniger und Sue freute sich einfach für mich, dass mein Leben geregelte Bahnen anpeilte.
Der Rest der Woche verlief angenehm ruhig. Ich lernte alle Mitglieder des Rudels besser kennen und Paul hielt sich an unsere Abmachung. Wir kamen uns näher, erfuhren viel übereinander, aber es gab nie mehr wie eine Umarmung.
Kapitel 14
Der lang erhoffte und doch gefürchtete Freitag war da. Meine Papiere händigte mir Jasper am Vorabend, bei einem kurzen Besuch von mir bei den Cullens aus.
Jetzt war ich Stella Heine, 21 Jahre, amerikanische Staatsbürgerin (mein Vater war Amerikaner).
Leah und ich stiegen morgens um halb neun in ihren Wagen und fuhren Richtung Seattle. Es fiel ihr schwer, ihr Grinsen aus dem Gesicht weichen zu lassen. Ich wette, dass sie innerlich wieder zu ihrem neuen Motto tanzte. ‚Drei Tage frei! Drei Tage Spaß! Drei Tage kein Sam!’
Die Musik im Radio war wirklich gut. So kamen wir nach einigen Stunden ausgelassen Autotanzens in Seattle an. Unser Gepäck verstauten wir schnell in unserem Zimmer. Sobald alles seinen Platz gefunden hatte, fuhren wir zum ersten Meilenstein unseres Trips.
Die Buchhandlung war wirklich riesig! Hier konnte man bestimmt jede Fachliteratur für die aktuellen Studienangebote finden. Alleine für Deutsch als Fremdsprache konnte man 2 Gänge nach dem perfekten Buch absuchen. Doch auch Leah konnte sich in der Abteilung Neuerscheinungen einige Zeit beschäftigen.
Zum Abend suchten wir nach einer Videothek. Die zwei Filme für den Abend standen schon fest. Wir hatten uns auf ‚Dirty Dancing’ und ‚Selbst ist die Braut’ geeinigt. Einen dritten suchten wir spontan aus. Unsere Wahl fiel auf ‚Wie werde ich ihn los in 10 Tagen’. 3 Filme, 3 Traumtypen und nur zwei Frauen, die nur eine Schüssel mit Popcorn hatten. Der perfekte Abend.
Unterwegs besorgten wir unser Junkfood und fuhren zurück ins Hotel.
Den nächsten Morgen begannen wir erst um halb elf. Wir frühstückten im Bett und zogen uns dann für den geplanten Stadtbummel an.
Wir hetzten von einem Geschäft ins nächste, um das beste Outfit für den Abend zu finden. Es gab nur drei Kriterien, die unser Outfit erfüllen musste. Es musste eng, kurz und luftig sein. Nach einigem Suchen hatten wir das perfekte Outfit für beide gefunden.
Zurück im Hotel, durchliefen wir das komplette Programm. Haar- und Gesichtsmaske, Haare frisieren, Make-up, Manni- sowie Pediküre. Zwischendurch bestellten wir uns etwas beim Zimmerservice. Um halb elf verließen wir das Hotel, um zu dem von Alice empfohlenen Club zu gelangen.
Wir fuhren mit dem Taxi. Ohne große Probleme kamen wir auch hinein. Drinnen orientierten wir uns zuerst einmal. Wir beschlossen zuerst eine Runde zu trinken und uns dann auf der Tanzfläche zu amüsieren.
Kaum hatten wir die ersten paar Takte getanzt, wurden wir auch schon von Männern umzingelt. Mit einem bösen Blick von Leah und meinem anschmiegen an Leah hielten sie wenigstens etwas Abstand.
Doch es gibt immer einen, der es nicht verstehen will, dass wir nicht mit ihm tanzen wollen. Er fasste mein Handgelenk und drehte mich zu sich herum. Ich starrte wütend in seine Augen und versuchte mein Handgelenk zu befreien.
Aber dazu kam ich gar nicht erst. Der aufdringliche Kerl wurde zurückgerissen und stand dann einem äußerst wütenden Paul gegenüber.
Was wollte Paul denn hier? Der hatte doch gesagt, dass er in La Push bliebe. Warum hielt er sich nicht an unsere Abmachung? Er sollte doch jetzt schon in Rachels Armen liegen und sich freuen, dass er sich bei mir geirrt hatte.
Doch ich war auch froh, dass er jetzt da war. Nicht nur, weil er mich vor diesem Gorilla gerettet hatte. Sondern auch, weil so mein ziehen im Herzen aufgehört hatte. Es war mir bis jetzt gar nicht aufgefallen. Erst jetzt, wo es nicht mehr da war, bemerkte ich die Abwesenheit. War das nicht auch ein Teil der Prägung?
Ohne Worte zog Paul mich an seine breite, warme Brust und tanzte mit mir. Einige Lieder später brauchte ich dringend etwas zu trinken und frische Luft. Mit einem suchenden Blick nach Leah fand ich sie in den Armen eines Gutaussehenden blonden Adonis. Sie schien zufrieden zu sein.
Ich stupste sie trotzdem an.
„Bin mit Paul etwas an der frischen Luft.“
Sie nickte mir zu, da ich eh nicht verstanden hätte, was sie mir sagen wollte. Ich hatte eben nicht den Vorteil vom übermenschlich guten Hören.
Nach einem Abstecher zur Bar gingen wir nach draußen und suchten uns einen ruhigen Platz.
„Versteh das jetzt nicht falsch. Ich freue mich, dass du hier bist, aber warum bist du hier? Was ist mit Rachel?“ sprach ich meine größte Sorge aus.
Paul stand mir Zehenspitze an Zehenspitze gegenüber und blickte zu mir hinunter.
„Stella, du bist diejenige, auf die ich mich geprägt habe. Bei Rachel ist nichts passiert, nichts, rein gar nichts. Das wusste ich schon vorher, doch ich wollte dir deine Bitte erfüllen. Nachdem klar war, dass nichts passierte, wollte ich nicht länger von dir getrennt sein.“
Das war so süß! Ich schmiegte mich eng an seine Brust.
„Wie hast du Sam dazu überredet, dich hierher zu schicken?“
„Der war ganz froh euch beiden jemanden hinterher zu schicken. Auch wenn Leah es nicht wahr haben will, Sam sorgt sich um sie.“
Ich genoss einen Augenblick die Nähe zwischen uns beiden.
„Du Paul, hattest du auch dieses Herzziehen, als ich nicht in deiner Nähe war? Ist das so ein Prägungsding?“
Paul, der mittlerweile seinen Kopf auf meinen gelegt hatte, unterdrückte ein Lachen. Er versuchte mir ernst zu antworten, auch wenn ich es ihm nicht ganz abnahm.
„Ja Süße, das ist so ein Prägungsding. Immer wenn wir weit von einander entfernt sind, sehnen sich unsere Herzen nach einander. Bei mir ist dieses Gefühl noch ein wenig extremer.“
„Also war es purer Egoismus, dass du hier aufgetaucht bist!“
Seine Hände umschmiegten mein Gesicht und zwangen mich sanft ihm in die Augen zu sehen.
„Nein, es war pure Vorfreude. Vorfreude endlich das tun zu können.“
Bei diesen Worten beugte er sich zu mir hinunter und verschloss meine Lippen mit seinen zu einem Kuss. Unserem ersten Kuss.
Trotz allem verbrachten Leah und ich den Sonntag wie geplant mit Sightseeing.
Wo Paul hin ist, nachdem Leah und ich schlafen gingen, weiß ich nicht. Der Blick von der Space Needle über Seattle war gigantisch. Leah war bei weitem nicht so beeindruckt, wie ich.
Am späten Nachmittag trafen wir wieder in La Push ein. Wir wurden bereits von einigen erwartet. Paul riss mich gleich in seine Arme und auch Leah wurde von Sue umarmt.
Das Abendessen wurde als Barbecue aufgezogen. Das war auch der einfachste Weg ein Rudel Wölfe satt zu bekommen.
Es fiel mir schwer einzuschlafen. Morgen war mein erster Tag in der Schule als Lehrerin. Würde ich mich gegen die Schüler durchsetzen können? Konnte ich die an mich gerichteten Erwartungen erfüllen?
Neben all diesen alltäglichen Gedanken schlichen sich auch andere viel gewichtigere Gedanken ein.
Wenn sich das Schicksal von Paul und Rachel änderte, was ändert sich noch alles oder hat sich bereits etwas anderes entscheidendes verändert? Welche Auswirkungen haben diese Veränderungen?
Irgendwann war ich trotz meiner Grübeleien eingeschlafen.
Mein erster Schultag war nicht so schlimm wie befürchtet. Ich vermute, dass Pauls territoriales Verhalten etwas damit zu tun hat.
Bevor ich die Schule betreten konnte, wartete er auf mich. Als alle Augen auf uns gerichtet waren, küsste er mich leidenschaftlich.
Das sollte wohl soviel heißen wie ‚Meins!’.
Keiner der Schüler hat sich mir ungebührlich genährt. Mir war aufgefallen, dass mich alle mit Vorsicht behandelten. Pauls hitziges Temperament schien unter den Schülern legendär zu sein.
Die Lehrer, die ich heute begleitete waren alle sehr nett und zuvorkommend. Sie waren alle bereit mir mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Der Direktor hatte sie vermutlich im Vorfeld geimpft. Oder es wird wirklich dringend ein Lehrer gesucht.
Texte: Die bekannten Charaktere und Teile der Storyline sind geistiges Eigentum von Stephenie Meyer
Tag der Veröffentlichung: 18.04.2011
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