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Der Prinz erwacht

Als der Prinz geboren wurde, wusste nur seine Mutter, dass sie einen Prinz auf die Welt bringen würde.

Seine Mutter, eine Vollwaise, im Waisenhaus aufgewachsen, hat, noch als Mädchen, seinen Vater kennen und lieben gelernt. Selber ernst und gewissenhaft hat ihr dieser leichtlebige Luftikus gefallen. Und ihm hat dieses ernste Mädchen gefallen, welches ihn angebetet hat. Beide waren der Meinung, dass ihre große Liebe ihr beider Leben für immer ausfüllen würde.

Als das Mädchen, kaum zur Frau erblüht, schwanger wurde, waren beide traumhaft glücklich. Sie heirateten und genossen ihr Glück sehr. Das Mädchen aber, realistischer eingestellt, erbat sich Unterstützung ihrer Schwester. Ihre Schwester, ein paar Jahre älter, bereits verheiratet, zwei Kinder, hatte auch im Heim ihre kleine Schwester immer bemuttert. Sie war bereit, ihre Schwester weiterhin zu unterstützen.

Dem Mädchen war klar, dass sie weiterhin arbeiten müsse, um ihrer kleinen Familie ein festes Einkommen zu ermöglichen. Ihr geliebter Mann war bereit alles für seine Familie zu opfern, auch seine Freiheit. Aber gerade seine Leichtigkeit durchs Leben zu gehen, hatte ihr gefallen. Daran sollte sich nichts ändern, nach Meinung des Mädchens.

Aber wie es so ist: Der Mensch denkt, Gott lenkt.

Das Mädchen hatte eine sehr schwere Geburt. Sie konnte ihren Prinzen nur einmal im Arm halten. Sie flüsterte ihm Mut zu, erzählte ihm von ihrer Liebe, und dass sie immer ihn bewachen werde, dann starb sie.

Der junge Vater verstand die Welt nicht mehr. Er wollte seinen Prinzen nicht mal sehen. Dieses Baby hatte ihm das Liebste genommen, was er je hatte: seine über alles geliebte Frau. Der junge Vater verschwand spurlos.

Die Schwester des Mädchens nahm das Kind, gegen den Willen ihres Mannes, auf. Sie wollte nicht, dass der Prinz ihrer geliebten kleinen Schwester ebenfalls im Heim aufwachsen soll. Nach endlosen Diskussionen gab der Mann nach. So wuchs der Prinz behütet in der Familie seiner Tante auf. Als der Prinz etwas größer war, nahm der Onkel den kleinen Prinzen immer öfters zu kleinen Arbeiten mit. Der Prinz gab sich auch immer viel Mühe, allerdings war er ein kleiner Träumer.

Solange der Onkel bei ihm war, arbeitete der Prinz. War er aber alleine, träumte er oft vor sich hin. Der Onkel, sonst nur mit Mädchen gesegnet, erbosten diese Träumereien sehr. Als die Tante dann noch den ersehnten Stammhalter gebar, ein strammer feister Bursche, erlahmte das Interesse des Onkels am Prinzen. Kaum war sein Sohn aus den Windeln heraus, unternahm er mit diesem kleine Exkursionen.

Der Prinz besuchte, wie die Kinder seiner Tante, die Grundschule. Auch dort ein Träumer, aber ein sehr leicht Lernender, waren die Lehrer von ihm begeistert. Die Lehrer attestierten ihm, dass er, sollte er studieren, eine gute Laufbahn einschlagen könnte.

Davon wollte der Onkel natürlich nichts wissen. Wie sollte er eines seiner Kinder studieren lassen können, das Geld reichte so immer nur knapp. Und dann sollte er noch dem Neffen  gutes Geld hinterher werfen!

Ein Bauer im Nachbarland hatte einen Vorschlag. Der Prinz solle bei ihm arbeiten. Vormittags könne er mit seiner Tochter die Oberschule besuchen. Dann müsse seine Tochter den weiten Weg nicht alleine laufen und die Kinder könnten gemeinsam lernen. Der Prinz müsse dafür täglich einige Stunden und das Wochenende auf dem Hof helfen. Der Onkel und der Bauer waren sich rasch einig und der Prinz zog ins Bauernhaus.

Zum Träumen hatte der Prinz kaum noch Zeit. Die Schule verlangte seine ganze Konzentration, beim Bauern musste er schwer arbeiten und abends kurz vor dem Bett gehen, sollte er noch seine Hausaufgaben erledigen. Oftmals schlief er darüber ein.

Die Arbeit beim Bauern war langwierig und oft langweilig. Aber der Prinz wurde ständig überwacht, bei mangelndem Arbeitswillen wurde er auch manches Mal geschlagen. Der Bauer meinte es nicht böse, auch seine Kinder wurden von ihm manchmal geschlagen.

Der Prinz gab sich viel Mühe, aber die Bauernarbeit lag ihm nicht. Vor den Kühen hatte er großen Respekt und auch die Feldarbeit empfand er als langweilig.

Eines Nachts im Winter weckte ihn der Bauer. Er solle schnell den Viehdoktor holen, eines der Kühe konnte ihr Kalb nicht auf die Welt bringen. Der Prinz, noch traumverloren, machte sich auf den Weg. Es war eisig kalt auf der Straße und der Prinz, eben noch im warmen Bett, fror entsetzlich. Um sich warm zu machen, rannte er die paar Kilometer zum Tierarzt.

Der Tierarzt, Junggeselle, und allein in seiner Kate wohnhaft, war aber nicht zu Hause. Der Prinz vermutete, dass er, der Viehdoktor, bestimmt bald kommen würde. Er umrundete das Gebäude, um einen warmen Platz zum Warten zu finden. Der Tierarzt hatte viele kleine Tiere in den Ställen, sie waren aber gut verschlossen. 

So blieb dem Prinzen nichts anderes übrig, als auf der Treppe vor der Haustüre zu warten. Heim konnte er nicht, bevor er mit dem Viehdoktor gesprochen hatte. Sonst bekäme er vom Bauer vielleicht wieder Schläge. Deshalb wollte er lieber warten.

Trotz der bissigen Kälte schlief der Prinz übermüdet ein.

Der Tierarzt war tatsächlich bei einem Bauern. Als er dort geholfen hatte, schaute er beim Bauern des Prinzen vorbei. Erst nach dem Kalben fragte der Bauer nach seinem Bote.  Sie dachten, dass der Prinz sich schon einen warmen Platz zum Warten gesucht habe, und tranken noch ein paar Schnäpse auf die geglückte Geburt der Kuh.

So kam der Tierarzt erst gegen Morgen nach Hause. Er erschrak sehr, als er den Prinz vor seiner Haustüre fand. Er wickelte den kalten Körper in mehrere Decken ein und fuhr mit ihm schnell ins Krankenhaus. Aber auch dort konnten sie ihm nicht mehr helfen. Die lange Unterkühlung des Körpers erforderte seinen Tribut.

Das Herz des Prinzen flog heim.

 

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Tag der Veröffentlichung: 09.08.2013

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