Überfall auf den Weihnachtsmann
Weihnachtsmärchen 2009 von Wilfried Kreft
In einem klüftigen Gebirge lebte einst eine im ganzen Land gefürchtete Räuberbande in einer riesigen Felsenhöhle. Es waren hartgesottene Gesellen mit finsteren vernarbten Gesichtern und zottigen Bärten, die den Tag damit verbrachten, überall ihr Unwesen zu treiben. Sie überfielen Banken, stahlen Geld und brachten sogar Menschen um. Bei ihren Verbrechen waren sie so geschickt und ihre Höhle lag so gut versteckt, dass die Polizei sie bislang nicht finden konnte. Die ganze Gegend lebte darum in Angst vor dieser Bande.
Es war genau eine Woche vor Weihnachten, als der Weihnachtsmann mit seinem beladenen Schlitten durch das Gebirge fuhr. Es schneite kräftig und die Rentiere, die den Schlitten zogen, konnten kaum den Weg sehen. Der Weihnachtsmann war schon lange unterwegs. Es wurde immer dunkler und er wurde langsam müde. „Wann kommt denn endlich eine Herberge oder ein Hotel, wo ich mich mal ausschlafen kann?“, dachte der Weihnachtsmann.
So fuhr er noch eine Weile, als er in weiter Ferne ein schwaches Licht sah. „Das könnte ein Hotel sein“, dachte er und trieb seine Schlittentiere an, schneller zu laufen. Das Licht kam näher und der Weihnachtsmann sah, dass es eine brennende Fackel war, die an einem Felsen befestigt war. Der Weihnachtsmann bremste den Schlitten ab und ging auf die Fackel zu. Es war ganz still in der dunklen kalten Nacht. Nur ab und zu war der Schrei eines Käuzchens zu hören. Dem Weihnachtsmann wurde es unheimlich.
„Wenn hier eine Fackel brennt, müssen auch Menschen in der Nähe sein“ überlegte der Weihnachtsmann. Er lauschte hinein in die Stille. Die Rentiere scharrten leise mit ihren Hufen im festen Schnee. Da, er meinte plötzlich ein leises Gelächter zu hören und drückte sein Ohr an den nackten Felsen. Sein Ohr wurde sofort eisig kalt, doch er hörte das Gelächter jetzt deutlicher. Da waren Menschen hinter dem Felsen.
Er suchte nach einem Eingang zum Innern des Felsens und entdeckte ihn hinter einem großen Busch versteckt. Der Weihnachtsmann schlich auf leisen Sohlen hinein und merkte, dass in dem Felsen eine Höhle lag, die mit einer Holztür verschlossen war. Er ging auf die Tür zu und lauschte. Ein lautes Gelächter, das Klirren von Gläsern und krächzende Stimmen vernahm er hinter der Tür. Es waren wohl mehrere Menschen da versammelt. Der Weihnachtsmann klopfte an die Tür. Sofort war es ganz stumm in der Grotte.
Die Tür wurde vorsichtig geöffnet und ein grimmig blickender schäbig gekleideter Geselle blickte den Weihnachtsmann an. Es war der Hauptmann der Räuberbande die hier lebte. „Wer bist denn du, das Rotkäppchen mit Rauschebart?“, brüllte er den Weihnachtsmann an. Der war erschrocken und stammelte beleidigt „Ich bin der Weihnachtsmann, unterwegs mit Geschenken für artige Kinder auf der ganzen Welt. Aber jetzt bin ich müde und suche ein Lager für die Nacht und auch etwas zu essen für mich und meine Rentiere.“ Bei dem Wort Geschenken stutzte der Räuberhauptmann und wurde sofort freundlicher.
Er bat den Weihnachtsmann doch näher zu treten. Gemeinsam betraten sie den großen Raum, in dem am Ende eine erleuchtete Grotte lag. Jetzt sah der Weihnachtsmann, dass weitere fünf Leute in der Grotte um einen großen Tisch saßen. Auf dem Tisch standen Schüsseln mit den feinsten Speisen und Becher mit Wein gefüllt. „Setz dich Weihnachtsmann, iss und trink mit uns. Deine Tiere werden auch versorgt“, forderte der Oberräuber den Weihnachtsmann auf und stellte ihm die düsteren Kumpane als seine Brüder vor. „Was macht ihr hier in der Einsamkeit der Berge?“ fragte der Weihnachtsmann. „Wir sind fleißige Holzfäller und fromme Leute. Wir arbeiten den ganzen Tag und abends beten wir bis spät in die Nacht“, log der Räuber. Seine Kumpane grinsten sich dabei an und der Weihnachtsmann bemerkte sofort, dass er angelogen wurde. „Na ja, wenigstens kann ich hier essen und schlafen“ dachte er.
Nach einem Stück saftigen Wildschweinbraten und einem Becher mit Rotwein bat der Weihnachtsmann um ein Lager für die Nacht. Er bekam eine warme Decke und legte sich auf einen Strohballen, der auf dem Boden der Grotte lag. Bald darauf verfiel er in einen tiefen traumlosen Schlaf. Als die Räuber sicher waren, dass der Weihnachtsmann eingeschlafen war, gingen sie zu seinem Schlitten und schütteten die Geschenke aus den Säcken. Die schönen Spielsachen und Süßigkeiten, die für die Kinder gedacht waren, trugen sie in ein Versteck in der Grotte. Danach füllten sie die Säcke mit Kieselsteinen und legten sie wieder auf den Schlitten, damit der Weihnachtsmann den Diebstahl nicht bemerken sollte.
Am nächsten Morgen erwachte der Weihnachtsmann ausgeruht. Die Räuber machten ihm noch ein gutes Frühstück und dann fuhr der Weihnachtsmann mit seinem Schlitten weiter. Die Rentiere hatten ihre liebe Mühe, den mit Steinen beladenen Schlitten durch den Schnee zu ziehen. Der Weihnachtsmann wunderte sich darüber. In einer scharfen Kurve fiel ein Sack vom Schlitten und wurde dabei geöffnet. Mit erstaunten Augen sah der Weihnachtsmann, wie die Kieselsteine in den Schnee rollten. Er bremste den Schlitten ab und besah sich die Bescherung. Nach Untersuchung der anderen Säcke war ihm klar, dass er in der Grotte bestohlen worden war. „Ich bin also dort Räubern in die Hände gefallen“, murmelte er und überlegte, wie er seine Geschenke wieder bekommen könnte.
Da fiel ihm ein, dass er ja auch noch die Kinder von Kommissar Lutz Maus in Wellsee mit Geschenken beliefern musste. Er schmiss die Säcke mit den Kieseln vom Schlitten und raste im Megatempo mit seinen Rentieren in Richtung Kiel. Es war schon wieder dunkel, als er in Wellsee vor dem Haus von Kommissar Maus ankam. Der öffnete ihm Pfeife rauchend die Tür. „Na, Herr Weihnachtsmann, was kann ich für Sie tun?“ fragte Kommissar Lutz Maus verschmitzt.
Der Weihnachtsmann erzählte dem hellwachen Kripomann seine Begegnung mit den Räubern in der Grotte und von dem dreisten Diebstahl der Weihnachtsgeschenke für die braven Kinder. „Aha“, zischte Maus „Da also haben sich die raffinierten Räuber die ganze Zeit versteckt. Da können wir von der Polizei ja lange nach ihnen suchen.
Lass uns mal einen Plan machen, wie wir die Geschenke wieder bekommen können und die Räuber hinter Schloss und Riegel bringen.“ Maus zog an seiner Tabakpfeife. Ein süßer Geruch von Vanille erfüllte den Raum. „Hm, das riecht ja gut, “ murmelte der Weihnachtsmann. Dabei kam dem Kommissar eine geniale Idee. „Wir verstecken mich und 5 weitere Polizisten in Säcken auf deinem Schlitten und du Weihnachtsmann fährst noch einmal zu der Grotte, wo die Räuber leben. Wenn sie dich erneut überfallen und bestehlen wollen, werden sie überrumpelt und verhaftet.“
Gesagt, getan. Als der Schlitten sich am nächsten Tag dem Versteck der Räuberbande näherte, hörten die Räuber die Glocken der Rentiere schellen und sie liefen aus der Grotte. Mit gezogenen Pistolen zwangen sie den Schlitten zum Anhalten. „Säcke sofort aufmachen“ forderten die Räuber vom Weihnachtsmann. Der öffnete die Säcke und die Polizisten mit ebenfalls gezogenen Pistolen sprangen aus den Säcken und überrumpelten die überraschten Räuber. Nach einem kurzen Kampf trugen alle Räuber Handschellen. Per Handy wurde ein Hubschrauber zur Grotte bestellt um die Räuber und die Polizei dort abzuholen. Vorher mussten die Räuber dem Weihnachtsmann noch die gestohlenen Geschenke aushändigen. Mit Hilfe der Polizisten wurden die Geschenke wieder auf den Schlitten geladen und der Weihnachtsmann konnte die braven Kinder noch rechtzeitig zu Weihnachten mit Geschenken versorgen. Kommissar Lutz Maus war stolz auf die Leistung der Polizei und so kam es, dass die Menschen in der Gebirgsgegend wieder ohne Furcht dort weiter leben konnten.
Texte: copyright Wilfried Kreft
Tag der Veröffentlichung: 18.12.2009
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Für Elany und Emilia