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An runden Geburtstagen, ich wurde kürzlich 60 Jahre alt, wird immer davon gesprochen, wie schnell die Zeit vergeht. Ob sich dahinter nicht die heimliche Angst verbirgt, daß man seine eigentliche Lebensaufgabe noch nicht erfüllt hat und die verbleibende Zeit immer weniger wird, einfach nicht mehr ausreicht? Ist es vielleicht das schlechte Gewissen, das auch Schüler haben, wenn sie ihre Schulaufgaben nicht gemacht haben und Angst vor dem Gang zur Schule haben, Angst davor, daß der Lehrer es merkt? Darüber möchte ich im folgenden tiefer nachdenken.

Was bedeutet eigentlich Zeit? Zeit ist eine physikalisch meßbare Größe, die sich bezieht auf die Erdumdrehung (einmal um sich selbst = 1 Tag = 24 Stunden) und die Erdumlaufzeit um die Sonne (einmal = 1 Jahr =365 Tage). Die Zeit wird mit einer Uhr gemessen, d.h. eine Minute dauert 1 Minute. Ich fuhr mit meinem Auto 2 Stunden lang mit 200 km/h auf der Autobahn, dabei legte ich 400 km zurück. Das ist physikalisch sicher richtig, aber zweifelsohne auch wieder nicht, wenn man zusätzlich zum Verstand auch die Seele einsetzt. Die Seele kennt keine Zeit, nur Momente. Die Seele altert nicht im Gegensatz zum Körper. Darum ist für die Seele die Zeit nur in Verbindung mit dem „zeitlichen Gefühl“ zu sehen.
Zeit hat nicht nur eine Quantität, sie hat vor allem eine Qualität. Ein glücklicher Moment wird als kurz empfunden. Leid und Schmerz hingegen dauern länger. Wenn z.B. zwei Verliebte eine Stunde zusammen verbringen, dann fliegt die Zeit. Wenn jemand eine Stunde gequält wird, dann kriecht die Zeit. Das bedeutet doch, daß physikalisch gleiche Zeiteinheiten in Verbindung mit dem „Seelenzustand“ unterschiedlich lang sind, mit anderen Worten, „eine Stunde ist nicht eine Stunde“. Jeder Physiker würde dies für „Schwachsinn“ halten. Was ist denn Kurzweil oder Langeweile im Grunde genommen? Ein Spiegel des Zustandes der Seele. Der Beweis für die These „eine Stunde ist nicht eine Stunde“. Man kann das noch viel tiefer denken, wenn man einsieht, daß Mensch, Natur und Kosmos eine Einheit sind, d.h. der Mensch ist Bestandteil des Universums. Da das Universum jedoch unendlich ist, spielt die Zeit keine Rolle. Das Lebensalter eines Menschen ist nur ein Zeitabschnitt der ewigen Seele im endlichen Körper.
Es gab die Seele schon vor der Geburt des Menschen und es gibt sie noch nach dessen Tod. Die Seele ist unendlich, sie ist ewig. Genau wie Energie und Materie zwar umwandelbar sind, aber nicht verloren gehen können, geht auch die Seele nicht verloren, sie verläßt nur ihren Ort, sprich den toten Menschen.
Warum sollten die Naturgesetze ausgerechnet für die Seele nicht gelten, warum sollte sie eine Ausnahme sein? Das ist ganz und gar nicht vorstellbar. So gesehen, kann die Quantität der Zeit praktisch ad adsurdum geführt werden. Das einzige Maß für die „menschliche Zeit“ ist seine Qualität. Die Frage, was mache ich mit meiner Zeit, leitet sich daraus ab. Vergeude ich sie? Lenke ich mich ab durch „sinnlose Nebenbeschäftigungen“? Leide ich darunter, daß ich verblühe, alt werde? Nein, wie könnte ich. So geht es doch jeder Blume, jedem Organismus, ob Tier oder Mensch - wir sitzen nur in endlichen Hüllen, wie die Larven oder Puppen von Insekten, die sich - und das macht nachdenklich - nach dem Larvenstadium voll entfalten zu formvollendeten farbigen Käfern und schönen Schmetterlingen . Nutze ich die Zeit um zu reifen? Wie kann ich reifen und geistig wachsen - keine Schule hat mich dies je gelehrt, sind Lehrer unfähig? Ich kann es, indem ich mich mit dem Sinn des Lebens beschäftige, Fragen stelle, Antworten suche. Das erzeugt Spannung und hält lebendig, denn Nichttotsein bedeutet nicht auch automatisch Lebendigsein.
Nutze die Zeit, verwandel Quantität in Qualität.

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Texte: copyright by Wilfried Kreft
Tag der Veröffentlichung: 17.07.2009

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
In Erinnerung an meinen Freund Walter

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