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Prolog

Als ich meine Augen aufschlug, befand ich mich in einem großen Raum. Er war komplett leer, bis auf einen alten, hölzernen Schreibtisch. Dieser stand etwas abseits, vor einem der gotischen Fenster. Vorsichtig ging ich ein paar Schritte in das Zimmer hinein und schaute mich um. Irgendetwas fehlte. Aber ich kam nicht darauf, was es war.

Der Boden knarrte unter meinen Schritten und mir wurde einmal mehr bewusst, wie still es war. Unnatürlich still. `In jedem Film würde jetzt irgendetwas Schlimmes passieren.` Dieser Gedanke schoss mir durch den Kopf und ich wurde immer nervöser. Unsicher schaute ich mich weiter im Raum um, aber es gab nicht mehr zu sehen.

Dann kam mir noch ein viel verwirrenderer Gedanke: `Wo bin ich überhaupt?` Dieses Zimmer fühlte sich so bekannt an, aber ich musste feststellen, dass ich es noch nie gesehen hatte.

Ich ging noch einen Schritt weiter und der Boden beschwerte sich. Ich blieb stehen. Nichts. Stille. Es war so horrorfilmmäßig, dass ich mich einfach umdrehte und zur Tür hinaus rennen wollte. Ich blieb abrupt stehen und konnte es nicht fassen. Da war keine Tür. Nur eine stabile Betonwand. Nichts deutete darauf hin, dass ich in diesen Raum gelangen konnte. Und jetzt wo ich so darüber nachdachte, wie kam ich hier eigentlich rein?

Es war, als ob ich ein Blackout gehabt hätte. Im einen Moment war ich noch in meinem kleinen, aber schönen Zimmer und im nächsten Augenblick stand ich in einem Raum, in den man nicht hinein konnte.

Ich versuchte mich zu erinnern, was ich getan hatte, aber mir fiel partout nichts ein.

Weil ich hier so schnell wie möglich raus wollte, ging ich zu der Wand und tastete sie ab, um nach irgendwelchen Geheimtüren zu suchen. Aber ich gab bald wieder auf, denn selbst für mich war das zu sehr Film und Klischée.

Leise und vorsichtig hastete ich quer durch den Raum auf den Schreibtisch und den davor stehenden Sessel zu. Was mir zuvor nicht aufgefallen war, war die Anziehungskraft, die von dem Tisch ausging. Ich war froh als ich die andere Seite des Zimmers erreichte und versuchte mich so wenig wie ich nur konnte zu bewegen, da ich nicht zu viel Lärm verursachen wollte.

Langsam, fast andächtig ließ ich mich auf dem Stuhl nieder und strich mit einer Hand über den Schreibtisch. Obwohl der Raum verlassen war, überzog kein Staub den Tisch und ich konnte erkennen, dass er schon uralt sein musste. Ein Relikt aus vergangenen Zeiten.

Ich sah einige Zettel und griff danach. Als ich sie durchlesen wollte, bemerkte ich dass sie in einer anderen Sprache verfasst worden waren. Ich konnte jedoch nicht sagen, was es sein sollte.

Es war nicht einmal die gleich Schrift, wie im Deutschen und doch faszinierten mich die Buchstaben sehr. Ich starrte auf das Blatt und versuchte hinter das Geheimnis der Sprache zu kommen, aber es gelang mir nicht.

Ich hatte nicht bemerkt, wie schnell die Zeit vergangen war. Ich hatte auch nicht gesehen, dass es draußen langsam dunkler wurde.

Erst als ich nicht mehr genau sehen konnte, was vor mir lag, begriff ich, wie spät es sein musste. Die Dunkelheit brachte auch mein Unbehagen zurück und ich blickte vorsichtig in das große Zimmer hinein. Ich konnte nichts mehr klar erkennen und wünschte mir nichts mehr, als dass ich wieder sehen konnte, wo ich war.

`Warum wurde es jetzt so schnell finster?` Die Stille lastete erdrückend auf mir und ich bemerkte, dass ich fast vergessen hatte, wo ich eigentlich war. Das wurde mir schlagartig klar und jetzt, da ich mir meiner Umgebung wieder deutlich bewusst war, stürzten die Gefühle nur so auf mich ein.

`Wenn ich doch genug sehen könnte!`

Auf einmal flackerte in der Mitte des Raumes etwas auf. Ich schrak zusammen und drehte mich ruckartig um. Dort stand eine kleine, runde Kerze die mit ihrem Schein das Zimmer erhellte.

Aber wo kam die her? Es war doch nichts in meinem großen Gefängnis und so etwas Wichtiges wie eine Kerze, hätte ich wohl bemerkt. Wenn sie aber nicht hier gewesen war…

Ich traute mich nicht, diesen Gedanken weiter zu führen. Er war zu beängstigend. Zu unnormal. Woher sollte sie den kommen?

Ich kauerte mich in dem Sessel zusammen und versuchte meine Gedanken zur Ruhe zu bringen, um mir etwas einfallen lassen zu können. Das war jedoch nicht so einfach wie es sich anhört, vor allem, wenn man nicht weiß wo man ist und warum man an diesem Ort ist.

Der bequeme Ledersessel drückte sich gegen meinen Rücken, aber das Gefühl, das dadurch bei mir ausgelöst wurde, war nicht mehr die Vertrautheit oder Sicherheit, sondern Unwohlsein. Ich machte mich immer kleiner und langsam wurde ich müde. Meine Augen fielen langsam zu, aber ich zwang mich dazu, sie wieder zu öffnen.

Auf einmal verschwamm alles rund um mich herum. Mir wurde schwindelig und kurz bevor es schwarz wurde, sah ich eine schwarze, schattenhafte Gestalt vorbeihuschen. Dann war alles weg. Nichts. Oder alles?

 

1. Kapitel

Sanft wurde ich aus dem Schlaf gerissen, als meine Mutter mich an der Schulter schüttelte. Langsam schlug ich meine Augen auf und konnte in der Morgendämmerung die vertrauten Konturen meines Zimmers wahrnehmen. 

„Steh auf, Cassie.“, sagte meine Mutter Lucia leise und ging, nachdem sie sich vergewissert hatte, dass ich wach war, aus meinem Zimmer hinaus. Ich seufzte und schloss meine Augen wieder, wenn auch nur für ein paar Sekunden und dachte über den Traum nach. Mir fielen nur mehr einzelne, verschwommene Details ein uns so sehr ich mich auch anstrengte, es war als wäre der Rest des Traums hinter einer gedanklichen Blockade vergraben.

… Der Boden knarrte unter meinen Schritten und mir wurde einmal mehr bewusst, wie still es war. Unnatürlich still…

Was war nur passiert? Es war so real, das wusste ich noch. Aber um was ging es in dem Traum?

„Cassie!“, schrie die Stimme meiner Mutter zu mir herauf.

Sie wusste sehr gut, dass wenn ich keinen Lärm machte ich bald wieder einschlafen würde. Und dann würde ich verschlafen und zu spät in die Schule kommen. ´Oh.. Schule.. ´, dachte ich und langsam fing mein Hirn an zu arbeiten.

Ich sprang aus dem Bett – oder versuchte es zumindest, denn tollpatschig wie ich war, stieß ich mir den Kopf an meinem Bücherregal, das direkt über meinem Bett hing. Eigentlich müsste ich mich schon lange daran gewöhnt haben, aber dem war nicht so.

Bevor ich mich fertig machte, kam mir noch ein Gedanke und ich nahm mir einen Stift und einen Block. Kurz dachte ich nach und schrieb dann alles von dem Traum auf, an das ich mich noch erinnern konnte.

Danach schlüpfte ich in mein am Vortag schon bereit gelegtes Gewand – es kam durchaus öfters vor, dass ich verschlief und dann musste alles schnell gehen – und stolperte die Treppe hinunter. Meine Mutter sah aus der Küche zu mir und fragte: „Hast du Hunger? Willst du etwas essen?“

Ich blickte sie nur an.

„Was frage ich überhaupt noch, natürlich isst du in der Früh nichts.“, beantwortete sich meine Mutter die Frage selbst. So lief das jeden Tag ab, außer wenn ich zu spät dran war, dann konnte ich aus dem Haus gehen ohne vorher noch einen halben Gesundheitscheck durchführen zu müssen. Meine Mutter war einfach überfürsorglich. Nicht das ich sie nicht mochte, aber manchmal war sie ein bisschen komisch, so als ob mir jeden Moment etwas Schlimmes zustoßen könnte.

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Tag der Veröffentlichung: 09.10.2013

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