Cover

Blackline vs Redline

 

 

 

 

 

 

 

Die Entstehung des Club Black.

 

 

Schon von Kindheit an habe ich mir Geschichten ausgedacht und auf einen Schreibblock verewigt. Meine Oma sagte damals zu mir: Schreibe auf, was so in deinem Kopf vorgeht, lasse nicht zu, dass du dir von anderen einreden lässt, dass du dafür zu jung bist. Fantasie ist was Tolles und solange du sie dir bewahrst, geht auch nichts verloren. Denke daran, deine Gedanken sind frei.

Na ja, bei noch 4 Geschwistern musste ich ab und zu mal abtauchen und mich in Geschichten verstecken, sonst wäre ich noch verrückt geworden. Immer schon faszinierte mich, dass es Männer wie Frauen gab, die sich ihrer Leidenschaft hingaben und sie auch so auslebten. Sehr früh habe ich herausgefunden, dass es mich erregte, wenn ich mir die so berühmten Zeitschriften von meinen Eltern stahl und darin herumblätterte. Klar dachte ich mir, dass ich eigentlich viel zu jung dafür war. Aber es faszinierte mich eben und die Fantasie entwickelte Flügel.

 

 

Früher hätte man gesagt, ich wäre frühreif und mit 7Jahren würde ich nicht wissen, was Verlangen wäre. Na ja. Ich wusste es, wurde dafür ausgelacht und bestraft und genau wie bei den Jungs, die herausfanden, dass sie schwul sind, habe ich es tief in mir drin verschlossen. Oma sagte nur, schreib deine Fantasien auf. Irgendwann kommt der richtige Partner, mit dem du sie ausleben kannst. Schließlich hatte sie mich fast 10 Jahre lang so geliebt, wie ich zur Welt gekommen bin. Frühreif, temperamentvoll und schlagfertig. Leider gingen meine ganzen Notizen im Laufe der Jahre verloren, daher erfand und erbaute ich neue Fantasien um mich herum. Im Zeitalter des Computers schrieb ich sie dann auf und speicherte sie auf einer Diskette. Von der Diskette auf ein Band. Dann auf einer CD und zum Schluss auf den Stick. Nun folgte das, was ich immer noch nicht so richtig glauben kann.

 

Vor Jahren schon hatte ich die Geschichte von Jessy und Dante aufgeschrieben und dann irgendwann vergessen. Sie zog mich nicht in den Bann. Das, was aber die wenigsten Menschen wissen ist, dass Jessy in meiner ersten Fassung eine Frau war.

Ob ich an das Schicksal glaube?  Ich weiß es nicht, aber als ich zum ersten Mal gelesen habe, wie zwei Männer sich fanden, zusammen kamen und sich liebten, da erinnerte ich mich wieder an Jessy und Dante , buddelte sie aus und nun wusste ich, was meiner Geschichte fehlte. Probeweise setzte ich es um und so wurde aus Frau Jessy ein Mann. Aus Mann und Frau, wurde Mann und Mann. Ein Dom und ein Sub. Jetzt konnte ich richtig „zuschlagen“ **lach**. Nein ich konnte es besser aufschreiben. Aus einer zarten Liebesgeschichte wurde eine softe BDSM Beziehung.  Irgendwie bremste es mich aus, dass dort eine Frau in Ketten hing, bestraft wurde. Weil ich in Gedanken niemals eine Frau so behandelt hätte. Aber als Mann, ja, das würde gehen.

 

 

Uh da flossen die Gedanken nur so. Es sollte aber ein devoter Mann sein, der sich nicht aufgab, wie in all den anderen Geschichten, die ich bis dato kannte. Ein Mann, der wusste, dass er diese Neigung in sich hat, aber trotzdem noch ein freier Mensch sein möchte. Der sich gerne unterordnet, aber selber noch entscheiden kann, was er mag und was nicht. So viele haben mir abgeraten, mir nahe gelegt, dass es in der Szene so was nicht gibt. Ich setzte mich über alles hinweg, nahm Kontakt zu Männern und Frauen auf, die so wie mein Jessy waren und redet mit ihnen. Jetzt hielt mich nichts mehr und so entstand ***Jessy und Dante***.

Meine kleine Story wurde durch Zufall von meiner Freundin entdeckt. Sie fand sie toll, gab mir den Rat, sie einfach mal online zu setzen. Ich habe Wochen gebraucht, bevor ich mich traute, sie bei FF reinzusetzen. Das Echo war einfach nur … Himmel, so viele PNs, so viele Nachrichten, wann es denn weiter ging.

 

Aber nicht nur Freunde habe ich dort gefunden, sondern auch ganz viele Neider. Sie griffen mich verbal an und als das nichts half, schwärzten sie mich bei FF an, mit dem Resultat, dass Jessy und Dante gesperrt wurden. Nun jetzt erst recht, dachte ich mir. Ich setzte sie auf die höchste Sicherheitsstufe bei FF und bekam sie wieder frei. Es entstand eine kleine, aber auch lustige Kurzgeschichte, der noch weitere folgten. Nur, als ich schon wieder angeschwärzt wurde, mich rechtfertigen sollte, weil ein Sub nicht ungehorsam sein durfte, es so was eben nicht geben darf, da habe ich alles Geschichten aus FF verbannt und nie wieder eine meiner Geschichten dort hochgeladen.

 

Eigentlich war es das für mich gewesen. Doch da kam etwas, womit ich nicht gerechnet habe. Ich surfte bei FB und es öffnete sich eine PN. Ein Juan Santiago schrieb mich an und wir kamen ins Gespräch. Als er erfuhr, dass ich an einer BDSM Geschichte schrieb, meinte er nur, ich sollte doch mal ein Exposé zu einem Wolfram Alster mailen, was ich prompt getan habe. Ich war nur neugierig, ob diese Geschichte wirklich gut ankommen würde, dabei war sie alles andere als ausgereift. Ob sie überhaupt gut genug für einen Verlag war?

 

Langer Rede kurzer Sinn, innerhalb von nur drei Tagen bekam ich damals einen Vertrag vom Main Verlag zu gemailt, nachdem sie die Leseprobe von mir bekommen hatten. Ich musste die Geschichte wohl noch überarbeiten, sie ausführlicher rüberbringen. Voller Freude sagte ich zu. Jessy, ein Junge der so schwul rüberkam, dass es schon weh tat, nein, dass wollte ich nicht. Ich hatte schon viel zu viele BDSM Geschichten gelesen, wo es zu heftigen Bestrafungen kam, der Sklave mit zerfetztem Rücken und blutigen Striemen beschrieben wurde. Wo der Junge nur für die Befriedigung des Masters her halten musste, er sogar ausgeliehen wurde. Klar gibt es solche Menschen, die darin ihre Lust finden. Mich schreckte das ab und ich stellte mir die Frage, ob es nicht auch anders gehen könnte? Kein Blut, keine Hiebe, die die Haut aufrissen und bluten ließen. Keine Sklaven, die nur für die Lustbefriedigung herhalten mussten.

 

Nein, ich wollte einen Mann, der mit seinen Beinen fest im Leben steht. Der zwar in ein tiefes Loch gefallen ist, aber trotzdem niemals aufgab, kämpfte für das, was er sich wünschte. Ich wollte eine Geschichte voller Liebe, Aufregung, Eifersucht und Verlangen. Nun ja, ich habe es geschafft und eine, so hoffe ich doch, tolle erste Geschichte um den Club Black geschrieben, die mir, dem Verlag und manch anderem, viel Stress eingebracht hat.

Ich lernte in den zwei Jahren danach von den Lektoren so viel, dass wenn ich heute Blackline 1 lese, ich manches anders schreiben würde. Irgendwann werde ich das auch tun. Eine komplette Überarbeitung. Nur,  solange die anderen noch zu Wort kommen möchten, wird das wohl nichts werden.

Nun ja, meine Jungs wurden geliebt und ich davon total überfahren. Ich musste mich leider auch mit Neidern, mit Menschen, deren Namen ich noch nicht mal kannte, auseinandersetzen. Autoren, die ich respektierte, weil sie tolle Bücher schrieben, griffen mich hinterrücks an, was mir am meisten wehtat. Plötzlich stehst du im Mittelpunkt und jeder, der dich als Neuling um deinen Erfolg beneidet, versucht dich zu mobben.  Böse Hetzkampagnen auf FB reihten sich aneinander. Sogar, dass man sich in Foren absprach, weil der Autor ja keine bösen Rezis schreiben darf, aber Freunde schon, nur um mir eine schlechte Bewertung zu hinterlassen. All das hat mich viele Nerven und schlaflose Nächte gekostet, aber eins haben sie nicht geschafft … mir meinen Spaß am Schreiben zu nehmen und so wurde Blackline 2 Joy und Daniel aus der Taufe gehoben. Das ist aber eine andere Geschichte.

Und nun möchte ich euch meine Jungs der ersten Stunde vorstellen.

 

 

 

                                                   Kapitel 1

                                          Vorstellung Jessy

                                                 *~*~*~*

 

Super! Da ziehe ich extra in eine neue Stadt, um den Mann meines Lebens kennenzulernen und den Kerl, der mein Leben versaut hat, zu vergessen und dann so was ... Aber erst mal von vorne. Mein Name ist Jessy. Jessy Laurin. Ok, ich weiß das klingt jetzt ein bisschen wie ein Mädchenname, aber ich kann mit ziemlicher Sicherheit sagen, dass ich ein Mann bin. Was sich meine Eltern dabei gedacht haben, mir so einen Namen zu geben, ist mir ein Rätsel. Vielleicht weil es für sie so schwer war, ein Kind zu bekommen und dann waren es direkt zwei. Denn ich, Jessy der jüngere, heiße ‚von Gott gegeben‘. Männlich, ja das bin ich definitiv, auch wenn es da die Sache mit meinem Namen gibt. Ihr wollt wissen, wie ich aussehe? Nun ja. Durchschnittlich würde ich sagen. 1,80 m finde ich ganz stattlich und mein Gewicht pendelt so zwischen 74 und 76  kg. Wer meint, das sei nicht gerade viel, den muss ich enttäuschen. Mein Gewicht halte ich, in dem ich ab und zu ins Fitnessstudio gehe. Mein ganzer Stolz sind meine langen Haare. Sie sind pechschwarz und fallen mir bis auf meinen knackigen Hintern. Meistens habe ich sie zu einem Zopf geflochten, damit sie mir bei meiner Arbeit als Innenarchitekt, nicht störend ins Gesicht fallen. Ihr müsst jetzt nicht denken, ich hätte dunkle Augen, weil das eben so ein Klischee ist, nein ihr liegt hier völlig daneben.

 

 

Ich habe so hellgraue Augen, die je nachdem was ich fühle, mal heller und mal dunkler werden. Hm, ich würde sagen, dass sie wie Perlmutt aussehen. Meine Augen sind der Spiegel meiner Seele. Mag sich kitschig anhören. Aber das ist die Aussage meiner Mutter. Und Mütter haben ja bekanntlich immer recht. Seit meiner frühsten Jugend weiß ich, dass ich mit Frauen nichts anfangen kann. Sie sind meine besten Freundinnen. Mit ihnen kann ich lachen und meine Sorgen teilen, aber sexuell interessieren sie mich einfach nicht. Nein, ich liebe Männer. Je dominanter umso besser. Ich brauche einen Mann, der mir sagt, wo es lang geht, der die Zügel in die Hand nimmt. Auch wenn ich ein Wildfang bin, so sehne ich mich doch nach einem Kerl, der mir hilft, das Leben zu meistern. Das aber ist nicht alles, aufgepasst es wird noch besser. Mich gibt es doppelt. Na ja, fast, doppelt, meine ich jetzt. Daniel heißt er. Mutter meinte, wenn schon zwei unerwartete Jungs dann auch ein paar außergewöhnliche Namen, denn Daniel heißt ‚Gott ist mächtig‘. Nun ja mächtig ist mein Bruder. Er verteidigt mich, wo es nur geht und ich liebe ihn abgöttisch dafür. Denn ohne Daniel gibt es keinen Jessy und ohne Jessy keinen Daniel. So einfach ist das. Wir sind Zwillingsbrüder. Nein, keine Eineiigen. Er ist der ältere. Ich muss das hier erwähnen. Er besteht darauf, also auf dem Älter. Jedoch nur, wenn er mir sagen will, wo es lang geht. Älter – wenn ich das schon höre. Nur damit mich hier niemand falsch versteht, wir reden von genau drei Minuten. Wenn es um Kerle geht, dann lässt er das Älter schon mal sehr gerne unter den Tisch fallen, auch wenn es sich nur um drei Minuten handelt. Ja, ihr habt richtig gelesen. Er ist genau wie ich schwul. Irgendwie ist das schon komisch, oder? Zwei Jungs teilen sich einen Bauch und beide lieben Männer. Hm, irgendwie ist bei unserer Zeugung wohl was verkehrt gelaufen. Nun ja, wir nehmen es einfach mal so hin. Bleibt uns ja eh nichts anderes übrig.

 

Daniel ist das genaue Gegenteil von mir. Da, wo ich mich gerne unterordne, ist er der dominantere von uns, eben mächtiger. Wie sein Name schon ausdrückt. Das war in meiner Kindheit so und ist auch heute noch so geblieben. Er ist ein Top. Wir sind ein schwules Zwillingspärchen. Bottom und Top. Tag und Nacht. Ihr seht schon, Zwillinge hin, Zwillinge her, wir haben jeder unsere eigenen Neigungen, die wir versuchen auszuleben. Eigentlich sind wir doch recht unterschiedlich in verschiedenen Dingen. Ich liebe es zu tanzen, mich dabei zu verausgaben und er schaut lieber zu. Das Singen hat er auch nicht erfunden, wobei meine Stimme sich hören lassen kann. Kochen können wir beide. Nur bei ihm muss man aufpassen, ob er dich nicht vergiften will. Meine Sachen kann man wenigstens essen, ohne daran zu sterben. Im zarten Alter von fünfzehn Jahren, haben wir uns beide ein Herz gefasst und uns geoutet. Unsere Mutter war anfangs nicht so begeistert von unserer sexuellen Neigung. Weniger wegen dem Schwulsein, als vielmehr von dem, nicht Oma zu werden. Am liebsten wäre es ihr wohl gewesen, wenn wir sie zuerst mit einem Haufen Enkeln versorgt hätten und dann schwul geworden wären. So über Nacht halt. Ich habe dann vorgeschlagen, dass nach altem Recht, die Fortpflanzung dem Älteren zusteht. Es hat eben nicht nur Nachteile, der Jüngere zu sein. Ich brauche wohl nicht zu erwähnen, was mein Bruder davon hält. Da unsere Mutter uns liebt, hat sie verzichtet und umsorgt jetzt die Kinder und Enkelkinder der Nachbarn. Nur der Vollständigkeit halber, und weil er mir gerade über die Schulter schaut, mich unsanft in die Rippen kneift. Hier kommt er. Also sein Name lautet: Daniel, Zwillingsbruder von Jessy. »Au ..., man Daniel, hör auf mit dem Quatsch.« Boah, kneift der mich doch tatsächlich gerade wieder, voll in die Rippen. »Ja, ist ja gut. Ich schreibe es richtig hin, damit jeder weiß, was du für ein toller Kerl bist. Ein toller älterer Kerl.«

 

Von vorne, also. Sein Name ist Daniel, Daniel Laurin, und ist ganze drei Minuten älter als ich, nebenbei bemerkt, bin ich der Hübschere von uns beiden. Da Daniel nach unserem Vater kommt, ist er ein klein bisschen größer als ich. Na ja, es sind fast zehn Zentimeter und er hat im Gegensatz zu mir, dunkelblonde Haare, die ihm bis auf die Schulter fallen. Er wiegt auch mehr als ich. Damit auch hier Klarheit herrscht, die zehn Zentimeter Größenunterschied und die neun Kilo mehr Masse, sind nicht auf die ausschlaggebenden Körperteile eines Mannes zurückzuführen. Da sind wir gleich. Ich schwöre. Ups, seine Augen hätte ich fast vergessen. Sie sind von so einem dunkelblau, wo man fasziniert hineinschaut und alles um sich herum vergisst. Wenn das geschieht, dann hast du verloren und machst all das, was er von dir verlangt. Er nutzt das bei mir immer weidlich aus. Aber irgendwann werde ich ihm widerstehen und dann ist er geliefert. Darauf freue ich mich jetzt schon sehr. Beide haben wir ein schmales, elegantes Gesicht und dichte lange Wimpern. Und bevor ich es vergesse, ich bin 27 Jahre und Daniel, 27 Jahre und drei Minuten. In der Jugendzeit war ich ein richtiger Wildfang und habe mir bei einem Fahrradunfall eine dicke fette Platzwunde an meinem harten Schädel zugezogen. Drei Stiche waren nötig, wobei ich so tapfer war, dass meine Mutter mir ein dickes Eis spendiert hatte. Die kleine Narbe sieht man kaum. Daniel ist der ruhigere Teil von uns. Immer besonnen, immer fair, niemals wird er mir gegenüber laut. Er liebt mich halt mit all seiner Kraft. Ab und an brauche ich seine Stärke, muss mich dann an ihn anlehnen. Bei ihm kann ich mich fallen lassen. Ausgerechnet wegen mir, hat er sich bei einer Prügelei in unserer Schulzeit, eine feine Narbe an der Augenbraue zugezogen. Sie fällt kaum auf, aber er erzählt es jedem,

der ihn daraufhin anspricht. Und das alles nur, weil sein Beschützerinstinkt mir gegenüber unwahrscheinlich groß ist. Hat er sich doch mit zwei Kerlen gleichzeitig angelegt, weil sie mir zu nahe gekommen sind, mich hin und her schubsten und mir an die Wäsche gingen. Ja Daniel beschützt mich, das macht er auch heute immer noch, was mich manches Mal auf die Palme bringt. Ups, jetzt bin ich etwas abgelenkt gewesen, also weiter im Text. Beide sind wir schlank, haben lange Beine, ein schmales Gesicht. Da hätte ich doch beinahe den besten und wichtigsten Körperteil vergessen. Ich sage nur ein Wort: Knackarsch! Meine beste Freundin meinte mal im Scherz, darauf, dass es ein Scherz war, bestehe ich: »Ihr zwei solltet bestimmt Frauen werden, mit euren sinnlichen Lippen und dem Knackarsch!« Wofür bitteschön, braucht eine Frau einen Knackarsch? Bei Männern, ja vor allem bei schwulen Männern, ist das ein enormer Vorteil, da jeder Kerl dir zuerst auf den Arsch schaut und dann was du vorne zu bieten hast. Nun ist aber Schluss.

 

*~*~*~*

 

Ich musste von Hamburg weg und habe auch allen Grund dazu. Will mein Leben ändern, will neu anfangen also habe ich mir in Berlin eine Wohnung gesucht und tatsächlich was gefunden. Sie ist groß genug und ich freu mich darauf, hier ein neues Leben zu beginnen. Als mein Bruder es erfuhr, hat er mich so lange bearbeitet, bis ich eingewilligt habe, ihn mitzunehmen. Eigentlich hatte ich von Anfang an gar keine Chance, mich gegen ihn durchzusetzen. Er ist der Dominantere von uns beiden. War es immer schon. Er setzt sich ohne Skrupel durch und ich bin derjenige, der meistens nachgibt. Bei einem Punkt bin ich jedoch standhaft geblieben und hab durchgesetzt: Er darf nur dann mit mir ziehen, wenn er einen Job in der Stadt findet. Zwei Männer, die kein Geld verdienen, das geht nicht. Ich habe zwar

noch ein paar Vorstellungsgespräche, zwecks meiner Arbeitssuche, aber das Geld reicht nicht, um uns zwei zu ernähren. Das Ersparte ist nämlich für den Umzug und neue Möbel draufgegangen. Was macht der Arsch von einem Bruder??? Na!!! Ruft er doch tatsächlich einen alten Freund an, der hier in Berlin lebt, und findet ruckzuck einen Job. Und was für einen. Seinen Traumjob und dabei auch noch supergut bezahlt. Nur seine Arbeitszeiten sind etwas ungewöhnlich. Für mich, nicht für ihn. Sie sind zwischen 18 Uhr und früh morgens. Nun ja, er arbeitet als Manager in einem Nachtclub. Ich finde das toll, da kann er mich nämlich nicht mehr so überwachen, was ihn sehr stört. Mich irgendwie nicht. Sein neuer Chef heißt Dante Alvarez. Dante. Schon der Name. Mittelalterlich. Dante. Hm, bisher hat er nie von ihm gesprochen. Sie haben sich bestimmt in der Zeit kennengelernt, in der Daniel für zwei Jahre in Wien studiert hat. Die Zeit, in der ich alleine war, wo ich Jacob über den Weg gelaufen bin und dies bis heute bereue. JACOB – alleine die Erinnerung an ihn, verursacht mir Schmerzen. Nicht nur körperlich, sondern auch seelisch. Ich bin Jacob begegnet, in der Zeit, in der ich so einsam und verloren ohne Daniel in Hamburg war. Nie war ich mehr als ein paar Tage von meinem Bruder getrennt gewesen und dann waren es volle zwei Jahre. Vielleicht ist die Einsamkeit der Grund gewesen, dass ich mit ihm was anfing. Oder, dass mir Daniel so gefehlt hatte. Tja, heute ist Jacob mein Ex und ein Problem. Wir waren fast zwei Jahre zusammen, als er mich in einem Anfall von Eifersucht beinahe umbrachte. Nach langem Hin und Her habe ich mich endlich getraut und ihm gestanden, dass ich beim Sex gerne etwas härter angefasst werden möchte. Dass ich nicht zerbreche, wenn er mich mal etwas ruppiger anpacken würde. Nichts gegen Vanilla Sex, aber er erfüllt mich nicht. Lässt mich leer und unbefriedigt zurück. Schon seit meiner Jugend habe ich dieses Verlangen in mir, es erfolgreich unterdrückt und dann in einem unbeobachteten Moment, schlug es zu. Ließ mich zittrig und voller Sehnsucht auf etwas, was ich nicht beschreiben kann, zurück.

 

Nein, es ist die Neigung mich unterzuordnen, mich dominieren zu lassen, dieser leichte Schmerz, der dabei zurückbleibt. Ich wollte ihn spüren, es mit Jacob erleben. Schonend versuchte ich es ihm beizubringen. Nichts. Dann probierte ich es mit einer anderen Methode. Machte ihn eifersüchtig mit Männern, denen man ansah, dass sie Dominant veranlagt sind. Immer wieder hatte ich diesen Traum, in denen mich ein Mann ohne Worte nimmt. Ich liebe es in meine Fantasie abzutauchen, mir vorzustellen, wie es sich anfühlen würde, wenn dieser Mann mir den Arsch versohlt, über mich bestimmt, mir sagt was ich zu Tun und zu Lassen habe. Bei Daniel ist es mir leicht gefallen, mich unterzuordnen, wenn er mir etwas befahl. Warum sollte es bei Jacob nicht auch funktionieren? Ich habe es versucht, wirklich versucht, es Jacob zu sagen. Es ihm vorsichtig mitzuteilen, ob wir unser Sexleben nicht was aufpeppen könnten, es interessanter zu machen. Habe ihm angedeutet, dass es mir gefallen würde, wenn er mir den Hintern versohlt. Er hatte mich angeschaut und den Kopf geschüttelt. Seine Antwort: »Wie, ich soll dich beim Sex schlagen, den Hintern versohlen? Du machst wohl Scherze, glaubst du ich bin pervers?«, blieb in meinem Gedächtnis haften und ich sprach nie wieder davon. Wozu auch? Ist es pervers dieses Verlangen zu spüren, es ausleben zu wollen? Doch eines Abends, wir waren in einem Club tanzen, da traf ich einen Top. Ich kannte ihn schon etwas länger und unsere Unterhaltung wurde etwas intensiver. Als der Kerl seine Hand auf mein Bein legte, mir über meine Schenkel strich und kurz über meinem Schritt verharrte, da tickte Jacob völlig aus. Er packte mich, zog mich aus dem Club und ohne ein Wort fuhren wir nach Hause. Dort zerrte er mich in unsere Wohnung, und bevor ich auch nur ein Wort sagen konnte, drückte er mich mit seinem Körper brutal an die Wand.

 

Wütend raunte er in mein Ohr, ob es das ist, was ich brauche, um mit ihm glücklich sein zu können und ich Idiot nickte. Dann passierte es, er prügelte auf mich ein. Es war das erste Mal, dass er mich so grob anfasste, mir direkt ins Gesicht schlug. Ich war so erschrocken, dass ich mich nicht wehren konnte. Nein, das war nicht das, was ich von ihm brauchte, das war einfach nur blinde Wut, die Jacob beherrschte. »Du bist nicht ganz normal. Aber wenn du auf Schläge stehst, die kannst du haben«, schrie er mich an. Ohne darauf zu achten wo seine Faust landete, mich verletzte, hieb er auf mich ein. Er schmiss mich brutal aufs Bett, zerrte mir meine Hose vom Unterleib und nahm mich brutal ohne jegliche Vorbereitung von hinten. Das Gefühl, als ob er mich von innen zerreißen würde, diese Schmerzen haben sich für immer in mein Gedächtnis gebrannt. Er vergewaltigte mich auf unserem Bett. Ein Ort, an dem wir uns unzählige Male geliebt hatten. Als er fertig war, drehte er mich auf den Rücken, schaute in mein tränennasses Gesicht und fragte mich, ob es das ist, wonach ich so ein Verlangen hätte.

Entsetzen darüber, dass er zu so einer Tat fähig war, ließ mich vor ihm zurückzucken. Ich sah, wie er seine Hand hob und bevor ich ausweichen konnte, schlug er mir noch mal ins Gesicht. Blutend, voller Schmerzen und mit einer tierischen Angst vor ihm, lag ich auf diesem Bett und versuchte vor ihm abzuhauen. Als ich die Haustüre erreichte und in den Hausflur lief, da erhielt ich einen Stoß in den Rücken, der mich die ganzen Treppen hinunter beförderte. Von da an weiß ich nichts mehr. Das Aufwachen im Krankenhaus war schmerzhaft, und als ich wieder klar denken konnte, saß Daniel neben mir am Bett. Vor ihm stand ein Polizist und redete auf ihn ein. Mir wurde klar, dass der Mann, mit dem ich zwei Jahre meines Lebens verbrachte, den ich glaubte zu lieben, mich missbraucht und fast getötet hatte.

 

Jacob – mein Ex wurde zu 18 Monaten wegen schwerer Körperverletzung verurteilt, weil er im Affekt handelte. Ich hätte ihn mit meinem Flirtversuch herausgefordert. Extra Eifersüchtig gemacht,dazu gebracht wütend zu werden, weil dieser Mann mich berührt hatte und ich nicht ausgewichen bin. Dass seine Eifersucht ihn nicht klar denken ließ, wurde zu seinen Gunsten ausgelegt und ich war der Schuldige. Statt dass er hart bestraft wurde, bestrafte man mich. Auch wenn er es war, der mich die Treppe hinunterstieß, so hatte ich das Gefühl, dass der Anwalt von Jacob, es so auslegte, das ich in meiner Eile von ihm wegzukommen, gestolpert bin. Nein, ich hatte seine Hände in meinem Rücken gespürt, die mich mit voller Wucht trafen.

Mich stolpern ließen und ich die Treppe hinunterfiel. Die Vergewaltigung hatte ich verschwiegen. Geschämt hatte ich mich, wollte es nicht in der Öffentlichkeit ausbreiten. Dass meine Krankenakte auf dem Richtertisch lag, wusste ich nicht. Ich hatte keine Anzeige deswegen erstattet und daher wurde Jacob nur wegen der Körperverletzung verurteilt. Zwei Schwule Männer, da kann es ja nur zu so was kommen. Ich hatte Daniel das Versprechen abgenommen, es niemanden zu verraten. Monatelang hatte ich Albträume, schlief schlecht, wanderte nachts immer in der Wohnung umher, brachte Daniel damit zur Verzweiflung. Er suchte mich und fand mich dann immer auf unserem Balkon. Eingewickelt in einer Decke lag ich auf der Liege und schlief dort. Ab und an bekomme ich auch heute noch einen Anruf auf mein Handy, dessen Nummer ich nicht kenne. In meiner Angst erzählte ich Daniel davon und er versprach mir, dass er auf mich aufpassen würde. Ich weiß, dass ich mich immer auf ihn verlassen kann.

 

 

Jedes Mal, wenn ich mich nach meinem Ex erkundige, um zu wissen, ob er wieder auf freiem Fuß ist, sagt Daniel, dass er sich darum kümmern wird. Jacob hatte damals bei der Gerichtsverhandlung laut in den Raum geschrien, dass ich ihm gehöre und er sich sein Eigentum wieder zurückholt. EIGENTUM? Pff, was denkt er sich denn? Dass ich wieder zu ihm zurückkomme? Obwohl Jacob im Gefängnis saß, hatte ich eine scheiß Angst, dass er mich wieder in die Hände bekommen könnte. Noch heute schrecke ich nachts manches Mal laut schreiend auf und Daniel muss mich dann beruhigen. Mit der Zeit wurde es besser. Ich zog mich in meinen Körper zurück, hatte mir dort meine eigene kleine heile Welt aufgebaut. Kein Jacob, kein Schmerz nichts und niemand der mich dort angreifen konnte. Mein Bruder redete dann stundenlang auf mich ein, nahm mich in seine Arme, versuchte mir beizubringen, dass mein Verlangen nach Dominanz nichts Schlechtes sei. Doch wenn schon mein Ex-Freund dabei so ausrastete, wie sollte dann mein Körper damit klarkommen, dass es nichts Schlimmes ist, dass es Männer gibt, die meine devote Seite lieben würden.

 

 

Aber wo war dieser eine Mann? Wo kann ich ihn finden? Wo soll ich suchen? Mit Jacob hatte ich das Vertrauen in mich verloren. Ich wollte unbedingt zu jemandem gehören. So, als ob ich alleine keinen Wert hätte. Von meinem Verlangen getrieben auf der Suche nach Mr. Right, merkte ich mit der Zeit, dass das gar nicht so leicht war. Wollte ein Kerl mich, wollte ich nicht. Es gab immer etwas, dass mich störte. Wollte ich einen Kerl, eilte mir meistens schon ein gewisser Ruf voraus, sodass der Mann einen Rückzieher machte. Suchte ich anfangs noch in den besseren Clubs der Stadt, weitete ich schon bald mein Einzugsgebiet auf die verruchteren Etablissements aus. Am Ende lief es dann auf Sex hinaus. Schmutziger Sex. Da war keine Zärtlichkeit, kein Kennenlernen. Im Grunde war es eine Anhäufung von One-Night-Stands. Je schlechter es mir dabei ging, desto schlechter ging es auch Daniel. Irgendwann reichte es ihm. Er machte allen klar, sollte irgendjemand mir zu nahe kommen, ob mit oder ohne mein Einverständnis, er bekäme es mit ihm zu tun. Daniel hat einen großen Einfluss in der Szene unserer Heimatstadt. Sein Wort, ist in den meisten Clubs rund um Hamburg, Gesetz. Von da an packte mich niemand mehr an. In dieser Situation lernte ich auch Angelo kennen. Angelo, mein Freund in der Not. Er war zu einem Geschäftstreffen in Hamburg.

 

Angelo schaute mich mit seinen schokobraune Augen voller Wärme an. Ich saß traurig und alleine an der Bar eines Hotels, wohin ich mich geflüchtet hatte. Die Clubbesitzer wollten keinen Stress mit Daniel und schmissen mich kurzerhand raus, wenn ich bei ihnen auftauchte. Um mich abzureagieren, tanzte ich auf der Tanzfläche in meiner eigenen kleinen Welt. Wir kamen ins Gespräch und er half mir über die Nacht hinweg. Wir tanzten, unterhielten uns. Ich erzählte ihm ein klein wenig von mir, von Daniel. Wie scheiße es mir geht. Er hörte einfach nur zu. Zuerst hatte ich ihn tatsächlich angebaggert. Angelo aber sah einen Freund in mir und kein Bückstück. Er ermutigte mich den Sprung zu wagen, nach Berlin zu ziehen, Hamburg hinter mir zu lassen. Ihm verdanke ich, dass ich mich getraut habe, ein neues Leben anzufangen.

Sein Spruch, »Dass man alles im Leben erreichen kann, wenn man nur will«, hat mich dazu veranlasst. Aber auch, dass ich meinen Freund Andy dieses Versprechen geben musste. Ihn habe ich in Hamburg verloren. Ich hasse diese Stadt seitdem. Heute, ja heute kann ich mein Verlangen bis zu einem gewissen Punkt beherrschen. Sollte dieser Punkt überschritten werden, was ich in letzter Zeit immer wieder erneut fühle, dann werde ich mich eine Zeit lang von Daniel zurückziehen, mich austoben. Ich weiß jetzt schon, dass er mich voller Verzweiflung in jedem Club der Stadt suchen wird. Ich hasse das. Ich will ihm nicht wehtun. Aber manchmal habe ich Glück, finde jemanden, der neu in der Stadt ist, der Daniel und sein Verbot noch nicht kennt. Mein Verlangen zählt in solchen Momenten mehr, als die Liebe zu meinem Bruder. Ich liebe ihn und ich hasse mich dafür, dass ich mein Verlangen nach Dominanz, nach körperlichem Begehren, über die Liebe meines Bruders stelle. Auch das ist einer der Gründe für unseren Umzug. Weg von der Heimat. Weg von den schlechten Erinnerungen. Neu anfangen. Daniel und ich. Ich will mein Leben und meinen Bruder wieder

zurückhaben, ohne dass er sich permanent Sorgen um mich machen muss. Ich weiß, dass ich es kann. Und so fängt es nun heute endlich an. Unser neues Leben. »Adieu Hamburg. Ab nach Berlin.«

 

*~*~*~*

 

Dante. Argh ... Dante hier, Dante da, Dante macht das, Dante tut dies. Seit Tagen höre ich nichts anderes mehr. Jedes Mal, wenn Daniel von der Arbeit nach Hause kommt, gibt es etwas Neues, was dieser Wunderknabe gemacht, getan oder gesagt hat. Alleine schon dieser Name. Wer rennt schon freiwillig mit so einem Namen rum, der bedeutet, dass man ‚ausdauernd‘ ist? Nun ja, wo drin wird er wohl schon ausdauernd sein? Dante. Manche sind echt schon gestraft genug. Dante gehört die Bar, in der mein Bruder als Manager angestellt ist. Der Gay-Club BLACK! Ja, er liebt es, andere herumzukommandieren. Besser er macht das auf seiner Arbeit, als bei mir. Seit er dort arbeitet, sehen wir uns seltener. Wie es sich für einen Club gehört, ist er von abends bis früh morgens in Betrieb und daher kommt Daniel auch erst in der frühe nach Hause. Meistens treffen wir uns am Frühstückstisch, wenn ich kurz davor bin, zur Arbeit aufzubrechen und er das Bett aufsucht, wenn er nicht gerade im Club übernachtet. Er hat dort ein privates Zimmer, und wenn er einen Kerl aufgerissen hat, dann kann es schon mal vorkommen, dass er dort schläft. Auch ich habe Glück gehabt, eine Arbeitsstelle hier in Berlin zu finden. Das war gar nicht so einfach, da ich keine Arbeitspapiere und kein Arbeitszeugnis nachweisen konnte. Nichts in der Hand hatte, um einem Arbeitgeber klar zu machen, was ich leisten kann. Mein neuer Chef aber ging das Risiko mit mir ein und gab mir einen Arbeitsvertrag.

 

 

Er ist cool und zu meinem Glück genau so schwul, wie ich es bin. Er hat ein Architekturbüro in Berlin und suchte einen Innenarchitekten. Er meint, dass ihm der persönliche Eindruck eines Menschen, viel wichtiger ist als ein paar Arbeitszeugnisse. Marc Hoffmann heißt er. 30 Jahre alt und fast so groß wie ich. Na ja, ein bisschen ist er schon größer. Nicht viel, aber es reicht, das ich zu ihm hochschauen muss. Nur eins regt mich furchtbar an ihn auf, kann ich einfach nicht an ihm leiden. Er ist Dominat bis in die Zehenspitzen und versucht es auch bei mir. Sieht man mir denn an, dass ich devot veranlagt bin? Aber genau wie Angelo, ist er nur ein Freund und sonst nichts. Also warum sollte ich mich bei meinen Freunden unterwürfig zeigen? Nein, das werde ich nur bei dem Mann machen, dem ich gehöre und sonst bei keinem. Heute geht mir mein Bruder allerdings auf die Nerven. Er will unbedingt, dass ich seinen Club kennenlerne. Warum nur? Bis jetzt weiß ich nur aus Daniels Erzählungen, wie es dort zugeht. Etwas wundert es mich schon, dass er so darauf besteht, mich seinen Kollegen vorzustellen. Ihr erinnert euch? Diese Sache mit meinem Verlangen und den Clubs? Irgendwie habe ich es geschafft, mich von der Berliner Szene fernzuhalten. Ich weiß nicht warum, aber zurzeit fällt es mir leicht, dem schwulen Nachtleben zu entsagen. Ich genieße den Frieden, der mich umgibt. Kein Getratsche, kein ich weiß was, was du nicht weißt. Nur wir beide und Angelo. Ihn besuche ich regelmäßig. Er ist mein bester Freund geworden. Er ist ein Tanzfreak genau wie ich und deswegen haben wir angefangen Kurse zu besuchen, uns weiter zu bilden. Angelo hat früher bereits professionell getanzt. Seit fast einem Jahr treten wir zusammen auf, haben eine Show daraus gemacht und werden von den verschiedensten Etablissements rund um Berlin gebucht. Niemals will ich in der Nähe von Daniels Arbeitsplatz auftreten, viel zu gefährlich. Das ist mein einziges No Go an Angelo, wenn er die Termine zusagt, ansonsten kann er machen, was er will. Nach manchen Auftritten bekomme ich von den Männern im Club, immer Unmengen Angebote zugesteckt. Viele fragen, ob ich zu Angelo gehöre und ich bejahe das immer. Es fällt mir so leichter, die Finger von den Tops zu lassen. Und sie von mir. Nicht mehr Ausschau zu halten nach dem Mann, der mir gehören könnte.

 

 

Irgendwie ist das schon frustrierend für mich. Doch nun zu Daniel, meinem Bruder. Warum er jetzt will, dass ich ihn in den Club begleite, begreife ich nicht. Laut Daniel, ist der Club eine Tummelstelle für Twinks und devote Männer. Oder anders ausgedrückt, ein Angelbecken für Tops und Doms. Und in diesen Club will er mich unbedingt hinlocken. Ok, auf die Subs und Bottoms kann ich verzichten. Aber warum setzt er mich dem Anblick der Tops aus? Will er mich etwa testen? Was soll das? Ist es nicht schon schwer genug, wenn ich mich zurückhalten muss, keine Jagd mehr auf den einen zu machen. Daniel hat nämlich nie Probleme einen Mann für die Nacht aufzureißen. Dort im Club, laufen ihm so viele über den Weg, da hat er eh die freie Auswahl. »Nun komm schon Jessy. Trau dich doch einfach mal und geh mit mir in den Club. Etwas feiern und trinken, wird dich nicht umbringen. Ich pass auch auf dich auf«, jammert er mir die Ohren voll. »Du hast gut reden, du bist ein Jäger, ich bin die Beute, eine, die sich nicht mehr so schnell erlegen lässt. Weißt du eigentlich, wie anstrengend das ist?« Daniel grinst und zwinkert mir zu. »Engel, wenn du nicht mein Bruder wärst, hätte ich schon längst versucht dich flachzulegen. Und dass du dich seit einiger Zeit nicht mehr erlegen lässt, liegt daran, dass du es aufgegeben hast den Mann deiner Träume zu finden. Nun komm schon. Hopp, spring in deine Jeans und lass uns losgehen«, bekomme ich zur Antwort. Seufzend tue ich ihm den Gefallen. Solange ich vorsichtig bin, keinen Mann an mich heranlasse, wird schon nichts passieren. Vielleicht ist es ja auch gar nicht so schlecht, mal wieder rauszukommen, unter Menschen zu sein und meine Angst abzulegen.

Solange Daniel dabei ist, fühle ich mich sicher. Also los. Nachtleben ich komme! Er steht schon fertig angezogen hinter mir und schaut über meine Schulter. Wenn er zur Arbeit fährt, trägt er immer eine enge schwarze Hose, ein weißes Hemd und ein schwarzes Sakko. Heute jedoch steht er in Jeans und einem T-Shirt vor mir und ich muss zu meiner Schande gestehen, dass er atemberaubend aussieht. Na ja, wir sind ja auch schließlich Brüder. Unschlüssig stehe ich vor meinem Kleiderschrank. Ach egal, einfach irgendetwas anziehen. Will mich ja nicht flachlegen lassen. Oder? Mist, wo kommt den der Gedanke plötzlich her? Los, weg mit dir! Ein Arm greift an meinem Gesicht vorbei und schnappt sich meine schwarze Hüftjeans und ein weißes T-Shirt. Nanu? Wo kommt die Jeans denn auf einmal her. Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich dieses scharfe Teil, ganz hinten in meinem Kleiderschrank verstaut habe. »Hier mach, beeil dich!«, drängt mich mein Bruder. Ja doch, ich mache ja schon und gehe ins Bad um mich in Schale zu schmeißen. Nur für wen? Meine Haare müssen auch noch zu einem Zopf geflochten werde und das braucht eben Zeit. Aufgeregt, schaue ich in den Spiegel, will mich begutachten. Ich sehe einen Mann, der beinahe schon aufgegeben hatte und mit einem ungewöhnlich starken Willen, wieder zurück ins Leben fand. Müde streiche ich mir über mein rasiertes Gesicht. Ich habe mich verändert, seit dem ich in Berlin wohne. Bin ruhiger geworden und habe auch etwas zugenommen. Kurz lächle ich mir im Spiegel zu, als es an der Türe klopft und Daniels Stimme mich mahnt voran zu machen. Er ist immer so ungeduldig.

 

»Ja, ja ich komme schon. Mensch Daniel, nicht drängeln. Die Twinks laufen dir nicht davon, sondern nach.« Schnell ziehe ich mir noch meinen Hut auf, drehe mich noch mal vor dem Spiegel und finde, dass ich so gehen kann. »Mach Jessy, ich habe heute das erste Mal seit Wochen frei und will feiern. Nun komm, mach voran.« Seufzend komme ich aus dem Badezimmer. Daniel schaut mich an und pfeift durch seine Zähne. Ja, ja ich weiß, dass mir diese Hose steht, meinen Knackarsch betont. Für wenn eigentlich? Diese Frage stelle ich mir in letzter Zeit immer wieder. Das kleine Stück zum Club, gehen wir gemütlich zu Fuß. Nicht dass Daniel das wirklich wollte. Nein, er fährt auch zum Zigarettenholen mit dem Auto. Fauler Kerl eben. Da Daniel der Manager des BLACK ist, brauchen wir nicht zu warten. Die Türsteher öffnen uns die Eingangstüre und wir betreten den Club. Wau, der ist echt eine Wucht. So was habe ich in Hamburg nicht gesehen und ich habe viele Clubs dort, na ja erkundet. So viel Luxus und das auf zwei Ebenen, man da bin ich hin und weg. Und die Musik erst, genau mein Geschmack. Wir drängeln uns bis zur oberen Bar durch und ergattern zwei Stühle. Dass mich die Männer anstarren, mich mit den Augen verfolgen, bekomme ich nicht mit, da mein Bruder mich so abschirmt, dass sich keiner an mich herantraut. Oben angekommen bestellt Daniel uns zwei Whisky Cola und wir stoßen auf einen schönen Abend an. »Du hast heute wirklich frei?«, frage ich ihn. »Ja, heute konzentriere ich mich nur auf mein Vergnügen.« Er grinst lüstern. Ich verdrehe die Augen und weiß jetzt schon, wie der Abend für mich enden wird. ER hat einen schönen Abend und ICH sitze hier wie festgefroren. Nun verschwindet Daniel schon zum zweiten Mal. Hat der sich Viagra eingeworfen oder was? Erst jetzt bemerke ich, dass mir viele lüsterne Blicke zugeworfen werden. Unbehaglich rutsche ich auf dem Barhocker hin und her. Irgendwie habe ich das Gefühl, als ob ich die Blicke auf meiner Haut spüren kann. Dieses taxieren, ob ich vielleicht mit dem ein oder anderen Mann in den Darkroom gehen würde.

 

 

Da ich mich noch nie hier in diesem Club amüsiert habe, Frischfleisch sozusagen, bin ich mal gespannt, wann sich der Erste an mich rantraut, da Daniel wieder mal verschwunden ist und ich allein an der Bar hocke. Fast gleicht es einer Einladung an die Tops, mich abzuschleppen. Früher war es für mich irgendwie einfacher abzutauchen, mich zu amüsieren, sich einfach einen Kerl zu schnappen und mit ihm in den Darkroom zu verschwinden. Nein, an so was will ich nicht denken und registriere, dass mein Glas schon wieder leer ist. Ich habe die Schnauze voll, will mich bewegen, will auf die Tanzfläche. Ja ich tanze für mein Leben gern und sitze hier herum und blase Trübsal. Also nichts wie runter vom Stuhl und ab nach unten. Einfach diese Blicke, die mir zugeworfen werden, ignorieren und so tun, als ob sie mich nicht betreffen. Die Männer machen mir tatsächlich Platz und mein Körper übernimmt den Rhythmus. Ich lasse ihn einfach gewähren. Der Beat bringt mich dazu, dass sich ein Wohlgefühl in meinem Körper ausbreitet. Ohne mir was dabei zu denken, kreisen meine Hüften und mein Arsch wackelt dazu. Ein paarmal werde ich angesprochen, aber ich schüttel desinteressiert den Kopf. Meinen Mann will ich mir selber aussuchen, will nicht angebaggert und ohne Kompromisse erobert werden. Nein, all das will ich nicht mehr. Für mich gibt es seit Hamburg, nur noch den einen Mann, der bleibt und mich so nimmt, wie ich bin. Der nicht nur den attraktiven jungen Mann in mir sieht. Der meine Bedürfnisse ernst nimmt, mir jeden Tag in die Augen schaut und sagt, dass er es ohne mich keinen Tag länger aushält. Mein Herz sehnt sich nach Leidenschaft und hartem dominanten Sex. Unterwerfung wäre vielleicht das bessere Wort. Ein Abenteuer für eine Nacht, oder vielleicht reicht es auch für zwei Nächte und dann beginnt die Suche von vorne?

Nein, das habe ich hinter mir gelassen. Ich will ihn nicht mehr suchen, will gefunden, erobert und geliebt werden. Daniel steht oben an der Bar und lässt mich nicht aus den Augen. Ich sehe, wie er mit dem Kopf schüttelt. Warum? Weil ich alle Angebote ablehne? Was hat er denn erwartet? Dass ich direkt wieder in mein altes Muster falle? Dass die Kerle mich ansabbern, dafür kann ich nichts. Schließlich ist er doch derjenige gewesen, der mir diese sexy Hose in die Hand gedrückt hat und mich aufgeforderte sie anzuziehen. Ich will tanzen, dafür bin ich hier. Genau das werde ich die ganze Nacht tun. Tanzen!

 

 

                                                             Kapitel 2

                                                       Vorstellung Dante

                                                          *~*~*~*

Mein Name ist Dante Alvarez. Obwohl dieser Name aus dem italienischen kommt, weil meine Mutter eine Schwäche für italienische Komödien hatte, bin ich ein in Deutschland geborener Spanier. Nun ja, halb Spanier, weil mein Vater Deutscher war. Von meiner Mutter habe ich mein schwarzes Haar sowie meine etwas dunklere Hautfarbe geerbt, die daraufhin deutet, dass ich südländischer Herkunft bin. Meine Größe von 1,95  m und meine dunkelblauen Augen sind das Erbgut von meinem Vater. Seit meiner Jugend weiß ich, dass ich auf Männer stehe, nichts mit Frauen im Allgemeinen anfangen kann. Ich liebe Männer, lebe es aus, verstecke es nicht. Dass ich auch noch dominant veranlagt bin, habe ich nach meiner ersten verkorksten Liebe, herausgefunden. Damals habe ich mir geschworen, dass ich mich nicht verbiegen werde, niemals wieder meine Veranlagung leugne. Nach harter Arbeit, bin ich heute der Besitzer des angesagtesten Gay-Clubs in Berlin. Dem Black. So manch einer mag jetzt denken, was ist schon so besonders an meinem Club? Nun, es ist einfach ein Ort, an dem Menschen zusammenkommen, miteinander reden, lachen, trinken, und wenn die Chemie stimmt, sich einen Kerl mit nach Hause nehmen oder für eine kurze Nummer in den Darkroom verschwinden. Kommt das Wort Gay dazu, denken fast alle an einschlägige Fernsehsendungen und Berichte, wo dann der Eindruck entsteht, das jeder schwule Mann auf der Suche nach einem willigen Bückstück oder je nach Veranlagung, nach einem potenten Stecher ist.

 

Gut, so ganz von der Hand zu weisen ist das natürlich nicht. Ein Körnchen Wahrheit steckt ja bekanntlich hinter jedem Gerücht und hier ist es wohl auch so der Fall. Mein Club hat aber einen großen Vorteil gegenüber allen anderen Clubs der Stadt. Bei mir gilt das Motto: Einmal hin, alles drin! Für die unter uns, die auf BDSM stehen, gibt es im unterirdischen Keller alles, was das Herz begehrt. Angefangen beim Andreaskreuz bis hin zum Züchtigungsstock. Auf Wunsch und nur mit schriftlichem Einverständnis aller Beteiligten, kann man eine Profifilm & Fotoausrüstung dazubuchen und als Erinnerung auf DVD gebrannt mit nach Hause nehmen. Keine Sorge, bei uns wird alles akribisch überprüft. Es soll jeder Spaß haben und niemand zu etwas gezwungen werden. Meine Verpflichtungen den Gästen gegenüber nehme ich sehr ernst. Unser Ruf eilt uns voraus und mittlerweile ist die Spontanität etwas auf der Strecke geblieben. Was soll ich sagen, das BDSMZimmer ist fast immer über Monate hinaus ausgebucht. So haben wir, Claas und ich, erst diese Woche entschieden, dass wir das Grundstück nebenan kaufen und das Gebäude, was darauf steht, mit diesem hier verbinden werden. Der so gewonnene Platz, soll dann den Spontanbesuchern zur Verfügung gestellt werden. BDSM boomt, ist gesellschaftsfähig geworden, wer hätte das vor einem Jahr gedacht. Eine Etage höher befindet sich der ursprüngliche Club, Black.

 

Auch hier hat sich dank moderner Technik einiges verändert. Auf drei großen Plattformen, bieten wir ein Tanzvergnügen jeglicher Art. Jede der Plattformen ist mit mehreren Nischen und Theken umgeben. Die Nischen sind so in den Raum integriert worden, dass man dort ungestört sitzen, sich unterhalten, zuschauen und amüsieren kann. Jede Theke ist mit reichlich Personal besetzt, Wartezeiten gibt es kaum. Alles eine reine Organisationssache. Natürlich gibt es auch die obligatorische Empore, wo man über allem Treiben steht und den absoluten Überblick über das Geschehen hat. Monitore an den Wänden und Decken, runden diese Etage ab. Oh, sorry, jetzt habe ich fast das Wichtigste vergessen. Den Darkroom. So etwas gibt es hier auch und er wird rege besucht. Kann sein, dass wir ihn auch gleich mit erweitern, wenn wir schon einmal dabei sind. Ich lege dort Wert auf Sauberkeit und Hygiene. Wer jetzt das Bild von einer Putzfrau im Kittel und einem Lappen im Kopf hat, liegt völlig daneben. Hier wird mit Stil gewichst, ähm ... geputzt. Der Raum selber erinnert ein klein wenig an ein Labyrinth. Verschlungene Wege, vorbei an kleinen Räumen und Ausbuchtungen, führen den Gast dorthin, wo es ihm gefällt, wo er sich wohlfühlt. Überall hängen Kondom- und Gelspender an den Wänden, stehen auf den Bänken und Tischen. Insgesamt sind zwei Mitarbeiter jeden Abend dafür zuständig, dass immer alles sauber und aufgefüllt ist. Sicherlich nicht die angenehmste Arbeit hier, aber sie wird gut bezahlt und daher ist der Job heiß begehrt. Im dritten Stock gibt es den Verwöhnsex. Dort sind Zimmer und Suiten, für die, die einen Partner für den ganzen Abend und die Nacht gefunden haben, oder einfach etwas Abwechslung zum Alltagseinerlei suchen. Diese Etage ist ebenfalls sehr gut besucht und auch hier wird über eine Erweiterung nachgedacht. Vor allem Geschäftsleute auf Durchreise, Messebesucher und Touristen checken hier ein. Den krönenden Abschluss bildet das vierte Stockwerk des Clubs. Sie ist in einen kleinen Hotelbereich ausgebaut worden. Damit auch wirklich niemand in Räume gelangt, die er nicht gebucht hat, haben wir ein Kartensystem entwickelt. Jeder Kunde bekommt eine Chipkarte. Auf dem Chip ist dann die jeweilige Buchung gespeichert. Einzig der Club Black ist davon ausgenommen. Hier darf jeder rein, der will. Die einzigen Menschen, die jederzeit Zugang zu allen Zimmern haben, sind Daniel, Claas und ich.

 

Sicherheit, Diskretion und Vergnügen werden hier großgeschrieben. Das war mein Ziel und das habe ich erreicht. Oben auf der Empore sehe ich Daniel stehen. Wir haben uns in Wien kennengelernt, wo wir beide zur gleichen Zeit Management studiert haben. Mein Ziehvater Leo hat mich zu diesem Studium überredet, da er mir irgendwann die Leitung seines Clubs überlassen wollte. Angefangen habe ich in einer Zeit, an der ich am Wendepunkt meines Lebens stand. Achtzehn Jahre war ich alt und meine erste Liebe hatte sich beim Fremdgehen mit Aids angesteckt. Ich war geschockt. Wie konnte er nur ohne Verhütung mit jedem daher gelaufenen Arsch ficken. Falsch! Wie konnte er überhaupt mit jemand anderen ficken? Wir waren doch ein festes Paar. Für ihn hatte der Begriff Paar wohl eine andere Bedeutung als für mich. Ich wollte ihn und er wollte eine offene Beziehung. Geschockt bin ich wochenlang durch die Gegend gelaufen, ohne am Leben teilzunehmen. Mein Freund, meine erste Liebe. Mich so zu hintergehen. Ohne Schutz sein Leben aufs Spiel zu setzen, keinen Gedanken an mich zu verschwenden, dass ich mich bei ihm anstecken könnte. Ich habe es ihm nie verziehen, bin ausgezogen, und als ich wieder klar denken konnte, sofort zum Arzt gegangen und habe einen Aidstest machen lassen. Die Wochen danach waren die reinste Hölle für mich.

 

NEGATIV. Als ich es schwarz auf weiß in meinem Händen hielt, habe ich mir geschworen, dass mir so etwas nie mehr in meinem Leben passieren wird. Zu diesem Zeitpunkt stellte ich dann auch fest, dass ich nicht dazu geboren bin, passiv in einer Beziehung zu sein. Nein, ich liebe es, wenn ich meinem Liebhaber befehlen kann, wo es lang geht. Es erregt mich ungemein, ihnen den Arsch zu versohlen. Was ich nicht liebe ist, wenn sie zu lange in meinem Leben verweilen. Oft reichen ein paar Nächte, allenfalls ein paar Wochen und ich habe genug. Es liegt nicht an ihnen. Es liegt an mir. Und obwohl ich das weiß, habe ich nicht die Absicht, das zu ändern. Ich hatte meine erste große Liebe und auf eine zweite kann ich ganz gut verzichten. Was heute für mich zählt, ist der Spaß, die Jagd. Auf die wahre Liebe warten nur Idioten. Und das bin ich nicht mehr. Ich habe mir geschworen, egal was passiert, ich werde in einer Beziehung nie mehr der sein, der passiv ist. Ich bin aktiv und schon lange nicht mehr der Trottel, der sich betrügen lässt, über den gelacht wird. Zudem man wundgefickt von einem anderen, ins gemeinsame Bett steigt. Der, der mit blutendem Herzen in einer Arztpraxis steht und einen Aidstest verlangt, weil er so blöd ist, ohne Kondome mit der großen Liebe seines Lebens Sex zu haben. Dieser Idiot ist tot. Gestorben in einer sterilen Arztpraxis, mit einer Kanüle im Arm, aus der zusammen mit meinem Blut mein ganzes bisheriges Leben in eine Spritze lief, deren Inhalt über Positiv oder Negativ – über Leben und Tod entscheidet. Damals habe ich dann Leo kennengelernt. Leo gehörte das Black. Ein Gay-Club der besonderen Art. Wieder einmal war ich ohne Job und Geld, auf der Suche nach Arbeit. Er hat wohl etwas in mir gesehen, das ich fast schon verloren glaubte. Er nahm mich bei sich auf und lehrte mich alles, was man wissen muss, um einen Club zu leiten. Leo hatte noch einen Ziehsohn, Claas. Wir freundeten uns an und halfen uns gegenseitig. Zusammen haben wir dann in Wien studiert und lernten Daniel kennen. Wir drei hatten in Wien eine tolle Zeit. Wir lebten in einer WG und waren wie Brüder. Über Tag Studium und Lernen, abends rein ins Vergnügen. Claas und ich hatten das große Privileg, dass Leo uns komplett unterstützte.

 

So brauchten wir uns keine Gedanken darüber zu machen, wie wir unseren Lebensstandard halten konnten. Jeder von uns bekam zusätzlich zu den Studienkosten einen monatlichen Betrag, von dem eine Familie gut hätte leben können. Daniel hatte da weniger Glück und arbeitet daher am Wochenende in einer Schwulenbar. Ich brauche bestimmt nicht zu erwähnen, dass diese Bar unser Jagdrevier war. Bei Daniel und mir war die Sache von Anfang an klar, bei Claas bin ich mir bis heute nicht ganz sicher, was er ist. Bottom oder Top. Oder beides? Seine Affären waren auch wesentlich diskreter als die von Daniel und mir. Wenn ich so zurückdenke, bin ich mir heute nicht einmal sicher, ob er überhaupt welche hatte. Affären meine ich. So verschlossen ist er in Sachen Sex. Dass er welchen hat, weiß ich. Aber sonst eben nichts. Aber damit kann ich leben. Ich liebe diesen Kerl, der alles an Familie ist, was ich habe. So nah, wie wir uns auch heute noch in vielen Dingen sind, würde ihm ohne mit der Wimper zu zucken mein Leben anvertrauen. Gerade als wir mit dem Studium fertig waren, schlug das Schicksal grausam zu. Leo, der für mich wie ein Vater war, den ich vergötterte, wie nie jemanden zuvor, wurde in einen Autounfall verwickelt und lag monatelang im Krankenhaus. Seine Genesung ging schleppend voran. Gerade als wir dachten, er wäre über den Berg, bekam er eine Lungenentzündung und starb. Sechs Wochen nach Leos Tod fand die Testamentseröffnung statt. Da Leo nie verheiratet war und auch sonst keine Familie mehr hatte, erbten Claas und ich sein ganzes Vermögen zu gleichen Teilen.

 

Bereits vor seinem Tod hatte Leo mit uns darüber gesprochen. Außer dem Black besaß er noch ein Tanz- und Tonstudio sowie zwei kleinere Clubs. Was uns aber dennoch überraschte, war das Barvermögen, was er uns hinterließ. Leo stammte aus einem alten Geldadel und war der Letzte aus seiner Familie gewesen. Zeitlebens hatte er nichts von dem Geld ausgegeben. Er hatte es gut angelegt und im Laufe der Jahre durch geschickte Investitionen vermehrt. Es stimmt wohl, wenn es heißt, Geld kommt zu Geld. Alles im allem war es eine Summe mit einer Menge Nullen. Mehr brauche ich wohl nicht zu sagen. Arbeiten brauchten Claas und ich unser Leben lang nicht mehr. Aber so hat uns Leo nicht erzogen. Das Geld gibt uns Sicherheit. Wir haben es da gelassen, wo Leo es hingepackt hat. Sozusagen unser Notgroschen für schlechte Zeiten. Ich bekam den Club Black, ließ ihn modernisieren und baute ihn aus. Claas bekam das Tanz- und Tonstudio. Er liebt das Singen und Tanzen, daher war es logisch. Um die beiden kleineren Clubs kümmern wir uns gemeinsam. Wir möchten sie in nächster Zeit verpachten, da wir nicht die Zeit dafür haben, uns auch noch darum zu kümmern. Als sich Daniel bei mir meldete und nach einem Job fragte und ich erfuhr, dass er in Hamburg einen Nachtclub gemanagt hat, nahm ich ihn mit Freuden. Immerhin kennen wir uns und ich vertraue ihm blind. Außerdem freue ich mich, ihn wieder in meiner Nähe zu haben.

 

 

Als ich Claas davon erzählte, war er ebenfalls begeistert. Die Zeit in Wien hat uns zusammengeschweißt. Freunde fürs Leben. Das hat sich auch über die Jahre, die wir in verschiedenen Städten gelebt haben, nicht verändert. Wir sind immer in Kontakt gewesen. Nur die Sache mit dem Club, die war neu für mich. Da hat er nie was von erzählt. Bei Gelegenheit muss ich ihn mal danach fragen. Als wir uns in Wien trennten und jeder zurück nach Hause fuhr, hat er noch rumgealbert und gesagt, dass ihm das Arbeiten in einem Gay-Club nun reicht und er einen Club nur noch zum Vergnügen betritt. Was hat seine Einstellung dazu geändert? Ob sein Bruder was damit zu tun hat? Irgendwie klingelt da was in meinem Hinterkopf, aber ich kann mich nicht erinnern, was. Nach unserem Gespräch ging alles ziemlich schnell. Innerhalb von vier Wochen zog er mit seinem Hab und Gut samt Zwillingsbruder, den er nicht alleine in Hamburg lassen wollte, hierher. Die Sache mit dem Bruder lässt mir keine Ruhe. Ich mag es nicht, wenn es, in meinem privaten Umfeld, und das ist Daniel für mich, Ungereimtheiten gibt.

 

An seinem ersten Arbeitstag rief ich ihn zu mir ins Büro und sprach ihn direkt darauf an. Meine Frage, warum er seinen Bruder nicht alleine lassen kann, beantwortete er mit einer Geschichte von ihm und dessen Exfreund Jacob. Ein wenig erinnert mich dieser Bruder an mich selbst. An die Zeit, als ich noch an die große Liebe glaubte. Als ich im Paradies einschlief und in der Hölle erwachte. Doch nun Schluss mit meiner Schilderung, wie ich meinen ganzen Stolz, das BLACK, modernisiert und ausgebaut habe. Im Black verkehren die begehrtesten Männer der Stadt. Selbst von weit her kommen sie, um eine Nacht oder einen ganzen Tag hier zu verbringen. Hier ist für jeden Geschmack was dabei. Das Einzige, was hier zählt, ist, dass alles freiwillig geschieht. Kein Zwang, kein Druck. Lust, Verlangen und Erfüllung sind die drei Gebote der oberen Etagen. Wer hierher kommt, weiß was ihn erwartet und was er erwarten kann. Nun geht es rein ins Vergnügen. Oben an der Bar steht er, mein bester Freund und Manager Daniel. Er lehnt an der Brüstung und schaut die ganze Zeit schon nach unten. Seine Augen sind zu schlitzen zusammengezogen und er scheint sich von nichts ablenken zu lassen. Wen mag er im Visier haben? Hm, Daniel auf der Jagd, das ist schon was Besonderes. Nie habe ich miterlebt, dass wenn er auf der Jagd ist, er sich von seinem Ziel abbringen lässt. Er leckt dann regelrecht Blut und wehe den, der sich zwischen seiner Beute und ihn stellt. Deshalb verstehen wir uns auch so gut. Wir sind zwei verwandte Seelen. Er hat heute seinen freien Tag und scheint ihn für die Jagd zu nutzen. Nun ja, unser Privatleben leidet sehr darunter, jemanden außerhalb unserer Arbeitszeit kennenzulernen. Der Club nimmt all unsere Kraft in Anspruch, da bleibt vieles auf der Strecke. Ich werde mal zu ihm raufgehen, einen Drink mit ihm nehmen und sehen, was ihn so nachdenklich blicken lässt. Auch will ich wissen wen er erlegen will. Nicht dass wir uns in die Quere kommen. Nachdem wir uns begrüßt haben, frage ich ihn, warum er seine Augen nicht von der Tanzfläche nehmen kann.

 

 

Ich erfahre, dass der kleine Twink mit dem Hut da unten, der von den Tops so umschwärmt wird und so selbst vergessen tanzt, sein Bruder Jessy ist. Wie das ist Jessy? Auf den Bildern, die ich im Schreibtisch habe, sieht er so anders aus. Der Hut hat sein Gesicht verdeckt, sodass ich ihn im ersten Moment nicht erkannt habe. Langsam nähere ich mich dem Treppengelände und beuge mich nach vorne. Mein Gott, er sieht in natura noch besser aus wie auf den Bildern. Mein Herz klopft plötzlich wie verrückt. Ihn so nahe zu sehen, ihn vielleicht berühren zu können, wenn er gleich zu uns kommt, nimmt mir den Verstand. Mein Gott. Dieser Mann ist das reinste Sahneschnittchen, bildhübsch und trotzdem noch männlich dabei. Diese langen Beine und sein Knackarsch erst. Oh Mann, ich will ihn, will ihn erobern und besitzen. Schon seit einem Jahr ist er in meinen Gedanken. Er lässt mich nicht zur Ruhe kommen und nun zu wissen, dass er greifbar ist, ich ihn mir jederzeit schnappen kann, beraubt mir meinen Willen. Alleine wie es sein würde, wenn er unter mir liegt, ich mich in ihm verlieren würde, lässt mich fast schon kommen. Nur ein kurzer Blick auf sein Bild damals hat gereicht, um mir den Schlaf zu rauben. Mich nach etwas zu verzehren, dass ich mir geschworen habe, nie wieder zu tun.

 

Nur am Rande höre ich wie Daniel, sagt: »Ich habe ihn überredet heute Abend mit mir hierher zu kommen. So langsam macht er mir Angst. Immer nur arbeiten und zu Hause hocken, kann doch auch keine Lösung sein. Ich will, dass er wieder Spaß am Leben hat und da gehört eben auch Sex dazu. Nur halt nicht so exzessiv, wie in der Zeit nach seinem Ex. Aber er ist stur. Dieser Dickkopf!« »Wieso? Was will er denn?«, frage ich abwesend, weil ich meine Augen nicht von ihm abwenden kann. »Der sucht was fürs Herz und nichts für eine Nacht. Du kennst doch die Geschichte, die ich dir vor einiger Zeit erzählt habe. Darum brauche ich ja auch deine Hilfe. Wenn es einer schafft, ihn aus seinem Schneckenhaus zu zerren, dann bist du das. Er braucht jemanden, der dominant genug ist, sich gegen ihn durchzusetzen. Er ist zwar ein devoter Sub, aber mit eigenem Willen. Daher pass lieber auf, dass du nicht dein Herz noch an ihn verlierst.« Er lacht mich aus. Nein, das würde mir nicht passieren. Ich kenne meinen Schwur. Nur eine Nummer und dann war es das. Nichts fürs Herz, nur fürs Bett. Genau, wie Daniel es praktiziert. »Also genau das Gegenteil von dir«, entfährt es mir. Als ich mich kurz wieder Daniel zuwende. Mein Blick wandert automatisch wieder zu Jessy, beobachtet ihn.

 

Er ist genau das GEGENTEIL von Daniel. Ich weiß, dass sie keine eineiigen Zwillinge sind. Wo Daniel dominant und selbstsicher mit beiden Beinen im Leben steht, ist sein Bruder devot veranlagt, einen Kopf kleiner und zierlicher als Daniel, halt eben ein Twink. Bis zum jetzigen Zeitpunkt ist mir Jessy noch nie über den Weg gelaufen. Ich kannte ihn nur von den Bildern, die mir Daniel überreicht hatte. Er hat mich bis dato auch nicht sonderlich interessiert. Daniel ist mein Freund und sein Bruder war nie ein Thema zwischen uns. Warum auch? Erst als Daniel anrief und nach einem Job fragte, nahm auch sein Bruder Gestalt an. Ich wollte ihn bis jetzt auch nie treffen. Dann hat Daniel alles verändert. Er brauchte einen Privatermittler.

 

Wollte erfahren, was wirklich in Hamburg passiert ist. Warum Jessy sich von ihm so viel Geld geborgt hat und er von Hamburg nach Berlin geflüchtet ist? Er gab mir ein paar Bilder von seinem Bruder, die ich dem Privatermittler übergab. Nur eins, eins behielt ich für mich. Seitdem liegt dieses Bild in meiner Schublade und ich starre es immer wieder an. Doch es entspricht nicht der Wahrheit. In Wirklichkeit sieht er noch atemberaubender aus, als auf dem Bild. Dann kam ein Anruf der Polizei, der alles veränderte. Daniel bat mich um Hilfe. Er bat mich darum, Jessy vor seinem Ex-Freund Jacob zu beschützen, der nun wegen guter Führung wieder in Freiheit ist. Daniel hat noch die Drohung von Jacob in seinen Ohren, dass er sich Jessy zurückholen würde. Heute hat er ihn hierhin gelotst, damit ich ihn kennenlerne und weiß, worauf ich mich einlasse. Daniel möchte, dass Jessy hier frei und ohne Angst seinem Beruf nachgehen kann und sein Leben wieder ins reine kommt. Dass er mich aber so in seinen Bann zieht, damit habe ich nicht gerechnet und es ärgert mich tierisch. Außerdem habe ich die Zusage von Daniel, dass ich ihn jagen darf. Ich soll Jessy von seinen Problemen ablenken, weil er immer noch nicht den Mann gefunden hat, der ihn zähmen kann. Meine Augen verfolgen den Kleinen, mein Herz klopft freudig auf bei dem Gedanken, ihn zu jagen. Eine Beute, die sich nicht so schnell erlegen lässt, ist eine fiebrige Jagd. Der Reiz besteht darin, zu sehen, wer gewinnt. Meine Beute verliert nie, auch wenn ich der Gewinner bin. Und das bin ich immer. Die Zeit, die ich mit meiner Beute verbringe, bringt uns beide ins Paradies. Nur dauert sie eben keine Ewigkeit, wie in den romantischen Kitschfilmen. Sie ist zeitlich begrenzt, aber dafür umso intensiver. Dass ich auch hier gewinnen werde, steht außer Frage. Ich bin der Jäger und Jessy die Beute. Eine Beute, die noch nichts davon weiß, dass sie heute Abend noch in meinem Schlafzimmer landen wird, bei mir im Bett. Die ich erlegen werde und sie sich ergeben wird, die in diesem Moment MEIN sein wird. Er wird sich wehren, er wird mich bekämpfen, aber zum Schluss wird er sich ergeben.

 

Dass er devot ist, weiß ich von Daniel, sonst würde das hier mit uns zwei nicht funktionieren. Nein, ein normaler Twink interessiert mich nicht, doch ein Sub, der weiß, wo sein Platz bei mir ist, ja der reizt mich ungemein. Ich bin ein dominanter Mann, will meine Männer zu meinen Füßen liegend wissen. Ihnen den Arsch versohlen. Jawohl, ich stehe auf Spanking. Und dieser kleine Sub da unten lockt mich enorm. Ja, ich werde Daniel helfen, ihn zu beschützen. Von dem Augenblick an, als meine Augen ihn auf der Tanzfläche entdeckt haben, schlägt mein Herz heftiger und mein Schwanz richtet sich auf. Mein wird er sein. Nur für wie lange? Wer weiß das schon im Voraus. Ist er der Eine, derjenige, für den es sich lohnt zu kämpfen? Derjenige, den man behalten will, der am Schluss bleibt? Scheiße, was fantasiere ich mir denn da gerade zusammen? So was gibt es nicht. Nicht mehr für mich, seit dem Tag als die Spritze in meinem Arm steckte. Das, was da unten rumhüpft, egal ob er Daniels Bruder ist oder nicht. Er ist ein Kerl mit einem Arsch, den ich ficken will. Mehr nicht. Nie mehr als das! Nur ein Arsch für eine Nacht oder wenn er richtig gut ist, vielleicht auch für zwei oder drei Nächte. Den Schutz erhält er. Das habe ich Daniel versprochen und meine Versprechen halte ich. Darüber hinaus bekommt er geilen Sex, den er nie vergessen wird. Dafür werde ich sorgen. Sex ohne Gefühl, das wird alles sein. Immer! Auch für ihn wird diese Regel und der Schwur, den ich vor Jahren geleistet habe, nicht gebrochen.

 

 

                                                    Kapitel 3

                                                      Jessy

                                                   *~*~*~*

Mir reicht’s! Ich habe genug vom Tanzen. Ich habe mich gehen lassen, bin abgetaucht in meine eigene kleine Welt, in der keiner Zutritt hat.

Sobald ich auf einer Tanzfläche stehe und die Musik um mich herum erklingt, meinen Körper erfasst, in mich eindringt und völlig ausfüllt, dann gibt es dort nur noch mich und das Gefühl von Freiheit und Unbeschwertheit, tief in mir drin. Alle Probleme verschwinden, werden kleiner und kleiner und sind dann weg, einfach fort. Das Vibrieren des Basses dringt in meinen Körper, bringt ihn zum Singen.

Dieses Gefühl erregt mich jedes Mal, wenn ich es spüre. Ich lasse den Alltag und die Vergangenheit für die Dauer eines Liedes hinter mir, bin eins mit mir selber.

Clubabende wie diesen, habe ich früher immer geliebt. In der Zeit vor Jacob und in der Zeit mit ihm, ist mir die Liebe zur Musik und zum Tanzen geblieben, aber die Reinheit des Augenblicks ist verschwunden.

Ich habe ihn zerstört. Es ist nicht die Schuld von Jacob oder all den anderen Männern nach ihm. Nein, das habe ich selber ganz gut hinbekommen. Vorsichtiger bin ich geworden, passe auf, dass mir niemand wieder zu nahekommt.

Ich sende keine Signale mehr aus, ermutige niemanden mehr Kontakt mit mir aufzunehmen. Aber egal, in welcher Stadt und in welchem Club ich verkehre, ich bin und bleibe ein Twink, bin passiv und man merkt es mir an. Zumindest merken es die Tops und egal wie ich mich verhalte, einige versuchen immer wieder ihr Glück, geben einfach nicht auf. Das alles will ich nicht mehr, darum gehe ich nicht mehr so oft in die Clubs. Bleibe lieber zu Hause.

Nur heute nicht. Heute bin ich Daniel zuliebe mitgegangen, und wenn ich einmal hier bin, dann will ich tanzen. Keine Ahnung, wie lange ich auf der Tanzfläche war, aber jetzt brauche ich eine Pause. Mein Körper hat sich verausgabt und ich schwitze heftig. Mein weißes T-Shirt klebt mir an meinem Körper. Genauso gut könnte ich mit nacktem Oberkörper hier stehen.

Meine Brustwarzen zeichnen sich deutlich unter dem dünnen Stoff ab. Ebenso wie meine gut ausgebildeten Muskeln an meinem Bauch und den Oberarmen die vom jahrelangen Tanztraining entstanden sind. Gut, die Muskeln an meinem Hintern sind auch nicht zu verachten und meine Beine können sich auch sehen lassen. Seit ich mit Angelo tanze, mache ich ein klein wenig Training nebenbei. Ich will ja in Form bleiben. Es ist neben meiner Arbeit ein Ausgleich für mich. Lässt mich ruhiger mein Leben gestalten. Es zahlt sich eben aus. Mein Körper ist fest und straff, dort wo es drauf ankommt und weich und nachgiebig an den Stellen, die höchsten Genuss versprechen. Obwohl ich die weichen und nachgiebigen Stellen schon lange nicht mehr beansprucht habe.

 

Mir ist warm und ich habe großen Durst. Das Lied ist zu Ende, ich bleibe stehen, öffne meine Augen und muss ein paarmal blinzeln, um eine klare Sicht zu bekommen. Da sind sie wieder, diese Blicke, die mich beobachten, mich abtasten, sich ihre Chancen ausrechnen, ob ich mit ihnen gehen werde. Jetzt, wo ich mich nicht mehr bewege, sondern stillstehe, um die Orientierung wiederzuerlangen, fühle ich die fremden Hände auf meinem Körper, spüre, dass man mich betatscht.

Schmerzhafte Kniffe in meinen Hintern lassen mich zusammenzucken. Das leichte Streicheln an meinen Seiten spüre ich genauso, wie die vorwitzige Hand, die sich auf eine meiner Brustwarzen legt und versucht sie zu kneifen.

Dort, wo ich eben noch ausreichend Platz zum Tanzen hatte, ist es jetzt eng um mich herum geworden. Ich werde angerempelt, festgehalten, umarmt. Es nervt mich. Bevor ich mich in Bewegung setze, um an die Bar zu gelangen, bekomme ich noch diverse Anmachsprüche hinterher gerufen.

Fuck, ich will das nicht hören, habe da keinen Bock drauf. Will einfach meine Ruhe haben. Leise verfluche ich Daniel, dass er mich überredet hat mitzugehen. Ich fühle mich hier nicht wohl. Zu viele Männer, die mich mit ihren Augen ausziehen. Der bloße Gedanke daran verursacht eine Gänsehaut auf meinem Körper, lässt mich frösteln. Schnell weg hier, runter von der Tanzfläche. Automatisch setzt sich mein Körper in Bewegung, will flüchten. Schnell schiebe ich mich an den tanzenden Körpern vorbei, gehe zielstrebig auf die Bar zu.

Dort angekommen, schwinge ich mich auf einen Barhocker und winke dem Kellner zu, damit er weiß, dass ich einen Drink haben möchte.

»Ein Whisky-Cola bitte«, ordere ich bei dem Barkeeper.

Während ich auf meine Bestellung warte, beobachte ich ihn. Früher hätte er genau in mein Beuteschema gepasst.

Er ist schnuckelig. Das Tanzen und die gierigen Hände, die mich überall berührten, haben mich doch nicht so kalt gelassen, wie ich es gerne hätte. Auch wenn ich mich bemühe, an etwas anderes zu denken.

Der Kerl hinter der Theke lässt meinen Schwanz strammstehen. Ich merke, wie meine Jeans anfängt zu spannen. Mist! Ob ich mal? Hm, Top vielleicht? Innerlich seufze ich auf, weiß, dass ich mich hinterher über mich selber ärgern werde. Aber gerade hier und jetzt ist es mir egal. Darum vermeide ich solche Abende, an denen ich mich nicht zurückhalten kann. Nur weil meine Augen die Umgebung absuchen, ob er, der eine Mann den ich immer noch suche, nicht auch hier ist und vielleicht nur auf mich wartet. Hm, ich träume schon mit offenen Augen. Nein, wie soll er auch wissen, dass ich hier bin, auf ihn warte und gefunden werden möchte.

 

Langsam versuche ich mich zu beruhigen. Mein Körper will und braucht diese Entspannung, die der Sex mir schenkt. Das Kribbeln, das sich langsam in mir ausbreitet, das Herzklopfen, bevor die Erlösung kommt, dass erobert werden, das Schmecken und das Fühlen. Mein Verstand weiß, dass ich mich hinterher schlecht fühlen werde. Das tut es immer und ich leide ein paar Tage vor mich hin, versuche es vor Daniel zu verbergen, damit er sich keine Sorgen um mich machen muss.

Was zwischen den Männern und mir passiert, ist reiner animalischer Sex. Keine Liebe. Und genau die will ich doch finden. Die Liebe und eben diesen einen besonderen Mann, der mich nimmt, wie ich bin, mit all meinen Fehlern, der das Positive in mir sieht. Der meinen Körper und meinen Geist liebt und ruhigstellen kann. Der meine Zweifel ausräumt, bei dem ich mich fallen lassen kann. Bei dem ich mich so geben kann, wie ich bin. Ich weiß, dass es ihn gibt. Irgendwo auf dieser Welt gibt es den einen Mann bestimmt. Meinen Mann.

 

Nur eben heute nicht. Nicht hier und jetzt. Hier und heute ist da dieser schnuckelige Barkeeper, der mich ebenfalls beobachtet, auch wenn er denkt, dass ich es nicht sehe. Mein Radar ist ausgefahren. Heute ist heute. Mit Morgen befasse ich mich, wenn die Nacht rum ist. Scheiß drauf. Ich bin geil und hart und die Zeit, die ich ohne einen Mann verbracht habe, will ich heute und jetzt aufgeben. Gott, ich brauche einen heißen geilen Körper, an den ich mich anlehnen kann, der mich auffängt, sonst werde ich noch verrückt vor Verlangen.

 

»Ich bin Jessy, und du?«, spreche ich ihn einfach an und warte ab, wie er darauf reagiert.

Über den Tresen hinweg, reiche ich ihm meine Hand. Er schaut mich lange und intensiv an. Was er wohl von mir halten mag? Bin ich zu forsch an ihn herangegangen? Doch dann beugt er sich zu mir rüber und gibt mir seine Hand.

»Ich bin Ben, und der Drink geht auf mich, Süßer.«

Süßer? Bin ich ein Bonbon, oder was? Irritiert schaue ich ihn an und beschließe das zu ignorieren. Er hat schließlich meinen Drink bezahlt.

Ich zwinker ihm zu und ernte vom anderen Ende der Theke einen bitterbösen Blick. Oh Schade, ist das etwa sein Freund? Habe ich da in ein Fettnäpfchen getreten? Ich merke, wie sich mein Gesicht rötet, wie meine Wangen heiß werden, und senke den Blick.

»Bist du vergeben, Ben?«, flüstere ich ihm unter gesenkten Lidern zu.

Er schaut hinter sich und grinst. Sein Blick wird weich, als er seinen Freund beobachtet. Er zieht ihn zu sich rüber und gibt ihm einen dicken Kuss auf die Wange. Der Kleine strahlt ihn an und ich kann die Liebe sehen, die beide verbindet. Den leisen Seufzer, der meinen Lippen entflieht, kann ich nicht zurückhalten. So etwas wie Neid steigt in mir hoch. Ich will auch so einen Mann, der mich mit so viel Liebe und Besitzerstolz in den Augen anschaut.

Mit dem Glas in der Hand, proste ich seinem Freund zu und winke ihn heran. »Jessy«, sage ich und reiche ihm die Hand.

»Brian. Bens Freund!«, macht er mir mit aller Deutlichkeit klar. Mein Grinsen verstecke ich hinter dem Glas.

»Tollen Freund hast du da, Brian. Pass gut auf ihn auf.« Er stockt in seiner Bewegung, schaut mir nachdenklich in die Augen und lacht mich dann an.

 

Super, da will ich mal für einen Abend meine selbst auferlegte Enthaltsamkeit über Bord werfen, weil Ben genau nach meinem Geschmack ist, da hat der Kerl einen Freund, der mir zu allem Überdruss auch sympathisch ist.

Leider hat mein Schwanz das noch nicht so ganz begriffen. Er presst sich immer noch unangenehm gegen meine Jeans. Die Knopfleiste drückt ungünstig gegen meine Länge, sobald ich mich bewege. Unauffällig versuche ich ein paarmal meine Sitzposition zu verändern. Leider ohne Erfolg. Der Druck bleibt. Meine Blicke schweifen umher, aber außer Ben ist hier niemand, der mich interessiert. Es scheint so, als ob ich heute Nacht schon wieder selber Handanlegen muss.

Schlafen kann ich mit dem Druck in meiner Hose bestimmt nicht. Zwei Drinks später und diversen Einladungen für den Darkroom von Typen, die mich nicht im Entferntesten interessieren, hat der Abend seinen Reiz für mich verloren. Noch ein Drink, dann werde ich Daniel suchen und ihm Bescheid geben, dass ich mich auf den Heimweg mache. Ich quäle mich hier nur rum und will jetzt nach Hause.

Während ich auf den Drink warte, fange ich aus lauter Langeweile an, das Lied, was gerade gespielt wird, leise mitzusingen. Meine Stimme kann sich hören lassen, sie ist sanft und ein klein wenig tief, in der unteren Stimmlage. Plötzlich steht ein kleiner süßer Twink neben mir und prostet mir zu. Er hört andächtig zu, wie ich singe, und steigt mit ein.

 

Er hat ein anziehendes Gesicht. Beim Singen sehe ich, dass er ein Zungenpiercing hat, aber am meisten machen mich jedoch seine Augen an. Sie sind hellgrau mit einem dunklen Rand, der sich gerade ausweitet und das helle auffrisst. Oh Mann, ich könnte ihn seine Augen versinken und alles um mich herum vergessen, für den Augenblick jedenfalls. Sein Mund scheint immerfort zu lachen. Er mustert mich von oben bis unten und das, was er sieht, scheint ihm zu gefallen. Max ist sein Name. Neu in Berlin.

So süß, wie er auch ist, sexuell reizt er mich überhaupt nicht. Er weiß genau wie ich, dass wir nicht zusammen im Darkroom landen werden.

Zwei Twinks, das macht keinen Spaß. Wir würden uns wohl zanken, wer passiv und wer aktiv sein darf. So offen ich für neue Sachen auch bin, bis auf zwei oder drei Mal war ich immer passiv. Nicht weil ich es muss, nein ich will es so.

Ich liebe es, wenn mein Liebhaber weiß, was er mit seinem Schwanz bei mir alles darf. Bevor ich mich so richtig fallen lassen kann, brauche ich Zeit und Vertrauen, die die meisten Tops nicht aufbringen wollen oder können. Nein, denen geht es nur um einmal schnell Ficken und das war’s. Du stehst noch mit runtergelassener Hose vor ihnen und schwupps sind sie weg. Das ist so erniedrigend.

Nach der Sache mit Jacob, habe ich mich ihnen angepasst. Habe meinem Körper Befriedigung verschafft, habe genommen, was sich mir anbot. Und es haben sich etliche angeboten. Meinem Körper, meinem Schwanz und meinem Arsch habe ich besorgt, was er benötigte, nur mein Herz habe ich dabei sträflich vernachlässigt.

 

Es hat Tage gegeben, da hasste ich meinen Anblick im Spiegel für das, was ich gemacht habe. Ich wusste, das bin nicht ich, der da so ungehemmt seinem Vergnügen nachjagt. Es hat einige Zeit gedauert, bis ich es kapiert habe. Mein Verstand begriff zu langsam, dass ich in den Clubs den Mann meines Lebens nicht finden werde. Alles habe ich freiwillig mit mir machen lassen, bin zu nichts gezwungen worden und zum ersten Mal in meinem Leben, habe ich mich so richtig geschämt.

In dieser Zeit war ich nicht mehr Jessy, ich war nur ein williges Bückstück für jeden, der mir gefiel und manchmal taten sie noch nicht einmal das. Hauptsache, er war ein Top und hatte eine prall gefüllte Hose. Einen Dom zu finden, habe ich in dieser Zeit ausgeschlossen. Ein paar waren dabei, erkannten den Sub in mir, aber sie wollten mich nur knechten, mich verletzen. Keiner wollte mich anleiten, nein das war ihnen zu schwierig, also bin ich bei den Tops geblieben, da wusste ich, woran ich war.

Das war damals, in Hamburg.

Heute lebe ich in Berlin, habe das alles hinter mir gelassen, habe mir die Hörner abgestoßen und kann es bis heute nicht fassen, was ich da alles gemacht habe. Nicht nur meinem Körper habe ich vieles zugemutet, nein auch meinem Bruder Daniel.

Er, der stets um mich besorgt ist, mich schon zwanghaft, wie eine Glucke unter Beobachtung hält, ihm habe ich am meisten zugesetzt. Ich schäme mich, dass es so weit gekommen ist. Aber ich habe Besserung geschworen und dies versuche ich auch einzuhalten.

So dachte ich bis zu diesem Zeitpunkt jedenfalls noch. Heute Abend ist irgendwie alles anders. Alleine schon die Tatsache, dass Daniel mich so intensiv bedrängt hat mitzukommen. Das tut er sonst nie. Hm, wie naiv bin ich eigentlich? Was will er damit bezwecken? Er will mich doch nicht verkuppeln? Ach was, nein das würde mein Bruder nie machen.

Max und ich unterhalten uns, tauschen Erfahrungen aus. Vergleichen die Tops, die uns nicht aus den Augen lassen. Welcher Typ Top verspricht am meisten, woran erkennt man, ob es passt, ob die Vorlieben übereinstimmen, wer gut ist, wer nur an seine eigene Befriedigung denkt. Lustig ist, dass Max Daniel, als einen potenziellen Kandidaten für sich auserkoren hat. Wie es scheint, hat Daniel uns die ganze Zeit nicht aus den Augen gelassen. Kaum stand der Kleine neben mir, stellt Ben auch schon zwei Getränke vor uns hin.

Auf meinen irritierten Blick hin, hat er die Hand gehoben und auf Daniel gezeigt, der gegenüber am Geländer der oberen Empore steht und uns beobachtet. Neben ihm steht noch so ein Kerl. Mann ist der riesig. Genau wie mein Bruder ist er gut gebaut und sein Gesicht ist unbeschreiblich männlich. Beobachtet er mich etwa die ganze Zeit schon? Hm, er starrt mich regelrecht an. Oh, nun ist er weg. Na ja, was soll ich mir Gedanken über etwas machen, das ich eh nicht beeinflussen kann. Aber er sah auch mal zu gut aus.

Verflixt, wieso schlägt mein Herz plötzlich so schnell?

Hektisch wende ich den Blick ab und drehe mich wieder Max zu. Es macht Spaß hier mit ihm zu sitzen und sich zu unterhalten. Endlich mal keiner, der mich flachlegen will. Nein, wir sitzen Schulter an Schulter, trinken uns einen Whisky und reden über Gott und die Welt, sodass ich Daniel einfach ignorieren kann. Ein Blick auf meine Armbanduhr verrät mir, dass wir mittlerweile bereits seit über einer Stunde hier zusammensitzen. Genau wie ich, lehnt er alle Angebote der Tops ab. Unsere Unterhaltung scheint ihn wirklich mehr zu interessieren als ein schneller Fick im Darkroom.

Wir sind wohl heute Abend beide keine leichte Beute für die anwesenden Tops. Ich bin es nicht mehr und er scheint es auch nicht zu sein. Er gefällt mir. Als Mensch, nicht als Twink oder als Sexpartner. Er macht einen sehr netten Eindruck, ist locker drauf und weiß anscheinend, was er will. Er ist wie ich, bevor ich Jacob begegnet bin. Der Abend gefällt mir. Ich bin entspannt, habe Spaß und wer weiß, vielleicht habe ich heute einen neuen Freund gefunden.

Plötzlich fällt ein Schatten neben mir auf die Theke. Noch bevor ich mich umdrehen und nachschauen kann, wer neben mir steht, spricht mich jemand an.

»Hey Kleiner, Lust?«

Häh? Spinnt der?

»Auf was?«

»Ficken?«

Ich fasse es nicht, so eine blöde Anmache. Hundertmal gehört und noch immer kann ich dieser Frage nichts abgewinnen.

»Kann man das essen?«, frage ich ihn ganz erstaunt.

Max bricht neben mir in einen Lachanfall aus, sodass ich mitgrinsen muss. Wir schauen uns an und schütteln den Kopf. Nein, dieser Top hat keine Chance, weder bei mir noch bei ihm. Der Kerl scheint wirklich nicht sehr helle zu sein. Ich fühle eine fremde Hand, die meinen Arm streichelt und eine zweite auf meinem Hintern.

»He, Finger weg du Arsch. Habe ich dir erlaubt mich anzufassen?«, schreie ich ihn wütend an und schlage die Hand weg.

Er ignoriert das und packt mich nur noch härter an. Ich hasse solche Männer, die kein nein akzeptieren können. Was bildet er sich eigentlich ein? Seine Hand legt sich nun auf meinen Bauch, schiebt sich zügig zu meinem Schwanz runter, packt zu und reibt ihn fest. Der Stoff meiner Jeans scheuert unangenehm darüber. Keine Ahnung, wen so etwas anmacht. Mich auf jeden Fall nicht. Ich hasse das, könnte kotzen. Das hier macht mich gerade so richtig wütend, und wenn ich wütend werde, dann schaltet mein Denken, mein Verstand sich aus und ich schlage um mich.

 

Ich erstarre und die Wut breitet sich in meinen ganzen Körper explosionsartig aus. Lässt mich vibrieren, pumpt Adrenalin durch meine Venen. Meine Hände schließen sich zu Fäusten. Seine Hand, die mich am Arm gestreichelt hat, drängt sich von hinten in meine Jeans und ein Finger taucht ab in meine Spalte. Reflexartig kneife ich die Pobacken zusammen, um ihm so ein weiteres Vordringen unmöglich zu machen. So dreist war schon lange keiner mehr. Nun reibt er sich an meinen Hintern und ich spüre seinen harten Schwanz. Das ist mehr als die übliche Anmachtour. Nicht mit mir. Nicht mehr. Nie mehr.

Mir reicht’s.

Ups. War das gerade wirklich mein Ellenbogen, der sich da mit Schwung in seinen Magen gräbt. Tja, Pech gehabt, du Arsch. Ich bestimme, wer seine Finger in meinen Hintern schiebt. Schnell drehe ich mich um und springe vom Barhocker. Huch, die ruckartige Bewegung lässt mich leicht schwanken.

»Finger weg!«, schreie ich ihn an, schubse ihn weg und er fällt gegen die Theke. Seine Augen schauen böse auf mich hinunter und er greift nach meinen Armen. Wütend blitze ich ihn an, zische ihm zu: »Wenn du deine Finger behalten willst, dann nimm sie ganz schnell weg, sonst vergesse ich mich.«

Da lacht er mich doch tatsächlich aus, versucht mich Richtung Darkroom zu ziehen. Wieso kann er meine Abfuhr nicht wie ein Mann hinnehmen. So wütend, wie ich im Moment bin, sehe ich sprichwörtlich rot, entreiße ihm meinen Arm, hebe die Hand und verpasse ihm eine Ohrfeige, die sich gewaschen hat. Seine Verblüffung, als meine Hand auf seiner Wange landet, es laut klatscht, nutze ich aus und mache mich eilig auf den Weg zu Daniel.

Da ich Max nicht alleine bei dem Scheißkerl lassen will, packe ich ihn kurzerhand am Arm und zerre ihn hinter mir her. So ganz trittfest bin ich irgendwie auch nicht mehr, als ich mehr schwankend als gehend die Treppe raufrenne. Es ist wohl nicht nur die Wut, die meine Sicht trübt. Es wird wohl wirklich langsam Zeit, nach Hause zu gehen.

Noch bin ich halbwegs nüchtern, aber wenn ich noch länger hierbleibe, wird sich das rasch ändern. Und dann bin ich nicht mehr ich, sondern mutiere zu einem sexbesessen Twink. Der sich den erstbesten Top schnappt und mit ihm in den Darkroom verschwindet. Der sich breitbeinig mit heruntergelassener Hose, an der Wand vögeln lässt. Ob ich dabei zu einem Orgasmus kommen werde, ist dahingestellt. Sobald ich nüchtern werde, hasse ich mich wieder, weil ich nicht widerstehen konnte. Oh Mann Daniel, was hast du nur angerichtet, indem du mich hierhin geschleppt hast?

Nein, besser ich gehe sofort nach Hause. Meine Schritte werden zügiger und ich habe das Gefühl, schnell eine gewisse Distanz zu meinem Möchtegern-Stecher zu bekommen.

Als ich um die Ecke biege, renne ich in einen Kerl hinein, der meinen Lauf abrupt stoppt. Meine Nase landet an einer breiten Brust und meine Hände greifen im Reflex nach zwei starken Oberarmen, um Halt zu finden. Wer auch immer da vor mir steht, verströmt einen Duft, der meine Sinne berauscht. Genießerisch schließen sich meine Augen und ich inhaliere diesen Duft, nehme ihn tief in meiner Lunge auf.

 

Sandelholz mit einem Hauch Vanille. Hm, ich stecke meine Nase noch mal in das Hemd, kann von diesem Duft einfach nicht genug bekommen. Wie unter Zwang, fährt meine Zunge leicht über das kleine Stückchen Haut an seinem Hals. Er duftet nicht nur berauschend, nein er schmeckt auch noch gut. Mein Herz klopft schneller, als ich benommen meinen Kopf hebe und in ein paar dunkelblaue Augen schaue, darin versinke. Ich bin wie paralysiert, kann mich im ersten Moment nicht bewegen. Da ist er wieder. Der Mann, der mich die ganze Zeit beobachtet hat.

Verlegen und hochrot im Gesicht, stottere ich: »Oh, entschuldige bitte, das war keine Absicht. Tut mir leid. Habe ich dich verletzt?«

 

Atemlos und nach Luft schnappend kommen die Worte über meine Lippen.

Der Blick, den er mir zuwirft, lässt meine Libido erwachen. Mist. Warum jetzt? Ich war doch schon fast auf dem Heimweg. Abgesehen von den offensiven Einladungen einiger Tops, war es ein toller Abend. Entspannt und ohne Gefahr etwas Dummes anzustellen. Bis jetzt jedenfalls.

Mein Gegenüber verändert gerade alles, was ich mir vorgenommen habe. Meine Prinzipien verblassen schneller als ich sie wieder aufbauen kann. Von Minute zu Minute benebelt sein Duft immer mehr meinen Verstand. Obwohl ich es weiß, dass das hier kein gutes Ende nimmt, komme ich nicht gegen die Faszination an, die er auf mich ausübt. Meinen Schwanz interessiert mein Gewissenskonflikt nicht, er ist wieder hart und drückt sich fest an der Knopfleiste meiner Hose, so als ob er mir sagen will: Nimm ihn. Er gehört uns.

 

»Jessy«, höre ich wie durch eine Nebelwand hindurch, hinter mir meinen Bruder sagen. »Beruhige dich. Hier geschieht dir nichts. Das ist Dante, mein Chef und Besitzer des Clubs.«

Wie ich soll mich beruhigen? Als wenn das jetzt gerade ginge, wo mein Herz so laut klopft und mein Schwanz sich an ihm reiben will. Was, Dante? Oh Mann, jetzt sitze ich wirklich ihn der Klemme.

So sehr ich Daniel auch liebe, aber gerade will ich nicht von dieser berauschenden Brust weg. Kräftige Arme halten mich eng an einen großen Körper gepresst. Anstatt mich nach Daniel umzudrehen, rücke ich noch näher an ihn heran. Hier fühle ich mich wie zu Hause, bis mir sein Name ins Gedächtnis rückt. DANTE? Dieser Dante? Daniels Chef? Ach … egal ob es sein Chef ist oder nicht. Ich will hier nicht weg.

Eine Hand legt sich von hinten auf meine Schulter und versucht mich von meinem Retter wegzuziehen. Widerstrebend öffnet dieser seine Arme und lässt zu, dass Daniel mich wegzieht. Oh je, was passiert da mit mir? Hinter Daniel steht Max und versucht lautstark zu erklären, was geschehen ist.

»Da war so ein Idiot von Top, der … der hat ihn am Schwanz gepackt, und versucht seinen Finger in Jessys Hintern zu stecken. Aber dem hat er es gegeben!«, berichtet er. Seit dem Vorfall können nur wenige Minuten vergangen sein, aber es kommt mir wie eine Ewigkeit vor.

Daniel richtet seinen Blick auf Max, und dass was er sieht, scheint ihm zu gefallen. Max hält Daniels taxierendem Blick stand und mustert ihn ebenfalls. Interessant, da scheint sich etwas anzubahnen. Ich kenne Daniels Raubtierblick, wenn ihn jemand interessiert. Der Mann hinter mir dreht mich wieder zu sich um, hält mir grinsend ein mit durchsichtiger Flüssigkeit gefülltes Glas entgegen.

»Hier Kleiner, nimm erst mal einen Schluck und beruhige dich.«

 

»Finde ich nicht zum Lachen«, murmel ich beleidigt, schnappe das Glas aus seiner Hand, nehme einen großen Schluck und huste mir die Seele aus dem Leib. Meine Augen fangen an zu tränen. Was hat er mir da gegeben? Lachend hält er mich fest und streicht sanft über meine Wangen, um die Tränen mit seinen Fingern aufzufangen.

So eine harmlose Geste, doch sie entfacht ein Feuer in mir. Wie lange ist es schon her, dass mich einer, außer Daniel, so sanft berührt hat? Der Raum verschwindet aus meinem Sichtfenster, die Stimmen um mich herum verstummen. Da sind nur er und ich. Sein Anblick macht mich sprachlos. Mein Herz klopft so laut, dass ich es hören kann. Mein Blut rast auch schon wieder nach unten, sammelt sich in meinen Schwanz und bringt ihn zum Klopfen. Mist, da wird es gerade nass in meiner Pants, als die ersten Lusttropfen aus meiner Schwanzspitze quellen. Aufgeregt schlucke ich, schaue wie gebannt in seine Augen. Wenn ich jetzt eine Frau wäre, dann würde ich ihm ohnmächtig in die Arme fallen. Oh, wie peinlich ist das denn?

 

 

 

 

 Kapitel 4

Dante

*~*~*~*

Innerlich muss ich grinsen. Da steht er mir nun gegenüber. Daniels Bruder. Er, der mich bereits die ganze Zeit angemacht hat mit seiner Tanzerei. Sein Blick eben, der meinen gefangen nahm, mir die Luft abschnürte und die dominante Seite in mir zum Vorschein brachte. Er kommt einfach die Treppe rauf gerannt, nachdem er dem aufdringlichen Kerl unten eine gescheuert hat. Rennt mich fast über den Haufen und versteckt seine Nase an meinem Hals. Eine Gänsehaut überkommt mich und lässt mich erschauern.

Dieser Kerl reizt mich ungemein. Schon seit Ewigkeiten habe ich dieses Gefühl nicht mehr gespürt. Was ist bloß los mit mir? Ich habe mir doch geschworen, nur Sex ohne Gefühl. Ficken: Ja! Liebe: Nein! Niemals.

Irgendetwas erwacht in meinem Inneren. Es ist nicht zu beschreiben, man kann es nur fühlen und es ist tief in mir drin und das macht mir große Angst.

Die Jagd, die mich sonst immer so gereizt hat, die Twinks, die sich mir ergeben haben, all das ist mit der Zeit langweilig geworden. Sie ergeben sich zu schnell, geben sich mir direkt hin. Das ist keine Jagd mehr, kein lustvolles Erlegen.

Wenn ich sie härter anpacke, brechen die meisten prompt zusammen. Jeder hier im Club weiß, dass ich ein dominanter Top bin, ein Dom halt und jeder, der mit mir geht, weiß, auf was er sich einlässt. Ich liebe es, wenn meine Männer nach einem guten Fick mit mir, das Zimmer mit einem heißen roten Arsch verlassen.

JESSY … Sein Name zergeht wie Honig auf der Zunge. Diese Augen, so hell, so fiebrig glänzend voller Lust. Ich kann genau beobachten, was für eine Wirkung ich auf ihn ausübe. Er verbirgt nichts vor mir. Verschließt sich nicht. Wie er mich ansieht, dieser Mund, diese Lippen. Ob sie genau so weich sind, wie sie aussehen? Ich höre, wie er tief Luft holt. Schnuppert er etwa an meinem Hemd? Spüre ich da etwa seine nasse Zunge an meinem Hals? Wenn ich ihn mir jetzt greife, ob er es sich gefallen lässt?

Wie er sich gegen den anderen Top gewehrt hat. Wie eine Katze hat er seine Krallen ausgefahren und die Ohrfeige war auch nicht von schlechten Eltern.

Ich grinse ihn an. Er weicht meinem Blick aus, sieht nach unten. Anscheinend mache ich ihn nervös, so oft, wie er sich mit den Händen über seine Hose streicht. Wieder hebt er scheu den Kopf und senkt ihn dann sofort, als sein Blick meine Augen trifft. Himmel, genau mein Geschmack. DEVOT!  

Und dieser kleine Knackarsch erst zieht mich magisch an. Genau passend für meine Hand. Sein Haar ist schwarz, zu einem Zopf geflochten und geht ihm bis zum Hintern. Schon im Geiste sehe ich, wie ich diesen Zopf löse, mit den Händen durchfahre und mein Gesicht in der seidigen schwarzen Mähne vergrabe. Wenn ich mir jetzt seinen langen Zopf um meine Faust wickle, dann habe ich ihn und er kann mir nicht mehr weglaufen.

Eigentlich kann ich Menschen ganz gut einschätzen. Kann an ihrer Körperhaltung und ihren Gesten erkennen, was sie antreibt, wer sie sind. Daniel hat mir die Geschichte erzählt, die seinen Bruder fast vernichtet hat. Schonungslos hat er kein noch so kleines Detail ausgelassen.

Ich weiß, dass es ihm nicht leichtgefallen ist und alte Wunden wieder aufgerissen sind.

Er liebt seinen Bruder über alles. Jessys Verhalten nach der Sache mit Jacob hat nicht nur beinahe ihn alleine zerstört, sondern auch noch Daniels Leben. Daniel war entsetzt über das ganze Ausmaß der Selbstzerstörung, die Jessy begangen hat. Der Boden ist den beiden durch Jacobs Tat, unter den Füßen weggezogen worden.

 

Nachdem ihm klar war, was Jessy jeden Abend praktizierte, hat er versucht ihn so gut wie möglich zu beschützen. Er hat seinen Einfluss in der Hamburger Szene genutzt und ein Jessy Verbot erteilt. Daniel hat gehofft, er würde seinem Bruder helfen und ihn vor weiteren seelischen Schmerzen und Selbstzweifeln bewahren. Doch genau das Gegenteil ist eingetreten. Als er in der Clubszene keinen mehr abschleppen konnte, hat Jessy sich auf die Spelunken rund um die Reeperbahn verlegt und dort seine Männer gesucht. Aber eins hat er nie gemacht, er hat sich nie verkauft, nein das nicht.

Er hat ein Leben wie im Rausch geführt. Anstatt Alkohol und Tabletten war er regelrecht sexsüchtig. Etwas muss sich in ihm verändert haben, irgendwas ist in Hamburg passiert, das ihn nach Berlin hat flüchten lassen. Daniel hat immer geglaubt, dass Jessy devot veranlagt ist, aber sein Verhalten in dieser Zeit hat alles auf den Kopf gestellt. Er war wütend, manches Mal auch sehr traurig, wenn er nach Hause zurückkam.

Was Jessy letztendlich dazu bewogen hat, von heute auf morgen mit seinem Verhalten aufzuhören und unbedingt die Stadt wechseln zu wollen, weiß auch Daniel nicht. Er hat versucht mit ihm darüber zu reden, aber Jessy hat jedes Gespräch abgeblockt.

Und Daniel war einfach zu erleichtert, dass es endlich vorbei war. Er hat nicht weiter gebohrt, sondern alle Brücken hinter ihnen abgebrochen und mich angerufen.

Jessy soll hier ein ruhiges Leben führen, ohne von der eigenen Vergangenheit eingeholt zu werden.

Durch sein Verhalten in Hamburg, hat er seinen Job verloren und stand nun ohne Arbeitspapiere da. Seine ersten Bewerbungen in Berlin kamen abgelehnt zurück. Das war dann der Moment, wo Daniel mich mit ins Boot holte. Ich habe meine Beziehungen spielen lassen und Jessy einen Arbeitsplatz besorgt. Marc, ein Freund von mir, hat eine eigene Agentur für Inneneinrichtungen. Genau das, was Jessy gelernt hat.

Bei Daniel war die Sache von Anfang an klar. Ihn wollte ich schon als Geschäftsführer an meiner Seite haben, seitdem ich den Club übernommen habe. Unsere gemeinsame Zeit in Wien hat ihn zu einem Teil meiner Familie gemacht. Einzig Jessys wegen ist er zurück nach Hamburg gegangen. Ich muss zugeben, ich war neugierig auf den Bruder. Aber niemals habe ich damit gerechnet, dass er mich so durcheinanderbringt.

 

Je länger ich ihn beobachte, desto besser kann ich die Kerle in Hamburg verstehen. Er ist eine Augenweide. Ein Juwel mit seinen Augen und seinem Körper.

Wenn ich mich auf ihn einlasse und wenn auch nur für diese Nacht, ist das wie ein Tanz auf einem Vulkan oder eine Partie russisches Roulette. Laut Daniel, ist Jessys letzter Sex schon einige Zeit her. Nach seinem Verschwinden aus der Hamburger Clubszene hat er enthaltsam gelebt. Kein Kerl weit und breit. Wenn er Sex hatte, dann wohl nur mit sich selbst. Was erwartet mich, wenn ich ihn heute Abend mitnehme? Das ist das erste Mal seit meiner Zeit nach Alexander, dass ich meine eisernen Regeln übergehe. Die Nacht wird auch für mich eine neue Erfahrung werden. Werde ich es überhaupt schaffen, Erfüllung zu finden, wenn er nicht so devot ist, wie Daniel sagt? Oder wird es ein Fiasko werden? Fragen über Fragen. Aber die Antworten werde ich nur finden, wenn ich es mit ihm versuche.

Die Sache mit dem Top hat ihn anscheinend mehr mitgenommen, wie ich anfangs dachte. Er ist ganz bleich geworden und seine Atmung geht viel zu schnell. Bevor er etwas sagen kann, halte ich ihm mein frisch aufgefülltes Glas hin. Ein Schluck von meinem Spezialgetränk wird ihn entspannen. Ehe ich ihm sagen kann, dass er den Inhalt schluckweise trinken soll, hat er es auch schon runtergekippt. Alle Achtung.

 

Eins muss ich ihm lassen, auch wenn er sich gerade die Seele aus dem Leib hustet und Tränen über seine Wangen laufen, er lässt sich nicht so schnell unterkriegen.

Zärtlich streiche ich mit meinen Fingern über die Tränenspuren und verwische sie.

Stopp! Zärtlich … Wo kommt denn dieser Gedanke her. Ich bin vieles, aber ganz bestimmt nicht zärtlich. Wieso auch? Ich kenne ihn doch gar nicht. Heute Abend will ich meinen Spaß mit ihm haben, will sehen, ob er im Bett genauso leidenschaftlich ist wie auf der Tanzfläche. Seinen willigen Körper will ich unter mir spüren, tief in ihm eintauchen und alles um mich herum vergessen. Einen Abend, eine Nacht, dann verabschieden wir uns und das war’s. Dann kann ich mir sein Bild ansehen, ohne vor lauter Verlangen zu denken, wie es wohl sein wird ihn zu besitzen.

Sicher werden wir uns noch öfters über den Weg laufen, vielleicht werden wir uns auch anfreunden, denn immerhin ist er Daniels Bruder. Es wird sich nicht vermeiden lassen. Zusammen passen wir auf ihn auf, versuchen ihn vor seinem Ex zu schützen. Er hat mir mein Ehrenwort abgeluchst, hat mich damit überfahren, hat unsere Freundschaft erwähnt. Also passe ich auf ihn auf, wenn Daniel mal keine Zeit hat. Daniel liebt seinen Bruder und ich liebe Daniel. So einfach ist das. Ich werde mich bemühen und ihn hinterher nicht direkt wegschicken. Wir können ja noch etwas reden, einen trinken und uns kennenlernen. Ja, so müsste es klappen. Erst der Sex, dann den Weg für eine Freundschaft einschlagen.

 

Die Stimme tief in mir drin, die mir gerade zuflüstert, dass das keine gute Idee ist, möchte ich nicht hören. Und schon gar nicht beachten.

Er reizt mich. Schon lange habe ich dieses Gefühl nicht mehr genossen. Wenn ich dem Verlangen jetzt nicht nachgebe, wird es mich nicht mehr loslassen. Es wird mehr und mehr, bis ich alle Vorsicht über Bord schmeiße und mir einfach nehme, was ich will, was ich brauche. Er macht mich verrückt, so wie er da vor mir steht. Den Blick auf meine Brust gerichtet, atemlos von dem scharfen Geschmack des Alkohols, mit glänzenden Augen und diesem Hunger im Blick, der einfach unbeschreiblich ist.

Er will mich genauso sehr, wie ich ihn will. Sein harter Schwanz drückt sich gegen mein Bein, reibt sich sanft daran. Dieser kleine Sub macht mich total geil. Dabei ist er all das, was ich die letzten Jahre seit dem Fiasko mit Alexander, gemieden habe wie der Teufel das Weihwasser.

 

Daniel hat die ganze Zeit immer mit mir in Kontakt gestanden. Ich weiß alles, was in Hamburg vorgefallen ist. Na ja, fast alles. Eine Sache habe ich nie wirklich in Erfahrung bringen können, aber alles andere habe ich schwarz auf weiß. Nachdem in den Clubs dank Daniels Eingreifen nichts mehr für ihn ging, hat er sich in den einschlägigen Etablissements herumgetrieben.

Anfangs war er willkommenes Frischfleisch, attraktiv, jung und für alles zu haben. Er hat nichts ausgelassen. Daniels Angst, dass er diese Zeit nicht überlebt, war nicht unbegründet. Dass er schadlos daraus hervorgegangen ist, grenzt an ein Wunder.

Irgendwann war einfach Schluss. Keine Saunas, keine Kinosäle, adieu Mystery Hall. Weder Daniel noch mein Informant haben jemals herausgefunden, wie es dazu kam. Offiziell hat er seitdem keinen Sex mehr gehabt, keinen Freund und keinen Partner. Jessy war schlimmer und gieriger, als Alexander es je gewesen ist.

Wie kann es also sein, dass ich ihn begehre, obwohl ich alles hasse, was er getrieben hat, was er darstellt. Auch wenn Daniel mich umbringt, wenn ich es jemals laut aussprechen sollte, aber er war fast schon ein Stricher. Das Einzige, was ihn von den Jungs am Straßenstrich unterschied war, dass er nie Geld dafür genommen hat. Was stimmt also nicht mit mir, dass ich von allen Twinks die heute hier sind, er der Einzige ist, den ich haben will?

 

Von dem Zeitpunkt an, wo ich ihn tanzen sah, habe ich mir vorgenommen, dass morgen früh sein Hals wund sein wird. Es wird mein Name auf seinen Lippen sein, den er schreien wird, den er in die Nacht brüllt. Er wird mich anbetteln, in endlich zu nehmen. Und betteln werde ich ihn lassen. Ich will ihn nicht einfach nur nehmen. Nein, genussvoll möchte ich mich in ihn versenken, werde ihn am Rande seines Orgasmus halten, bis ich ihm befehle, dass er kommen darf. Er wird mir gehorchen oder ich werde ihn bestrafen. Zum Schluss soll sein Schwanz ausgepumpt und leer sein, von den Orgasmen, die ich ihm gewähre, während mein Schwanz ihn auf alle denkbaren Arten und Weisen in Besitz nehmen wird.

 

Bei der Vorstellung, wie ich ihn betteln lasse, wie er voller Verlangen kommen möchte, ziehen sich meine Hoden schmerzhaft zusammen. Seine Zeit läuft ab. Bald gehört er für einige Stunden mir. Auch wenn pur, ohne Kondom, nicht infrage kommt, hat sich der Gedanke in meinem Kopf eingenistet in dem Moment, wo er sich an meinem Körper rieb. Wenn er nach der Nacht nach Hause geht, wird er wissen, wer ihn gefickt hat. Ich werde keine anonyme Nummer oder ein unbekanntes Gesicht für ihn sein, wie in seiner Hamburgerzeit. Wenn wir uns das nächste Mal irgendwo begegnen, wird er wissen, wer ich bin und das ich alles über ihn weiß. Er wird mich nie vergessen. So wie ich ihn nie vergessen konnte, seit der erste Bericht auf meinem Schreibtisch gelandet ist.

 

 

 

 

 

 

 

Nun kommen wir zu Joy und Daniel!

 

 

Da saß ich vor meinem PC und überlegte, wie ich mir Joy eigentlich vorstellen würde. Zwar ein Twink, aber trotzdem ein Mann. Keine kleine Tunte, die sich wie eine Diva gab. Nein, er sollte trotzdem ein ganzer Mann sein. Er sollte so ganz anders rüberkommen. Feminin, klein, so dass er den Wunsch in einem Mann erweckt,  ihn beschützen zu müssen. Doch er sollte auch nicht auf den Mund gefallen sein.

Nun ja, die engen Freunde, die mich kennen, wussten sofort, um wen es sich hier handelte. Ja doch. Ich bin Joy. Genauso blonde Locken, klein, temperamentvoll und mit dunklen Augen. Eine Bikerin und ich habe auch mal mit Selbstverteidigung angefangen. Auf FF kam sie so toll an, dass ich wirklich erstaunt darüber wahr. Wie es so ist, eine Kurzgeschichte ist kein Buch, also ran an die Tastatur und Wochenlang überlegt. Joy sollte zwar feminin sein, sich ärgern, wenn man ihn jedes Mal mit einer Frau verwechseln würde. Doch genau wie Jessy sollte er trotzdem noch männlich rüberkommen. Wer denkt denn, dass ein kleiner Kerl kein Mann ist? Eben!

Ich erfand seinen Stiefbruder Tom, der groß, dominant und Inhaber eines Studios für Selbstverteidigung ist. Er passte schon seit Jahren auf Joy auf und wusste um seine devote Veranlagung. Auch, dass er sich gegen die anderen Jungs in der Schule nicht richtig wehren konnte. Daher zeigte er Joy, wie er sich behaupten kann und er machte seine Sache mehr als gut. 

 

 

Nun zu Daniel. Hm, Jessy Zwillingsbruder - 3 Minuten älter und so ganz anders als Jessy. Ein Mann, der mit beiden Beinen im Leben steht und in Jessys schwersten Stunden immer für ihn da war, fast sein Leben für den geliebten Bruder geopfert hat.

Daniel suchte einen Partner, der groß sein sollte. Männlich und am liebst devot. Was aber passiert? Er lernt Joy kennen, ist entsetzt darüber, dass es eine Frau ist, in die er sich verliebt hat. Er stellt sich die Frage, ob er wirklich so schwul ist wie er denkt, oder doch Bisexuell. Bis er endlich entdeckt, dass dort ein Mann vor ihm steht und sich in sein Herz geschlichen hatte, ohne das er es verhindern konnte. Ein keiner Engel, der sich zu wehren weiß und sich direkt in Daniel verliebt. Er freundet sich mit Jessy an und zusammen erleben sie die tollsten Abenteuer.

Daniel muss genau wie Dante um seinen Mann werben, weil Joy nicht glauben kann, dass so ein starker, großer Top sich ausgerechnet in ihn, so einen kleinen, feminin wirkenden Mann, verlieben könnte. Auch kosten die Jungs durch ihre Eskapaden Dante und Daniel die letzen Nerven, weil sie immer hinter ihnen herlaufen mussten. Hier entstanden dann zum ersten Mal ihre berühmten Touren durch die Berliner Bars.

Dann Joys Leidenschaft fürs Motoradfahren, die Daniel ein Dorn im Auge war. Es kommt zu einer Auseinandersetzung, die beiden alles abverlangt. Joy ist mental stark, leidet zwar darunter, dass er so feminin aussieht, aber er braucht Daniel, will sich ihm unterwerfen, damit er endlich erkennt, dass er angekommen ist. Ob die zwei es schaffen?

 

 

Hier ist seine Leseprobe 

 

 

 

 

Blackline 2 Joy & Daniel

 

 

 


Kapitel 1

Joy

*~*~*~*

Kennt ihr das??

Man wird geboren, wird in eine Welt gestoßen, in der nur die stärksten und größten überleben können. Mit jedem Jahr, das du älter wirst, wächst dein Körper, verändert sich, wird bei uns Jungs männlicher. Der Bartwuchs beginnt. Der Schwanz erwacht. Du bist so stolz, als die ersten Schamhaare hinzukommen. Die Pubertät macht dir sehr zu schaffen. Du bist launisch, unzufrieden mit deinem Körper, deinem Gesicht.

Ich beobachte, wie bei den anderen Jungs Pickel dazukommen und wie der Stimmbruch einsetzt. Die Freunde wachsen, werden immer größer - und ich? Ich bleibe klein und zierlich. Statt Pickel bleibt die Haut klar und rein. Mein Gesicht sieht aus wie gemalt und Bartwuchs ist auch nicht vorhanden. Nur etwas Flaum entsteht, der nicht einmal Wert ist, sich einen Rasierer zu kaufen. Stimmbruch? Nun ja, wenn ich einen gehabt habe, dann ist er mir nicht aufgefallen. Voller Sehnsucht habe ich darauf gewartet, dass mein Körper sich vielleicht doch noch etwas männlicher entwickeln würde. Fehlanzeige.

Seit der Teenagerzeit werde ich von vielen als Mädchen angesehen. Ist zwar okay, doch wenn du wie ich auf Jungs stehst, dann wird aus einem kleinen Problem ein riesengroßes, wenn du älter wirst. Wer will schon einen Kerl im Bett haben, der wie eine Frau aussieht? Ich jedenfalls nicht! Daher kann ich die Männer verstehen, wenn sie mich ansehen, sich vorstellen, dass mein Glied genauso klein sein könnte wie ich. Wer geht mit einem zierlichen, mädchenhaft aussehenden Twink in den Darkroom, will ihn vögeln, wenn er viel mehr Wert auf Muskeln legt? Ich glaube, keiner!

Aber mit beiden kann ich dienen. Muskeln habe ich an den richtigen Stellen und einen Schwanz habe ich auch zwischen den Beinen. Bevor sich jedoch ein Top die Mühe macht, mich mitzunehmen und von meiner Kleidung zu befreien, sodass er mich nackt sehen kann, stempelt man mich immer gleich als zu feminin ab. Mutter Natur konnte sich wohl nicht entscheiden und hat dann einen Kompromiss beschlossen, ohne dass ich ein Mitspracherecht bekam. Viele sehen von oben herab auf den vor ihnen stehenden Körper. Doch sie können mir noch so viele geringschätzige Blicke zuwerfen, ich bin stolz auf mich, meinen Körper und mein Aussehen.

Joy Benson ist mein Name. Meine Mutter hat mich nach vielen Komplikationen empfangen, geboren und in die Welt entlassen. Sie gab mir den Namen Joy, was so viel wie »Freude« heißt. Ob ich das für sie auch in meiner Jugend gewesen bin, steht auf einem anderen Blatt. Ich bin 26 Jahre alt. Nun ja, die Größe von 1,69 m und den zierlichen Körperbau mache ich mit meinem vorlauten Mund wett. Und 63 kg Körpergewicht ist auch schon was. Auch wenn ich mit den silberblonden Locken und den tiefschwarzen Augen eigentlich wie eine Frau aussehe, habe ich einen Schwanz zwischen den Beinen, der nicht so klein und zierlich ist, wie ich es bin. Nein, er ist dafür, dass ich so klein bin, ein stattliches Glied. Zumindest da hat Mutter Natur Gnade walten lassen, hat wohl ein schlechtes Gewissen bekommen, sich gedacht, dass ich wenigstens dort etwas Männlichkeit vorweisen kann. Auch dieser Knackarsch, den ich immer mit der passenden Hose betone, zieht die Männer eigentlich reihenweise in ihren Bann. Er ist stramm und schön gerundet. Gerade so viel, das er in eine Männerhand passt. Was will man auch mit mehr? Schwule Männer wollen einen Arsch, der klein, rund und knackig ist, den sie mit ihren Händen massieren können, beim Sex in einer Hand halten und sich daran aufgeilen. Aber es kommt nie so weit, weil die silberblonden Locken mich wie einen Engel aussehen lassen. Egal ob ich sie kürze oder länger wachsen lasse, sie versauen mir das Gesicht und lassen mich wie eine Frau aussehen. Verfluchter Mist.

Manche würden mich als metrosexuell bezeichnen. Warum? Nur weil ich viel Wert auf mein Äußeres lege? Mir die Augenbraue zupfe? Die schwarzen Augen etwas betone?

Meine Zähne sind ebenmäßig und schneeweiß. Ich musste in meiner Jugend ein paar Jahre eine dieser doofen Zahnklammern tragen, irgendwie hat die Quälerei sich gelohnt, wie man sieht. Mein Gesicht ist schmal, die Lippen sind voll und die Nase ist zierlich. Eben mädchenhaft. Auch auf meine Kleidung lege ich sehr viel wert. Sie ist zwar nicht aus diesen Designershops, doch ich kann mich darin sehen lassen.

Was viele bei meinem Körperbau nicht vermuten würden, ich kann mich selbst verteidigen.

Ich bin Fitnesstrainer, oder hochgestochen ausgedrückt, ›Personalcoach‹, im Studio meines Stiefbruders. Mein Bruder ist vier Jahre älter als ich und reibt mir das auch in regelmäßigen Abständen immer mal wieder unter die Nase. Tom ist Inhaber einer Kampfschule und hat mich dazu angetrieben, den schwarzen Gürtel zu machen. Nur weil ich klein bin, heißt das noch lange nicht, dass ich mich nicht wehren kann. Viele haben es schon versucht, wollten mich mit ihrer Kraft und Größe einschüchtern und mussten dann die Erfahrung machen, wie schnell sie sich zu meinen Füßen wiederfanden.

Meine Mutter hat noch mal geheiratet und Tom als Beigabe dazubekommen. Sozusagen als Trostpflaster. Tom hat mich gesehen und direkt adoptiert. Keine Chance, ihm auszuweichen, sich dagegen zu wehren. Tom wusste schon früh, dass er auf Männer steht, sie liebt. Ich würde sagen, er jagt die Twinks und vögelt sie dann, bis er ihrer überdrüssig wird und von Neuem auf die Jagd geht. Früher, bevor er Ryan traf, nannte ich ihn immer einen dominanten Mistkerl. Er ist ein Dom, muss immer die Oberhand behalten, will bestimmen. Eben ein dominanter Arsch.

Studiert habe ich Sportmanagement an der Universität in Berlin. Damit es mehr hermacht, steht auf der Bürotür auch statt Trainer Personalcoach. Ich erstelle Ernährungspläne für die Schönen und Reichen und darf sie quälen. Am Anfang nehmen die mich tatsächlich nicht ernst. Warum? Nur aufgrund meines Aussehens glauben die, mich nicht ernst nehmen zu müssen. Was nicht heißt, dass ich sie nicht durch das Studio jagen kann. Nach einer Stunde Quälerei sehen sie ein, dass meine Arbeit nichts mit der Größe zu tun hat. Ja, so verschaffe ich mir den nötigen Respekt.

Zu meinem Erschrecken habe ich mit 13 Jahren festgestellt, dass ich ebenfalls auf das männliche Geschlecht stehe.

Tom habe ich es gebeichtet und er stand von da an immer an meiner Seite. Hat mir geholfen, wo er konnte. Hat meine Bedenken zerstreut, mir beigebracht, mich nicht für die Veranlagung zu schämen. Mein Outing in der Schule damals ist wie eine Bombe eingeschlagen. Danach war ich noch einsamer als je zuvor. Auch mein sogenannter Freund hatte Angst, dass ich mich an seinem, zugegebenermaßen geilen Arsch, vergreifen würde. Im Leben nicht. Gut, das ich Tom immer an der Seite stehen hatte. Tom hat mich zur Schule gebracht, hat den homophoben Arschlöchern gedroht, dass, wenn ich mit nur einem Kratzer nach Hause komme, er sie zur Rechenschaft ziehen würde.

Eines Tages schob Tom meinen Körper ins Studio und fing an mich zu quälen. Immer wieder schmiss er mich auf die Matte im Studio, ließ mich wieder aufstehen, nur um den mittlerweile schmerzenden Körper, erneut in den Boden zu stampfen. Gehasst habe ich ihn. Aber es spornte mich auch an, es ihm und mir zu beweisen, dass auch so eine halbe Portion wie ich es bin, es schafft, sich zu behaupten. Auch wegen meines Bruders, weil er so ein Vertrauen in mich gesetzt hat, habe ich mich ins Zeug gelegt und mir einen Gürtel nach dem anderen erkämpft. Von Männern, die doppelt so groß und breit waren wie ich, die nur den kleinen Kerl in mir sahen, nicht den Gegner.

Mit 15 Jahren habe ich die Erfahrung gemacht, dass es mich tierisch angemacht hat, wenn Tom mir etwas befahl, mich beim Training grob anpackte, auf die Matte schmiss, anschrie wie ein Feldwebel, wenn es ihm nicht schnell genug ging. Wenn ich nicht rechtzeitig aus seiner Reichweite kam, klatschte er mir auch schon mal auf den Hintern. Mann, das tat zwar jedes Mal weh und zog wie verrückt durch den Körper, aber es ließ ein Gefühl zurück, das mich jedes Mal daran erinnerte, dass meinem Körper etwas fehlte. Nur was?

Tom hat auch Power hinter den Schlägen. Der arme Ryan, der ihm in die Finger gefallen ist und bei ihm bleibt, er tut mir jetzt schon leid. Er wird es nicht leicht bei Tom haben. Mein Bruder ist in diesen Sachen derjenige, der das Sagen hat, sich nichts aus der Hand nehmen lässt, immer die Oberhand behalten will. Wenn er Ryan so bestraft, wie er mir immer auf den Hintern schlägt, na dann gute Nacht Ryan.

Ich versuchte dahinter zu kommen, warum ich so reagierte, wieso mein Glied jedes Mal hart und steif vom Körper abstand, wenn Tom mich wie in einem Bootcamp anschrie, mich bis zur Erschöpfung trainieren ließ und wenn seine Hand traf, diesen sehnsuchtsvollen Schmerz hinterließ. Im Internet ging ich auf Recherche und wurde fündig. Da stand es, schwarz auf weiß. Ich bin devot veranlagt und mag es, wenn man mir sagt, was ich zu tun und zu lassen habe.

ICH BIN EIN DEVOTER SUB.

 

Neugierig, wie ich nun mal bin, habe ich dann einfach Nägel mit Köpfen gemacht und mit dem Nachbarjungen, der drei Jahre älter war als ich, im Flur geknutscht. Das war vielleicht ein Schock. Mädchen zu küssen ist ein Dreck dagegen. Hin und weg war ich, völlig gefangen in diesem Kuss. Zuerst war ich sehr erschrocken, als mein Schwanz sich selbstständig machte, steif wurde. Der Nachbarjunge, ja der wusste schon was damit anzufangen. Er packte mit einer Hand mein Glied, rieb es durch die Hose und keuchte mir ins Ohr. Schmerzhaft bohrte sich seine andere Hand in den Hintern, krallte sich fest in meine Arschbacken, rieb sich wie verrückt an mir. Seine Fingernägel gruben sich in die Haut. Dieser Schmerz durchzog den ganzen Körper und ließ mich wohlig aufstöhnen.

Das erste Petting. Eingesaut habe ich mich. Passiert mir nicht noch mal. So habe ich es mir selber geschworen. Dieses Gefühl, wenn dein Sperma erkaltet und an deinem Körper festklebt, ist ekelhaft.

Unsicher, wie ich damals war, habe ich mit Tom darüber geredet. Er hat diese dummen Bedenken zerstreut, mir beigebracht, mich nicht für die sexuelle Veranlagung zu schämen. Ich sollte meine Sehnsucht nach Dominanz annehmen. Jetzt weiß ich es ganz genau.

ICH BIN EIN DEVOTER SUB,

DER DOMINIERT WERDEN MÖCHTE.

ICH STEHE AUF SPANKING.

LIEBE UND LEBE DEN SCHMERZ.

Ja, ich stehe darauf, würde gerne einen Partner finden, der weiß, wie man mir den Hintern versohlt. Nur leider habe ich dies erst einmal erfahren und das war bei meinem letzten Freund. Ja, das ist auch so ein Thema.

Meinen letzten Freund hat Tom nämlich ziemlich verdroschen, weil ich es nicht konnte, und das nur, weil er fremdgegangen ist und ich den Arsch auch noch dabei erwischt habe. Er, mein Ex, wollte einen richtigen Mann, keinen, der wie eine Frau aussieht. Keinen, der auf Schläge steht, der es liebt, devot zu sein. Normal eben musste der neue Freund sein. Sprachlos und voller Schmerz habe ich vor ihm gestanden, konnte ihn dafür nicht mal schlagen. Er hat mich dermaßen mit seinen Worten verletzt, dass ich mich eine Woche eingeschlossen habe und nur heulte. Na ja, ich habe ihn zum Teufel gejagt, gelitten und gejammert, bis Tom es satt hatte und den Kerl einfach verdrosch. So ist Tom. Seitdem machen die Kerle einen großen Bogen um mich. Wie soll ich da den Mann fürs Leben finden? Wer traut sich schon an so einem Schrank von Mann vorbei, nur um an mich ran zu kommen? Außerdem ist Tom noch Personenschützer, Bodyguard sozusagen, und er lässt mich keinen Augenblick aus den Augen. Bruderliebe ist was … Störendes, wenn du den Mann deines Lebens suchst.

 

 

Habe den blöden Kerlen danach abgeschworen und mir eine Freundin zugelegt. Am Anfang ging ja auch alles gut. Nur dieser Knutscherei konnte ich so gar nichts abgewinnen. Zu feuchte Küsse. Ihre Möpse zu groß, zu weich, und wenn erst sie erregt sind … Wah, so gar nicht mein Fall. Immer wenn ich auf ihr lag, streikte der Schwanz, wollte partout nicht mehr. Irgendwann sah ich es ein und ließ die Frauen in Ruhe. Ein Mann musste her, auch wenn er so ein dominanter Arsch wie mein Bruder ist. Ja, ich will einen Mann in meinem Leben haben.

Irgendwie ist das kein Problem, sich einen Mann zu suchen, wer sucht, der findet auch. Nein, das Problem ist mein Aussehen. Viele Männer wollen mich, doch mit meiner Neigung ist es nicht leicht, den richtigen Partner zu finden. One-Night-Stands sind nicht so mein Ding. Befriedigen dich nur für kurze Zeit, danach fühle ich immer eine innere Leere, die mir mehr zu schaffen macht, als ich mir zugestehe. Ich bin passiv, nicht aktiv. Liegt mir nicht, die Verantwortung dafür zu tragen, dass mein Partner sich wohlfühlt, wenn ich mit ihm schlafe. Nein, ich liebe es, passiv zu sein. Keinen Druck, nichts. Sich einfach nur fallen lassen und hingeben. Da ich wie ein typischer Twink aussehe, nimmt mir wohl keiner den Top ab. Sieht man es mir an, dass ich es liebe, wenn es beim Sex mal härter zugeht, es richtig ausarten darf? Nein! Ich suche jemanden, der mir bei Ungehorsam schon mal richtig den Hintern versohlt. So was ist nicht jedermanns Sache. Vanillasex ist ja für eine Nummer gut, aber jedes Mal? Ich weiß nicht. Nein, nichts für mich und meine Veranlagung, sich unterzuordnen.

 

Zurzeit wohne ich in einer WG. Ist billiger hier in Berlin. Tom wollte, dass ich zu ihm ins Haus ziehe, wie bescheuert müsste ich sein, um ihm diesen Gefallen zu tun? Da stehe ich nur unter seiner Fuchtel. Er ist zwar genau so schwul wie ich, mit einem großen Unterschied aber. Da wo ich passiv bin, ist er aktiv. Da wo ich devot bin, ist er dominant. Ihn dauerhaft um mich herum zu haben und das im Gluckenmodus, halten meine Nerven nicht aus. Liegt wohl an seiner Veranlagung, alle schwächeren und kleineren zu beschützen. Wobei ich viel Wert auf das Wort klein lege, denn wehren kann ich mich selber.

Zwei Jahre bin ich nun schon ohne Partner. Wozu sich einen suchen, wenn es eh nicht klappt? Mit der Zeit merke ich, wie ich immer widerspenstiger, launischer und gefrusteter werde, was den Sex angeht. Wer verhaut sich schon selber beim Sex? Ich jedenfalls nicht. Nicht, dass ich es nicht ausprobiert habe. Nein, es bringt mir nicht den richtigen Kick. Vierundzwanzig Monate oder einhundertvier Wochen, hole ich mir regelmäßig selber einen runter, weiß schon gar nicht mehr, wie es sich anfühlt, wenn ein Kerl sich in mir versenkt. Dieses ausgefüllt sein, dieser innige Moment, wo es ihm und mir gemeinsam kommt.

Jetzt steht auch noch mein Freund aus der WG vor mir, will mich zu diesem Techno Event überreden, das in dieser berühmten Gay Bar ist. Das BLACK. Kann ich mir gar nicht leisten, aber Mike hat Freikarten geschenkt bekommen.

Nun stehe ich vor ihm, lege den Kopf in den Nacken, weil er größer ist als ich. Nun ja, keine Kunst bei 1,90  m. Ich beneide die Männer, die so groß sind. Wenn ich einen Mann finden würde, ja dann müsste er groß sein. Groß, schlank, dominant, wissen, was er mit mir, meinem Körper anstellen kann und muss. Doch zurück zu Mike, diesem Quälgeist.

»Nee, Mike. Will nicht mit zu diesem bescheuerten Konzert.«

»Kein Konzert, sondern ein Techno-Event. Nun komm schon, Joy, das wird einfach supergeil werden. Du tanzt doch gerne. Und dann dieser Club. Wann haben wir die Gelegenheit, so einen Club von innen kennenzulernen? Vielleicht wirst du da dem Mann deiner Träume begegnen.«

Als ob ich Zeit für Tagträume hätte.

 

»Schau mich an Mike. Na los. Was siehst du?«

»Einen kleinen geilen Twink, der viel zu wenig Selbstvertrauen hat.«

Wie, ich habe kein Selbstvertrauen? Natürlich habe ich das. Das einzige Manko ist nur das Gesicht und die Größe.

»Nun dann. Komm mal mit«, herrscht er mich an. Mike schleppt mich durch die angesagtesten Läden der Stadt. Im Europa Center wurde er fündig, parkte mich in einer Umkleidekabine und ließ mich erst wieder raus, nachdem er die perfekte Hose gefunden hatte. Okay, die ist nicht schlecht. Die schwarze Stoffhose und ein schwarzes T-Shirt runden die Sache ab. Bei den hellen Haaren steht es mir hervorragend. Mike will es sehen und ich tue ihm den Gefallen. Da stehe ich nun vor ihm. Mit offenem Mund starrt er mich an. Sein gemurmeltes: »Gut, das ich schon in festen Händen bin«, überhöre ich einfach mal. Sogar der Verkäufer starrt mich an. Was haben die nur? Ist doch bloß eine Hose, sonst nichts.

 

»Geiler Arsch, Kleiner. Na, Lust?«, raunt der Verkäufer mir zu. Macht der mich gerade an? Flirtet der etwa mit mir? Gott, der ist auch nicht viel größer als ich. Ich schüttle den Kopf und murmele: »Nee, jetzt nicht. Vielleicht später mal.«

Okay, gekauft. Nun nach Hause. Na, das kann ich mir abschminken. Mike schleppt mich tatsächlich noch zum Friseur. Mann, der Friseur kriegt sich gar nicht mehr ein, als er meine Locken sieht. Seine Hände fahren genießerisch hindurch. Er soll mir die Haare schneiden, nicht mich in den Schlaf streicheln. Die Locken gekürzt und schon sehe ich wie ein MÄDCHEN aus. Mist. Vorher konnte ich das Gesicht wenigstens hinter den Locken verstecken. Ich hasse mein Gesicht. Kaum Bartwuchs, ein Gesicht, das keiner so schnell vergisst, schmale kleine Nase, riesengroße schwarze Augen, tierisch lange schwarze Wimpern und ein Kussmund runden die Sache ab. Sogar die Hände sind schmal.

Zu Hause hält Mike die Klappe nicht. Droht, mir sogar die Freundschaft zu kündigen, mir den Arsch zu versohlen, wenn ich mich nicht fertigmache. Ich kann darüber nur grinsen. Er weiß doch, dass ich den schwarzen Gürtel besitze. Oder? Vielleicht sollte ich ihn mal aufs Bett schmeißen, ihm zeigen, dass ich zwar klein und zierlich, aber nicht hilflos bin.

Nachdem er mich bestimmt schon zwanzigmal daran erinnert hat, mich fertigzumachen, tue ich ihm den Gefallen. Kann ja nicht schlechter werden, als alleine zu Hause zu sitzen und Trübsal zu blasen. Also ziehe ich mich an. Diese schwarze Hose, das Shirt, ein paar schwarze Schuhe und eine leichte Jacke darüber. Die Augenlider werden mit einem schwarzen Strich betont. Um den Hals lege ich mir ein schwarzes Lederband mit einem J. J wie Joy. Ein Geschenk von meiner Mutter. Ein silberner Ohrring schmückt das rechte Ohr. Noch einen schönen Silberring an die linke Hand, und es kann losgehen.

Mike grinst mich an. Was? Er schüttelt den Kopf und nimmt meine Hand, zieht mich zum Auto und verfrachtet mich hinein.

 

Da stehe ich vor diesem Club, dem BLACK, staunend wie ein kleines Kind. Mann, dass ich das noch erleben darf. Schon lange habe ich Tom in den Ohren gelegen, dass er mich mal mitnimmt. Immer hat er verneint, will nicht, dass ich solche Clubs besuche. Jetzt weiß ich auch warum!

Wer schaut schon gerne zu, wenn sein Bruder im Darkroom vögeln geht. Ich will das nicht sehen. Genauso wenig will ich es nicht, dass er mir über die Schulter sieht, wenn mich jemand vögeln würde. Wenn ich denn mal einen finden könnte, der das will.

Nee, geht mal gar nicht. Doch jetzt stehe ich staunend in diesem Club. Bekomme den Mund nicht zu. Zwei Etagen pure Lust. Ich will direkt nach oben, will hinunterschauen, will sehen, was hier abgeht, doch Mike zieht mich weiter. Die Musik ist zwar mein Geschmack, aber ich bin viel zu sehr abgelenkt, um sie zu genießen.

Herumgeschubst werde ich. Lande jedes Mal an einem anderen männlichen Körper. Bin total aufgeheizt. Diese Reibungen an meinem Körper machen mich tierisch an. Da tanzt dieser Wahnsinnskerl in der Nähe. Staunend sehe ich ihm zu. Er bewegt sich so toll, dass ich Lust habe, ihn anzutanzen. Doch die anderen Kerle schieben mich zur Seite, wollen an ihn ran. In diesen Moment bildet sich eine Gasse und ein dominanter riesiger Kerl stellt sich vor ihn, zeigt mit dem Finger vor sich, winkt ihn heran. Silbrige Augen fangen meine schwarzen ein und er zwinkert mir zu. Sie küssen sich, vielmehr küsst der Typ ihn so besitzergreifend, dass ich wahnsinnige Sehnsucht nach so einem Kerl bekomme, wie er ihn hat. Bevor ich es zu Ende denken kann, werde ich wieder in den Pulk geschubst.

 

Ich will jetzt hier raus. Brauche was zu trinken, muss mich abkühlen. Mit der Hand fächere ich mir etwas Luft zu, doch ich schwitze wie verrückt. Mein Gesicht ist bestimmt rot und glänzt vor Schweiß. Warum ich die Jacke nicht ausziehe, weiß ich auch nicht. Irgendwie vermittelt sie mir ein Gefühl von Sicherheit, um meinen Körper dahinter zu verbergen. Auf die Toilette muss ich auch.

Mit geballten Fäusten versuche ich, den Pulk voller Menschen auseinander zu schieben, daran vorbei zu schlängeln, doch es geht nicht. Die Männer sind wie entrückt. Die Musik, die gute Stimmung und die heißen Körper, die sich aneinander reiben, verursachen bei mir Atemnot. Ich will jetzt sofort hier raus und schubse die Männer, die mir im Weg stehen weg. Jetzt bekomme ich doch tatsächlich Panik, dass ich hier nicht wieder rauskomme. Die Atmung wird flach und hektisch, mein Körper geht auf Kampfmodus, will sich raus boxen, als ich spüre, wie mich jemand hochhebt, über die Männer hinweg stemmt und am Rande der Tanzfläche abstellt. Sofort drehe ich mich um, will mich bedanken, doch der Kerl geht einfach weiter, als wäre nichts geschehen. Arsch. Hm, geiler Arsch. Ich schnalze mit der Zunge und blicke verträumt auf diesen davongehenden geilen Hintern. Oh Mann, das wäre was für mich und meine Libido, die gerade total verrückt spielt. Schuld daran ist nur dieser große Kerl, der vor mir geht, während ich dessen Hintern anstarre.

 

 

 
Kapitel 2

Daniel

*~*~*~*

Ich bin der Manager des angesagtesten Gay Clubs in Berlin. Dem »BLACK«. Mein Chef ist Dante Alvarez. Er ist mein Schwager, hat doch tatsächlich meinen kleinen Zwillingsbruder Jessy geheiratet. Nun ja, ich würde sagen: Selber schuld. Jessy ist der typische Twink. Klein, mit langen schwarzen Haaren und seine Augen? Ich bin immer wieder fasziniert, wenn ich in sie schaue. Silbrige Diamanten. Engelsaugen.

Doch nun zu mir, dem älteren Bruder. Ich bin 28 Jahre, aber drei Minuten älter als mein Bruder Jessy. Bin stattliche 1,90 m groß, habe dunkelblonde Haare, die bis auf die Schulter fallen. Meine Augen haben dieses dunkelblau, meeresblau nannte es meine Mutter. Nun ja, sie liebt mich ja auch.

Ein schmales elegantes Gesicht und lange dichte Wimpern nenne ich mein eigen. Bei einer Schlägerei in der Jugend habe ich mir an der Augenbraue eine Narbe zugezogen. Die Jungs wollten Jessy an die Klamotten, wollten wissen, wie es ist einen Kerl zu küssen, haben meinen Bruder in eine Ecke gedrängt und sich ihm aufgezwungen. Da bin ich total ausgeflippt und habe sie verdroschen.

Damals habe ich sie voller Stolz jedem gezeigt, der sie sehen wollte, heute stört sie mich. Am liebsten würde ich sie mir weglasern lassen, obwohl ich nicht eingebildet bin.

Dadurch, dass ich regelmäßig im Park meine Runden drehe, habe ich einen durchtrainierten Körper. Man tut halt, was man kann. Ich bin schwul und dominant. Wer mich bekommt, der muss wissen, was auf ihn zukommt. Vanillasex, oder Blümchensex, sind ja ganz gut, aber ich stehe nicht so da drauf. Auch will ich nicht, dass meine Ficks, sich mit den Händen abstützend, vor mir an einer Wand stehen. Liegt mir nicht, erfüllt mich nicht.

Daher brauche ich einen Mann an meiner Seite, der so einiges aushalten kann. Ich stehe auf Spanking, darauf, die Oberhand in einer Beziehung zu haben. Ich befehle und er führt aus. So einfach ist das. Dafür beschere ich ihm ein erfülltes Liebesleben, achte und beschütze ihn. Nur so funktioniert das bei mir. Doch den Mann zu finden, der das Gegenteil von mir ist, wird schwer sein.

Den optimalen perfekten Mann, das Gegenstück zu mir zu finden, unmöglich. Als Manager des Clubs habe ich die freie Auswahl hier und schon manchen Kerl gefunden, der es hätte sein können. In der Praxis sieht das leider anders aus. Die Twinks laufen mir hinterher, bieten sich mir an. Ich bin kein Kind von Traurigkeit, aber in letzter Zeit nervt es mich. Sie hängen wie die Kletten an meinem Arm, und obwohl sie wissen, was ich bin, erlebe ich immer wieder, dass sie, wenn ich sie härter anpacke, sofort zusammenbrechen, Reißausnehmen. Wer es immer noch nicht weiß, wie ich ticke, der hat es verdient, den Arsch voll zu bekommen.

 

Seit mein Bruder glücklich verheiratet ist, meint er, mich auch unter die Haube bringen zu müssen. Mann Jessy, halt dich aus meinem Leben raus. Du weißt genau, was alles passieren kann, wenn man den EINEN sucht und nicht findet. Ich werde mich einfach finden lassen, denn ich habe Zeit. Genieße es, mich finden zu lassen.

Fast ein Jahr lang habe ich mich nur um meinen Bruder gekümmert, ihn beinahe verloren. Wenn Dante mir nicht zur Seite gestanden hätte, wäre ich verrückt geworden bei dem Gedanken, Jessy zu verlieren. Ich liebe ihn, würde alles aufgeben, nur damit es ihm gut geht. Aber die Zeit in Hamburg hat mir die letzten Kraftreserven geraubt. Gut, dass ich mich immer an Dante wenden konnte. Er ist der Fels in meiner Brandung gewesen, hat mich aufgefangen und wieder aufgebaut. Hat alles in seine Hände genommen und mir einen Teil der Verantwortung, die ich für meinen Bruder getragen habe, abgenommen. Ich liebe meinen Schwager. Er ist mein bester Freund und mein zweiter Bruder geworden.

Sogar, als mein damaliger Freund Tim mich zwang, eine Entscheidung zu treffen. Entweder er oder Jessy. Da spürte ich, dass Tim nicht der richtige Mann für mich, für mein Leben ist. Nein, ein richtiger Partner hätte zu mir gestanden. Er wäre mein Fels in dieser schweren Zeit gewesen. Ein richtiger Partner hätte mir beigestanden und geholfen. Wer meinen Bruder nicht akzeptiert, der hat mich nicht verdient, der ist nicht der Richtige. Es auf diese Art zu erfahren, hat eine Zeit lang wehgetan, aber auch dieser Schmerz ging vorbei.

 

Von Hamburg bin ich mit Jessy nach Berlin gezogen. Hier hat er sein Glück gefunden. Jessy hat es geschafft, den meistbegehrten und heißesten Mann der Schwulenszene einzufangen. Was nicht so einfach für ihn war, da Dante in seiner Jugend ein schlimmes Erlebnis mit seinem Exfreund hatte. Er ging allen Versuchungen aus dem Weg, die nach einer Liebesbeziehung aussahen. Nun ist er mein Schwager. Ich beneide ihn nicht wirklich um Jessy. Seit sie verheiratet sind, hat Dante alle Hände voll zu tun, die Männer von Jessy fernzuhalten. Seit Jessy sich wieder mehr in der Öffentlichkeit sehen lässt, wird es schlimmer mit den Kerlen hier im Club und der Umgebung. Bald braucht er einen Leibwächter, der ihm die Meute vom Hals hält. Dante kocht zwar regelmäßig vor Wut, aber Jessy liebt ihn wie verrückt. Manchmal beneide ich die Zwei um ihr Glück.

Jetzt muss ich mich um den Club kümmern. Heute wird es voll werden. Wir sind ausverkauft und haben zum ersten Mal ein Event, eine Technoparty. Angelo, ein Freund von Dante und mir, hat es für uns geplant. Ich hoffe, dass der heutige Abend ohne Komplikationen abläuft.

~*~

Der Club brummt, mein Kopf auch. Dieses Bum-Bum raubt mir den letzten Nerv. Jessy ist mittendrin. Er liebt das. Wenn ich ihn so beobachte, dann kann ich Dante verstehen, dass er wie ein Pitbull an der Tanzfläche steht und seinen Mann beobachtet, ihn nicht ein einziges Mal aus den Augen lässt.

Da tanzt gerade ein Top Jessy an, versucht ihn an sich ranzuziehen. Das Schauspiel schaue ich mir jetzt mal aus der Nähe an. Dantes Körper spannt sich an, die Armmuskeln zucken. Er starrt zu seinem Mann auf die Tanzfläche hinüber und setzt sich in Bewegung. Wie ein Pflug spaziert er durch die tanzende Menge und bleibt einen Meter vor Jessy stehen. Jessy dreht sich um, sieht ihn an, und als Dante mit dem Finger winkt, stellt er sich vor ihn und wartet. Wer hätte das gedacht, dass mein Bruder mal so gehorsam sein kann? Dante schnappt sich sein Kinn, drückt ihm einen Kuss auf die Lippen, demonstriert, dass dieser Mann ihm gehört. Schnaubend schnappt er sich ihn und verlässt den Club. Armer Jessy. Ach, was denke ich da. Der Sex wird wohl atemberaubend sein. Ich verspüre tatsächlich Neid.

Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie eine kleine zierliche Person im Gedränge hin und her geschubst wird. Wie sie versucht, sich aus dem Pulk zu befreien und daran scheitert. Bevor ich es realisiere, schiebe ich mich zwischen den tanzenden Männern hindurch, packe die Person unter den Armen und hebe sie aus dem Pulk. Bei meiner Größe ist das kein Problem.

 

Zierlich, federleicht ist sie. Kein Wunder, dass sie immer hin und her geschubst wird. Ich seufze laut auf und stelle sie vor mir ab. Sehe, wie sie den Kopf senkt und eine leichte Röte über ihr Gesicht zieht. Ups, wie devot und demütig sie sich gibt. So was als Mann und ich wäre überglücklich. Ich wende mich ab und meine Gedanken sind schon wieder bei der Arbeit, die im Büro liegen geblieben ist. Ihr gehauchtes »Danke« registriere ich in diesem Moment nicht wirklich.

Bevor ich jedoch in das Büro gehe, erreicht ihre Stimme meinen Verstand und ich bleibe ruckartig stehen. Eine Gänsehaut überzieht den ganzen Körper, mein Schwanz regt sich, der Blutdruck steigt und das nur, weil ich dieses gehauchte »Danke« in den Ohren habe. So sinnlich, leicht rau, trifft es mich direkt in den Unterleib. Ich werde hart, und erstaunt bemerke ich, wie mein Herz schnell und laut in den Ohren dröhnt.

 

Ruckartig drehe ich mich wieder um, suche sie und sehe, wie sie nach oben an die Bar geht, sich zu Max und Elija setzt. Voller Verlangen folgen meine Blicke diesem kleinen, geilen Knackarsch. Er bringt das Blut in mir zum Kochen und in Gedanken sehe ich meinen harten Ständer dort tief eintauchen. Wie sie wohl schmecken mag?

Scheiße, was ist denn nun passiert? Wieso reagiere ich so auf sie? Sogar die Hände sind nass und zittrig. Ich kann sie nicht einen Moment aus den Augen lassen. Gott, sie ist bezaubernd, einfach hinreißend. Klein, zierlich gebaut. Dieser silberblonde Lockenkopf leuchtet im Licht der Theke, als hätte sie einen Heiligenschein um sich schweben. Waren das schwarze Augen, die mich erschrocken angestarrt haben?

Doch halt, stopp. Was hat eine Frau im Gay-Club zu suchen? Und seit wann reagiert mein Schwanz auf Frauen?

 

 

 


Kapitel 3

Joy

*~*~*~*

Wie hypnotisiert schaue ich ihm nach. Dieser geile Arsch, den ich jetzt von hinten bewundern kann, gefällt mir, macht mich tierisch an. Wie er sich bewegt. Fuck, das bringt die Hormone und den Blutdruck in Wallung. Auch das Herz klopft einfach drauf los. Hämmert in meiner Brust. Die Hände sind feucht geworden und ich putze sie an der Hose ab. Ob ich ihm folgen soll? Ihn ansprechen? Oh, ich bekäme bestimmt kein Wort über meine Lippen. Würde stotternd wie ein Teenager vor ihm stehen. Gott, wie peinlich wäre das denn? Ob es schon mal ein Twink probiert hat, ihn anzumachen? Oder warten sie, bis er sich für sie entscheidet, sie sich schnappt? Nein, er ist ein Jäger. Er will die Twinks jagen und nicht umgekehrt. Also wenn er mich jagen würde, ja dann … Tz, was denke ich denn da? Als wenn er mich jagen würde? Mann, was mache ich mir denn da für Hoffnungen? Ich brauche doch nur in den Spiegel zu sehen. Zu klein, zu weiblich. Er ist einer, der auf richtige Kerle steht. Mit Muskeln und wenig Hirn, denke ich noch zynisch, bevor ich tief einatme und meine Hoffnung auf so einen Mann begrabe.

Unschlüssig stehe ich hier und überlege doch tatsächlich, ob es das wert ist, sich eine Abfuhr bei ihm zu holen. Ob das gut für mein Selbstwertgefühl ist? Gar nicht gut. So wie er aussieht, kann er sich die Kerle hier aussuchen und nicht umgekehrt.

Nun ja, was soll’s. Ich zucke mit der Schulter, habe Durst und will einen Drink. Nichts wie an die Theke. Oh weh, irgendwie haben außer mir noch hundert andere Männer Durst. Bevor ich da was zu trinken bekomme, bin ich verdurstet.

Unschlüssig stehe ich davor, beiße mir auf die Unterlippen und überlege, ob ich nicht nach Hause fahren soll.

Meine Augen schweifen durch den Club und dann schaue ich nach oben. Ja, dort ist es nicht so voll, also nichts wie hin. Aus dem Augenwinkel sehe ich, dass ein Barhocker frei wird. Geschnappt, draufgehüpft und den Barkeeper aufmerksam machen, dass ich Durst habe.

Ich winke mit der Hand und der Mann hinter der Theke schaut mich fragend an. Fuck. Der ist ja genauso groß wie ich. Hellgrüne Augen schauen mich an. Ich muss schlucken.

Der Kleine ist der Wahnsinn. Seine Augen fangen mich ein, lassen mich nicht mehr los, bis ich zwinkere und mir bewusst werde, dass ich ihn genauso anstarre.

»Whisky«, murmele ich. Er bleibt bei mir an der Theke stehen, ignoriert einfach die Bestellung und starrt weiter in meine Augen. Ich rutsche auf dem Barhocker hin und her und weiß jetzt schon, was er mir an den Kopf werfen wird.

»Du weißt schon, dass das hier ein Gay-Club ist?«, kommt auch prompt seine Frage. Ich wusste es. War ja klar, dass er das fragt. Laut seufze ich auf, verdrehe die Augen.

»Willst du ihn sehen, den Schwanz?«, antworte ich, weil ich es satt habe, mich zu rechtfertigen, warum ich hier im Club bin.

Seine Augenbrauen ziehen sich nach oben. Grüne Augen funkeln mich an. Schelmisch kommt es zurück: »Würdest du ihn mir denn zeigen wollen?«

Ohne ein Wort springe ich vom Hocker, öffne die Hose und höre ihn hektisch einatmen. Sein »Schon gut« lässt mich lachen. Ich strecke ihm die Hand hin und er ergreift sie.

»Nichts für ungut, aber ich bekomme das zu oft zu hören. Ich heiße Joy.«

Elija heißt der Kleine. Dass er genauso groß ist wie ich, lässt mich doch noch hoffen, hier heute jemanden kennenzulernen. In Gedanken lache ich darüber, dass ich ihn Kleiner genannt habe. Wir unterhalten uns, als Elija Zeit hat und es etwas ruhiger an der Bar wird. Sein Freund kommt dazu, stellt sich als Max vor. Da muss ich aber schlucken. Max ist der Hingucker. Ein wahnsinnig gut aussehender Mann. Ein Sahneschnittchen, ein… Gott. Er ist atemberaubend.

Aber genau wie ich ist er ein Twink. Nichts Dominates oder Devotes haftet ihm an. Schade, er würde mir gefallen, sogar sehr gefallen. Ich seufze auf, springe vom Barhocker und stelle mich an den Rand der Empore. Von hier aus habe ich einen guten Ausblick über den Club und die Tanzfläche.

 

Träumerisch schaue ich nach unten, finde den Club jetzt, wo ich etwas mehr Platz um mich habe, wieder einfach nur geil und freue mich heute Abend hier zu sein. Der Darkroom zieht mich magisch an. Ob ich es mal versuchen soll? Mir einen Kerl angeln und mich richtig durchvögeln lassen? Hm, aber mit wem? Obwohl hier so viele Männer sind, ist keiner darunter, der mich wirklich reizen würde. Da ist mein Bruder Tom mal nicht in der Nähe und ich? Was mache ich? Ich nutze es nicht aus. Völlig gelassen irrt mein Blick weiter durch den Club, bleibt hier und da mal an einen Mann hängen, und wandert dann weiter, ohne ein Interesse zu bekunden.

Es sind so viele Männer und Sahneschnitten heute Abend hier vertreten, dass mir die Auswahl richtig schwerfällt. Plötzlich schaue ich in ein dunkelblaues Augenpaar und spüre, wie sich die Wangen röten, heiß werden. Dass ich ihn haben will, zeigt mir der steife, harte Ständer in der Hose. Er gibt feucht und klopfend seine Zustimmung, will ihn haben. Wann ist mir das jemals passiert? Ich schaue noch mal hin und erkenne, dass es der Kerl ist, der mich aus der tanzenden Meute gerettet hat. Diese Augen, sie sehen mich grüblerisch an, checken mich ab, und ich kann sogar von hier oben aus erkennen, wie er seine Stirn runzelt. Oh nein, nicht schon wieder so einer, der meint, dass ich eine Frau bin. Ich sehe, wie es regelrecht in seinem Gehirn arbeitet. Wie er versucht zu ergründen, ob ich eine FRAU oder ein MANN bin.

 

Ich hasse das, könnte gerade voller Wut schreien. Er ist genau mein Typ. Spricht mich noch mehr an als Max. Groß, sehr groß, schlank, atemberaubend anzusehen. Genau wie der Mann, der immer meine Träume heimsucht. Seine Augen, das männliche Gesicht, einfach alles lässt dieses dumme Herz in der Brust schneller klopfen. Sogar die Hände sind schweißnass und krampfen sich ums Geländer. Tief durchatmen, ich muss mich beruhigen. Er bricht den Blickkontakt ab, dreht sich um und geht in den nächsten Raum.

Schwer schlucke ich, als sein Knackarsch wieder in mein Blickfeld kommt. Er ist nicht zu verachten, fest und rund. In Gedanken sehe ich, wie sich meine Beine um diese schmalen Hüften schlingen und die Hände sich in den göttlichen Arsch festkrallen. Ich bin erregt, steinhart. Mit der Hand versuche ich den störrischen Schwanz in eine andere Position zu legen. Mist, er ist zu eigenwillig, will sich nicht bewegen lassen. Hoppla, ist das etwa ein nasser Fleck vorne auf der Hose? Na toll, jetzt kann ich noch nicht mal nach Hause, sondern muss erst warten, bis dieser verdammte Fleck getrocknet ist.

Frusttrinken wäre eine Möglichkeit, die andere, einfach nach Hause zu fahren mit dem nassen Fleck auf der Hose. Doch bevor ich es realisiere, sitze ich wieder an der Bar. Den Kopf voller Bilder von ihm. Seine Augen leuchteten so intensiv blau, als ich hineinschaute.

Mutlos habe ich in dem Moment erkannt, dass ich uninteressant für ihn war. Dass sich seine Augen zu Schlitzen zusammengezogen haben, als er mich so eingehend gemustert hat. Wie sie aufblitzten, als er zu erkennen glaubte, dass ich eine Frau bin, kein Mann. Mist verdammter, gut das ich ihn eben nicht angesprochen habe. Mann, das wäre aber auch zu peinlich geworden, wenn er mich gepackt und aus dem Club geworfen hätte.

 

Nein, das bringt nichts. Bilder von diesem geilen Arsch vor Augen lassen den Schwanz nicht wieder zur Ruhe kommen. Er ist permanent steif, reibt sich an dem Reißverschluss der Hose und hinterlässt noch mehr feuchte Flecken. Und diese Musik, sie hämmert in meinem Kopf ein Solo. Nein, so geil der Club auch ist, ich muss nach Hause, mich hinlegen und über die vertane Chance, diesen tollen Mann kennenzulernen, weinen. Boah, bin ich ein Weichei. Immer verliebe ich mich direkt. Dabei habe ich doch nur kurz in diese dunkelblauen Augen geschaut. Tom hat schon Recht, ich sollte mich nicht so anstellen und darüber hinweg sehen, dass ich klein und zierlich bin, dass ich bei den Kerlen einen Beschützerinstinkt auslöse. Aber auch ich will einen Kerl haben, der mich nimmt, wie ich bin, der mir zeigt, wo es lang geht. Beschützen kann ich mich selber, da hat Tom für gesorgt.

Schnell verabschiede ich mich von Elija und Max, hoffe sie mal wiederzusehen. Nur noch die Toilette aufsuchen und dann ab nach Hause. Im Waschraum ist ein Kerl, der sich gerade den Schwanz aus der Hose holt, sich an ein Urinal stellt. Nun ja, der könnte auch mal etwas Seife und Wasser vertragen, bemerke ich, als sich sein Geruch ausbreitet. Verstehe ich einfach nicht, wie man sich so gehen lassen kann. Kein Wunder, dass solche Kerle wieder alleine nach Hause gehen müssen. Etwas Körperpflege wäre schon angebracht, wenn man einen willigen Mann hier im Darkroom flachlegen will. Wie der Blitz würde ich vor so einem wie ihm die Flucht ergreifen. Auch wenn man ein Kondom benutzt, alleine der Geruch … Zum Würgen.

 

Gerade will ich in der Toilette verschwinden, als er mich am Arsch packt. Kann ich ja gar nicht ab, wenn ungewaschene Hände und ein ungewaschener Kerl sich an meinem Körper vergreifen. Versucht der doch glatt, mich in die Toilette zu ziehen!

»He, du Spinner, lass das. Nimm sofort deine Finger von mir, sonst knallt es«, zische ich ihm noch leise zu. Doch er ignoriert mich einfach und geht mir an die Wäsche. Denkt der etwa, dass ich eine Frau bin? Idiot. Wir sind hier im Gay-Club, da sind nur Männer zugelassen. Bin ich eine Frau? Nein. Er ist total besoffen, brabbelt immer: »Bella, komm, sei lieb zu mir«, und grapscht fröhlich weiter. Tom hat mir beigebracht, nur in einer Notsituation jemanden zu verletzen. Ist das eine Notsituation? Lasst mich mal kurz nachdenken! Nein, ich entscheide mich dazu, ihn anzubrüllen.

»Ich bin keine Frau, du Depp. Hier, fühle mal. Das ist ein Schwanz, ein SCHWAHANZ. Soll ich es für dich aufschreiben? Du Arsch.«

Voller Wut schreie ich ihn an und bemerke, wie er seine dreckigen Hände auf meinen Mund legen will. Pfui, kurzerhand beiße ich hinein und spucke direkt vor ihm aus. Mist, morgen bekomme ich bestimmt Herpes von diesen schmutzigen Grapschfingern. Noch nicht mal gewaschen hat er sie, nachdem er fertig uriniert hat. Er schaut mich nur selig lächelnd an, will fühlen, wie groß der angebliche Busen ist. Jetzt habe ich es satt, nehme die ungewaschene Hand vom Körper weg und platziere sie auf meinem Schritt. Seine Augen werden kugelrund und er zieht ruckartig, mit einem entsetzten Ausdruck im Gesicht, die Hände zurück.

 

Hetenarsch. Blöder verdammter Hetenarsch.

Ich frage mich immer wieder, was die hier in so einen Club wollen. Wenn man sie anbaggert, sind sie entsetzt, dass man sich für sie interessiert und wenn keine Frauen hier sind, schauen sie nur dumm aus der Wäsche. Riesengroß steht es am Eingang »GAYCLUB – MENS ONLY.«

Wütend wie ich bin, ist es jetzt besser, nach Hause zu gehen. Schon heute Morgen wusste ich, dass das keine gute Idee gewesen ist, hierhin zu kommen. Immer wieder sage ich mir, dass irgendwo auf der Welt ein Mann lebt, der zu mir gehört. Vielleicht sollte ich mein sauer verdientes Geld in einen wohlverdienten Urlaub stecken. Energisch schüttele ich den Kopf.

Nein, keinen Urlaub. Mein Traum ist ein Motorrad. Darauf spare ich nun schon ein paar Jahre. Fehlt nicht mehr viel, dann habe ich es zusammen. Alleine der Gedanke daran lässt das Herz höher schlagen, so freue ich mich darauf. Wenn Tom es sieht, wird er lautstark herumschreien, mich zusammenstauchen und belehren. Aber im Endeffekt kann er nichts dagegen machen. Niemand kann das. Grinsend gehe ich zum Ausgang.

 

Irgendwer beobachtet mich. Dieses beklemmende Gefühl spüre ich ganz genau. Die Nackenhaare stellen sich auf und meine Arme überzieht eine Gänsehaut. Vorsichtig schaue ich mich um. In diesem vollen Club kann ich keinen entdecken, der mich anstarrt. Nun ja, irgendwer starrt dich immer an, nur dieses Starren spüre ich buchstäblich auf meiner Haut. Es hinterlässt so ein komisches Kribbeln.

Plötzlich werde ich von der Seite angerempelt, zwei Arme legen sich um meinen Körper, halten mich fest, damit ich nicht umfalle, und drücken sich an meinen verschwitzten Körper heran. Wenn das jetzt eine blöde Anmache ist, flippe ich aus. Mein Kopf dreht sich und ich erkenne Mike.

»Mann, Mike!«, brülle ich ihn an. Ich bin wütend, er soll das ruhig sehen. Was macht er? Na toll, ignoriert mich einfach. Wie immer.

Er zieht mich wieder zu sich nach hinten, schreit mir ins Ohr, ich soll locker werden, mit ihm tanzen. Ob das seinem Freund gefällt? Wir verstehen uns zwar, aber dass ich mit Mike in einer WG wohne, gefällt ihm nicht so besonders. Mehr als einmal hat er mich gewarnt. Ich solle bloß die Finger von Mike lassen. Als ob ich Mike verführen könnte. Ihr wisst es noch? Zu klein, zu zierlich und nur befreundet.

Okay, ich gebe nach, tanze mit ihm. Nach ein paar Minuten bin ich in meinem Element, werde von anderen tanzenden Männern an Mikes Körper gepresst, fühle, wie heiß er ist. Er schaut mir lange in die Augen, beugt sich vor und wispert mir ins Ohr: »Joy, wenn ich nicht Marco hätte, ihn nicht so lieben würde, dann hätte ich bestimmt schon lange versucht, dich flachzulegen. Glaube es mir. Du bist heiß, einfach nur heiß, Kleiner.«

 

Hä? Sprachlos schaue ich ihn an. Wie kann er mir das nur sagen? Wir sind doch Freunde. Jetzt würde ich immer daran denken, was hätte sein können. Mann, Mike. Schon wieder werde ich hin und her geschubst, stehe ja auch entgeistert mitten auf der Tanzfläche und schaue meinen Freund an. Er lacht, nimmt mich in den Arm und tanzt mit mir. Ich liebe das Tanzen, trotzdem habe ich auch hier das Gefühl, beobachtet zu werden.

Techno und ich. Oh Mann. Dieses Wummern, das mir in die Beine fährt, lässt das Becken kreisen. Die Hüften schwingen nach rechts und links. Die Füße bewegen sich immer im Takt des Beats. Meine Arme heben sich nach oben, die Jacke und das Shirt schieben sich über den Bauch, geben mein Tattoo frei, »JOY« steht auf meinem Bauch und auf dem Rücken ist eine schwarze Feder tätowiert. Die Feder habe ich mir stechen lassen, um wieder mal meinen Dickkopf durchzusetzen, weil meine Mutter es mir verboten hatte. Sie bedeutet für mich, dass ich mit Leichtigkeit durchs Leben gehen kann. Sie fängt in der Mitte des Rückens an und zieht sich bis zu meinem Hintern runter, wobei der Federkiel in der Ritze verschwindet.

 

Ein großer, gut aussehender Kerl rückt an mich heran, legt seine Hände auf meine Hüften und schiebt sie unter das T-Shirt. Er fährt mit dem Daumen über die Konturen der Feder, streichelt mich sanft. Er beugt seinen Kopf, flüstert mir ins Ohr, ob ich Lust hätte, mit ihm in den Darkroom zu gehen? Er würde es mir so richtig gut besorgen. Oh Mann. Lust schon, er ist aber nicht der verfluchte Kerl, an den ich gerade denke. Da finde ich jemanden, der mich direkt als Mann erkennt, und will ihn nicht. Ich bin doch total bescheuert. Wieso gehe ich nicht mit ihm? Ich bin frei. Kann tun und lassen, was ich will. Wie lange hatte ich schon keinen Sex mehr? Nein, ich bin nicht wie die Jungs, die hier nur auf eine schnelle Nummer aus sind, ich will nur einen Mann. Und zwar den Mann, der sich mit seinen dunkelblauen Augen in mein Herz geschlichen hat.

Nach einer Stunde bin ich noch mehr in Schweiß gebadet, aber die Jacke und das Shirt ausziehen geht ja mal gar nicht. Ich bin zwar schwul, aber ziemlich schüchtern. Mike hat da keine Probleme. Er wirbelt mit dem verschwitzten Shirt über dem Kopf, singt lauthals mit, zwinkert mir zu. Genervt verdrehe ich die Augen und will jetzt nach Hause. Ich habe die Schnauze voll, tippe Mike an und zeige, dass ich verschwinden möchte. Er hebt den Daumen und ich mache mich davon.

Draußen vor der Tür, denke ich: »Endlich Ruhe.«

Meine Ohren summen und ich habe Schwierigkeiten, den dumpfen Druck auf den Ohren loszuwerden. Immer noch höre ich diesen typischen Rhythmus in den Ohren. Schnell zum Bus und ab nach Hause.

~*~

Verschwitzt, wie ich bin, gehe ich unter die Dusche. Erst mal lauwarmes Wasser über den heißen Körper laufen lassen und dann so kalt wie möglich nachspülen. Meinem Ständer ist das egal. Er lacht mich aus und bleibt stramm wie ein Soldat stehen.

Fuck. Er soll mir gehorchen, soll sich wieder hinlegen. Nein, er bleibt tapfer in vorderster Front stehen. Ich ignoriere ihn einfach, das hat er jetzt davon. Schnell ins Bett und Ruhe ist. Von wegen Ruhe. Dieser Quälgeist von einem Schwanz will einfach seinen Willen durchsetzen. Ich rede ihm gut zu, nichts zu machen.

Fuck, das ist doch alles so ein Mist. Da schieben sich auch noch diese blauen Augen wieder in meinen Kopf, schauen mich an. Jetzt ist Handarbeit angesagt. Automatisch umfasse ich den widerspenstigen Lümmel und reibe ihn. Tropfen treten aus der Schwanzspitze, die ich mit den Daumen verreibe. Luft anhalten und schon ist es geschehen. Mit gewölbtem Rücken rauscht mir der Orgasmus durch den Körper. Heißes Sperma spritzt mir in die Hand und ich keuche leise auf. Zitternd liege ich im Bett. Was war das denn? Oh Mann, das war glatt rekordverdächtig. So schnell habe ich lange keinen Orgasmus mehr bekommen. Und das alles nur, weil blaue Augen mir den Schlaf rauben und in den wildesten Fantasien vorkommen, die ich je gehabt habe.

 

 

 


Kapitel 4

Daniel

*~*~*~*

Ich lehne an der Tür des Büros und beobachte sie. Sehe, wie sie sich bewegt. So sexy, sinnlich und geschmeidig wie ein Panther auf Männerfang. Dann dieser Knackarsch, klein schön rund, genau wie für meine Hände gemacht. Was will eine Frau mit so einem Arsch? Nun ja, es gibt natürlich auch Heteros, die auf Analverkehr stehen. Aber die meisten lehnen ihn ab, wollen es gar nicht erst ausprobieren. Sie wissen gar nicht, was sie versäumen. Ich schüttele den Kopf. Was denke ich denn nur? Mann, das ist eine Frau. Krieg dich mal wieder ein, Daniel. Ich stehe nicht auf Weiber. Bin ein ganzer Kerl, will ganze Kerle in meinem Bett haben, keine so kleine zierliche Frau, bei der du Angst haben musst, dass sie beim Sex zerbricht. Seit wann macht mich eine Frau an? Fassungslos schaue ich nach oben, wo sie sitzt. Ich und eine Frau? Niemals. Never. Da ekelt es mich regelrecht. Noch nicht mal in unserer Jugend haben Jessy und ich es ausprobiert. Frauen, sie waren einfach da. Nun ja, ohne Frauen würde es uns ja auch nicht geben.

Jetzt sitze ich hier im Büro und träume von der Kleinen. Wieso will ich sie? Hier springen genug Twinks rum, die ich haben kann. Es wird sich für heute Abend schon noch einer oder zwei finden, die mir zusagen und mit mir gehen möchten. Warum sehe ich dann immer diesen kleinen Knackarsch vor mir? Daniel, das ist eine Frau. Eine Frau! Lass die Finger von ihr. Bringt dir nur Probleme ein, die du jetzt nicht brauchen kannst. Also halt dich zurück. 

Dante trudelt wieder ein, nachdem er Jessy nach Hause gebracht hat. Ich bin total verwirrt, weiß nicht mehr, was ich denken soll. Eine Frau. Unfassbar. Mein Schwager wird sich kaputtlachen, wenn ich es ihm erzähle. Er sitzt mir gegenüber, belauert mich schon die ganze Zeit. Grinst. Was?

»Deine Hände, sie zittern. Daniel, was ist los? Jessy kann es nicht gewesen sein, der dich geärgert hat, der ist zu Hause. Liegt auf dem Bauch. Also, wer ist es?« Er kennt mich viel zu gut. Wie, Jessy liegt auf dem Bauch? Fuck, ich will so jemanden haben. Mist, da denke ich doch direkt an die Kleine.

 

»Was hat er denn nun schon wieder verbrochen?«, frage ich ihn. Dante zuckt mit der Schulter, schaut mir grinsend ins Gesicht. Ich beneide ihn um die Liebe, die mein Bruder ihm ohne Wenn und Aber gibt. Dante ist genau wie Jessy eifersüchtig auf jeden Mann, der sich seinem Mann nähert. Wer hätte gedacht, als sie sich kennengelernt haben, dass ihr Zusammenleben funktioniert? Dante, das gebrannte Kind, wollte sich niemals mehr in seinem Leben verlieben. Hat sich mit aller Gewalt gegen seine Gefühle Jessy gegenüber gewehrt. Und Jessy? Er hat es nicht leicht gehabt. Sein Exfreund hat ihn in einem Anfall von Eifersucht beinahe umgebracht, was meinen Bruder aus dem seelischen Gleichgewicht gebracht hat. Dann hat er Dante kennengelernt, sich verliebt und um ihn gekämpft, bis er ihn mürbe gemacht hat. Dante hatte einfach keine Chance, vor Jessys Liebe zu flüchten. Beide haben sich gesucht und gefunden.

Er schaut immer noch lauernd. Und seine Augen lassen keinen Augenblick mein Gesicht los. Ich weiß, dass er nicht eher Ruhe gibt, bis ich ihm erzähle, was mich so mitnimmt. Also erzähle ich ihm von der Begegnung mit der Frau. Wie sie mich erregt, betört, einfach so konfus gemacht hat, dass ich mich nicht mehr auf meine Arbeit konzentrieren kann. Eine Frau!

 

Erzähle ihm von dem Tattoo, das ich auf ihrem Bauch gesehen habe.JOY steht in wunderschöner Schrift darauf. Ist bestimmt ihr Name. Dante schnappt sich sein Smartphone und murmelt: »Wenn wir sie finden, dann auf irgendeiner dieser Plattformen, wo sich die Jugend heute so herumtreibt.«

Also Joy eingetippt. Da Joy in unseren Augen ein weiblicher Name ist, haben Dante und ich alle Männerprofile ausgeschlossen. Tausende Bilder, die alle nicht passen. Wie soll ich sie da finden? Will ich sie überhaupt finden? Ob ich vielleicht bi bin? Verflucht, das ist so verwirrend. Eine Frau? Nein, will ich nicht. Kann ich mir auch gar nicht vorstellen. Allein der Gedanke daran verursacht Übelkeit bei mir. Puh, nein … das Bild, wie sie nackt und verlangend vor mir liegt, die Beine gespreizt, wartend, dass ich es ihr besorge, lässt meinen Schwanz schrumpfen. Was also ist bloß mit mir los? Genervt fahre ich mit der Hand über den verspannten Nacken.

 

Dante grinst vor sich hin. »Kann jedem mal passieren«, murmelt er leise. Nein, das kann nur mir passieren. Ich frage ihn, ob er es auch mal mit einer Frau versucht hat. Entsetzt schaut er mich an und schüttelt vehement den Kopf. Nein, mit einer Frau konnte er noch nie was anfangen. Er sieht mich nachdenklich an, will wissen, ob Jessy schon mal …? Jetzt grinse ich ihn an und frage, ob er Jessy mal darauf angesprochen hat. Er verneint und ich schweige einfach. Dafür bekomme ich eine Kopfnuss von ihm und muss lachen. Also bitte! Jessy und eine Frau. Plötzlich kommt mir ein Gedanke und ich springe auf, renne in den Club, suche den Kerl, der mit dieser Frau getanzt hat. Suche ihn überall, nicht zu finden. Anscheinend ist er zusammen mit Joy verschwunden. Mist. Heute ist es eh zu spät, aber morgen werde ich mal die Fühler ausstrecken, meine Beziehungen spielen lassen. Wofür habe ich denn solche Beziehungen, wenn ich sie nicht nutze? Irgendeiner wird sie schon kennen. Die Welt ist bekanntlich manchmal ein Dorf.

~*~

Zwei Wochen sind vergangen. Die Frau geht mir nicht mehr aus dem Kopf, verfolgt mich sogar in meinen Träumen. Die Twinks im Club flüchten regelrecht vor mir. Selten, dass ich sie so schlecht behandelt habe. Jeden Abend habe ich mir mindestens zwei mit nach oben genommen oder bin kurzerhand in den Darkroom mit ihnen verschwunden, wenn meine Lust überhandgenommen hat. Nur an die eigene Lust habe ich gedacht, die Jungs ignoriert. So kennen sie mich nicht, so kenne ich mich nicht. Auch wenn ich sie früher härter rangenommen habe, immer habe ich geschaut, dass auch sie zu ihrem Orgasmus kamen. Was hat die Frau nur mit mir gemacht? Alleine nur wenn ich an sie denke, mir ihren kleinen Arsch vor Augen halte, sehe, wie mein Schwanz sich darin versenkt, bekomme ich eine Gänsehaut, die sich über den ganzen Körper zieht. Der Mund wird trocken und ich werde hart. Ob sie überhaupt auf Analsex steht? Ich könnte glatt allein davon kommen, wenn ich es mir vorstelle. Nein, ich habe versucht, die Frau aus dem Gedächtnis zu ficken. Keine Chance. Ihr Bild ist fest eingebrannt. Ich bin total genervt. Völlig fertig. Auch wenn ich sie immer vor Augen habe, klappt es, dass mein Schwanz hart wird, dass ich die Jungs vögele. Also könnte ich tatsächlich Bi sein. Oder? Nein, niemals. Will nicht bi sein. Ich bin ein schwuler Mann, das schon seit 28 Jahren, und ich stehe auf Kerle, ficke sie und keine Frau der Welt wird da was dran ändern. Nein! Niemals in meinem Leben.

 

Auch meine Beziehungen nützen mir nichts. Keiner kennt sie. Die anderen Clubs und Bars in der Stadt, die Discos, sogar Lesbenclubs, keiner kennt sie. Bis vor die Stadt und auch weiter ins Umland reicht meine Anfrage. Negativ. Dante nimmt sich die Tattoo-Läden vor. Nichts, nada. Keiner kennt sie oder das Tattoo. Ich schlafe schlecht. Bin gereizt und wütend auf meinen Körper, der sich nach 28 Jahren dafür entscheidet, dass er eine Frau vögeln will. Sogar Jessy findet das lustig, fragt ab und an mal nach, ob ich Joy gefunden habe. Er schaut mich dabei immer so seltsam an, als ob er was wüsste. Er amüsiert sich anscheinend darüber, dass mir so was passiert ist, dass ich mir laufend die Frage stelle: »Wieso eine Frau? Warum gerade ich? Bin ich vielleicht doch bi?«

Morgen Abend habe ich frei und werde im Club Red auf die Jagd gehen. Mir wieder mal einen willigen Sub angeln, der auf Spanking steht, und ein paar Stunden mit ihm spielen. Habe ich schon seit Ewigkeiten nicht mehr getan. Vielleicht vergesse ich dann die Frau.

 

Im Club Red ist es genau so voll wie bei uns im BLACK. Ich stehe an der Theke, trinke schon den zweiten Whisky, als sich Damian zu mir gesellt. Sein Bruder Andrew und er sind zurzeit die Manager des Clubs, da sein Bruder Devil, der eigentliche Besitzer, noch in Las Vegas weilt. Er erkundigt sich, ob ich die Frau schon gefunden hätte? Mann, weiß denn ganz Berlin davon? Ich verneine und hebe das Glas. Im Hintergrund höre ich ein paar Jungs, sie feiern. Lachen erschallt, dann Beifall. Damian erklärt, dass es sich um eine Verlobung handelt. Da haben sich zwei gefunden. »Na dann, viel Glück«, schnaube ich durch die Nase. Kurze Zeit später steht neben mir an der Bar ein Mann und bestellt sich einen Drink. Ich schaue gelangweilt in sein Gesicht und mein Herz fängt plötzlich an zu klopfen. Das ist doch der Kerl, der mit Joy getanzt hat. Er lächelt mich an und geht wieder zu der lärmenden Gruppe Männer. An seiner Hand spiegelt sich ein silberner Ring. Ob er derjenige ist, der seine Verlobung hier feiert? Ich werde ihn mal im Auge behalten.

 

Damian hat bemerkt, wie sich mein Körper anspannt, und schaut rüber zu der Gruppe. »Keine Chance bei dem. Der feiert heute seine Verlobung«, gibt er ungefragt seinen Senf dazu. Neben Damian taucht sein Bruder Jaydan auf, schaut mir scheu in die Augen und senkt sie dann. Mann oh Mann. Jaydan ist eine Augenweide. Doch seine Brüder schotten ihn ab, lassen ihn nicht aus den Augen. Als Einziger von vier Brüdern ist er ein Sub. Jeder, der versucht, an Jaydan ranzukommen, lebt gefährlich, denn er muss erst an Devil vorbei, und ich glaube nicht, dass es einen Mann gibt, der sich das traut. Von Dante habe ich aber erfahren, dass sich Marc, Jessys Chef, um Jaydan bemüht. Na dann viel Glück, das wird er brauchen, denn wenn mich nicht alles täuscht, haben Jessy und Jaydan mehr gemeinsam, als nur dass sie devot sind. Beiden sitzt der Schalk im Nacken, und beide haben eine widerspenstige Art an sich. Jaydan fragt Damian was, und als er zustimmt, sehe ich, wie Jaydan auf die Tanzfläche geht, sich zu Jessy gesellt.

 

Jessy? Ob Dante weiß, dass er hier ist und die Männer aufmischt? Sein Gesichtsausdruck, als er mich entdeckt, ist einfach zu köstlich. Erschrecken malt sich in seinem Gesicht ab. Ich hebe mein Handy, halte es demonstrativ hoch und tippe auf das Display. Wie der Blitz ist er an meiner Seite und versucht, mir das Handy aus der Hand zu reißen. Tz, Jessy, so was aber auch. Jetzt versucht er mir mit seinem Unschuldsblick ein schlechtes Gewissen zu machen. Wer hat gestern Abend auf dem Sofa gesessen und mich ausgelacht? Na, wer? Wer fand es lustig, dass ich diese Frau suche? Verzweifelt nach einer Antwort suchte, die mir sagte, ob ich bi bin?

Jessy weiß, dass, wenn ich Dante jetzt anrufe, er die Nacht auf dem Sofa verbringen wird, und zwar auf dem Bauch liegend. Er sollte eigentlich zu Hause sein und auf Dante warten. Große Klappe gehabt, seinem Dom widersprochen und dafür Hausarrest und Ausgehverbot bekommen. Geschieht ihm recht. Rotzfrecher Lümmel. Dante ist beim Zoll hängen geblieben und hat mir gerade mitgeteilt, dass er etwas später ins BLACK kommt. Die neuen Möbel für unseren Anbau sind mit dem Schiff aus Amerika angekommen. Bestimmt weiß er nicht, dass sein Mann hier ist und versucht, seinen Dickkopf durchzusetzen. Jessys Augen ziehen sich zusammen und ich kann sehen, dass er wütend auf mich ist. Mir egal. Ich will nicht vor meinem Schwager und besten Freund stehen und Rede und Antwort geben, warum ich ihn nicht darüber informiert habe, dass sein Mann hier herumtanzt wie ein Gogo-Boy. Wenn Dante es will, dann fühle sogar ich mich wie ein kleiner Junge, der ausgescholten wird. Oh nein, auch nicht für meinen Bruder tue ich mir das an. Den Knopf gedrückt und schon habe ich Dante direkt am Telefon, informiere ihn, dass sein Mann hier bei mir ist.

 

Aua, da schlägt Jessy mir auf den Kopf und rauscht wutentbrannt ab. Ich muss aber nicht denken, dass er jetzt brav nach Hause geht, nein, er geht weiter tanzen, schaut herausfordernd und wütend zu mir rüber. Mir ist es egal, was er macht. Ich brauche ihm nicht den Arsch zu versohlen, weil er mal wieder den Dickkopf durchsetzten will. Nein, das wird Dante höchstpersönlich übernehmen, und so wie ich meinen Schwager kenne, wird er es mit Genuss machen.

Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie ein kleines blondes Etwas auf Jessy zustürmt, seinen Namen ruft und in seine Arme springt. Jessy fängt sie auf und ihre Beine umschlingen seine Hüfte. Er kennt sie, denke ich immer wieder fassungslos. Er kennt sie und hat mir gestern Abend tatsächlich frech ins Gesicht gelacht. Nein, gelogen hat er nicht, weil ich ihn nicht gefragt habe, ob er sie kennt. Na warte, Freundchen. Im selben Moment sehe ich, wie Damian sich auf den Weg zu Jessy macht und mit der Frau redet. Seine Augen sind zusammengezogen, als er versucht, die Hand auf den Schritt der Frau zu legen. Ein kurzes Zusammenzucken und die Frau packt Damians Arm, verdreht ihn. Ich sehe sein erstauntes Gesicht und bekomme einen Lachanfall. Diese kleine Bestie hat tatsächlich den großen Damian erlegt. Wenn das die anderen Brüder erfahren … Jaydan jedenfalls lacht laut auf und verzieht sich direkt, als sein Bruder ihn wütend anschaut. Jessy schreit nun Damian an, packt sich die Frau und verschwindet mit ihr. Nichts wie hinterher. Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie die Zwei imBLACK verschwinden. Jetzt bin ich es satt. Im BLACK haben Frauen keinen Zutritt, sind unerwünscht. Nichts wie durch den Hintereingang und die beiden erst mal beobachten. Was hat Jessy mit einer Frau zu schaffen? Wenn Dante ihn erwischt, ist er geliefert.

 

Wie auf Kommando kommt Jessys Mann in den Club gerauscht und stößt mit mir auf dem Weg ins Büro zusammen. Seine Laune ist im Keller. Erst hat er den ganzen Club Red abgesucht, um dann von Damian zu erfahren, dass sein Mann mit einer Frau schon wieder weg ist. Dantes Blick schweift umher und entdeckt sofort Jessy. Jessy und Joy. Ich sehe, wie sich seine Augen zu Schlitzen schließen, wie sich die Hände zu Fäusten ballen. Nicht gut, gar nicht gut. Jessy und die Frau gehen jetzt in den Waschraum, und Dante ist nicht mehr zu halten. Schnellen Schrittes geht er auf die Tür zu, reißt sie mit einem Ruck auf, dass sie voller Wucht gegen die Wand knallt. Weder von Jessy noch von der Frau eine Spur. Sein geknurrtes »Jessy« wird augenblicklich erwidert. Eine Toilettentür öffnet sich und Jessy kommt heraus gelaufen, schmeißt sich Dante an den Hals und drückt sofort die Lippen auf Dantes Mund. Er weiß schon, wie er sich bei seinem Mann einschleimen muss, um nicht auf dem Sofa zu übernachten. Langsam lernt er es.

Aber Dante ist verärgert und schiebt Jessy von sich weg, reißt die Toilettentüre weiter auf. Leer. Er redet voller Zorn auf Jessy ein, stellt ihn zur Rede. Den trotzigen Ausdruck in Jessys Gesicht kenne ich, das wird nichts, das weiß auch Dante. Dann sehe ich, wie Dante hinter die Tür schaut, wie sich seine Augen weiten. Ungläubigkeit breitet sich im Gesicht aus, als er entdeckt, wer sich gerade wieder vom Boden aufrappelt. Die Augen ziehen sich zusammen, seine Lippen pressen sich aufeinander. Er wendet sich wutentbrannt seinem Mann zu. Jetzt wird Dante lauter und ich höre, wie er ihm vorwirft, Joy zu kennen, sehe, wie sich ein schuldbewusster Ausdruck auf Jessys Gesicht legt. Dante brüllt seinen Mann an, wirft ihm vor, mit den Gefühlen seines Bruders zu spielen. Ob er so undankbar sei? Jessy verzieht sein Gesicht, schaut Dante entsetzt an, und wenn ich jetzt nicht eingreife, fließen Tränen, und Jessy wird die nächsten Nächte wirklich auf dem Bauch liegend verbringen.

 

Ein Tumult am Waschbecken lenkt mich ab. Da steht Joy vor einem Kerl, macht ihn rund, schreit ihn an. Ihr Gesicht ist wutentbrannt verzogen. Mann, die schwarzen Augen blitzen den Kerl so wütend an, dass mir ganz warm im Bauch wird. Plötzlich zieht sie ihr Shirt nach oben und brüllt, dass sie ein Mann ist … MANN?

Oh, was passiert denn jetzt hier? Ich schlucke, schaue wie erstarrt auf ihren Brustkorb. Wo ist ihr Busen? Starre auf das Tattoo, schaue wieder hoch, und sehe tatsächlich keinen Busen. Der Kleine öffnet seinen Reißverschluss und greift in seine Pants, entblößt sich, und alle auf der Toilette können sich überzeugen, dass er wirklich ein Mann ist. Fassungslos starre ich auf seinen Schritt. Muss ein paar Mal zwinkern, um zu verdauen, dass da ein Kerl vor mir steht und einen Schwanz in den Händen hält. Mir fällt ein Stein vom Herzen. Ich bin also nicht bi, nur ein klein bisschen Irre. Ich und eine Frau, nein, wie wäre das denn gegangen? Nein, ich doch nicht. Also wirklich. Wer mich kennt, der weiß, dass ich stockschwul bin. Tz, als ob mich eine Frau verführen könnte. Nein, niemals im Leben. Never. Mein Schwanz freut sich, dass dort ein kleiner streitsüchtiger Twink steht, der sich zu wehren weiß. Wenn er weiter so macht, schnappe ich ihn mir einfach und dann ist er fällig. Ich bin so ausgehungert nach ihm, dass sich kurzfristig der Verstand verabschiedet. Im letzten Moment sehe ich, wie der Kleine ausholt, um dem armen geschockten Mann eine reinzuhauen. Das gibt es hier nicht im BLACK. Geschlagen wird sich draußen, niemals im Club.

 

Mein Arm stößt nach vorne und schnappt sich seine Hand. »Er hat es kapiert.« Sein Mund steht weit offen, als er sich umdreht und in meine Augen schaut. Gott im Himmel, ist der Kleine süß. Wie ein Engel sieht er aus. Mein Herz ist der gleichen Meinung und schlägt wie eine Trommel in der Brust. Schnell nutze ich seine Sprachlosigkeit, schnappe ihn mir und schiebe ihn Richtung Büro. Jetzt habe ich dich! 

Mit etwas Schwung schubse ich den Kleinen in den Sessel, stehe breitbeinig vor ihm und schaue in sein Gesicht. Stundenlang könnte ich ihn nur ansehen. Dieser Mund, ob er so weich ist, wie er aussieht? Seine wütend verzogenen Augen. Ob sie sich, wenn er kommt, auch so zusammenziehen, noch dunkler werden? Ich will ihn unter mir liegen haben, will mich tief in ihm versenken. Aber ich habe auch beobachtet, wie schnell er Damian im Griff hatte. Er faucht mich an, will sich nicht beruhigen. Ich erkenne, dass er meinem Blick ausweicht, ihn nicht erwidert. Die Augen senken sich jedes Mal, wenn ich versuche, sie einzufangen, oder irren umher. Na so was!

Atemlos schaue ich ihn an. Da habe ich mir doch eine kleine Kratzbürste geangelt … obwohl, so wie er meinem Blick ausweicht, ist er etwa doch devot? Sollte ich so viel Glück haben? Wenn er jetzt auch noch auf Spanking steht, dann behalte ich ihn, ob er will oder nicht. Mein Gott, wie demütig er seine Augen vor mir senkt. Hart muss ich schlucken, als ich das sehe. In meiner Hose ist der Teufel los. Mein Schwanz klopft wie verrückt und versaut mir die Pants, hinterlässt feuchte Flecken. ICH WILL IHN, WILL IHN HABEN.

 

 

 

 

 

 

 

Jetzt zu Max und Adrian

 

Eigentlich sollte hier eine Liebesgeschichte entstehen, die nichts mit BDSM zu tun hatte. Aber wie das Schicksal so spielt, kam mir der Gedanke, dass Neugier bei meinen zwei Männern dazu führen könnte, tiefer in die Szene reinzuschnuppern. Da der Bondage-Anteil bis jetzt zu kurz gekommen war, fragte ich meinen Verleger, ob er sich als Bondage-Meister zur Verfügung stellen möchte. Er bejahte und ich überlegte mir eine Story.

Dann mal losgelegt. Tagelang habe ich mir die Knoten eingeprägt, versucht sie zu beschreiben, bevor ich die Geschichte von Max und Adrian in Angriff nahm.

Verlangen, unerfüllte Liebe, Eifersucht und zum Schluss, Neugier! Ja, so würde es gehen.

Da Adrian sich in Jessy verliebt hatte, litt Max sehr unter Eifersucht. Nach Wochen voller Hoffnung kam endlich Bewegung in die Geschichte. Wer nun denkt, dass ich es mir einfach gemacht habe, der irrt. Tagelang wurde recherchiert und zum Schluss sprach ich mit einem Bondage-Meister, bekam sogar eine Einladung zu einem seiner Events, das leider für mich zu weit entfernt war. Auch lernte ich jemanden in meinem Umfeld kennen, der sich schon oft hat fesseln lassen und mir seine Erfahrungen erzählte.

So, das Storyboard stand. Und nun?

Verschämte Liebe, ein blaues Auge, dann Interesse und wieder Liebeskummer. Seufz. Es gab ein auf und ab, bis die zwei mal im Bett gelandet sind. Dann das Interesse für BDSM, die ersten zaghaften Versuche. Adrian, der bei Wolfram Bondage erlernt. Der bei Angelo und Devil in die Lehre geht und lernen will, wie man die Peitsche handhabt. Wann bringt sie Lust? Wann den Schmerz?

 

Nun will ich euch nicht weiter auf die Folter spannen und hier ist die Leseprobe von:

Blackline 3 Max und Adrian.

  

 

Blackline 3 Max und Adrian.

 

 

Kapitel 1

Max

*~*~*~*

So ein Mist!

Seit zwei Jahren arbeite ich im »Black« als Barkeeper. Ich liebe meine Arbeit, doch seit dieser Mann dort aufgetaucht ist, besteht mein Leben nur noch aus unerfüllter Liebe und Eifersucht, die mich in den Wahnsinn treibt.

Meine Gedanken schweifen zu der Zeit vor zwei Jahren ab. Wie verzweifelt ich eine Arbeit gesucht hatte und schließlich hier gelandet bin. Wie schwer es am Anfang war, im Club zu arbeiten. Seufzend schließe ich die Augen.

Oh, bevor ich mich in meinen Erinnerungen verliere, sollte ich mich vielleicht erst mal vorstellen. Sonst rede ich mich hier noch in Rage und vergesse alles, was ich los werden will. Eigentlich müsstet ihr mich schon kennen, denn ich bin der Barkeeper aus dem Club »Black«. Maximilian Bender, von meinen Freunden kurz Max genannt. Eigentlich bin ich für meine 26 Jahre noch ziemlich unerfahren und das, obwohl ich in einem der exklusivsten Gay Clubs in Berlin arbeite, dem »BLACK«. Hier lernst du Männer kennen, die in dir das reinste Chaos anrichten können, die dir sexuell erfüllte Träume bescheren. Du wachst am anderen Morgen mit einem steifen Schwanz auf und könntest sie alle verfluchen. Obwohl ich mit knapp 1,81 m nicht gerade klein bin, überragen mich die meisten Kerle hier. Die dunkelbraunen Haare, die in einen modischen Haarschnitt gebracht sind, und mein Scheitel, der mir immer wieder in die Augen fällt, runden das Bild von einem eigentlich nicht zu kleinen Mann ab. Meine Augen sind hellgrau und von einem dunklen Rand umgeben. Sie erscheinen je nach Stimmung, rauchgrau oder dunkel, fast schwarz.

 

Mein Gesicht ist schmal mit einer geraden Nase. Ein Muttermal an der Oberlippe und eines unter dem linken Augenrand ziehen immer wieder die Blicke der Männer an, was ich so gar nicht verstehe. Mich stören die Male, es sieht nicht so toll aus, doch anscheinend gefällt es der Mehrzahl der hier anwesenden Kerle. Den Mund kann man auch als Schmollmund bezeichnen. Die Lippen sind für einen Mann ein klein bisschen zu voll geraten. Oh, bevor ich es vergesse. Mein Hintern wird allgemein als Knackarsch beschrieben. Warum das so ist? Keine Ahnung. Ich finde ja, er ist zu rund geformt. Zwar knackig, aber nicht so, wie es dem gängigen Ideal, dass er klein und fest sein soll, entspricht. Die Beine sind lang und schlank. Auch mein männliches Teil, also mein Schwanz, ist, wenn ich ihn so betrachte, auch nicht zu kurz oder zu klein geraten.

 

Die Kerle hier sagen, dass ich ein Sahneschnittchen sei. Sie sehen in mir einfach nur den Twink, der immer unten liegt, sich nehmen lässt. Nun ja, ob ich wirklich so passiv bin, wie ich immer gedacht habe, bezweifele ich. Immer öfter verspüre ich das Verlangen, auch mal oben zu liegen und einem Kerl zu zeigen, dass ich ihn auch toppen kann. Na ja, wenn man mich nur lassen würde.

Die Männer in den Clubs sehen das anders. Wenn ich mal versucht habe, aktiv zu werden, lande ich meistens direkt unter ihnen, damit sie ja nicht den Arsch für mich hinhalten müssen. Irgendwie geht mir der Spaß dabei verloren. Es muss ja auch nicht immer so sein, weil ich auch mal gerne passiv bin und mich verwöhnen lasse. Aber ab und zu würde ich auch gerne die Oberhand behalten. Sollte ich jemals einen festen Freund finden, dann dürfte das nicht zwischen uns stehen. Mir einen Dom anzulachen? Ne, das geht echt nicht. Immer, wenn ich Jessy und Joy sehe, dann frage ich mich, was es ihnen bringt, sich den Hintern versohlen zu lassen. So vorsichtig, wie sie sich immer auf einen Stuhl setzen, wenn einer von ihnen seinen Kopf durchsetzen wollte und dann dafür bestraft worden ist. Oh nein, das ist so gar nicht meins.

 

Nun ja, hier im »Black« wirst du immer von Männern angebaggert und musst dich deiner Haut erwehren. Am Anfang lehnst du alle Angebote für den Darkroom ab. Aber irgendwann sehnst du dich nach einer Umarmung, danach, einen anderen Mann im Arm halten zu können, ihn zu küssen. Streicheleinheiten fehlen dir ungemein. Und dann kommt mein Exfreund Timo plötzlich daher und verdreht mir wieder den Kopf. Er grinst mich an und ich falle auf ihn zum wiederholten Male rein. Bis Elija mir irgendwann steckte, dass Timo verheiratet ist. Nein, nicht mit mir. Ich habe viel zu lange gekämpft, um meine Neigung frei auszuleben. Eine billige Affäre ist nicht mein Stil. Liebe? Nein, Liebe war es nicht, nur Einsamkeit. Das habe ich schnell erkannt und Schluss gemacht. Dann habe ich erfahren, dass ich nur ein Zeitvertreib für ihn war. Dieser blöde Penner. Das alles hat mir viel Kummer bereitet, daher habe ich mein Herz gut eingepackt und nicht mehr verschenkt. Dann, nach zwei Jahren Abstinenz, kommt ER plötzlich daher und es ist geschehen, was nicht geschehen durfte.

ADRIAN! Adrian Dalke. Mein wahr gewordener feuchter Traum und mein meist gehasster Kerl hier im »Black«. Elija sitzt mir gegenüber, versucht, mich zu trösten, aber ich bin total fertig, könnte hier kündigen, nur um IHM nicht mehr zu begegnen. Nein, ich werde das hier durchstehen. Ich lasse mir meinen tollen Job wegen ihm nicht vermiesen.

 

Die Augen schließend gehen Erinnerungen aus meiner Vergangenheit durch meinen Kopf.

Geboren und aufgewachsen bin ich im Spreewald. Dort musste ich die Neigung, dass ich mich zu Männern hingezogen fühle, verschweigen. Ja, bis mich mein Lehrer in der Turnhalle dabei erwischte, wie ich meinem damaligen Freund Timo die Zunge in den Hals gesteckt hatte. Der Lehrer zwang mich, zuzugeben, dass ich schwul war. Junge, Junge, das brachte mir mehr Ärger ein, als ich damals gedacht hatte. Die dummen Sprüche danach gaben mir dann den Rest. Nicht nur dass Timo – ich hatte ihn ja oben erwähnt – mich nach dieser Situation verleugnet hatte, nein, er ließ mich fallen wie eine heiße Kartoffel, als ich geoutet wurde. Er hatte alles abgestritten und ich stand alleine da. Acht Monate waren Timo und ich ein Paar, und er legte mich ab wie einen gebrauchten Lappen. Gut, dass Emil und Elija zu dieser Zeit für mich da waren.

 

Mein Pflegevater ging nicht so human mit mir um wie mein Lehrer. Schwul war für ihn eine Krankheit, die behandelt werden konnte und die er aus mir heraus prügeln wollte.

Weil ich aber auch ein Rebell war und mir von ihm nichts mehr sagen lassen wollte, habe ich mir einen Drachen auf dem Rücken tätowieren lassen. Dieses Tattoo ist mein ganzer Stolz. Wie viele Schmerzen ich dafür ausgehalten habe, kann ich niemandem erzählen. Aber es hat sich gelohnt, ich liebe es. Warum ein Drache? In der griechischen Mythologie gilt der Drache genau wie der Engel als ein Beschützer. Er steht für das Symbol der Stärke, Kraft, Freiheit und Furchtlosigkeit. Genau das, was ich in meinem Leben brauche. Stärke und Kraft, um durchs Leben zu kommen. Freiheit und Furchtlosigkeit, um es zu bestehen.

Der Drache fängt auf dem oberen Rücken an und sein Kopf liegt in meinem Nacken. Der schmale elegante Drachenkörper zieht sich runter bis zum Steiß, wobei die Flügel über die Schultern bis zu den Hüften gezogen sind. Die Krallen sind so gestochen, dass es aussieht, als ob sie sich in meine Taille bohrten. Der peitschende Schwanz endet zwischen den Arschbacken, verschwindet genau in der Ritze.

Damals fand ich es ziemlich cool. Ich hatte mich gegen das Verbot der Eltern, eigentlich sind es nur meine Pflegeeltern, durchgesetzt und es mir einfach stechen lassen. Was sollten sie auch dagegen machen? Damals war ich schon 18 Jahre alt und brauchte ihre Genehmigung dafür nicht. Fast das ganze ersparte Geld ging dafür drauf. Ein halbes Jahr, dreimal die Woche, bin ich zum Tattoo Studio geradelt. Solange hat es gedauert, bis es fertig war. Mann, das war vielleicht ein Stress zu Hause, als mein Pflegevater es entdeckte. Dass er mich nicht tot schlug, grenzte schon an ein Wunder. Nun, so aufsässig, wie ich damals war, bin ich danach einfach ins Piercing-Studio gegangen und habe mir ein Zungenpiercing stechen lassen. Nur um ihm zu zeigen, dass ich mit meinem Körper mache, was ICH will. Mann, ist der Kerl ausgerastet.

 

Es waren die schlimmsten Schläge in meinem bisherigen Leben, aber auch die letzten. Das schwor ich mir damals, als ich ihm danach mit einem einzigen Schlag die Nase gebrochen und meine Sachen gepackt hatte. Ich war es so leid, dass man mich anspuckte oder verprügelte, und bin nach Berlin abgehauen. Bevor ich mich jedoch vom Acker machen konnte, standen meine beiden besten Freunde, Elija und Emil, vor mir. Elija schaute ganz erschrocken, als er mein Gesicht sah. Na ja, er sollte sich mal meinen Pflegevater anschauen, dachte ich noch voller Stolz. Schon seit unserer Schulzeit waren wir drei die besten Freunde. Als ich bemerkte, dass ich Jungs lieber mag, musste ich ihnen mein Geheimnis anvertrauen und erfuhr, dass es ihnen nicht anders ging. Mann, das war vielleicht ein Schock, aber das machte mir auch klar, dass ich nicht allein war mit diesem Verlangen. Es schweißte uns von da an noch mehr zusammen. Nur ich war jetzt unfreiwillig geoutet, sie nicht. Es war daher nur eine Frage von Tagen, bis die anderen es auch heraus bekommen hätten. Anstatt dass sie im Spreewald geblieben wären, nein, sie mussten mit mir nach Berlin gehen. Sie sind eben echte Freunde und wollten dieses eingefahrene Leben in diesem intoleranten Kuhdorf auch nicht mehr.

 

Nun waren meine Freunde und ich hier in Berlin gelandet. Ohne einen Job, ohne eine Perspektive, jemals etwas zu finden. Diese Stadt ist riesig, so gar nicht mit dem Dorf zu vergleichen, aus dem wir gekommen waren. Seit Tagen schon lief ich mir die Hacken wund. Ich würde alles annehmen. Tellerwäscher, Hilfsarbeiter egal was, nur um etwas Geld verdienen zu können. Das ist so ätzend. Sah ich etwa aus wie ein Schwerverbrecher, dass ich schon von einem Dutzend Clubs, Cafés und Bars abgelehnt wurde? Trotz der Ausbildung zum Hotelkaufmann und den super Zeugnissen bekam ich überall nur eine Absage. Warum nur? Weil ich direkt sagte, dass ich schwul bin? Es nicht verheimlichen wollte? Auf keinen Fall würde ich mich verstecken, leugnen was oder wen ich liebte. Also warum sollte ich hier in Berlin verschweigen, das ich schwul war? Nein, ich stand dazu, dass ich Männer liebe. Was, wenn ich irgendwann mal einen Freund habe, soll ich ihn dann auch verstecken? Kommt ja gar nicht infrage. Lieber von Anfang an mit offenen Karten spielen, damit nicht wieder so was passierte wie im Spreewald. Irgendwann kommt alles ans Tageslicht und dann müsste ich meine Sachen packen und flüchten. Obwohl »flüchten« ein viel zu hartes Wort dafür ist, dass ich freiwillig abgehauen war.

 

Das Leben hier in Berlin war am Anfang gar nicht so einfach, doch ich hatte niemals vor aufzugeben. Nein, das kam nicht infrage, niemals. Ich bin ein Kämpfer, war es immer schon. Emil hatte durch Zufall was bei einem Architekten hier in der Nähe gefunden. Elija und ich waren noch auf der Suche, denn wir benötigten dringend das Geld.

Irgendwann bin ich vor diesem Club »Red« gelandet, stand vor der roten Eingangstür und hörte, dass auf der anderen Straßenseite im Gayclub »Black« noch Personal gesucht wurde. Nichts wie hin und gefragt. Ein Mann namens Ben öffnete mir die Tür und gab mir einen Termin. Voller Zuversicht ging ich nach Hause. Ja, unser Zuhause ist eine WG, die wir uns zu dritt teilen. Drei Zimmer, Küche, Diele und Bad. Optimal für meine Freunde Elija, Emil und meine Wenigkeit. Ein Anruf jedoch zerstörte den ersten Optimismus. Der Eigentümer des Clubs »Black« hatte den Termin abgesagt und verlegt. Also mussten Elija und ich noch zwei Tage länger warten.

An diesen Abend war ich allein. Elija und Emil gingen ins Kino, um sich irgendeinen Horrorfilm anzuschauen. Ich stehe überhaupt nicht auf so was, kann damit nichts anfangen, aber die zwei sind dafür Feuer und Flamme. Vor lauter Langeweile beschloss ich daher, mir mal den Club »Black« von innen anzuschauen. Warum nicht? Schnell zog ich eine Jeans an, ein T-Shirt drüber und dann nichts wie los.

Seit einer halben Stunde stand ich nun schon in der Schlange vor dem Club »Black«. Na endlich. Den Eintritt bezahlt und voller Staunen, mit offenem Mund, sah ich mich in einer der exklusivsten Gaybars um, die ich je sah. Gott, ich war so stolz, dass ich mich getraut hatte, hier hinzugehen. So was wie das hier, hatte ich bisher noch nicht gesehen. Nun ja, bei meiner Erfahrung war das ja auch kein Wunder. In dem Dorf, wo ich groß geworden bin, gab es so was ja auch nicht. Ich musste immer in die nächste größere Stadt mit dem Zug fahren. Leider bin ich dann in einem Club gelandet, der mehr nach einer Hinterhofkaschemme aussah.

 

Als mir später bewusst wurde, wo genau ich gelandet war, wollte ich den Club verlassen. Ein Mann sprach mich an und schob mich einfach in den Darkroom. Dort wollte er sich mir aufzwingen. Mein Glück war, dass die anderen Männer das mitbekamen, und ich flüchten konnte. Nein, mich kriegen da keine zehn Pferde mehr rein. Diese böse Erfahrung will keiner so gerne machen. Eigentlich wollte ich nie wieder in einen Club gehen, in dem ein Darkroom ist. Ich hasse diesen Raum. Er ist zu dunkel. Zu viele Männer, die dich antatschen, befummeln und am liebsten auch noch ficken wollen. Dann dieser Geruch nach Sex, Schweiß, abgestandener Luft und viel zu viel Aftershave. So gar nicht mein Fall. Wenn ich Sex möchte, dann will ich ein Bett haben, mich fallen lassen können.

Hm, der Club hier aber sah so ganz anders aus. Die Musik war cool. Genau mein Geschmack, also tobte ich mich aus. Dann sah ich diesen Wahnsinnskerl in der Mitte der Tanzfläche. Er bewegte sich wie ein Profitänzer. Oh Mann. Ein dunkler langer Zopf, silbrige, perlmuttfarbene Augen, die im Discolicht glänzten. Sie sahen so unwirklich aus. Er war ganz in seinem Tanz und der Musik versunken. Plötzlich war er weg. Schade, ich hätte ihn gerne näher kennengelernt.

Das Tanzen machte mich durstig, wie ich mal wieder feststellen durfte, daher ging ich zur Bar. Oh, da war es viel zu voll. Bestimmt stehe ich hier noch stundenlang an, bis ich was bekomme. Ob es die einzige Theke im Club war? Hm, ich schaute mich um und erkannte, dass es noch eine Bar gab. Nichts wie hin, und wen sah ich da? Da saß dieser tolle Tänzer an der Theke und schaute irgendwie so traurig aus. Schnell setzte ich mich neben ihn und bestellte mir ein Getränk. Er schaute zu mir rüber und starrte mich an. Wie die Augen plötzlich übermütig funkelten, und sein schelmisches Grinsen – Provokation pur. Er stellte sich als Jessy vor, und wir kamen ins Gespräch. Ben, der Barkeeper stellte uns plötzlich zwei Getränke hin und zeigte mit den Daumen nach rechts zur Empore. Da stand er, ein Bild von einem Mann, schaute zu uns rüber, und Jessy prostete ihm zu. Holla, der Kerl sah nicht schlecht aus und auch mein Schwanz war der gleichen Meinung. Der Typ war heiß, ziemlich groß und Jessy schien ihn zu kennen. Ob ich eine Chance bei ihm hätte? Nicht bei Jessy, nein, der Kerl da oben hatte es mir an besagtem Abend ziemlich angetan.

 

Immer noch ganz in Gedanken versunken, hielt ich das Glas in der Hand, starrte es an. Jessy lenkte mich ab, als er anfing zu singen. Seine Stimme ist wundervoll, so rau und tief in den unteren Tönen. Leise stieg ich mit ein und wir lachten zusammen. Die Kerle um uns herum wurden aufmerksam, aber wir verneinten jedes Mal, wenn uns ein Angebot gemacht wurde. Und es waren nicht wenige. Nein, ich fand die Unterhaltung mit Jessy interessanter als einen schnellen Fick im Darkroom, zu dem ich sowieso nicht mitgegangen wäre.

Da erschien ein aufdringlicher Kerl plötzlich bei uns an der Bar und fragte doch direkt, ob Jessy mit ihm ficken gehen würde. Boah, wie gewöhnlich war das denn? Meint der etwa, dass hier ein Callboy saß? Nun betatschte er ihn auch noch, ohne dass Jessy seine Zustimmung dazu gegeben hatte. So was Aufdringliches war mir auch noch nicht untergekommen. Jessy wusste sich zu wehren und erstaunt sah ich, wie er dem Kerl eine Ohrfeige verpasste, die sich gewaschen hatte. Toll! Damit stieg er noch in meiner Bewunderung, da er sich genau wie ich, nichts gefallen ließ. Auch wenn wir aussehen wie Bottoms, gibt das keinem das Recht, uns wie Freiwild zu behandeln. So nicht, meine Herren! Mann, war der Abend toll mit Jessy, und was danach kam, noch viel besser.

 

Wieder schließe ich meine Augen, tauche in die Vergangenheit ab und sehe, wie Jessy herumschnellte, meinen Arm packte und mich mit sich in den VIP-Bereich des Clubs zog. Er raste in einem Tempo die Treppen hinauf, dass ich Angst hatte, nicht mit zu kommen. Er schleppte mich flink hinter sich her. Er wollte nicht, dass ich mit dem doofen, aufdringlichen Kerl allein war. Plötzlich wurde sein Sprint von einer breiten männlichen Brust gestoppt. Irgendetwas war passiert. Er stand wie erstarrt vor diesem riesigen Kerl, der mir fremd war, und bewegte sich nicht mehr. Er ließ meinen Arm los, sodass ich weiter gehen konnte. Oh Himmel, der Mann ist vielleicht eine Nummer zu groß für Jessy, dachte ich noch so bei mir. Viel zu groß und zu herrisch. Er ist garantiert einer, der immer, also wirklich immer, alles selber in der Hand behält und sich nichts sagen lässt. Sogar ich konnte das erkennen. Und ich, ich hatte keine Ahnung von solchen Typen.

 

Fast zwei Meter geballte Männlichkeit standen vor ihm. Dominant bis in die Zehenspitzen. Sein Raubtierblick ließ Jessy nicht aus den Augen. Schwarze Haare und so was von dunkelblauen Augen, dass ich erstarrte, als sein Blick plötzlich auf mich fiel. Unauffällig versuchte ich, aus seinem Jagdrevier zu kommen, und stieß mit einem Mann hinter mir zusammen. Da war er wieder. Der Mann, der mich schon den ganzen Abend über beobachtet hatte. Er gefiel mir, gefiel mir wirklich gut. Ob ich den dummen Stolz für heute Abend mal herunterschlucken sollte, mich auf einen heißen One-Night-Stand einlassen könnte? Wenn er nicht auf den Darkroom beharrt und mich mit zu sich nach Hause nimmt, ja, dann bin ich dabei. Ich hatte mir zwar geschworen, das niemals wieder zu tun, aber für ihn würde ich eine Ausnahme machen. Er sah so … männlich aus. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass es bei diesem Kerl nur ein einmaliges Erlebnis werden würde. Egal, ich wollte ihn an diesem Abend, wollte, dass er mich nimmt, mir zeigte, wie begehrenswert ich für ihn war. Aber erst mal ließ ich ihn noch etwas zappeln. Er sollte nicht denken, dass ich direkt vor seine Füße falle und er mit mir machen könnte, was er wollte. Wer nicht wagt, der nichts gewinnt. Also abwarten, schauen, wie der Abend mit ihm so verlaufen würde.

 

Er schaute mir in die Augen, und ich konnte einfach nicht wegsehen. Ohne zu überlegen, nahm ich seine Hand und ging mit ihm. Die Nacht mit ihm war berauschend, doch leider nur einmalig, da er kurz danach Joy kennengelernt hatte. Dass Daniel Jessys Bruder war, hatte ich erst am nächsten Morgen erfahren, als wir uns am Frühstückstisch gegenübersaßen.

Leise seufze ich auf, komme wieder in die Gegenwart zurück und spüre, wie mir Elija übers Haar streicht und versucht, mich zu trösten. Liebeskummer ist Scheiße. Diese Gefühle, die damit einhergehen, ich hasse sie. Jedes Mal, wenn ich Adrian bediene, sieht er durch mich hindurch, nimmt mich nicht wahr. Wieso? Eigentlich sehe ich gar nicht schlecht aus. Wenn ich den anderen Männern hier im Club glauben kann, dann bin ich ein Sahneschnittchen, also ein hübscher Kerl. Aber für Adrian bin und bleibe ich Luft. Er ist ein Arsch. Mein Herz schmerzt wirklich schlimm. Elija drückt mich wieder an sich. Viele neue Freunde habe ich hier gefunden. Nein, ich werde den Schwanz nicht einziehen. Niemals für einen Mann, der die Liebe nicht sieht, wenn sie vor ihm steht. Ich hasse diesen blöden Kerl mit Namen Adrian.

 

Wieder schweife ich ab, erinnere mich, wie ich zu diesem Job gekommen war. Mann, das waren vielleicht harte Zeiten. Als wäre es gestern gewesen, sehe ich es vor mir.

Elija und ich standen vor der Tür des »Black«, warteten auf den Besitzer. Außer uns waren noch ein paar andere Jungs hergekommen. Wir hielten uns an den Händen, die vor lauter Nervosität schweißnass waren. Mann, wir brauchten dringend diesen Job, sonst hätten wir uns die Wohnung nicht mehr leisten können. Emil allein konnte die Miete dafür nicht aufbringen. Die Tür ging auf und Dante Alvarez stand vor uns, bat uns hinein. Ach du Scheiße! Da stand dieser große, furchteinflößende Kerl von gestern Abend vor mir. Auch heute spüre ich immer noch sein dominantes Auftreten und fühle den riesigen Respekt, den ich vor ihm hatte. Wegen seiner Aufmerksamkeit, die er plötzlich an mir zeigte, bin ich schließlich mit Daniel gegangen und habe diesen grandiosen One-Night-Stand nie bereut. Oh Mann, hoffentlich erkennt er mich nicht, dachte ich noch. Jedenfalls sprach er mich nicht darauf an, obwohl ich sehen konnte, wie er schmunzelte.

 

Er erklärte uns allen, was er von uns verlangen würde und was der Job so mit sich brächte. Unregelmäßige Arbeitszeiten, tagsüber frei, aber dafür bis in die Morgenstunden arbeiten. Er suchte zwei Barkeeper, die in der oberen Bar arbeiten sollten und ab und zu auch unten. Fünf Männer hatten sich beworben und standen jetzt vor ihm. Er sprach mit jedem von uns und erklärte den Aufgabenbereich. Dann nahm er uns unsere Bewerbungen aus der Hand, mit dem Versprechen, sich zu melden. Oh nein, das kannte ich zur Genüge.

Elija und ich wollten so gerne hier arbeiten, genau unser Ding, und der Stundenlohn war auch nicht zu verachten. Nicht so wie bei den anderen Clubs, bei denen wir uns vorgestellt hatten. Wir blieben bis zum Schluss, und der Clubbesitzer schaute uns an. Elija senkte den Blick zu Boden, seine Hand zitterte in meiner, als ich mutig vor dem Besitzer des »Black« trat. Stur schaute ich in seine Augen. Ich bin nicht devot veranlagt. Zwar ordne ich mich gerne beim Sex unter, doch devot würde ich es nicht nennen.

 

Zittrig erklärte ich ihm unsere Lage und dass wir gerne für ihn arbeiten würden. Wir wären unabhängig, was die Arbeitszeit betraf. Dass wir auch mal Überstunden machen könnten und flexibel seien. Er hob die Hände, lachte uns an. Gott im Himmel, was für ein toller Mann. Seine schneeweißen geraden Zähne, diese dunkelblauen Augen und das schmale Gesicht. Oh, ich verstand jetzt, warum Jessy an dem Abend damals so geblendet war.

Die Tür ging auf und ein anderer Kerl betrat den Club, stellte sich als Claas Nissen vor. Er beäugte uns, fragte, ob das alle Bewerber gewesen wären. Tapfer blieb ich vor ihm stehen, Elijas Hand in meiner, als er überraschend sein Okay gab. Was? Wir hatten den Job, konnten direkt morgen Abend anfangen. Ich sage es ja immer wieder. Hartnäckigkeit zahlt sich eben aus, und dass ich Daniel als den zweiten Boss hier vorgefunden habe, war auch eine Überraschung. Wir sind erwachsene Männer, hatten eine Nacht unseren Spaß und das war es. Kein Problem für ihn und mich. Glücklich verließen wir die Bar. Wir hatten die Stellen bekommen und daraufhin am Abend etwas gefeiert. Ja, gefeiert hatten wir drei ausgiebig. Elija, Emil und ich. Uns ging es am nächsten Tag so dreckig, dass ich dem Alkohol abgeschworen habe. Zwei Jahre ist es nun her. Zwei Jahre, in denen ich allen Kerlen ausgewichen bin. Nie war einer dabei, der mich gereizt hätte. Viele Angebote habe ich in der Zeit hier erhalten, aber der Mann, der es schaffen würde, dass mein Herz schneller klopft, war nicht dabei. Daniel ist die einzige Ausnahme gewesen. Er war der einzige One-Night-Stand in all der Zeit, die ich hier nun schon arbeite.

Und nun? Nun stehe ich hier wie ein verliebter Idiot, schmachte den Mann meiner Träume an und leide wie ein angeschossenes Tier.

 

 

Kapitel 2

Adrian
*~*~*~*

Gott, da ist er wieder. Der Mann meiner feuchten Träume. Jessy Alvarez. Leider schon vergeben und verheiratet mit einem guten Freund von mir. Dante Alvarez, Besitzer des angesagtesten Clubs in Berlin, dem »Black«. Nur aus der Ferne traue ich mich, ihn anzuschmachten, ich vergöttere ihn regelrecht. Auch handeln meine Träume nur noch von ihm. Gott, ich bin blind allen anderen Männern gegenüber. Sehe nur noch ihn, doch er ist tabu für mich, vergeben.

Zwei Jahre bin ich zum Studium in Paris gewesen. Mit meinen Freunden bin ich über Skype und diverse Plattformen in Verbindung geblieben. Emails sowie ein paar Telefonate hielten mich immer auf den neuesten Stand. So erfuhr ich auch, dass mein Freund Dante geheiratet hatte. Eine Einladung zu seiner Hochzeit lag auch in meinem Briefkasten. Aber wie das Leben so spielt, musste ich an diesem Tag meine Prüfung ablegen. Schade, ich wäre so gerne dabei gewesen. Dante und Heirat! Gerne hätte ich den Mann kennengelernt, der das geschafft hat.

Seit mehr als einem Monat bin ich wieder zu Hause und der erste Kerl, den ich sehe, als ich im Club mit meinen Freunden etwas feiern möchte, ist Jessy! Genau, der Mann, der meinen Freund erlegt hat, und ich kann verstehen, dass Dante ihn nicht mehr gehen lässt. Sein Name alleine zergeht mir wie Honig auf der Zunge. Als ich ihn sah, war es passiert, und mein Herz schlug ein paar Takte schneller. Lange, schwarze Haare, so helle Augen, dass man sich darin verlieren kann, und einen Körper wie ein junger Gott.

 

Seufzend drehe ich mich um, versuche mein Verlangen für ihn einzuschließen, damit Dante es niemals sieht. Wir sind doch Freunde und ich vergreife mich niemals an deren Männern. Plötzlich wird mein Name gerufen. Ja, ich bin Adrian. Adrian Dalke. 30 Jahre alt. Habe mich ausgetobt, nie was anbrennen lassen, aber irgendwie dabei aus den Augen verloren, dass ich immer noch auf der Suche nach einem festen Partner bin. Einem Mann, mit dem ich alle meine Sorgen, meine Liebe und das Verlangen teilen kann. Nicht nur was für eine Nacht. Nein, es sollte schon jemand sein, der genau wie ich, was Festes sucht. Eigentlich gar nicht so schwierig. Angebote gibt es genug, aber die Liebe hat da auch noch ein Wörtchen mitzureden. Leider.

Auch dass ich mit meinen dunkelgrünen Augen und meiner Größe von 1,97 m überall auffalle, ist ein Grund dafür, dass die kleinen Twinks nicht zu halten sind, wenn ich im Club in Ruhe etwas entspannen möchte. Aber was soll ich mit so zierlichen Kerlen nur anfangen? Obwohl ich zugeben muss, dass Daniels Mann Joy auch eine Sahneschnitte erster Güte ist. Seine goldenen Locken und diese pechschwarzen Augen … Einfach ein göttlicher kleiner Kerl und von Daniel eifersüchtig bewacht. Was ich auch verstehen kann. Wenn so ein Mann mein wäre, würde ich ihn auch nicht aus den Augen lassen.

 

In den vielen Spiegeln im Club kann ich mich sehen. Die zwei Jahre, die ich in Paris verbracht habe, und der Hochsommer dort haben meinem Körper eine leichte Bräune verpasst. Dazu bin ich schlank und treibe gerne Sport. Die meisten würden sagen, dass ich verdammt gut aussehe. Ich bin ein Top, aktiv, niemals passiv. Wer mit mir in die Kiste will, der muss das akzeptieren, sonst wird das nichts mit einem Fick mit mir. Den Lebensunterhalt verdiene ich mir als Ingenieur in der Produktabwicklung der Autoindustrie. Jetzt bin ich sogar Chef-Ingenieur und habe ein paar Angestellte unter mir. Dafür habe ich hart gearbeitet und ernte nun die Lorbeeren. Außerdem bin ich aufbrausend und starrköpfig. Eigentlich bin ich ziemlich schwierig. Kein Wunder, dass ich den richtigen Mann noch nicht gefunden habe. Wer will sich denn mit mir schon auseinandersetzen, wenn er genau weiß, dass er den Kürzeren zieht, ich auf mein Recht poche?

Tja, dass ich auf Männer stehe, habt ihr bestimmt schon erraten. Was sollte ich denn sonst in einem Gay-Club machen? Am liebsten habe ich die Jungs gehorsam, willig und unter mir liegend. Ja, ja, ich weiß, wie sich das anhört, aber mal ehrlich … welcher Kerl will das nicht?

Auch Frauen sind in meinem Leben nicht vorgesehen. Es gibt sie, ich arbeite mit ihnen und behandele sie mit Respekt. Das ist es dann auch schon. Wenn nur die Besessenheit für Jessy nicht wäre, würde ich mal sagen, mein Leben ist, außer dass ein fester Partner darin fehlt, eigentlich zufriedenstellend. Aber leider ist das nicht so. Jessy lässt sich einfach nicht aus meinen Gedanken drängen. Heute Abend bin ich mit dem Vorsatz in den Club »Black« gegangen, um ein klein wenig zu entspannen. Vielleicht finde ich jemanden, der mit mir in den Darkroom geht, sodass ich Druck abbauen kann.

 

Seitdem ich wieder in Berlin bin, hatte ich noch keine Zeit dafür. Dass ich meinen Ex-Freund in Paris gelassen habe, spielt wohl auch eine Rolle dabei. Er wollte nicht nur als mein fester Freund mit nach Berlin. Nein, er wollte, dass ich ihn heirate, doch die Ehe habe ich in meinem Leben niemals vorgesehen. Sein Ultimatum hat mir sehr weh getan, aber ich habe es überlebt, indem ich mich auf Jessy fixiert habe. Seitdem mache ich einen großen Bogen ums »Black«, doch heute werde ich hingehen, mich meiner Besessenheit stellen. Vielleicht kann ich Jessy vergessen, wenn ich einen anderen Twink finde, einen, der ihm ein klein wenig ähnlich sieht.

Es ist noch relativ ruhig hier, als ich zur oberen Bar gehe. Die Jungs, die ich beobachte, können mit Jessy nicht mithalten. Langsam werde ich wütend. Warum nur kann oder will ich den Kerl nicht vergessen? Er ist doch der Mann meines Freundes. Da nimmt man Abstand, hält die Hände bei sich. In meinem Alter sollte man wissen, was gut für Leib und Seele ist. Jessy ist es nicht. Sich mit Dante anzulegen, wäre für keinen Körper hier gut. Dafür hat er zu lange um Jessy gekämpft, um ihn einfach an mich abzutreten. Er ist so verliebt, dass es für den hier im Club am meist begehrtesten Dom nur noch diesen einen Mann gibt.

 

Nie hätte ich gedacht, dass Dante sich jemals so tief verlieben könnte, und das bei seiner Vergangenheit. Da ist er wieder. Jessy. Mit den langen Haaren sieht er toll aus, einfach fantastisch, ein absoluter Hingucker. Jessy behandelt mich zuvorkommend, nie, dass er mir mit einem Blick oder einer Geste zeigt, dass da mehr bei ihm ist. Nein, er hat nur Augen für Dante. Das wird ein verdammt langer Abend werden. Anstatt mich auszutoben und mal wieder etwas für die Seele zu tun, sitze ich hier und schmachte Jessy aus der Ferne an.

Seit einer Stunde schon beobachte ich ihn von hier oben und mein bestes Stück drückt mir unangenehm gegen den Reißverschluss der Hose. Uh, jetzt geht er auch noch tanzen. Mann, ich sollte ihn nicht so anstarren! Wie sieht das denn aus? Aber alleine wie er sich bewegt, ist schon eine Sünde. Die Fantasie schlägt Purzelbäume und ich spüre, wie es feucht in meinen Pants wird. Neben mir setzt sich ein Kerl, flirtet mit mir. Dass er ein Twink ist, erkenne ich auf den ersten Blick. Ob er Lust hat, mit mir in den Darkroom zu verschwinden? Ein Blick und ein Wink nach unten zeigen mein Interesse an ihm. Er nickt und geht vor. Er ist größer als Jessy, auch hat er keine dunklen Haare oder diese hellen Augen, aber im Darkroom ist es eh egal, da ist es dunkel, da will ich nur spüren, wie sich mein Schaft in seinen heißen Hintern stößt.

Der Kleine ist gut, gibt sich echt Mühe, aber irgendwie bin ich nicht ganz bei der Sache. Na endlich. Glück gehabt, dass mein Schwanz zum Schluss doch noch will und ich mich in diesen kleinen Arsch versenken kann. Mit Jessys Gesicht vor meinen Augen lasse ich mich in meinen Orgasmus fallen, der durch den Körper rauscht und mich zittrig zurück lässt. Schnell den Ständer von meinem Sexpartner in die Hand genommen, kräftig ein paar Mal rauf und runter gerieben, schon kommt er stöhnend. Ein schaler Nachgeschmack bleibt, als wir den Darkroom verlassen. Nein, ich werde mir das nicht noch mal antun und lieber nach Hause gehen. Im Vorbeigehen sehe ich, dass bei Dante zwei Männer stehen. Der eine ist zu zierlich, zu klein, der andere dagegen erweckt die gesamte Aufmerksamkeit meines Körpers. Nanu, was ist das denn? Diesen hübschen Kerl sehe ich zum ersten Mal im Club. Er weckt mein Interesse und das irritiert mich nun doch etwas.

 

Nein, ich sollte nach Hause fahren. Im Vorübergehen begrüße ich Dante und bemerke, wie der größere der beiden Jungs mich genauer anschaut. Seine Augen sind der Hammer. Dieses Hellgrau mit dem dunklen Rand drum herum, fesselt mich sofort. Er hat fast so schöne Augen wie Jessy. Mist, da denke ich doch schon wieder an ihn.

Dante umarmt mich und bevor ich nach Hause fahren kann, lädt er mich noch auf einen schnellen Drink ein. Hinter der Theke steht plötzlich der Kerl mit diesen fantastischen Augen. Als er mich sieht, sehe ich, wie er die Augen aufreißt, mich anstarrt. Es ist faszinierend zusehen, wie sich der dunkle Rand seiner Iris immer mehr weitet und das Hellgrau der Pupille umschließt. Er atmet schneller und die Hände zittern, als er zwei Getränke vor uns abstellt. Hm, erstaunlicherweise interessiert er mich. Sogar mein Schwanz ist der gleichen Meinung. Als er sich vorbeugte, um die Getränke vor uns abzustellen, konnte ich seinen Duft erhaschen, den ich genießerisch durch die Nase ziehe. Ob er auch so toll schmeckt, wenn ich mit der Zunge über seinen ganzen Körper lecke? Er könnte mich vielleicht von Jessy ablenken. Bevor ich weiter denken kann, werde ich von Dante in Anspruch genommen. Er will ein speziell auf sich zugeschnittenes Auto haben. Mal schauen, was ich da für ihn machen kann. Noch einen Drink, einen letzten Blick auf Dantes Mann und dann ab nach Hause. Oh, da kommt er, setzt sich auf Dantes Schoß, lächelt mich an und ich sterbe tausend Tode. Hoffentlich bemerkt keiner, wie der Schwanz in meiner Hose ein Zelt baut. Voller Neid beobachte ich, wie Dante seinen Mann küsst, ihn an sich zieht und Jessy sich voller Vertrauen an ihn lehnt. So was will ich auch haben. Nicht immer nur diese leeren One-Night-Stands, die in diesem Moment den sexuellen Frust abbauen, dich aber alleine wieder nach Hause gehen lassen.

 

Nein, so was will ich nicht. War nie meine Sache. Solange ich keinen festen Freund habe, ist es okay. Druckabbau nennt man so was. Eigentlich ist es noch viel zu früh, um nach Hause zu fahren. Dort wäre ich eh allein, also kann ich mich auch genauso gut hier noch etwas quälen. Wann habe ich mich eigentlich das letzte Mal so richtig schön besoffen? Hm, ich glaube vor einem Jahr. Na dann!

Um Jessy besser beobachten zu können, wechsele ich den Platz an der Bar. Ein Wink mit der Hand macht den geilen Barkeeper darauf aufmerksam, dass ich noch etwas zu trinken haben möchte. Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie er den anderen kleinen Kerl nach vorne schiebt, damit er mich bedienen muss. Anstatt dass der faszinierende Mann mit den grauen Augen mir mein Getränk bringt, steht plötzlich so ein Winzling vor mir. Der Kleine ist aber auch nicht schlecht anzusehen, obwohl mich ein so zierlicher Mann nicht wirklich anmacht. Er hat unnatürliche hellgrüne Augen, die mich gerade böse anfunkeln. Habe ich irgendetwas gesagt oder getan, was seinen Unmut herauf beschworen hat?

Hm, nein, ich wollte nur einen neuen Drink, sonst nichts. Er hebt seine Augenbrauen und dieses Piercing lenkt mein Augenmerk auf ihn. Ein klein wenig überdenke ich die Situation, ob er vielleicht … nein, er ist zu klein für mich. Viel zu klein, er reicht mir ja nicht mal bis zur Brust. Kann ich ja gar nichts mit anfangen. Sein Freund dagegen, ja, der könnte mir schon gefallen. Suchend fährt mein Blick über die Theke und mit der Hand winke ich ihm zu, zeige, dass ich noch was trinken möchte. Er kommt zu mir rüber, und bevor ich es unterbinden kann, hebe ich sein Gesicht zu mir empor und schaue wie gebannt in seine Augen. Mit zittrigen Fingern stellt er das Glas vorsichtig auf die Theke. Das Gesicht loslassend und ohne ihn weiter zu beachten, nehme ich es und sehe, wie Jessy mit Dante den Club verlässt. Schnell stehe ich auf. Nur noch einen letzten Blick will ich auf ihn werfen, bevor ich nach Hause gehe.

 

An das Geländer gelehnt, schaue ich voller Sehnsucht zu, wie er verschwindet. Ein tiefer Seufzer verlässt meinen Mund. Als ich mich umdrehe, sehe ich, wie der Barkeeper mich voller Wut anschaut. Hä? Was habe ich gemacht, dass er so wütend auf mich ist? Ich habe weder mit ihm gesprochen, noch ihm ein schmutziges Angebot für den Darkroom gemacht. Also, was hat er nur? Die grauen Augen sind jetzt dunkel geworden, funkeln mich richtig wütend an. Es zieht in meiner Hose, als ich wie gebannt in diese Augen schaue. Ja, er könnte es vielleicht schaffen, dass ich Jessy vergesse. Er ist genau mein Geschmack. Etwas kleiner als ich und das Muttermal auf der Lippe zieht immer wieder magisch meinen Blick an. Wie er wohl reagiert, wenn ich ihn mir jetzt schnappe und küsse? Ob er es sich gefallen lassen würde? Vielleicht geht er auch mit mir nach Hause. Hm, ob er Bock hat mit mir zu vögeln? Hartnäckig drückt mein Glied gegen den Reißverschluss. Ja, doch, ich frage ihn gleich mal. Muss nur abwarten, dass ich ihn alleine zu fassen bekomme.

 

 

Kapitel 3

Max
*~*~*~*

Da ist er schon wieder. Dieser Mann, der mein Interesse geweckt hat, seit er hier verkehrt. Mein Herz klopft wie verrückt, als er an der Theke stehen bleibt, sich hinsetzt und was zu trinken will. Fuck, ich kann das nicht. Meine Hände fangen an zu zittern. Elija muss für mich einspringen. Hinter einer Säule versteckt, beobachte ich ihn. Ben kommt vorbei und schaut zu, wie ich spanne.

»Schlag ihn dir aus dem Kopf, Max. Der ist in Jessy verliebt, das weiß hier jeder. Er nimmt keinen anderen Mann zur Kenntnis außer ihn. Du wirst nur verletzt werden. Such dir lieber jemand anderen, den du anhimmeln kannst.« Erschrocken zucke ich zusammen, kann nicht glauben, was Ben mir da gerade sagt. Dieser Mann ist in Jessy verliebt? Oh! Da kann ich nicht mithalten. Jessy ist unbeschreiblich, einfach göttlich. Ich? Ich bin nur durchschnittlich. Zwar genauso groß wie er, doch die Haare sind dunkelbraun statt schwarz und meine Augen sind einfach nur grau. Nein, da kann ich nicht mithalten.

Von Ben erfahre ich, dass dieser Mann Adrian heißt. Nun ja, das war mir schon bekannt. Groß, schlank, mit Muskeln an den richtigen Stellen. Seine Augen sind unbeschreiblich, so dunkelgrün. Das rotbraune Haar funkelt im Licht. Sein Gesicht ist männlich. Wenn er lacht, bekommt er Grübchen in den Wangen. Auch ist er einen Kopf größer als ich. Ich liebe Männer, die größer sind. Bei ihnen kann ich mich super anlehnen, das Gesicht an ihrem Hals verstecken und ihren Duft einatmen, der dort am stärksten haftet.

 

Laut aufseufzend begebe ich mich wieder an die Arbeit. Elija kann ja hier die ganze Zeit nicht alles alleine machen. Mist, genau in diesem Moment schaut er mich an, winkt mit dem Finger. Erst als ich leise flüstere, was er trinken möchte, zwinkert er und zeigt auf das Glas. Also nehme ich ein sauberes Glas aus dem Regal, gebe zwei Eiswürfel hinein und fülle es mit dem gewünschten Whisky. Argh, was macht er da? Er hebt mein Gesicht zu sich hoch und schaut mir wie gebannt in die Augen. Mit zittriger Hand stelle ich das Glas vor ihm ab. Er seufzt laut auf, dreht sich einfach um und geht. Mit trockenem Mund schaue ich ihn hinterher. Was war das denn?

Sprachlos starre ich auf seinen Rücken und bin total verwirrt. Was glaubt er denn, wer er ist? Was ich bin? Meint er, nur weil er mehr Kohle hat, ist er etwas Besseres als ein kleiner Barkeeper? Elija hat er freundlich angesehen, hat ihm zugelächelt und mir? Dreht sich einfach weg, als ob ich was Ekliges wäre. Ich werde wütend, aber so richtig. Bevor ich ihm die Meinung sagen kann, legt Elija mir die Hand auf den Mund und zieht mich von der Theke weg. Dieser Stich, der durch mein Herz geht, tut unsagbar weh. Immer schwerer schlägt es in meiner Brust, ein Gefühl, als ob sich alles zusammenzieht, mir die Luft zum Atmen nimmt. Als Ben sieht, wie ich mich zusammenkrümme, nimmt er mich in die Arme und streichelt mir übers Haar. Kurz drückt er mich an sich und leise Worte des Bedauerns verlassen seinen Mund, erzählt mir, dass Adrian, dieser Idiot, eben noch Zeit bräuchte, sich von seiner Besessenheit gegenüber Jessy, lösen zu können.

 

Nun ja, Zeit habe ich unendlich viel, da ich ja immer jünger werde statt älter. Wütend schnaube ich durch die Nase und wende mich von Adrians Anblick ab. Es juckt mir in den Fingern, ihn darauf aufmerksam zu machen, dass ich hier bin, frei bin und nicht Jessy. Am liebsten würde ich ihn jetzt anschreien. Nein, das bringt nichts außer einer Standpauke von meinem Chef.

Elija legt mir die Hand auf den Rücken, streicht sanft rauf und runter, versucht, mich zu beruhigen. Nein, ich will mich nicht beruhigen, ich bin so sauer auf diesen Kerl, dass es mir körperlich wehtut. Plötzlich dreht er sich um, schaut erstaunt in mein Gesicht und zieht die Augenbrauen nach oben. Was? Was will er denn jetzt noch? Einen Whisky? Okay, den kann er haben. Wütend fülle ich das Glas und stelle es fester vor ihm ab, als ich will.

Langsam ein und ausatmen, Augen schließen, die Beherrschung wieder erlangen, mich abregen. Mit einem Ruck wende ich mich ab, ignoriere ihn und gehe in den Waschraum. Im Spiegel sehe ich mein Gesicht. Bleich, kummervoll verzogene Augen und den Mund verkniffen, fest zusammengepresst. Seufzend fahre ich mit der Hand über mein Haar und gehe erst mal aufs Klo. Als ich danach die Tür öffne und meine Hände waschen will, steht er da. Er schaut mich an, lässt keinen Augenblick die Augen von mir. Was will er jetzt noch? Kann er vom Waschbecken nicht zurücktreten oder verschwinden und seinen Whisky trinken gehen? Vielleicht mit Elija etwas flirten! Ihn scheint er ja zu mögen. Vielleicht steht er ja auf hilflose kleine Twinks. Aber an Elija wird er sich die Zähne ausbeißen. Pech für ihn. Ha, das geschieht ihm recht.

 

Langsam komme ich näher, wasche mir die Hände, beobachte ihn unter gesenkten Augenlidern im Spiegel und will nun vorbei. Hoffentlich kann er nicht hören, wie laut das Herz in meiner Brust schlägt. Es donnert richtig in meinen Ohren. Er steht stur zwischen Waschbecken und Tür. Was hat er bloß? Ich habe nichts gemacht. Habe ihn nicht beleidigt, nein, noch nicht mal mit ihm gesprochen. Was also will er nur hier? Beim Vorbeigehen streife ich leicht seinen Körper. Auf einmal packen mich seine Hände und ziehen mich an ihn heran. Ein kleiner Schrei entkommt mir. Mann, habe ich mich erschrocken. Was macht er nur? Mit dem ganzen Körper drückt er mich an die Tür. Heiße Lippen senken sich auf meinen offen stehenden Mund und eine Zunge verlangt energisch Einlass.

Oh mein Gott, oh mein Gott, oh mein Gott. Fuck, mein Herz. Es schlägt jetzt noch wilder in der Brust, hüpft hin und her. Die Atmung stockt, als er mit der Zunge in meinen Mund eindringt. Ein Raunen ertönt und schon hat er das Zungenpiercing ertastet. Er schmeckt so gut, und der Duft, der ihn umgibt, haut mich voll um.

Meine Finger krallen sich in sein Hemd, als ich mich näher an den heißen Körper drücke, und dann höre ich, wie er rau »Jessy« murmelt.

Was? Blinzelnd versuche ich, wieder zu mir zu kommen. Habe ich das gerade richtig gehört? Hat er tatsächlich »Jessy« gewispert? Eiskalt hat er mich damit erwischt. Er benutzt mich nur, weil Jessy nicht greifbar für ihn ist. Voller Zorn stoße ich ihn heftig von mir weg, schmeiße ihm ein »Arsch« an den Kopf, reiße die Tür auf und knalle sie mit so viel Wut zu, dass es richtig scheppert.

Dieser verdammte Idiot. Nicht nur, dass ich mich sofort in ihn verliebt habe, nein, er muss mich auch noch mit Jessy verwechseln. Sehe ich etwa so aus wie er? Nein, ich glaube nicht. Eben jedenfalls, als ich in den Spiegel geschaut habe, sah mir nur mein Gesicht entgegen. Dieser blöde Penner. Die Wut in mir ist genauso schnell verraucht, wie sie aufgetaucht ist. Mit zittrigen Händen fahre ich mir über das Gesicht, lecke mit der Zunge über die wunden Lippen. Immer noch spüre ich Adrians Geschmack im Mund. Mist. Wenn das so weiter geht, dann bin ich irgendwann nur noch ein Häufchen Elend und reif für die Klapsmühle. Jetzt brauche ich eine Zigarette. Mann, da schaffe ich es fast drei Monate ohne, und dann kommt er daher und ich vergesse alles, was ich mir vorgenommen habe. Das alles passiert nur, um die Nerven zu beruhigen, damit ich den Frust nicht gleich laut rausschreie.

 

Bei Ben schnorre ich mir eine Zigarette und gehe nach draußen. Tief inhaliere ich den Rauch in die Lunge, versuche, die Tränen zurück zuhalten. Langsam atme ich ein und aus, um mich zu beruhigen. Wie ein gefangenes Tier laufe ich hin und her, murmele böse Worte vor mich hin, versuche, den wieder aufkommenden Zorn in den Griff zu bekommen. Völlig aufgelöst hat mich der verdammte Kuss. Immer wieder sage ich mir, dass es nur ein Kuss war. Nur ein verdammter Kuss, sonst nichts. Meine Erregung geht davon aber auch nicht zurück. Wie soll ich da durch den Club gehen können, ohne dass die Kerle denken, dass ich scharf auf sie bin und in den Darkroom mit ihnen gehen möchte? Oh Mann, wenn ich die Gefühle nicht gleich in den Griff kriege, gehe ich auf die Toilette, hole mir da noch einen runter, damit ich weiter arbeiten kann. Denn mit diesem Ständer in der Hose geht das mal gar nicht.

 

 

Kapitel 4

Adrian
*~*~*~*

Mann, wo ist dieser Kerl mit den tollen rauchgrauen Augen nur hin? Mein Blick schweift durch den Club, und dann sehe ich ihn. Er steht hinter der Bar und bedient die Männer, die sich was zu trinken holen. Sie flirten mit ihm, doch er weist sie zurück. Sein Blick durchsucht den Club, sucht etwas, bis er bei mir hängen bleibt. Er könnte mir schon gefallen. Seit einer halben Stunde beobachte ich ihn. Er hat ein hübsches Gesicht, einen tollen Körper. Bis jetzt habe ich noch nicht so richtig in diese Augen mit den langen schwarzen Wimpern schauen können. Ob sie sich wieder verändern so wie eben, als er mich erschrocken ansah? Oder habe ich mir das etwa nur eingebildet? Er schickt immer seinen kleinen Freund zu mir, damit der mich bedienen muss. Wenn ich es nicht besser wüsste, dann würde ich sagen, dass er mir ausweicht. Warum nur? Wir kennen uns nicht, sind uns außerhalb des Clubs nie begegnet. Wieso also versteckt er sich vor mir?

 

Genau jetzt steht er hinter der Säule, beobachtet mich. Dieser andere große blonde Barkeeper spricht ihn an, nimmt ihn in die Arme und drückt ihn an sich. Ob sie zusammen sind? Eifersucht erwacht in mir. Wo kommt das denn plötzlich her? Eigentlich kenne ich ihn doch gar nicht, wieso hab ich solche Gefühle? Er kommt zurück und ich ergreife die Chance, winke ihn heran, bestelle mir ein neues Getränk. Er schaut nach unten. Nein, so wird das nichts. Jetzt will ich erst recht in diese Augen sehen, also umfasse ich sein Kinn und hebe es hoch. Wow, die Augen sind echt der Hammer. Sie verändern sich schon wieder. Also habe ich mir das vorhin doch nicht eingebildet. Völlig versunken schaue ich hinein, bin wie verzaubert. Hm! Oh, das Getränk. Schnell lasse ich sein Gesicht los und bestelle mir nun doch einen Whisky. Zittrige Hände stellen ein Glas vor mir ab. Irritiert über meine Gefühle für ihn, schnappe ich mir das Glas, will den Kerl vergessen und gehe zur Brüstung, schaue nach unten auf die Tanzfläche. Eigentlich bin ich hier, um Druck abzubauen. So geil, wie ich in letzter Zeit bin, brauche ich jetzt einen willigen Kerl unter mir. Erst den Whisky genießen und dann auf die Jagd gehen. Gerade will ich das leere Glas zurückstellen, als der Barkeeper mir ein neues volles auf die Theke knallt und sich direkt wieder abwendet. Was hat der Kleine denn nun schon wieder? Hm, er scheint auf mich wütend zu sein. Warum nur? Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie er in den Waschraum verschwindet.

 

Hungrig verfolgen meine Augen ihn. Junge, junge, sein Arsch ist einfach … Ob ich es wagen soll? Vielleicht hat er ja Lust und geht mit mir in den Darkroom? Wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Also nichts wie hinterher. An das Waschbecken gelehnt warte ich, bis er aus der Toilette kommt. Erschrocken sieht er mich an. Wow, dieser Blick. Als er mich mit seinen aufgerissenen Augen anschaut, weiten sich seine schwarzen Pupillen und verschlucken erneut dieses strahlende Hellgrau. Er schluckt aufgeregt, atmet hektisch ein und aus. Sein Muttermal auf der Lippe zieht mich magisch an. Mein Blick irrt zwischen seinem Mund und den Augen hin und her, weil er auch eins unter dem linken Auge hat. Das Bedürfnis, dieses Muttermal mit der Zunge nach zu fahren, wird immer größer. Nanu, was ist denn nur los mit mir?

 

Der Kleine versucht, sich an mir vorbei zu drücken und streift dabei leicht meinen Unterleib. Hat er etwa einen Ständer in der Hose? Einen kleinen Schritt nach rechts gemacht und ich verstelle ihm den Weg. Er riecht so toll und ich ziehe seinen Duft genießerisch durch meine Nase. Hektisch atmet er ein und aus. Komm schon, locke ich ihn innerlich zu mir. Na los, noch ein bisschen näher und ich habe dich, kann Jessy vielleicht vergessen. In dem Moment, wo er den Schritt nach rechts zur Tür macht, packe ich ihn, drücke ihn davor und senke den Mund auf seine Lippen. Ein kleiner erschrockener Schrei entfährt ihm. Jetzt lecke ich verlangend mit der Zungenspitze den Mutterfleck nach. Er öffnet den Mund, stöhnt, und ich vergesse alles um mich herum. Unsere Zungen duellieren sich. Neugierig bemerke ich, dass er eine kleine Kugel in der Zunge hat. Wie geil ist das denn?

Gierig sauge ich nun seine Zunge in den Mund, umspiele das Zungenpiercing. Beim Luftholen kommt mir leise »Jessy« über die Lippen. Im nächsten Moment knalle ich hart an das Waschbecken. Er funkelt mich böse an, wischt sich über diesen schmollenden Mund, der mich wahnsinnig macht. Voller Verachtung schaut er mich an und schreit mir doch tatsächlich ins Gesicht, dass ich ein Arsch bin. Die Tür des Waschraums wird aufgerissen und mit einem lauten Knall schmeißt er sie hinter sich zu. Was hat er nur?

 

Völlig perplex stehe ich nun hier und weiß gar nicht, was geschehen ist. Seinen Geschmack habe ich immer noch auf den Lippen. Auch sein Duft hängt noch in der Luft. Er ist so ganz anders als der von Jessy. Nicht, dass ich Jessy schon mal geküsst hätte, aber aus meinen Träumen habe ich eine sehr genaue Vorstellung, wie er schmeckt. Ja, da küsse ich ihn immer und immer wieder. Ich liebe es meine Männer zu küssen, mit der Zunge in ihren Mund einzudringen, ihn zu plündern. Die meisten wollen das nicht. Kann ich verstehen, wenn ich mit einem One-Night-Stand in den Darkroom verschwinde. Zu unpersönlich sind diese Ficks. Einfach nur abreagieren und das war es. Aber wenn ich einen Mann mit nach Hause nehme, was sehr selten vorkommt, dann lasse ich mir Zeit, dann will ich alles von diesem Kerl haben.

Seufzend schaue ich in den Spiegel, der über dem Waschbecken hängt. Dunkelgrüne, vor Erregung blitzende leuchtende Augen sehen mich an, aber auch Schatten liegen darunter. Seit ich Jessy gesehen habe, schlafe ich schlecht. Lange schaue ich hinein und dann verändert sich das Bild. Statt silbriger Augen schauen mir jetzt rauchgraue entgegen. Erst verlangend und dann voller Schmerz. Was habe ich gesagt, dass ihn so verletzt haben könnte? Habe ich etwa Jessys Namen geflüstert? Mist, wie konnte ich nur so dumm sein. Na dann werde ich mich mal bei ihm entschuldigen. Ob er es wohl annimmt? Ach, was mache ich mir nur für Gedanken? Wenn nicht, ist es auch nicht schlimm.

Als ich den Waschraum verlasse, sehe ich, wie der Kleine oben an der Bar steht, wild mit den Händen gestikuliert. Oh Mann, das wird wohl nicht so einfach mit der Entschuldigung. Aber ich bin kein Feigling, also los.

 

An der Theke schaut mich sein Freund mit den hellgrünen Augen auch noch wütend an. Mit dem Zeigefinger winke ich ihn zu mir heran. Im ersten Augenblick denke ich, dass er sich mir verweigert, aber er kommt langsam auf mich zu, bleibt dann abwartend stehen. Grimmig schaut er in mein Gesicht, als ich stockend erkläre, dass ich mich gerne bei seinem Freund entschuldigen möchte. Ohne mit den Wimpern zu zucken, starrt er in meine Augen, dreht sich dann ohne ein Wort um und geht.

Von hier aus kann ich sehen, wie er auf seinen Freund einredet. Der wiederum schüttelt heftig den Kopf. Der Kleine nimmt einfach die Hand seines Freundes, schleppt den sich heftig Wehrenden hinter sich her. Er umrundet die Theke und schubst ihn zu mir hin. Jetzt steht er mit gesenktem Kopf da. Seine Hände sind zu Fäusten geballt und er zittert wie Espenlaub. Sanft packe ich sein Kinn, hebe es hoch und sehe, dass er geweint hat. Dass mein Herz dumpf in der Brust schlägt, ignoriere ich einfach. Mist, das habe ich nicht gewollt. Zärtlich streiche ich mit dem Daumen über die feuchten Wangen, beuge mich zu ihm runter, streife mit meinem Mund leicht sein Ohr, puste den warmen Atem dagegen und hauche eine Entschuldigung.

 

Als er zusammenzuckt, höre ich, wie er wimmert. Dieses Geräusch trifft mich wie ein Blitzschlag. Mit geschlossenen Augen und voller Verlangen suche ich seine Lippen. Halt, ich wollte mich doch nur bei ihm entschuldigen. Doch der Duft, den er verströmt und der Geschmack des Mundes lassen mich alles um uns herum vergessen. Zärtlich fahre ich mit der Zunge über die Lippen, zeichne das Muttermal nach. Als er sie leicht öffnet, ist es um mich geschehen. Fest ziehe ich ihn an meinen ausgehungerten Körper und spüre, wie hart sein Schwanz sich gegen meinen drückt.

Das wird nicht gut ausgehen. Das ist eindeutig zu viel für mich. Eben wollte ich noch mit aller Gewalt Jessy und nun vernebelt mir der Kleine in meinen Armen den Verstand. Sanft schiebe ich ihn nach hinten, streiche noch mal über den kleinen festen runden Hintern und drücke ihn dann rigoros von mir weg. Graue verschleierte Augen schauen mich an. Die Lippen halb geöffnet, lecke ich noch mal über seinen Mund. Dieses Rauchgrau seiner Augen hat sich in einen Orkan verwandelt. Jetzt kommt mir seine Zunge entgegen und das Blitzen der Piercingkugel lässt mich fast in meiner Hose kommen. Sofort muss ich weg von ihm, sonst schmeiße ich mir den Kleinen über die Schulter und wir kommen die nächsten Tage nicht mehr aus dem Bett.

 

 

 

 

 

 

Und hier ist Blackline 4 Sam und Angelo

 

 

 

 

Kapitel 1

Vorstellung Sam Seefeld

*~*~*~*

Jetzt sitze ich hier im Airbus einer sehr renommierten Fluggesellschaft, lehne den Kopf an das kleine Fenster und überlege, ob das wirklich der richtige Weg für mich ist. Ich war 24 Jahre alt, als es mich nach New York verschlagen hatte. Die letzten fünf Jahre habe ich in einem kleinen Apartment gewohnt, damit ich die Tanz- und Musikausbildung, für die ich extra hier hingezogen bin, verfeinern konnte. Zum Schluss bin ich der Liebe wegen geblieben. New York ist einfach nur toll, doch die Liebe ist im vierten Jahr gescheitert. Es gab schon länger keinen wirklichen Grund mehr für mich, dortzubleiben. Nun bin ich auf dem Weg zurück nach Deutschland. Immer noch bin ich erstaunt, dass ich den Mut gefunden habe, um wieder neu anzufangen. Vor ungefähr sechs Wochen lernte ich im Metropolitan Club1 Dante Alvarez kennen. Er unterbreitete mir ein Angebot, dass ich einfach nicht abschlagen konnte. Mehr als einmal habe ich es mir durch den Kopf gehen lassen, aber mein Herz wollte unbedingt wieder zurück nach Berlin. Nicht nur, um wieder näher bei meiner Schwester zu sein, sondern auch, damit ich endlich in Ruhe weiterleben kann. Ich bin es leid, immer über die Schultern zuschauen. Aufzupassen, dass er mich nicht in seine Finger bekommt. Dabei war es am Anfang Liebe, und nun? Nun ist die Liebe in Furcht und Hass umgeschlagen. Warum, wollt ihr wissen? Tja, das ist nicht einfach zu erklären, wenn man sich wie ich einfach nicht wehren kann. Nun, von vorne. Bevor ich jedoch anfange, möchte ich mich euch vorstellen. Samuel Seefeld ist mein Name. Von meinen Freunden werde ich kurz »Sam« genannt. Wie ihr euch denken könnt, ist das Leben in New York nicht gerade billig. Ein anderer Mann in meiner Tanzgruppe verdiente sich zusätzlich als Tänzer im Metropolitan Club etwas Taschengeld dazu. Er 1 Der Gay Club „Metropolitan“ liegt in Brooklyn, New York.

 

verschaffte mir dort ein Vorstellungsgespräch und nach einem Tanz für den Manager wurde ich dort auch angestellt. Dieser Gay Club ist der größte in New York. Ja, ihr habt richtig gelesen. Es ist ein Gay Club. Ich bin nämlich schwul. Irgendwann in dieser Zeit traf ich dort zuerst Jack und später Shane. Jack wurde mein bester Freund und Shane zuerst mein Liebhaber und schließlich mein Lebensgefährte. Vier Jahre später ist die Beziehung zu Shane gescheitert. Seitdem stalkt er mich. Überall, wo ich bin, da taucht er auch auf. Dabei war er es, der unsere Liebe verraten hat. Völlig erschöpft kam ich von einer anstrengenden Nacht nach Hause und erwischte ihn mit einem anderen Kerl in unserem Bett. Diese demütigenden Gefühle werde ich wohl so schnell nicht wieder vergessen. Auch wenn es zu diesem Zeitpunkt nicht mehr besonders gut in unserer Beziehung lief, so habe ich ihn nie betrogen. Ich habe noch nicht einmal daran gedacht. Wenn man bedenkt, in welchem Club ich arbeite. So viele tolle Männer, und die Angebote, die ich bekam, waren auch nicht gerade ohne. Und er? Er vögelte sich durch die ganzen anderen Bars und Clubs. Während ich wie erstarrt in der Tür stand, brüllte er mich an. Er schubste mich aus unserem Schlafzimmer und gab meinen abartigen Sexpraktiken die Schuld. Abartig? Was ist daran abartig, wenn man es mag, dominiert zu werden? Ja, ich liebe es, wenn mein Partner mir befiehlt, was ich tun soll. Nicht nur das! Ich liebe es regelrecht, wenn er mir dabei wehtut. Ohne diese Stimulationen komme ich einfach nicht zum Orgasmus, oder nur recht schwer. Lange habe ich gebraucht, um zu erkennen, dass ich masochistische Tendenzen aufweise.

 

Ich bin halt, wie ich bin. Vier Jahre habe ich es mit Shane probiert. Mich sogar auf seine Vanilla Spielart eingelassen und wäre beinahe daran erstickt. Wenn du immer einen Orgasmus vorspielen musst, dein Partner dies nie mitbekommt, was sagt dir das? Ja, ihm war es schlichtweg egal. Hauptsache, er kam zu seinem Recht. Daher habe ich die Beziehung beendet und werde mir jetzt einen Kerl suchen, der meine Neigungen erkennt, sie akzeptiert und damit umgehen kann. Sicher waren Shane und meine Positionen von Anfang an klar definiert. Ich war Bottom, er der Top. Kuscheln nach dem Sex oder ein ausgedehntes Vorspiel waren nie Shanes Stärken gewesen. Mit der Zeit hatte ich mich damit abgefunden. Obwohl mein Körper nach Strenge, Schmerz und Unterwerfung bettelte. Mir fehlte einfach die harte Hand und ein Mann, der mich dominieren konnte, mich seinem Willen unterwarf. Auch Zärtlichkeit vor oder nach dem Sex gab es nie oder ganz selten. Meistens nahm Shane sich noch nicht mal die Zeit, mich ordentlich vorzubereiten. Immer dachte er nur an sich und an sein eigenes Vergnügen. Erst als ich nach einer besonders schlimmen Nacht ängstlich vor ihm stand und beichtete, worauf ich abfahre, wurde es eine Zeit lang besser. Shane verwechselte allerdings Dominanz und Unterwerfung mit Erniedrigung und Hiebe. Zum Schluss gab es nur noch Schläge für mich statt einer liebevollen Umarmung. Dass die Arbeit im Club darunter litt, ich kaum gehen konnte, hat sogar mein Chef erkannt. Statt dass ich auf dem Podest stand und für die Männer tanzte, wurde ich hinter die Theke verbannt und spielte den Barkeeper.

 

Mehr als einmal drohte mein Chef mir, es Jack zu erzählen, wie schlecht mich Shane behandelte. Mein bettelnder Blick ließ ihn schweigen. Als Jack schließlich davon erfuhr, ist er ausgerastet. Er drohte Shane, dass er ihn verprügeln würde, sollte er mich noch einmal misshandeln. Was dabei rauskam, war, dass ich die Nacht im Krankenhaus verbracht habe, weil Shane seinen Zorn an mir ausgelassen hatte. In einer Nacht-und-Nebel-Aktion haben Jack und ich die Sachen, die mir gehörten, aus der Wohnung geholt. Da Jack der Besitzer von mehreren Hotels ist, hat er mich in einem davon untergebracht. Das verschaffte mir etwas mehr Zeit, nur leider nicht lange genug. In der letzten Zeit machte Shane regelrecht Jagd auf mich. Er verfolgte mich, spionierte mir nach und terrorisierte mich. Sogar in den Club ist er mir gefolgt, bedrohte mich in aller Öffentlichkeit. Mein Chef gab ihm schließlich Hausverbot. Ein klein bisschen ist es wie eine Flucht vor meinem Ex. Seine Wutausbrüche machen mir tierische Angst. Lieber bringe ich einen ganzen Ozean zwischen uns, als dass ich mein ganzes Leben damit verbringen muss, immer aufzupassen, wo ich hingehe. Ich hoffe, dass es reicht, um in Ruhe weiter hier arbeiten und leben zu können. Ich will endlich wieder frei sein und mich neu verlieben. Diesmal allerdings wird es ein Mann sein, der mit meiner Neigung umgehen kann. Daher kam das Jobangebot von Dante Alvarez gerade zur rechten Zeit. Ihm gefiel, was er sah. Als er hörte, dass ich ursprünglich aus Berlin stamme, hat er mir dort einen Job als Tänzer in seinem Club Black angeboten. Wir haben uns sehr lange unterhalten und waren uns auf Anhieb sympathisch. Am Anfang war ich etwas verunsichert, hatte Angst, dass er vielleicht aus anderen Gründen Interesse an mir hätte. Im Laufe des Gesprächs habe ich jedoch erfahren, dass er verheiratet ist und seinen Mann Jessy über alles liebt. Ich fasste Vertrauen zu ihm und erzählte, dass ich nicht nur eine Tanz-, sondern auch eine Gesangsausbildung habe. Er hat mir von seinem Bruder Claas erzählt, der Eigentümer des CLASNIS’ Musikstudios in Berlin ist.

 

Mir sind fast die Augen aus dem Kopf gefallen. Sowohl der Name Dante Alvarez als auch der Name Claas Nissen sind in der Szene nämlich ein großer Begriff. Wir verabschiedeten uns und ich habe mir zu Hause unser Gespräch noch einmal in Ruhe durch den Kopf gehen lassen. Was hält mich noch hier in New York? Die Beziehung zu Shane hatte ja schließlich ein sehr unschönes Ende genommen. Jack ist die meiste Zeit im Ausland unterwegs. Viele Freunde habe ich hier auch nicht, denn das hat Shane immer gekonnt verhindert. Also auf zu etwas Neuem. Immer noch überlege ich, ob dies der richtige Schritt in eine neue Zukunft ist. Ob ich hier in Berlin wohl einen Neuanfang schaffen werde? Ich habe zwar gerne in New York gelebt, aber der soziale Kontakt mit der Welt dort draußen fehlt mir enorm. Bei Shane war ich immer nur eingesperrt. Er und seine Eifersucht haben mir das Leben extrem schwer gemacht. Absolutes Vertrauen und Treue ist das Prinzip, auf dem mein Leben basiert. Er hat es ausgenutzt und mich betrogen, mich hintergangen und was noch viel schlimmer ist, er hat meine Neigung dazu benutzt, um sich abzureagieren. Dies kann ich ihm einfach nicht verzeihen. Zu Hause ist meine Schwester vor Freude fast ausgeflippt, als ich ihr mitteilte, dass ich wieder zurückkomme und diesmal auch bleiben werde. Mit einem Blick auf die Uhr stelle ich fest, dass ich die Hälfte des anstrengenden Fluges hinter mich gebracht habe. Noch vier Stunden und ich bin endlich wieder zu Hause. Langsam setzt so was wie Freude bei mir ein. Die Anschnallzeichen ertönen und das Flugzeug geht in den Sinkflug. Hibbelig stehe ich am Kofferband, warte auf mein Gepäck.

 

 

Seufzend fahre ich mir mit der Hand über das Gesicht. Junge, ich bin müde und will eigentlich nur noch schlafen. Eilig verlasse ich den Flughafen und nehme mir ein Taxi, das mich schnell nach Hause bringt. Eine halbe Stunde später hält der Wagen vor unserer Wohnung. Alle Fenster sind hell erleuchtet und ich sehe, wie sich dahinter mehrere Personen bewegen. Oh, auf Gesellschaft habe ich jetzt überhaupt keine Lust. Ich möchte einfach nur noch duschen und erst mal lange ausschlafen. In der Tasche suche ich verzweifelt nach meinem alten Haustürschlüssel, den ich behalten habe. Er vermittelte mir, dass ich hier auch noch ein Zuhause habe. Anna hat wohl gehört, wie ich den Schlüssel ins Schloss stecke. Bevor ich aufschließen kann, öffnet sich die Tür und meine Schwester steht vor mir. Ihr Gesicht strahlt voller Freude. Schnell lasse ich meinen Koffer fallen, fange sie auf und drücke sie an mich. »Ich habe dich vermisst«, murmelt sie und drückt mich noch stärker an sich. Erst jetzt wird mir schmerzlich bewusst, wie sehr mir Liebe und Geborgenheit gefehlt haben. Eine Sehnsucht nach einem festen Partner erfasst mich. Nach starken Armen, die mich auffangen, wenn ich falle. Nach einem Mann, der weiß, wie er mich zu nehmen hat. Das alles sind die Träume eines sensiblen, einsamen und devoten Mannes. Seufzend schiebe ich sie in den Flur und schließe die Tür hinter mir. Als ich aufblicke, stehe ich drei jungen Frauen im Wohnzimmer gegenüber. Sie müssen Freundinnen von Anna sein. Na toll.

 

So gerne ich meine Schwester auch habe, aber noch mehr weibliche Geschöpfe ertrage ich heute einfach nicht. Sie starren mich an und ich kann ihre Gedanken förmlich hören. Ihre Blicke gleiten zu meiner rechten Hand, sehen, dass dort kein Ring zu finden ist, und ihre Augen leuchten auf. Ich weiß, wie ich auf das holde weibliche Geschlecht wirke. Nicht dass ich eitel bin, ich habe schließlich Augen im Kopf. Mir wäre es viel lieber, wenn dort ein paar Kerle stehen würden und es ihre Blicke wären, die mich verschlingen. Viele Menschen empfinden mich als gut aussehend. Männer genauso wie Frauen. Bei den Männern gefällt es mir, bei den Frauen ist es mir einfach schlichtweg egal. Mit einer Größe von 1,80 m bin ich weder zu klein noch zu groß. Ich bin schlank, mit Muskeln an den richtigen Stellen, wo jeder Kerl gerne hinschaut und zupackt. Das schmale Gesicht umschließen blonde, wirre Locken, die nur durch eine schwarze Strähne unterbrochen werden, und ganz dunkelblaue Augen schauen etwas melancholisch in die Welt. Anna dreht sich in meinen Armen um und stellt uns vor. Die Frauen kommen näher, begrüßen mich freundlich. Sie fangen an mit mir zu flirten und es wird Zeit, einiges klarzustellen. Ich habe keine Lust, weiterhin für eine potenzielle Beute gehalten zu werden. Das ist ermüdend, einfach nur lästig. Direkt werde ich in ein Gespräch verwickelt. Wo ich herkomme? Wie lange ich weg war und ob ich jetzt vorhabe hierzubleiben? Mir reicht’s jetzt wirklich, ich will nur noch ins Bett. Ich erwidere ihr Lächeln, gehe nicht weiter auf das Gerede ein. Als die Frage fällt, ob ich Single bin, sehe ich die Chance gekommen, um etwas klarzustellen. »Ja, ich bin solo. Habe mich gerade von meinem Freund getrennt.« Bumm, das sitzt! Ihre Augen weiten sich, als sie begreifen, was ich da gerade gesagt habe und was es für sie bedeutet. »Du hast dich gerade von deinem Freund getrennt?«, kommt es ungläubig aus drei Kehlen. Okay, vielleicht muss ich noch deutlicher werden.

 

»Ja, habe ich. Ich bin schwul.« So, das müsste jetzt reichen, um zu erkennen, auf was ich stehe. »So richtig schwul mit allem Drum und Dran?«, fragen mich die Weiber allen Ernstes. Scheinbar haben sie es immer noch nicht verstanden. Wollen sie etwa genauere Details wissen? Und was, bitte schön, heißt: so richtig schwul? Tief hole ich Luft. »Ja, so richtig schwul, mit allem, was dazu gehört. Anstatt eine Frau flachzulegen, liebe ich es, unter einem Mann zu liegen. Ich liebe harte Muskeln und einen stattlichen Schwanz anstelle von weichen Möpsen und …« Bevor ich noch weiter ausholen kann, was es bedeutet, richtig schwul zu sein, greift Anna ein. »Ja, er ist schwul. So richtig schwul. Er liebt Männer, und mich natürlich!«, zwinkert sie mir zu. Erleichtert atme ich auf. Ehe noch weiter Fragen nach Klamotten, Einkaufen und Schminktipps kommen, verziehe ich mich in mein altes Zimmer. Schnell dusche ich und falle mit geschlossenen Augen ins Bett.

 

 

 

Kapitel 2

Vorstellung Angelo Milano

*~*~*~*

 

Wie ich es manchmal hasse, nach Hause zu kommen und niemand ist da, mit dem du über deinen Tag reden kannst oder der mit dir das gleiche Bett teilt. Bis jetzt habe ich es mit meinen 32 Jahren noch nicht geschafft, den richtigen Sub fürs Leben zu finden. Jemand, mit dem du abends zusammen schlafen gehst, den du in der Nacht im Arm halten kannst und der morgens noch da ist, wenn du aufwachst. Einer, der mich versteht und mit mir meine speziellen Neigungen ausleben möchte. Denn ich bin ein sehr dominanter, bestimmender Mann. Ich suche daher keinen Kerl, der auf Kuschelsex steht, sondern einen, der es liebt, wenn eine Peitsche seine Haut küsst. Ja, ich gestehe, dass ich ein bisschen dominant wie Dante bin, aber auch etwas von Devils Strenge habe. Hm, meine Neigungen sind etwas speziell. Ich bin das, was man in unseren Kreisen sadistisch nennt. Ich bin weder ein Dom noch ein Master. Am liebsten habe ich es, wenn man mich mit Herr oder Sir anredet. Das unterscheidet mich von all den anderen Männern in meinem Leben. Daher suche ich seit Monaten, ach was, seit Jahren einen, der genau das Gegenteil von mir ist. Er sollte ruhig, unterwürfig und masochistisch veranlagt sein. Dieser Sub soll sich bei mir holen, was er braucht, um sich vertrauensvoll fallen zu lassen. Wenn er mich mit erstickter, schmerzerfüllter Stimme anfleht, ihn zu erlösen, dann bin ich in meinem Element. Oder wenn seine tränenfeuchten Augen mir danach ein Lächeln schenken, weiß ich, dass ich ihn glücklich gemacht habe. Wenn er endlich befriedigt und erschöpft in meinen Armen einschläft, weil ich ihn endlich erlöst habe, sagt mir das, dass er der richtige für mich wäre. Genauso hole ich mir von ihm, was ich benötige, um meinem Körper zu geben, wonach er verlangt. Viele werden dies nicht verstehen können. Woher auch?

 

Sie verspüren nicht den Drang danach, ihrem Partner extra Schmerzenzuzufügen. Ich bin gut in dem, was ich mache. Nicht jeder kann den schmalen Grat zwischen Lust und Schmerz ausreizen und bei seinem Partner die totale Hingabe und Unterwerfung hervorlocken. Das ist mein Ziel, und wenn ich den richtigen Sub finde, werde ich ihn behalten, an mich binden und nie wieder gehen lassen. Bei vielen Menschen fehlt das Verständnis, dass es mir eine Gänsehaut bereitet, wenn der Sub voller Pein meinen Namen in den Raum schreit. Ja, ich bin ein Sadist, was die sexuelle Ausrichtung angeht. Ich schäme mich nicht dafür, sondern lebe es aus. Leider fehlt mir dazu der richtige Mann. Vor allen Dingen sollte nur ich es sein, der ihm den Rausch der schmerzvollen Unterwerfung beibringt. Die Subs hier im Club Black lieben den Schmerz, aber ich will mehr als das. So viel mehr! Mein Name? Oh, ich heiße Angelo Milano. Geboren und aufgewachsen in Italien und lebe nun seit sieben Jahren in Deutschland. Genauer gesagt in Berlin. Damals bin ich aus beruflichen Gründen hier hergezogen, denn ich bin Eigentümer einer international bekannten Eventagentur. Ich habe den eigentlichen Firmensitz von Rom nach Berlin verlegt. Durch meine erfolgreiche Selbstständigkeit habe ich das große Glück, finanziell abgesichert zu sein. Mir geht es daher gut und ich genieße das Leben in vollen Zügen. Obwohl mein Name einen italienischen Ursprung hat, bedeutet er in der griechischen Mythologie »Bote Gottes«.

 

Nun ja, ein Bote bin ich schon, nur hat das ganz und gar nichts mit Gott oder der Kirche zu tun. Ich bringe den Twinks und Subs dieser Stadt Schmerz und Lust. Ja, ihr habt richtig gelesen. Wieder ein taffer Kerl, der schwul und für die Frauenwelt verloren ist. In meiner Selbstfindungsphase haben mich Mamma und Papà immer sehr unterstützt. Dafür liebe ich sie heute umso mehr. Sie leben in Italien und ich besuche sie natürlich so oft es mir möglich ist. Ich verbinde diese Reise gleichzeitig damit, dass ich in der zweiten Filiale nach dem Rechten sehe. Aus organisatorischen Gründen ist der Firmenhauptsitz mittlerweile in Berlin. Allein ist das natürlich nicht mehr alles zu bewältigen, daher teile ich mir die Arbeit mit meinem besten Freund David. David kenne ich nun seit sieben Jahren. Er hat sich direkt zu Beginn auf die von mir ausgeschriebene Stelle beworben. Wir waren uns von Anfang an sympathisch. Im Laufe der Zeit hat sich daraus eine wundervolle Freundschaft entwickelt, die ich nicht mehr missen möchte.

 

David ist mein Freund und mein Halt. Er kennt mich in- und auswendig und findet stets die richtigen Worte, um mich wieder zu erden, wenn die Sehnsucht nach einem Sub, der mir allein gehört, hinterrücks zuschlägt. Um diese Neigungen ab und zu auszuleben, kann ich im Club Black und im Red genügend devote Kerle auf Zeit finden. Mit meinem herrischen Auftreten und einer Größe von 1,97 m habe ich damit keine Probleme. Ich will aber einen, der nur mir allein gehört. Heute sind wir hier im Club Black mit dem Besitzer Dante Alvarez verabredet. Dante lernte ich durch einen meiner Events im Club Red kennen. Sein Mann Jessy und ich hatten damals zusammen eine Tanzshow auf die Beine gestellt. Wir sind in verschiedenen Clubs aufgetreten und haben manchen schwulen Typen zum Träumen gebracht. Junge, das war vielleicht ein Feuerwerk der Gefühle, die dort aufeinanderprallten, als Dante sich in Jessy verliebte. Mittlerweile tanzen wir beide leider nicht mehr professionell. Nur noch aus Spaß, aber weiterhin mit viel Leidenschaft. Irgendwann kam Dante völlig überraschend auf mich zu, weil er für seinen Club auch gerne ein BDSM-Event auf die Beine stellen wollte, wie ich es im Club Red gemacht hatte. Die Veranstaltung war ein Erfolg auf ganzer Linie. Seitdem haben wir mehrere Events für den Club Black organisiert. Aus der anfangs noch rein geschäftlichen Beziehung ist eine tiefe Freundschaft entstanden. Nicht so eng wie mit David, aber ehrlich und beständig. Auf Dante ist immer Verlass und er hat meinen Freundeskreis erheblich vergrößert. Ihn bekommt man nämlich nicht allein. Da ist sein Bruder Claas, sein Mann Jessy, sein Schwager Daniel mit Joy und nicht zu vergessen unsere Freunde Tom und Ryan sowie unser neustes Liebespaar Max und Adrian. Wir sind eine große Clique. Jeder kann sich auf den anderen verlassen. Als David und ich dazukamen, hat man uns herzlich aufgenommen.

 

Die Jungs sind wie eine Familie für mich. Eine neue Eventplanung ist auch der Grund, warum ich heute Abend hier bin. Eine House Party! Bum-Bum Musik. Dante konnte nicht in die Agentur kommen, da er vorher noch eine Besprechung hatte. Davids Flug nach Madrid geht auch erst morgen früh, sodass er mit mir kommen kann. Er hat in Spanien eine Konzertvorbereitung zu überwachen, damit auch dort alles glatt über die Bühne geht. Kurzerhand habe ich beschlossen, die Planung ins Black zu verlegen. Eigentlich passt mir das ganz gut, da ich heute Abend vorhabe, mich ein wenig zu amüsieren. Das Black ist schließlich einer der besten Gay-Clubs weltweit. Ich liebe die Atmosphäre hier. Auf mehreren Tanzflächen rekeln sich attraktive Männer im Rhythmus der Musik. Hier geht niemand allein nach Hause, es sei denn, er will es. Neben der Agentur ist das Tanzen die zweite Leidenschaft in meinem Leben. Wenn ich auf der Tanzfläche stehe und die Musik Macht über den Körper übernimmt, fühle ich mich frei. Am liebsten tanze ich mit jemandem zusammen. Zu

spüren, wie sich ein warmer Männerkörper voller Leidenschaft an mich drückt, den Duft einzuatmen, der diesen Körper umgibt, ist absolut erregend für mich. Leider ist es sehr schwer, einen vernünftigen Tanzpartner zu finden. Ich leihe mir, mit Dantes Einverständnis natürlich, ab und an Jessy aus, der ein exzellenter Tänzer ist. Keine Sorge.

 

Dabei geht es einzig und allein um das Tanzen. Etwas anderes würde Dante nie zulassen. Dafür liebt er Jessy viel zu sehr. Auch wenn er es nicht gerne zugibt, aber der Kleine hat ihn voll im Griff. Anfangs hatte ich noch die Hoffnung, aus David einen einigermaßen akzeptablen Tänzer zu machen. Irgendwann musste ich einsehen, dass er zwei linke Füße besitzt. Egal wie sehr er sich bemüht, das Tanzen ist keine seiner hervorragenden Eigenschaften. Ehrlich gesagt kenne ich kaum jemanden, der schlechter darin ist als David. Heute Abend jedoch will ich hier meinen Spaß haben. Es wird mal wieder Zeit, auf die Jagd zu gehen. Ich werde mir einen Twink angeln, etwas entspannen. Ihn mit zu mir nach Hause nehmen? Nein, wo denkt ihr hin. Niemals nehme ich einen mit. Das bleibt nur denjenigen Männern vorbehalten, mit denen ich spielen möchte. Einen willigen, heißen Kerl zu finden, der meiner sexuellen Neigung hier im Club entgegenkommt, ist gering. Seufzend erkenne ich, dass ich einfach nur zu anspruchsvoll bin. Wenn schon einen Sub, dann will ich einen, der genießt, was ich ihm zu geben habe. Ich hatte seit Ewigkeiten keine Peitsche mehr in der Hand, geschweige denn einen Flogger. Ach was, ich weiß gar nicht mehr, wie es ist, einem Kerl den Hintern zu versohlen. Verdammte Arbeit! Das wird sich ab heute Abend ändern. Was nützt mir mein ganzes Geld, wenn der Spaß im Leben dabei auf der Strecke bleibt? Pünktlich um 20 Uhr betreten wir das Black durch den Vordereingang. Da man uns kennt, brauchen wir nicht zu warten. Obwohl der Club gerade erst geöffnet hat, ist er bereits sehr gut besucht. Ich bleibe im vorderen Teil stehen und lasse den Blick über das Publikum schweifen. Das, was ich sehe, gefällt mir. Mehrere Männer versuchen durch gezielte Blicke und Gesten die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Im Moment ignoriere ich sie noch, da ich erst das Geschäftliche erledigen werde. Dann kommt der Spaß. Mein Blick bleibt an Dante hängen, der mit Jessy und einem anderen Mann, den ich nur von hinten sehen kann, an der Theke sitzt. Dante hebt den Blick, gibt uns unauffällig ein Zeichen, ihm in sein Büro zu folgen. Er nimmt den Arm von Jessys Taille, drückt ihm noch einen kurzen Kuss auf die Lippen und geht in Richtung seines Büros.

 

An der Bar sehe ich, wie Jessy wild mit den Händen gestikuliert. Das macht er immer, wenn ihm jemand gefällt, mit dem er sich gerne unterhält. Hm, wenn Dante ihn mit diesem Kerl allein lässt, scheint er ein Twink zu sein. Er würde ihn nie mit einem dominanten Kerl allein lassen, ohne zu wissen, wer derjenige ist. Die einzigen Tops, die Dante in Jessys Nähe lässt, wenn er nicht dabei ist, sind die aus unserem Freundeskreis. Da gehört dieser definitiv nicht zu. Auf dem Weg ins Büro habe ich David gefragt, ob er ihn kennt. Er schüttelt den Kopf, hat ihn vorher noch nie hier gesehen. Interessant! Sehr interessant. Irgendwie habe ich ein Gefühl, als ob wir uns kennen würden, dabei kann ich ihn nur von hinten sehen. Im Vorbeigehen riskiere ich einen Blick und merke, wie das Herz auf einmal anfängt heftig zu pochen. Nanu! Wieso schlägt es so aufgeregt in der Brust? Interessiert schaue ich den kleinen Kerl an. Er scheint wirklich neu hier zu sein. Neugierig starre ich ihn an, will, dass er seinen Kopf dreht, damit ich ihm in die Augen sehen kann. Er aber unterhält sich weiter angeregt mit Jessy. Kurze Zeit später versteift sich sein Körper, wird wachsamer. Als ich an der Theke vorbeigehe, bemerke ich, wie er sich unauffällig umsieht. Anscheinend hat er meinen Blick gespürt. Seine Augen irren weiter durch den Raum und bleiben im Spiegel über der Bar hängen. Sekundenlang bleibt mir die Spucke weg, als sich unsere Blicke treffen. Eine dunkelblaue Iris mit einem hellen Rand starrt mich erschrocken an. Das Gesicht ist von einer Flut blonder Locken umgeben, die von einer schwarzen Strähne unterbrochen wird. Leichte Röte steigt ihm ins Gesicht und die Pupillen leuchten auf. Fest schaue ich ihn an, taxiere ihn und sehe, wie er den Blick langsam senkt.

 

Mit der Zunge leckt er sich nervös über die vollen Lippen. Benommen fühle ich, wie meine Hose eng wird. Fuck … noch nie hat es jemand geschafft, mir nur durch Augenkontakt einen Ständer zu verschaffen. Wie soll ich mich auf das Geschäft konzentrieren können? Hier sitzt schließlich ein Sub, der die animalischen Seiten in mir anspricht. Wie demütig er den Blick senkt! Er glaubt doch nicht etwa, dass ich diese Geste unerwidert lasse? Fast berühre ich ihn, als ich Jessy zur Begrüßung umarme. Verlangend gleitet mein Blick sofort zu ihm und sein Geruch setzt sich in meiner Nase fest. Immer noch starre ich ihn an, atme tief durch, warte, bis er mich wieder anschaut. Nur ein einziger Augenkontakt genügt, um dem Kleinen eine Botschaft zu senden. Das Versprechen, was er in meinem Gesicht entdecken kann, lässt ihn erschrocken zusammenzucken. Er kann erkennen, dass ich genau weiß, wie er tickt. Diesen Umstand werde ich gnadenlos ausnutzen.

Er erschauert, hat die Hände fest zusammengepresst auf den Oberschenkeln liegen. Den Blick nach unten gerichtet, atmet er viel zu schnell ein und aus, zu abgehackt. Er scheint darum zu kämpfen, seine Gefühle in den Griff zu bekommen. Oh ja, ich werde dich erobern und jeder, der es wagt sich dir zu nähern, wird es bitter bereuen. Bevor ich Dante unwillig folge, streiche ich ganz leicht mit dem Zeigefinger über seinen Rücken, sehe, wie er sich umgehend versteift. Oh, wie sensibel er auf diese einfache Geste von mir reagiert. Obwohl ich lieber bei diesem devoten Sub an der Theke wäre, folge ich Dante. Schnell fasse ich nach Davids Arm und ziehe ihn eilig Richtung Büro. Ich will das Treffen jetzt möglichst flott hinter mich bringen und dann zurück in den Club. Hoffentlich schnappt sich niemand anderer den kleinen Twink. Er hat was … ach, ich weiß nicht. Er strahlt zwar eine Unschuld aus, die mein Verlangen nach ihm fiebrig werden lässt, aber in seinen Augen habe ich ein Feuer leuchten sehen, das meinem in nichts nach steht.

 

 

 

Kapitel 3

Sam

*~*~*~*

 

Seit zwei anstrengenden Wochen bin ich nun zu Hause. Mir war gar nicht bewusst, dass Zurückkommen genauso anstrengend ist wie Auswandern. In meinen Fall sogar noch anstrengender. Ich werde von einem Sachbearbeiter zum nächsten geschickt und verzweifle fast daran. Nach vielen Telefonaten mit den Behörden habe ich nun endlich einen Termin beim Einwohnermeldeamt bekommen. Endlich habe ich alle nötigen Formalitäten erledigt. Für die meisten Menschen ist das vielleicht selbstverständlich, für mich ist es das leider nicht. Ich schaffe es einfach nicht, dem Sachbearbeiter in die Augen zu schauen. Er ist groß, mit breiten Schultern und ist dominant, dass ich automatisch den Kopf senke, als er mit mir spricht. Natürlich empfindet er dies als unfreundlich, dabei bin ich bloß eingeschüchtert von seiner Statur. Bestimmt verkehrt er nicht in der Szene und weiß darum auch nicht, was seine herrische Art mit mir macht. Irgendwie überstehe ich dieses ganze Gespräch und aufatmend stehe ich jetzt im Flur. In meinen zittrigen Händen halte ich alle Papiere und bin froh, es hinter mich gebracht zu haben. Seufzend begebe ich mich zur Haltestelle und warte auf den Bus. Jetzt schnell nach Hause. Mir bleiben nur etwa fünf Stunden, um mich darauf vorzubereiten, den Club Black näher kennenzulernen. Schließlich ist heute Freitag und ich bin zum Abend von Dante eingeladen worden, mir in Ruhe alles anzuschauen. Ich soll mich mit den Leuten vertraut machen und entscheiden, wann und wie viel ich genau arbeiten möchte. Immer noch kann ich es nicht glauben, dass ich Glück habe. Endlich verdiene ich wieder eigenes Geld. Besonders dankbar bin ich meiner Schwester, weil sie mir unter die Arme gegriffen hat, als die Ersparnisse zur Neige gingen. Klar traf mich das besonders in meinem Stolz. Nun kann ich ihr alles wieder zurückzahlen. Irgendwie bin ich total aufgeregt, als ich mich umziehen will.

 

Dabei kenne ich die Szene und Clubs wie das Black ganz gut. Trotzdem bin ich etwas nervös und unsicher. Immerhin ist das heute Abend so etwas wie ein Arbeitsgespräch und ich will einen guten Eindruck hinterlassen. Dass ich danach im Club noch die anderen Kollegen kennenlerne, bedeutet ja nicht automatisch, dass ich zum Feiern dort bin. Unschlüssig stehe ich vor dem Kleiderschrank und weiß nicht, was ich anziehen soll. Schließlich nimmt Anna mir die Entscheidung ab. Sie schubst mich zur Seite, zieht die engste schwarze Jeans, die ich besitze, aus dem Schrank. Triumphierend hält sie mir die Hose vor die Nase. Sie sitzt mir wie auf den Leib geschneidert, zeigt, was ich zu bieten habe, und lässt keinen Raum für Fantasie. Shane hat sie gehasst. Es gab immer wieder Diskussionen oder einen bösen Streit, wenn ich sie einfach angezogen habe. Ihr wollt wissen, warum ich mich überhaupt in so einen Blödmann verliebt habe? Wenn du in einem fremden Land studieren und Geld verdienen musst, brauchst du eine starke Schulter, an die du dich anlehnen kannst. Ich war einsam in New York und brauchte jemanden an meiner Seite. Shane war am Anfang ganz anders. Der typische Top halt. Groß gewachsen, mit braunen, seelenvollen Augen und ganz kurz geschorenen Haaren. Er hat mich auf Händen getragen, las mir jeden Wunsch von den Lippen ab, bis er mich hatte. Dann kam nach und nach sein bösartiger Charakter ans Tageslicht.

 

Auch wenn es jetzt fast ein Jahr her ist, seit ich mich von ihm getrennt habe, knabbere ich immer noch daran. Er hat mich belogen und betrogen. Hat mir zu guter Letzt auch noch das Leben zur Hölle gemacht. All das nur, weil ich endlich ein erfülltes Sexleben haben wollte, und zwar mit ihm. Er sah sich in eine Position gedrängt, die er nicht erfüllen konnte. Er war eben kein Master mit sadistischen Tendenzen, sondern nur ein einfacher Kerl, der Blümchensex liebte, solange er auf seine Kosten kam. Wie es mir dabei ging, war für ihn uninteressant. Sexuell frustriert und mutlos habe ich einen Schlussstrich unter dieser Beziehung gezogen. Ich versuche heute die schlimmen Ereignisse zu vergessen, aber immer noch bin ich ängstlich, sehe hinter jeder Ecke sein hartes Gesicht. Hier in Berlin kann er mir nichts mehr tun. Endlich bin ich vor ihm sicher und gehe heute zum ersten Mal allein in einen Club. Genau aus diesem Grund werde ich diese Jeans anziehen und keiner wird mir das verbieten. Ob sie mir überhaupt noch passt? Vielleicht ist es ja auch gar nicht schlecht zu zeigen, was ich zu bieten habe. Immerhin kommen die Kerle ja später, um mich tanzen zu sehen. Trotzig steige ich in die Jeans und Anna reicht mir ein eng geschnittenes schwarzes Hemd, dass nur mit Druckknöpfen zu schließen ist.

 

Es klebt wie eine zweite Haut an mir, sodass die Nippel sich durch den Stoff drücken. Na schön, was soll’s. Jack sagt ja auch immer, ich brauche mich nicht zu verstecken. Im Spiegel schaut mir ein schmales, anziehendes Gesicht. Die Augen sind dunkelblau, werden an den äußeren Rändern heller und sind von einem dichten schwarzen Wimpernkranz umgeben. Der Mund ist sinnlich geschwungen und wenn ich lächle, sieht man strahlend weiße Zähne. Kleine Grübchen graben sich in die Wangen. Ein glatt rasiertes Gesicht, von der Sonne der Ostküste leicht gebräunt, lächelt mir zu. Ich mag es, wenn ich am ganzen Körper keine Haare habe und meine Haut weich und empfänglich für Berührungen ist, ohne dass sie dazwischen stören. Na ja, wenn ich mal einen Kerl finde, der mich vögeln will. Eine halbe Stunde zu früh stehe ich vor dem Hintereingang des Blacks. Wie versprochen öffnet Dante nach dem ersten Klingeln die Tür und lässt mich rein. Das Black ist einfach überwältigend. Allein das, was ich auf dem Weg zu Dantes Büro gesehen habe, lässt mich ehrfürchtig staunen. Überall sieht man unaufdringliche Eleganz. Edel, auf eine Art und Weise, dass man sich direkt wohlfühlt. Dante geht ins Büro, in dem bereits sein Bruder Claas auf uns wartet. Er hat erfahren, dass ich in New York eine Tanz- und Gesangsausbildung absolviert habe und war neugierig, wollte mich kennenlernen.

 

Nach einer Stunde neigt sich unser Gespräch dem Ende zu und ich bin mehr als zufrieden. Obwohl beide Männer sehr einschüchternd auf mich wirken, haben sie mir nie das Gefühl vermittelt, dass ich nur ein kleiner Twink bin. Vier Abende in der Woche werde ich hier im Black tanzen. Außerdem kann ich jederzeit zum Üben herkommen, da der Club über eigene Trainingsräume für die Tänzer verfügt. Oder ich kann die Räume in Claas’ Studio nutzen, die den Vorteil haben, dass ich dort mit meiner Tanzmusik experimentieren kann. Ich kann die Musikstücke neu mixen und direkt einspielen. Zusätzlich hat Claas mir angeboten, für ihn als freiberuflicher Musiker und Texter zu arbeiten. Oh Junge, was für ein tolles Angebot. Noch keine Woche in Berlin und dann so was! Mein Kopf ist voller Ideen und ich fühle mich endlich mal wieder glücklich, was ich lange Zeit nicht mehr war. Jetzt, in diesen Moment kommt es mir vor, als ob ich träume. Völlig unreal. Ja, mein Mut, diesen Schritt zu wagen, hat sich als absoluter Glücksfall erwiesen. Bevor ich mich in der Vergangenheit verliere, holt Dante mich mit einer Berührung am Arm wieder zurück in die Gegenwart. Voller Stolz zeigt er mir den Tanzbereich.

 

Boah, ich muss sagen, dass es sehr professionell aussieht. Sogar eine Pole Dance Stange gibt es hier und ich bemerke, wie es in meinem Inneren anfängt zu kribbeln. Wie lange habe ich nicht mehr an einer Stange mein Können gezeigt? Verunsichert schaue ich meinen neuen Chef an und frage ihn, ob ich dort auch tanzen darf. Erstaunt schaut er mich an und ein Leuchten gleitet über sein Gesicht. Er flüstert mir ins Ohr, dass er die Stange nur hier angebracht hat, um Jessy eine Freude zu machen. Sein Mann würde seit geraumer Zeit versuchen zu beweisen, dass er diese Technik auch beherrscht. Obwohl er ein hervorragender Tänzer ist, will ihm das nicht so ganz gelingen. Mein Chef beugt sich zu mir runter und raunt mir ins Ohr, dass ich mich hier gerne austoben darf. Freudig nehme ich sein Angebot an. Es sind noch zehn Minuten, ehe das Black seine Türen öffnet. Daher gehen wir zum Ende der Theke, bestellen uns einen Kaffee, den wir in aller Ruhe trinken. Dante scheint auf etwas zu warten, denn er schaut immer wieder auf die Uhr. Leise flucht er vor sich hin, murmelt, dass das eine Strafe nach sich ziehen wird. Die tiefe, verheißungsvolle Stimme und die Schwingungen seiner Dominanz verursachen mir eine wahnsinnige Gänsehaut auf dem ganzen Körper. Mein Herz beginnt zu rasen und vor meinem inneren Auge tauchen Bilder auf, die mich in Wallung bringen. Vergeblich versuche ich mein Glied zu überreden, sich wieder zu beruhigen. Mann, Samuel, reiß dich zusammen, er ist verheiratet und ich bin nur sein Angestellter. Kaum habe ich den Gedanken zu Ende gedacht, höre ich auch schon einen Schrei. Sekunden später wirft sich jemand stürmisch in seine Arme.

 

Dante fängt ihn auf und gibt ihm einen langen Kuss. Das scheint wohl Dantes Jessy zu sein. Er beendet den Kuss und dreht Jessy um, der mir sofort sympathisch ist. Ich werde von oben nach unten gemustert und das, was er sieht, scheint ihm zu gefallen. Er reicht mir seine Hand und sieht mir tief in die Augen. Erstaunt erkenne ich, das die Farbe seiner Iris unbeschreiblich schön ist. Was auch immer er in meinem Gesicht gesehen hat, verleitet ihn dazu, alle Zurückhaltung fallen zu lassen. Mit einem festen Griff zieht er mich in seine Arme. Ah, tut das gut. Für mich ist es seit Monaten der erste körperliche Kontakt zu einem anderen Mann. Mit geschlossenen Augen genieße ich die Berührung einfach. Dass das armselig ist, weiß ich selber. Trotzdem, es tut gut, einfach nur im Arm gehalten zu werden. Ohne Forderungen oder Vorhaltungen. Einfach ohne Hintergedanken. Jessy fliegt mein Herz zu und ich hoffe, wir können Freunde werden. Dante steht auf, als sich uns zwei Männer nähern.

 

Er packt Jessy, drückt ihn fest an sich und gibt ihm die Anweisung, in einer Stunde pünktlich im Büro zu erscheinen. Dieser grinst mich an, hebt die Augenbrauen und ich fühle mich in seiner Gegenwart wohl wie lange nicht mehr. Wir unterhalten uns angeregt und ich versuche seine Fragen so genau wie möglich zu beantworten. Er ist neugierig, was ich verstehen kann, da ich schließlich für Dante arbeiten werde. Obwohl ich heute nicht auf der Suche nach einem bin, hat mich die Atmosphäre im Club, die vielen tanzenden Kerle aufgeputscht. Es ist lange her, dass ich zum letzten Mal mit einem geschlafen habe. Nach Shane gab es in dieser Richtung niemanden mehr. Ich bin vorsichtiger geworden, wem ich meine Neigungen anvertraue. Mein Exfreund verstand dies nie. Vielmehr hat es ihn von mir weggetrieben. Anfangs dachte ich, dass seine Ausstrahlung der Dominanz entspricht, die ich brauche. Leider war er nur ein brutaler und kontrollsüchtiger Mistkerl, dem außer seinen eigenen Bedürfnissen nichts wichtig war. Ich suche daher jemand, der mein körperliches Verlangen nach Unterwerfung befriedigt. Der sich einfach die Zeit nimmt, mit mir zu »spielen« und auf mich einzugehen. Nicht nur eine Nummer und dann war es das.

 

Nein, ich brauche mehr, um sexuelle Erfüllung zu finden. Ich suche nicht nur körperliches Verlangen, sondern es muss gepaart sein mit Strenge, Herrschsucht, aber auch Respekt mir gegenüber und Zärtlichkeit für danach. Im Spiegel über der Bar sehe ich, wie Dante mit einem blonden Mann an mir vorbei in Richtung Büro geht. Äußerlich hat er mir sehr gefallen, aber er strahlt keine … wie soll ich es bloß beschreiben? Hm, er strahlt keine herrischen Schwingungen aus. Er scheint einfach nur nett zu sein. In seiner Begleitung ist ein südländischer Typ. Der ist bestimmt einen Kopf größer als ich, hat schwarze, seidige Haare, die modern geschnitten sind und bis in seinen Nacken fallen. Ihm sieht man den aggressiven Top auf den ersten Blick an. Sein Gang ist geschmeidig, fast raubtierhaft. Aus dem Augenwinkel beobachte ich ihn und unsere Blicke treffen sich im Spiegel über der Bar. Was macht er da bloß mit mir? Glühende, dunkelbraune Augen starren mich überlegen und dominant an, dass mein Herz für ein paar Sekunden stehen bleibt. Eine gehobene Augenbraue und ein spöttisch verzogener Mund zwingen mich einfach dazu, dass ich meinen Kopf senke. Was war das denn? Er umarmt Jessy, drückt ihn kurz an sich ran. Als er sich wieder abwendet, merke ich, wie er hauchzart meinen Rücken berührt und sein Duft weht zu mir rüber. Ah, mein Herz. Es rast in der Brust und mir wird schwindelig. Die Nerven vibrieren und alles, was ich noch denken kann, ist, mich ihm zu Füßen zu werfen.

 

 

 

Kapitel 4

Angelo

*~*~*~*

 

Wo bin ich bloß mit meinen Gedanken? Seit einer Stunde unterhalten sich die zwei über das von Dante gewünschte und mir geplante Event. Irgendwie kann ich mich nicht auf das Gespräch konzentrieren. Das ist mir schon ewig nicht mehr passiert. Seit genau einer Stunde bin ich bei dem kleinen Kerl, der neben Jessy an der Theke sitzt. Wer er wohl ist? Jessy scheint ihn zu kennen, so wie er sich mit ihm unterhalten hat. Hm, sobald der geschäftliche Teil hier endlich vorbei ist, werde ich Dante einfach fragen. Geduld ist nicht meine Stärke und sie wird gerade auf eine verdammt harte Probe gestellt. Sonst bin ich doch nicht so, kann abwarten. Wenn ich an den kleinen Kerl da draußen im Club denke, klopft mein Herz einen Takt schneller als normal. Warum dauert das heute? Wie bitte? Das haben wir schon hundertmal besprochen. Seufzend schaue ich David von der Seite an und sehe ihn lächeln. Was habe ich gerade bloß verpasst, dass sie sich über mich lustig machen? Wofür habe ich gerade die Einwilligung gegeben? Dante sieht mich eine ganze Weile nachdenklich an. Seit wann lasse ich mich leicht ablenken, wenn es um meinen Job geht? Mein Blick gleitet zum wiederholten Male auf die Armbanduhr. Unruhig rutsche ich auf dem Stuhl hin und her, fahre mir ungeduldig mit den Händen über die Oberschenkel. Was ist nur los mit mir? Hoffentlich hat ihn mir noch kein anderer vor der Nase weggeschnappt. Obwohl! Solange Jessy bei ihm ist, wird sich keiner der anderen Kerle an sie herantrauen. Seufzend erkenne ich, dass noch keine fünf Minuten vergangen sind, seit ich das letzte Mal auf die Uhr geschaut habe. Meine Freunde grinsen sich an. Was ist denn nun wieder los? »Einverstanden, so machen wir es! Angelo?« Dante sieht mich mit einem fiesen Grinsen im Gesicht fragend an. Was? Mein blöder Gesichtsausdruck sagt meinem Gegenüber wohl ziemlich deutlich, dass ich überhaupt nicht zugehört habe. Er hebt die Augenbrauen und sein Mund verzieht sich. BlöderKerl!

 

Bevor ich begreife, was er von mir will, bricht er in ein lautes, dröhnendes Lachen aus. Na toll! Ich fühle mich irgendwie auf den Arm genommen und mein giftiger Blick sagt ihm das auch. Pikiert schaue ich zu David rüber und als der meinen fragenden Blick sieht, fängt er auch noch an zu lachen. Kann mich jetzt bitte mal einer aufklären, was hier los ist? Ein wenig verwirrt nehme ich die Papiere an mich, die Dante mir seit einer ganzen Weile hinhält. Angestrengt versuche ich mich darauf zu konzentrieren. Ein paar kleine Änderungen sind aufgelistet, die ich mit einem kurzen Nicken zur Kenntnis nehme. Ja, das sollte wohl klappen. Die Kosten halten sich in Grenzen und der Gewinn ist optimal kalkuliert. Ich schaue auf und sehe, wie Dante mich immer noch mit diesem dämlichen Blick, der wohl Schadenfreude ausdrücken soll, ansieht. Was ist nur los hier? Habe ich irgendetwas im Gesicht? Vorsichtig wische ich mir mit der Hand über die Lippen und auf einmal fällt es mir wieder ein. Ja, ich weiß, was er denkt. Er hat noch was gut bei mir. Als er sich damals in Jessy verliebt hat, habe ich ihn damit aufgezogen, dass er es nicht schafft, den Kleinen einzufangen. Er hatte ja auch am Anfang so ziemlich alles vermasselt, was man nur vermasseln konnte. Jessy hat ihn dies büßen lassen und ich habe ihm dabei noch den Rücken gestärkt. Schließlich kannte ich Dante zu diesem Zeitpunkt ja noch nicht. Gerade Dante, der sich jeden Kerl mit ins Bett genommen hat, der ihm gefiel, wehrte sich vehement gegen jede Gefühlsregung, die Jessy in ihm auslöste. Er wollte sich nach seiner ersten unglücklichen Liebe niemals wieder binden. Zwölf Jahre hat er seinen Schwur gehalten und alles mitgenommen, was sich ihm in den Weg stellte. Er ist voller Wut und Angst durch die Gegend gelaufen und hat verzweifelt versucht, Jessy zu verleugnen.

 

Seine Liebe zu ihm war stärker und zum Schluss hat er sich die Niederlage eingestanden. Ich war ziemlich erstaunt, dass er so verunsichert war. Nur wer Dantes Vergangenheit kannte, wusste warum! In der kurzen Zeit, die wir uns bis dahin kennenlernten, habe ich nie erlebt, dass er seine Gefühle für einen anderen Menschen offen gezeigt hat, wie bei Jessy. Nicht einmal bei Claas, und die beiden sind schließlich Stiefbrüder. Sie kennen sich fast ihr halbes Leben lang und haben viel gemeinsam durchgemacht. Jessy, diese kleine Kröte, hat den Spieß umgedreht und Dante voll auflaufen lassen. Jessy wäre nicht Jessy, wenn er es nicht geschafft hätte, mich auf seine Seite zu ziehen. So kam es, dass ich ihn damals dabei unterstützt habe, Dante zu erlegen. Auch wenn die beiden heute glücklich miteinander sind und mittlerweile sogar geheiratet haben, scheint mir mein Freund das bis dato noch nicht vergessen und anscheinend auch nicht vergeben zu haben. Nun sitze ich hier, weiß, dass er es mir heimzahlen wird, und kann es nicht verhindern. Während ich noch immer mit den Papieren in der Hand gedanklich bei Dante und Jessy bin, kommt Leben in David. Er springt auf und verabschiedet sich ziemlich eilig. Nanu, er wird doch nicht? Noch nicht ganz ausgedacht, will ich ihm sofort hinterhergehen und werde von Dante zurückgehalten. »Setz dich, Angelo, Sam wird dir nicht weglaufen.« Theatralisch seufze ich auf und setze mich ihm wieder gegenüber, schaue ihn böse an. Woher will er wissen, dass ich mir diesen Kerl schnappen möchte?

 

Außer bei David gerade eben habe ich ihn nicht mit einer einzigen Silbe erwähnt. »Sam?« Genussvoll lasse ich mir den Namen auf der Zunge zergehen. Ja, er passt zu ihm. Hat David es deshalb eilig? Er könnte ihn sich schnappen und er wäre für mich verloren. Ganz unberechtigt ist der Gedanke schließlich nicht. Immerhin haben wir uns ab und zu gegenseitig die Twinks zugeschoben. Nur bei IHM da draußen gefällt mir das absolut nicht. Ich will ihn für mich allein und werde David, wenn es sein muss, in seine Schranken verweisen. Eine Nacht zu dritt gibt es auch nicht. Nicht mit Sam. Ungehalten setze ich mich wieder hin und schaue Dante nun erwartungsvoll an. »Wer ist er?«, frage ich, bevor er auch nur ein Wort sagen kann. Er schaut mir in die Augen, aber da kann er lange starren. Ich bin genauso wenig devot wie er. Er erzählt mir in kurzen Zügen Sams Geschichte und ich höre ihm aufmerksam zu. Dass er Sam in New York kennengelernt hat, dass er ein fantastischer Sänger und Tänzer ist. Er hat ihm das Angebot gemacht, falls er je wieder nach Deutschland zurück möchte, er hier im Black einen Job für ihn hätte. Wie erstaunt er war, dass er eigentlich nicht damit gerechnet hatte, von Sam zuhören. Umso begeisterter war er, als er kurze Zeit später wirklich hier vor der Tür stand. Er schaut mir lange in die Augen und seufzt auf. »Für den Fall, dass du es noch nicht bemerkt haben solltest, Angelo, Sam ist ein … tja, wie soll ich es dir nur sagen? Er ist ein Sub, der nicht nur auf Dominanz steht, sondern der den direkten Schmerz braucht, um sich wohl bei einem Mann zu fühlen. Ich weiß, dass du genauso bist. Du, Angelo, bist der Gegenpol zu seiner Veranlagung. Ich habe mich über Sam bei seinem alten Chef erkundigt und erfahren, dass er masochistische Züge aufweist.

 

Keiner konnte Sam in New York das geben, was er wirklich braucht. Sein Exfreund scheint Sams Outing als … sagen wir mal, als Fußabtreter für die eigene Unzulänglichkeit missbraucht zu haben. Etwas sagt mir allerdings, dass es hier auch um sexuelle Misshandlung geht, so schreckhaft, wie Sam auf Berührungen reagiert. Bei dir eben hat er sich nicht zurückgezogen. Denn das, was ich in Sams Augen lesen konnte, war Sehnsucht und keine Angst. Daher empfehle ich dir behutsam mit ihm umzugehen.« Ich nicke und höre ihm weiter aufmerksam zu. Auf Dantes Einschätzung kann man sich hundertprozentig verlassen. Zudem stimmt seine Aussage mit meinem eigenen Empfinden, was den Kleinen betrifft, überein. Seine Haltung, wie er auf dem Stuhl an der Theke saß. Das Verhalten Jessy gegenüber und wie er mich unter gesenkten Lidern beobachtet hat. Wie sich die Augen geweitet haben, als er erkannte, dass ich das Gegenteil von ihm bin. Wir erkennen uns untereinander, und es kann kein Wissenschaftler erforschen, warum das so ist. Ich begreife es ja selber nicht. Ein erfahrener Jäger, wie ich es bin, erkennt es in Sekundenschnelle. Ob ich endlich einen gefunden habe, der zu mir passt? Einen, der meinen sadistischen Gelüsten entspricht, es liebt, wenn ich sie an ihm auslasse? Oh bitte, ich würde es mir so sehr wünschen. Aufatmend verlassen wir das Büro und das Erste, was ich sehe, ist, wie sich David bei Sam einschmeichelt. Er steht neben ihm, drückt sich seitlich an ihn ran und seine Hand liegt auf Sams Bein. Anscheinend duldet der Kleine das, was mich irgendwie total wütend macht. Jetzt lächelt er ihn auch noch an. Erst als er bedauernd den Kopf schüttelt und ich sehe, wie Davids Blick resigniert, macht mein Herz einen lauten erleichterten Schlag. Trotzdem lässt David die Hand auf Sams Bein liegen, macht keinen Versuch, sie wegzunehmen. Was soll das? Er kennt mich schließlich gut genug, um zu wissen, was diese Geste in mir auslöst, wenn ich auf der Jagd bin und die Beute bereits im Visier habe. Beherrscht stelle ich mich hinter Sams Stuhl, greife über seine Schulter und entferne Davids Hand von seinem Bein. Der Kleine zuckt erschrocken zusammen, dreht den Kopf nach hinten und schaut mich ganz erstaunt an. Er reißt die betörenden, blauen Augen weit auf und senkt langsam die Lider. Er bebt, als er spürt, wie nahe ich ihm bin, und versucht es zu unterdrücken. Nun dränge ich mich ganz zwischen beide Männer, drehe Sams Stuhl zu mir herum. Gezwungenermaßen öffnet er die Beine, lässt zu, dass ich mich zwischen die Schenkel dränge. Eine Röte überzieht sein Gesicht. Unruhig rutscht er etwas hin und her. Dass er dabei versucht sich mir zu entziehen, lasse ich nicht zu und presse mich noch fester gegen ihn. Langsam gleitet mein Blick über Sams Gesicht, runter zum Unterleib.

 

Ichfordere ihn heraus, in dem ich meine Finger in die Nähe des Schrittes lege und mit dem Daumen leicht über den Stoff der Hose reibe. Die dunkelblauen Augen weiten sich, als ich ihm demonstriere, was ich davon halte, dass er David diese intime Geste erlaubt hat. Fest bohre ich jetzt die Fingernägel in das weiche Fleisch des Oberschenkels. Heftig atmet er ein und die Augen verschleiern sich. Die Lippen öffnen sich einen Spalt und warmer Atem weht mir zu. Als sich sein Schwanz daraufhin in der Jeanshose versteift, erahne ich, dass Sam Neigungen nicht so sind wie von all den anderen Subs, mit denen ich bis jetzt gespielt habe. Ob Dante recht hat und er masochistisch veranlagt ist? Allein der Gedanke lässt mir vor Erregung eine Gänsehaut über den Rücken laufen. Tief einatmend kneife ich ihn noch einmal in die weiche Haut zwischen seinem Schritt und streichle wie unbeabsichtigt über das nun harte Glied. Ich will wissen, ob meine Vermutung stimmt, und sehe wie Sam zusammenzuckt. Er beißt sich erregt auf die Lippen und versucht die Beine zu schließen. Dabei umklammert er mit den Händen meine Hüfte. Verlangen flammt brennend auf, als mein Schwanz an ihn gedrückt wird. Sanft reibe ich mich an ihm. Der Gedanke, ihn einfach vom Stuhl hochzunehmen, damit sich diese Beine noch fester um meine Hüfte legen können, kommt kurz auf. Sein Schaft zuckt, wird noch größer in der engen Jeans. Oh, er ist herrlich empfindsam, reagiert direkt auf die Zärtlichkeit, die ich ihm gebe. Dante schnappt sich indes Jessy, zieht ihn zu sich rüber, hebt ihn auf seine Beine. Gerne würde ich das mit Sam auch machen, als ich sehe, wie er die zwei sehnsüchtig anschaut. Er scheint einsam zu sein und diese Chance lasse ich mir nicht entgehen. Langsam hebt er den Kopf und sein Blick sucht meinen. Völlig hin und weg versinke ich in seine Augen. Er zwinkert ein paarmal, senkt den Blick langsam und schaut erstaunt auf meine Hand hinunter. Diese Geste ist so devot, dass es mich umhaut. Es spricht meine niederen Instinkte an, ihn zu beschützen und zu besitzen. Vielleicht auch zu brandmarken, damit jeder hier weiß, dass er zu mir gehört. Meine Wahl für diese Nacht habe ich bereits vor einer Stunde getroffen. Heute Abend habe ich mir diesen kleinen Kerl neben Jessy ausgesucht. Obwohl ich neben ihm stehe und meine Hand immer noch besitzergreifend auf seinem Oberschenkel liegt, drängeln sich einige Tops um die Theke. Ja, Sam ist eine Augenweide. Er ist neu hier und gehört zumindest heute mir. Böse schaue ich sie alle streng an. Ich hoffe, dass sie das verstanden haben. Dante grinst wieder hinterlistig und ich überlege gerade, ihm dieses Grinsen aus dem Gesicht zu wischen.

 

David unterhält sich indessen weiter mit Sam, was mich dermaßen stört, dass ich die Position verändere. Böse schaue ich meinen Freund an und dränge mich noch mehr zwischen Sams Beine. Besitzergreifend lege ich nun beide Hände auf die Jeanshose. Tief verkrallen sich die Finger in das weiche Fleisch der Oberschenkel. Leise dringt ein schmerzliches Aufatmen an mein Ohr. David lächelt, nimmt Abstand und scheint sich köstlich auf meine Kosten zu amüsieren. Na warte, das wird er noch bitter bereuen. Zärtlich schaue ich auf den Kleinen runter, sehe, wie sich die Wangen röten. Er beißt sich nervös auf die Lippen. Meine Erregung steigert sich ins Unermessliche, was mir so schnell noch nie passiert ist. Weder bei meiner Jugendliebe Luca noch bei David! Auch bei ihnen waren nur Verlangen im Spiel und keine Liebe. Liebe ist nur was für Träumer. Und ein Träumer bin ich auf keinen Fall. Es reicht, dass sich ein paar meiner Freunde von ihren Subs einfangen ließen. Obwohl meine erste Teenagerliebe Luca mir immer noch sehr nahe steht. Seit Kindheit an sind wir Freunde. Als wir älter wurden, Liebende. Nach unserem Liebesaus haben wir es tatsächlich geschafft, immer noch Freunde zu bleiben. Wann immer ich in Italien bin, besuche ich meine Eltern, nehme mir die Zeit und treffe mich auch mit Luca. Mit David habe ich es am Anfang unserer Freundschaft versucht, aber er konnte mich genauso wenig zufriedenstellen.

 

David ist genau wie Luca. Beiden fehlt das Verlangen nach Schmerz, was mir in einer Beziehung wichtig ist, weil ich eben so veranlagt bin. Ich will mich nicht verstellen, sondern alles ausleben, was mein Körper braucht, um sich befriedigt zu fühlen. Mir ist das erst im Nachhinein aufgefallen. David konnte sich mir nicht unterordnen, sich nicht fallen lassen. Nach ein paar Nächten haben wir beschlossen, unsere Freundschaft nicht wegen Sex aufs Spiel zu setzen. Heute ist er meine rechte Hand im Geschäft und mein engster Freund. Ich vertraue ihm, und das heißt schon was. Luca und David sind beide Switcher, weder devot noch dominant und schon gar nicht masochistisch veranlagt. Ich bin ein dominanter, sadistischer veranlagter Mann und lebe dies auch aus. Nein, ich verstecke meine Neigungen nicht. Dass ich nach dem Einen suche, der zu mir passt, das habe ich vor langer Zeit aufgegeben, weil ich ihn weder hier in Berlin noch in Italien finden konnte.

 

 

 

 

So jetzt kommt wir zur Konkurrenz und zwar dem

 

„Club Red“

Devil & Kevin.

 

Nie hat mich ein Thema so fasziniert, wie die Thematik zwischen einem Master  und Sklaven. Durch eine Freundin habe ich so einen Mann kennengelernt. Nur gut, dass mein Anteil an Devotheit nicht so stark ausgeprägt ist! Er war herrisch bis in die Haarspitzen. Sein Blick allein ließ meine Handflächen feucht werden vor lauter Angst, dass er mich dominieren würde. Nein, er war lieb zu mir, hat sich mit mir toll unterhalten. Nun konnte ich etwas dahinter schauen. Sah, wie einnehmend, aber auch zärtlich er mit seiner Sklavin umging. Ich durfte sie auch interviewen und  erkannte, dass die zwei nicht anders leben und lieben wie ich mit meinem Mann.

Die Geschichte um das Casino hatte ich, genau wie bei Jessy und Dante, schon vor ein paar Jahren geschrieben. Da hieß mein Kevin noch Hanna und ich hatte nur 4 Kapitel fertig. Als ich darüber nachdachte, fiel sie mir wieder ein und schon entstand in meinem Kopf die komplette Geschichte um den Schuldschein, verletzte Gefühle, eine Liebe die nicht zugelassen werden wollte. Der große Jäger, den es dann letztendlich doch noch erwischte.

Das sich Igor zum Schluss mit Jan in die Sonderkapitel rein geschlichen hatte, gab mir den Anreiz für Redline 2 Andrew und Jan.

Lange Rede kurzer Sinn hier ist die Leseprobe von:

  

 

 

 

 

 

Redline 1 Devil und Kevin.

 

 

 

 Kapitel 1

 

Vorstellung Kevin Johnson 

*~*~*~* 

 

Gott, das war eine verdammt lange Nacht. Diese schmierigen Hände, die sich immer wieder um meine Hüften legten, die ständig versuchten, sich unter mein Hemd zu stehlen und mir den letzten Nerv raubten. Dann noch sein aufdringliches Aftershave, welches mir schon den ganzen Abend die Luft nimmt. Das bringt mich nun doch an meine Grenzen. Noch nie war ich so nah daran gewesen, den Job hinzuschmeißen und diesem feisten Kerl eine reinzuhauen. Ich weiß schon, warum ich mir in Gedanken immer sage, dass gerade bei solchen Männern, die meinen, sie wären die Besten im Bett, ihr Ego größer ist als ihr Schwanz in der Hose. Er hat mich ohne meine Genehmigung angepackt, betatscht, und wenn er mir nur noch einmal in den Hintern gekniffen hätte, dann wäre ich aufgestanden. Ich hätte ihm im Lokal eine Szene hingelegt, die hier noch wochenlang Gespräch Nummer eins gewesen wäre. Er hat schließlich nur für die Begleitung zu einem Abendessen und nicht für eine Nacht voller Sex bezahlt. Ich bin doch kein Stricher. Auch wenn ich dafür, dass ich Zeit mit ihm verbringe, Geld bekomme. 

 

Den ganzen Abend hat er mich schon angehimmelt, obwohl er wusste, dass ich fürs Bett tabu bin. Die Regeln sind klar. Der Kunde weiß das, weil jeder der mich bucht, dies auch von der Agentur gemailt bekommt. Wenn er einen Kerl haben will, der danach noch mit ihm in die Kiste springt, dann muss er sich einen anderen Mann aussuchen. Meine Chefin kennt meine No Gos. Schließlich bin ich ja nicht der einzige Escort-Mann, der in ihrer Kartei vorhanden ist. Der Kunde geht mit mir aus, darf mit mir angeben, sich gegenüber seinen Geschäftspartnern oder Freunden mit mir brüsten, aber er darf mich auf keinen Fall anpacken. Das dulde ich nicht und das weiß auch die Agentur. Selbst wenn ich für einen Escort-Service arbeite, stempelt mich das nicht automatisch zu einem Callboy ab. Das mag zwar auf die Mehrzahl meiner Kollegen zutreffen, aber ich bin nicht so. 

Puh, endlich Feierabend. Jetzt muss ich nur noch den aufdringlichen Kunden nach Hause begleiten. Auch dabei kann er einfach seine Hände nicht bei sich halten. Nicht ausflippen Kevin, denke ich und versuche, mich zu beruhigen. Immer schön lächeln und dabei seinen Fingern ausweichen, auch wenn es mich fast umbringt. Noch mal eine freundliche Absage und dann schließt sich die Tür hinter ihm. Na endlich. 

Laut Luft holend, stehe ich in der klaren Sommernacht. Nun geht es nichts wie nach Hause. Von unterwegs rufe ich die Chefin der Agentur an und bestätige ihr, dass ich meinen Auftrag erledigt habe. 

 

Wenn das Geld nicht stimmen würde, hätte ich den Job schon längst hingeschmissen. In meinem abgeschlossenen Beruf als Designer, mit Richtung Kunst, habe ich hier in Las Vegas keine Anstellung bekommen. Nun habe ich drei Jobs und trotzdem ist das Geld immer knapp, da ich auch noch für meinen Bruder sorgen muss. Michael, genannt Mika, ist drei Jahre jünger und studiert BWL. Er soll es später mal besser haben, soll sein Geld mit einem soliden Beruf verdienen. Er weiß nichts von meiner Arbeit. Wie kann ich es ihm auch schonend erklären, dass ich mich mit Männern treffe, die mich bezahlen, damit ich mit ihnen essen gehe, ihnen zuhöre. Die sich mit mir brüsten! Er würde sofort aufhören zu studieren und sich einen Job suchen. Nein, mein Bruder soll sich frei entwickeln können. Soll sich auf sein Studium konzentrieren und sich nicht um mich Sorgen machen müssen. Ich schaffe das schon! 

Morgen Abend geht es dann in den Club Sapphire, wo ich an drei Tagen pro Woche an der Stange tanze. Dann stehen wieder Hunderte Männer vor der Tanzfläche und gaffen mich an, ziehen mich mit ihren Augen aus. Nach der Show bekomme ich immer sehr viele Anfragen, die ich ablehne. Aber auch hier stimmt das Geld. Wenn ich nicht noch mein heimliches Hobby hätte, würde ich verrückt werden. Malen ist meine größte Leidenschaft. Ich kann mich darin verlieren, meine Sorgen total vergessen. In meiner knappen Freizeit zeichne ich Comics und verkaufe sie an die Zeitungen, unter meinem Künstlernamen – John Vinson. 

 

Seufzend gehe ich in mich. Obwohl ich schon 26 Jahre alt bin, habe ich noch keinen schwulen Sex praktiziert. Von ein wenig Fummeln und Blowjobs mal abgesehen. In meinem Job als Begleiter für Männer und Frauen habe ich zu viele Stricher, Callboys und Toyboys kennengelernt. Vor allem Letztere kann ich nicht verstehen. Wie man sich so an einen anderen Mann oder eine Frau binden kann, sich praktisch verkauft und nichts mehr über sein eigenes Leben zu sagen hat! Obwohl ich mir schon lange einen Partner wünsche, der mir alle meine Sorgen abnimmt, bei dem ich mich einfach fallen lassen kann und der mich auffängt. Nie wieder Geldsorgen, nie wieder Entscheidungen treffen oder mich fragen, ob das auch alles richtig ist, was ich mache. Nie wieder diese Ungewissheit, ob ich das Leben packen werde. Mein Partner sollte wissen, wie er mit meiner Neigung, mich ihm unterzuordnen und für ein Vergehen bestraft zu werden, umgehen kann. 

 

Wie oft habe ich mir diese Pornofilme im Internet angesehen, und jedes Mal, wenn der Kerl den Arsch versohlt bekommen hat, er seinen Lustschmerz hinausschrie, schlug mir das Herz bis zum Hals. Mein Glied wurde allein nur von seinem schmerzhaften Wimmern steif. Dieses Geräusch, wenn die Hand auf sein nacktes Fleisch traf, bescherte mir so manchen heftigen Orgasmus. Ob ich pervers bin? Viele würden dies bestätigen, ohne mich zu kennen. Nein, ich stehe nur darauf, gedemütigt und beherrscht zu werden. Wo aber ist der Mann, bei dem ich mich einfach in seine starken Arme fallen lassen kann? 

Wann konnte ich dies bis jetzt ausleben? Wann nur? Die letzten Jahre war ich für meinen Bruder da, habe das Geld rangeschafft. Wie sollte ich da jemanden kennenlernen, der mir das geben konnte, was sich mein Herz und mein Körper ersehnten? Eine starke Hand und einen ebenso willensstarken Mann. 

Mit meiner Größe und meinem Aussehen gehe ich in jedem Club als Top durch. Die dominanten Männer übersehen mich einfach und die Twinks machen Jagd auf mich. 

Seufzend fahre ich mir mit der Hand durch das Gesicht. Auch in meinem Beruf als Escort habe ich nie einen Kerl getroffen, der mich so umgehauen hätte, dass ich alles um mich herum vergaß. Fast wäre da mal einer gewesen, doch er war mir zu selbstverliebt, konnte mein »Nein« nicht akzeptieren. Wie sollte ich ihm dann vertrauen können? Da kannst du nur verlieren. 

 

Müde gehe ich ins Bad. Ich brauche endlich eine heiße Dusche, weil ich immer noch die Hände des Kerls auf meiner Haut spüre. Irgendwie fühle ich mich schmutzig. Lange stehe ich unter dem warmen Wasser und überdenke mein Leben. Es ist ein schwieriges Leben, voller Entbehrungen aber es ist trotzdem kein Schlechtes. Mit nur einem Handtuch um die Hüfte geschwungen, stehe ich vor dem Spiegel und schaue hinein. Mann Kevin, wie siehst du bloß aus? 

Das, was mir entgegensieht, gefällt mir gar nicht. Ich pflege mich penibel, rasiere mich am ganzen Körper, weil mein Aussehen mir ja auch die Kohle aufs Konto bringt, aber heute bin ich so ausgelaugt wie schon lange nicht mehr. Dieses Drängen in mir, meine Neigungen, die auszubrechen drohen, werden immer lauter, wollen hinaus. Meine Haut scheint irgendwie zu eng für mich zu sein. Noch schaffe ich es mit aller Gewalt, sie zu unterdrücken. Doch wie lange noch? 

 

Eigentlich bin ich in Deutschland geboren, aber aufgewachsen bin ich hier in Amerika. Meine Eltern sind nach Las Vegas ausgewandert, als ich sechs Jahre alt war, um hier reich zu werden. 

Nun ja, das will die Hälfte der Menschen, die hier leben. Leider wurde nichts daraus. Mein Vater starb bei einem Autounfall, da war ich gerade sechzehn Jahre alt, und meine Mutter zwei Jahre später. Eine Woche nach meinem achtzehnten Geburtstag hörte das Herz meiner Mutter einfach auf, zu schlagen. Die Ärzte im Krankenhaus sagten mir, dass sie einen Herzinfarkt erlitten hat, doch ich denke, sie starb an einem gebrochenen Herzen. Wenn sich zwei Menschen so sehr lieben, wie meine Eltern dies taten und plötzlich einer geht, dann passiert es häufig, dass man ihm folgen möchte. In ihrer Todesnacht musste ich ihr versprechen, auf meinen jüngeren Bruder Mika, der gerade erst fünfzehn Jahre alt war, aufzupassen, ihn mit Liebe zu erziehen. Ich, der selbst noch so viel Liebe gebraucht hätte. Aber ich habe es schließlich geschafft. Aus Mika ist ein toller Mann und Bruder geworden. Um ihm sein Studium zu ermöglichen, habe ich beim Escort-Service angefangen. Ein Schulfreund von mir hörte, dass ich Geld brauchte, und brachte mich in dem Unternehmen unter.

 

Es war nicht immer leicht, aber wenn ich mich so umschaue, dann kann ich aus vollem Herzen sagen, dass ich es geschafft habe, sauber zu bleiben. Manch reicher Schnösel denkt, er könnte mich mit seinem Geld für ein paar Stunden Sex kaufen. Bei fast jedem Auftrag, den ich annehme, bekomme ich Angebote, die Nacht mit dem Kunden zu verbringen. Einer hat mir sogar mal ein paar Tausend Dollar geboten, aber ich habe trotzdem abgelehnt. Ich bin kein Stricher oder ein Callboy für gewisse Stunden. Nein, ich werde es auch so schaffen, das habe ich bis jetzt immer. 

 

Mit meinen mittellangen rotbraunen Haaren, den dunkelgrünen Augen und einer Größe von 1,96m, sowie einem schmalen Gesicht, könnte ich glatt als Model durchgehen. 

Oft werde ich von Männern gebucht, was mir allerdings auch nichts ausmacht, da ich seit meinem dreizehnten Lebensjahr weiß, dass ich schwul bin. Meinem Bruder habe ich dies schon frühzeitig mitgeteilt. Er akzeptiert es, kann aber sonst nichts mit meiner Veranlagung anfangen. Ein Hetero eben. 

Seufzend wende ich mich vom Spiegel ab. 

Jetzt noch einen heißen Tee und ab auf das Sofa. Oh, entschuldigt bitte. Wo bleibt nur mein Benehmen? Ich sollte mich mal ordentlich vorstellen. 

 

Also, mein Name ist Kevin Johnson. Ich bin 26 Jahre alt und der Aufpasser für meinen 23 Jahre alten Bruder Mika. Eigentlich wollte ich ihn euch auch noch vorstellen, aber er ist mal wieder nicht zu Hause. Wo bleibt er nur? Ah, da kommt er ja schon. Nanu? Wie sieht er denn aus? Was hat er denn? Mit einem Gesicht wie sieben Tage Regenwetter kommt er ins Zimmer und kniet sich vor mich hin. Im ersten Moment verstehe ich nur Bahnhof, muss das Gesagte erst mal sortieren. 

»Kevin. Bitte. Ich wollte das nicht. Es ist einfach passiert. Wie soll ich das bloß zurückbezahlen? Bitte, du musst mir helfen.« Sein Kopf liegt auf meinem Schoss und er weint bitterlich. 

Fassungslos versuche ich zu verdauen, was er da vor sich hin stammelt. Voller Wut funkel ich meinen jüngeren Bruder an. Warum bringt er sich auch immer wieder in solche Schwierigkeiten? Ich sollte ihn diesmal einfach hängen lassen, ihm zeigen, dass das Leben nicht nur aus Vergnügen besteht. 

Tief seufze ich auf, schaue ihn lange an. Nein, ich liebe meinen Bruder, er ist das Einzige, was mir noch geblieben ist. Schließlich habe ich meiner Mutter auf dem Totenbett versprochen, auf ihn aufzupassen. 

»Pokern, du hast alles beim Pokern verloren?«, fragte ich ihn nochmals voller Unglauben. »Wo zum Teufel warst du pokern?« 

»Na ja, im Casino. Das war eine private Pokerrunde.« 

»Wie kommst du an eine private Pokerrunde?«, frage ich ihn. Er zuckt mit den Schultern und schaltet auf stur. Ich kenne ihn nur zu gut und weiß, dass er mir jetzt nichts weiter verraten wird. 

Sein Blick senkt sich und er schluckt schwer. Wenn er das macht, dann hat er was ausgefressen, das über meine Vorstellungskraft hinausgeht. Ein ungutes Gefühl beschleicht mich. 

»Wie viel?«, frage ich ihn leise. 

Mika windet sich wie ein Wurm und flüstert mir eine Summe ins Ohr. 

»Was?«, schreie ich ihn an. Fassungslos schaue ich ihn mit weit aufgerissenen Augen an. Fünfzigtausend Dollar!!! 

Schwer muss ich schlucken, kann nicht begreifen, was ich gerade gehört habe. Für einen Moment überlege ich ernsthaft, ob ich Bewährung bekomme, wenn ich ihn jetzt erwürge. Meine Hände ballen sich zu Fäusten und ich schaue in sein liebliches Gesicht. Ein Gesicht, das mich jetzt voller Unschuld anschaut und unserer Mutter so ähnlich sieht. Die Augen schwimmen in Tränen. Ob er denkt, dass ich Geld scheißen kann? 

»Fünfzigtausend?«, kommt es zögernd über meine Lippen. Ich muss mich vergewissern, dass ich mich nicht verhört habe. 

Voller Unglauben schaue ich ihn an. Ach du Scheiße, wie soll ich das nur wieder geradebiegen? 

Mika kniet sich erneut vor mich und nimmt meine Hände in seine. Sie sind eiskalt und zittern. 

Er weint leise, legt seinen Kopf wieder auf meinen Schoß. Mit bebenden Fingern streiche ich ihm durch die Haare und seufze auf. Was habe ich nur verbrochen? Wie konnte Mutter mir das antun? Sie wusste doch, wie leichtfertig Mika ist. 

»Bis wann musst du es zurückgezahlt haben?«, frage ich ihn leise. 

Mika hebt sein tränennasses Gesicht und schaut mich ganz verzweifelt an. 

»Er gibt mir bis Freitag Zeit.« 

»Frei… Freitag?«, stottere ich. »Wer ist er?« 

»Sein Name ist Devil Sanchez. Ihm und seiner Familie gehören einige Clubs in der Stadt. Unter anderem auch der Gay-Club Red,neben dem sich das Casino befindet. Er ist der älteste der Sanchez-Brüder, und Kevin, er ist schwul! Du doch auch. Ich möchte nicht meine Beine gebrochen bekommen, kannst du mir bitte helfen?« 

Das ist doch völlig übertrieben. Beine brechen? In welchem Jahrhundert leben wir denn? 

»Wieso denkst du, dass er mir das Geld erlässt, nur weil er schwul ist?«, frage ich ihn leise, obwohl ich ahne, worauf er hinauswill. 

»Mensch Kevin, schau dich mal im Spiegel an. Du bist ein so toller Mann, und wenn er dich nicht vögeln will, dann hat er keinen Geschmack.« 

So denkt er also über mich? Dass Mika es nicht versteht, dass ich auf Männer stehe, wusste ich ja. Aber dass er denkt, ich könnte mich diesem Devil für das Geld anbieten, lässt mich zusammenzucken. Auch dass mein eigener Bruder mich, ohne mit der Wimper zu zucken, an diesen Devil verkaufen würde, schmerzt enorm. Im ersten Moment nimmt es mir die Luft zum Atmen. Das alles nur, um seine eigene Haut zu retten. Habe ich bei seiner Erziehung wirklich so viel verkehrt gemacht? 

Ich habe mich niemals, wirklich niemals, an andere Männer verkauft, wie es in meiner Branche üblich ist. Schließlich werde ich nur dafür bezahlt, dass ich ihnen Gesellschaft leiste. Auch im ClubSapphire habe ich schon manche Einladung zu einem Stelldichein bekommen. Rigoros lehne ich alle ab. Ich bin nicht käuflich, niemals. Das ist das Einzige, was mich in diesem Sumpf, der nur von Gier, Sex und käuflicher Liebe regiert wird, überleben lässt. Ich will rein bleiben, mich aufsparen für den Mann, der mein Herz im Sturm erobern wird. Kann Mika das nicht verstehen? 

Lange schaue ich ihn an. Er ist verwöhnt worden, hat alles an Liebe, was ich zu geben hatte, von mir bekommen und nun bin ich leer, einfach ausgebrannt. Scheiße, wieso finde ich nicht den Mann, der mir all das von den Schultern nimmt, der … Ach egal, ich werde das schon hinkriegen, wie immer werde ich das irgendwie schaffen. 

»Gib mir den Schuldschein und dann leg dich schlafen, ich regle das. Vielleicht können wir es ja abstottern?«, mache ich ihm und mir Hoffnung. Ich glaube nicht daran, dass ein so mächtiger Mann gerade an mir Gefallen finden könnte, wenn er nur so von Männern umschwärmt wird. Sein Geld zieht diese Maden an, wie der Speck die Fliegen. 

Er wird auf sein Geld bestehen, warum auch nicht? Spielschulden sind Ehrenschulden, und Ehre ist alles, was mir geblieben ist. 

 

 

Kapitel 2

 

Vorstellung Devil Sanchez 

*~*~*~* 

 

Seit fast vier Wochen bin ich nun schon in Las Vegas und habe tierisches Heimweh, möchte wieder nach Berlin zurück. Beim nächsten Mal fliegt mein Bruder her und regelt das Geschäftliche. Obwohl ich laut meinem Vater ein Spanier bin, wurde ich in Berlin geboren. 

Mein Vater war ein Gigolo mit südländischem Temperament und meine Mutter eine Deutsche. Sie haben sich in Deutschland kennengelernt und verliebt. Mamá hat ihn lange zappeln lassen, bis sie ihn erhörte. Was daraus geworden ist, sieht man ja an uns. Vier prachtvolle Jungs haben sie bekommen. Im Rentenalter sind sie dann nach Spanien gezogen und leben dort glücklich zusammen. 

Hier in Nevada ist es mir zu hektisch, zu laut. Obwohl Berlin da nicht viel anders ist, fühle ich mich dort wohler. Nun stehe ich vor der Skyline von Las Vegas und schaue in die dunkle Nacht hinaus. Im Fenster spiegelt sich mein Bild und das, was ich sehe, lässt mich laut seufzen. 

Devil Sanchez, ja, das ist mein Name. Schwarze Haare und goldbraune Augen, sowie eine dunkle Hautfarbe lassen mein spanisches Erbe durchblicken. Mit meinen 32 Jahren bin ich der älteste von vier Brüdern. 

 

Auch bin ich, mit meinen 2,03m, der größte von uns. Wir besitzen einen Club in Berlin. Hier in Las Vegas gehören uns der Gay-Club Redund das Casino, welches an den Club angrenzt. Die Verantwortung aller Geschäfte obliegt zwar mir, aber ich teile sie mir ab und zu mit meinen Brüdern. Wir sind ein Familienunternehmen und Familie bedeutet mir alles. 

Das Red ist sehr bekannt und gefragt. Hier kann jeder rein, nicht nur die High Society. Alle sollen sich wohlfühlen, vom einfachen Arbeiter bis zum Millionär. Es gibt nur eine Voraussetzung, um in den Club zu kommen: Men only, denn es ist ein Schwulenclub. Der Club ist gediegene Eleganz, gepaart mit Zweckmäßigkeit. Es gibt mehrere Ebenen, auf denen getanzt, geflirtet, gelacht und gefickt werden kann. Im unteren Bereich haben wir einen Darkroom, der um diese Uhrzeit immer voll belegt ist. In der Hinsicht ist es hier wie in Berlin. Jagen, erlegen und flachlegen. Außerdem ist der Club weithin für seine Exklusivität, in Bezug auf sein Angebot im BDSM-Bereich, bekannt. Dieser Bereich ist allerdings nur für unsere Mitglieder zugänglich. Bevor man jedoch Mitglied werden kann, wird man erst mal gründlich durchleuchtet. 

Vögeln mit Niveau ist die Devise. 

Dass ich schwul bin, habe ich schon früh entdeckt, mit 12, 13 Jahren. Wenn sich die anderen Jungs mit Mädchen trafen, schmachtete ich deren Brüder an. Da ich damals schon größer war als alle anderen, gab es nach meinem Outing auch keine nennenswerten Probleme. 

Mein erster Sex war gefühlsmäßig ein totaler Reinfall. Mein Partner war zwar ein zärtlicher Top, ging auch auf mich ein und bescherte mir eigentlich ein schmerzfreies erstes Mal. Doch als er mich entjungferte, habe ich erkannt, dass passiv sein nichts für mich ist. Lieber bin ich aktiv bei der Sache, habe es selbst in der Hand, ob und wann mein Partner kommen darf oder nicht. 

Ein Freund von der Uni nahm mich dann mal in einen BDSM-Club mit. An diesem Tag war dort eine SM-Show. Völlig hin und weg, schaute ich dem Treiben zu und konnte es nicht fassen. Dem Sklaven schien seine Bestrafung sehr zu gefallen. Er saugte die Schmerzen regelrecht auf und der Blick, wenn er seinen Herrn anschaute, war voller Vertrauen. 

 

Wegen dieser Vorstellung begann ich mein Leben neu zu überdenken, ging bei diesem Dom in die Lehre, wollte alles wissen und lernen, was es in dieser Szene zu erfahren gibt. Wie man einen Sklaven beherrscht, ihn so behandelt, dass er meine Lust am Schmerz teilt. Nein, nicht ihn knechten und verletzen. Er sollte nur für mich, meine Lust und mein Leben da sein, mir zu Verfügung stehen, wann immer es mich nach ihm gelüstet. 

Die ersten Kontakte knüpfte ich in Berlin. Als ich Management studierte, traf ich einen Gleichgesinnten, doch seine Philosophie war nicht meine. Niemals will ich einen Sklaven bluten sehen. Er soll mir Freude bereiten, soll meine Strafen mit Lust entgegennehmen und nicht zusammengerollt, zitternd vor Angst in einer Ecke liegen. Er soll stolz an meiner Seite stehen, und nicht jedes Mal zusammenzucken, wenn ich ihn berühren möchte. 

In diversen Clubs suchte ich mir Sklaven, um meine Neigung auszuleben, doch etwas fehlte mir immer. Obwohl die Männer alles genossen, was ich ihnen gab, fühlte ich eine Leere in meinem Inneren. 

 

Ich bin ein Suchender, und das schon seit mehreren Jahren. Noch habe ich die Hoffnung nicht aufgegeben. Wenn ich sehe, wie Dante Alvarez seinen Sub gefunden hat, Jessy so voller Liebe und Stolz anschaut, dann will ich auch so was haben. Sogar Daniel hat in Joy seine Liebe gefunden. Obwohl er genau wie Jessy ein bildhübscher Sub ist, so ist er mir zu klein, zu zierlich. Ich will einen Sklaven haben, der groß und schlank ist. Der voller Unschuld gegenüber der BDSM-Szene ist. Unverdorben und rein soll er sein, sodass ich ihn mir erziehen kann. Ihn so formen, wie ich es will und brauche.  

Seufzend tauche ich wieder aus meinen Gedanken auf. 

Heute Abend habe ich mir Roger mitgenommen. Er versucht schon seit vier Wochen bei mir zu landen. Seit er mich das erste Mal unten im Casino getroffen hat, hängt er mir auf die Pelle. Roger ist kein Sklave, auch kein devoter Sub. Trotzdem ist er jetzt hier in meinem Apartment über dem Casino. 

Nur zu genau kenne ich solche Männer wie ihn. Wenn du sie etwas härter anpackst, zerbrechen sie, sind dann nur noch ein winselndes Stück Fleisch. 

Laut seufze ich wieder auf und frage mich zum wiederholten Mal, warum er überhaupt hier ist. 

Als ich mein Glas hart auf dem Tisch abstelle, zuckt er zusammen. Mann, das kann ja was werden. Vielleicht sollte ich ihn einfach wieder nach Hause schicken? Heute bin ich eh nicht so in Laune, um Zärtlichkeiten auszutauschen. Vanillasex ist nicht so mein Ding. Mir wäre mehr danach, jemanden den Hintern zu versohlen und mich dann tief in seine Augen blickend, in seinem glühend heißen, roten Arsch zu versenken. 

 

 

Kapitel 3

 

Kevin 

*~*~*~* 

 

Den Schuldschein in der Tasche, ziehe ich mir meinen Mantel über und verlasse unsere Wohnung, ohne auch nur auf die Bekleidung zu achten. Sie ist mir in diesem Moment völlig egal. Meine Gedanken sind bei diesem Devil. 

Devil, schon allein der Name verursacht mir eine Gänsehaut. Devil, Teufel. Wie kann eine Mutter ihren Sohn nur so nennen? Wütend darüber, dass mein Bruder so ein hirnloser Idiot ist, gehe ich mit einem ängstlichen Gefühl im Bauch zu diesem mächtigen Mann. In der Zeitung stand mal eine Reportage über die Brüder. Wie sie sich hoch gekämpft haben und heute zu den reichsten Männern der Welt gehören. Es muss schön sein, sich keine Gedanken darüber machen zu müssen, ob man am Ende der Woche überhaupt noch das Geld hat, um Lebensmittel kaufen zu können. 

Mit dem Bus fahre ich in den Club Red. Staunend, mit offenem Mund stehe ich vor der Tür. Wegen meiner Arbeit als Escort kenne ich viele Clubs und Bars, aber dieser hier verschlägt auch mir den Atem. 

Alleine der Eingang. Fassungslos stehe ich vor einer riesigen Tür aus poliertem schwarzem Messing, auf der in blutroten Buchstaben »RED GAY-CLUB« geschrieben steht. Ob ich mir den Eintritt überhaupt leisten kann? 

Bevor ich überhaupt die Möglichkeit habe, ihn zu betreten, werde ich schon von zwei Türstehern in Empfang genommen. Sie schauen mich an, sehen, dass ich nicht gerade passend für einen Besuch angezogen bin, also spreche ich sie direkt an. 

»Ich würde gerne mit Devil Sanchez sprechen.« 

Die zwei Türsteher am Eingang nehmen mich nun genauer in Augenschein, ziehen ihre Augenbrauen in die Höhe. Ja doch, ich weiß, wie ich aussehe. 

»Ich glaube nicht, dass Mister Sanchez mit Ihnen einen Termin hat, Mister?« 

Ich ignoriere diesen Satz einfach, schaue sie nur an und ziehe meine Augenbrauen nach oben. 

»Nein, hat er nicht. Eigentlich möchte ich ihn nur ganz kurz sprechen. Es handelt sich um etwas sehr Persönliches, Dringendes. Bitte rufen Sie an und fragen Sie ihn, ob er ein paar Minuten seiner Zeit für mich erübrigen kann!«, beharre ich freundlich. 

Obwohl es mir sehr schwerfällt, so zu betteln, halte ich ihren Blicken stand, schaue ihnen in die Augen und gebe nicht einen Millimeter nach. 

»Ich kann es ja mal probieren, ob Mister Sanchez Sie sprechen möchte, aber ich glaube es nicht. Er wollte nämlich heute Nacht nicht mehr gestört werden.« 

Na prima. Als ob ich das jetzt extra gemacht habe. Der Türsteher nimmt das Telefon. 

»Mister Sanchez? Hier ist ein junger Mann, der Sie gerne sprechen möchte. Er lässt sich nicht abwimmeln und meint, dass es sehr dringend ist. Ja? Okay. Ich werde es ihm ausrichten.« 

Er legt den Hörer auf und dreht sich zu mir um. 

 

»Sie möchten morgen Nachmittag um 15 Uhr bei ihm im Büro erscheinen«, sagt er von oben herab und dreht mir dann einfach den Rücken zu. Wenn ich eines nicht leiden kann, dann, wenn man mich einfach ignoriert. Ich bin kein Penner von der Straße, auch wenn meine Kleidung heute nicht unbedingt passend für den Club erscheint. Schließlich hatte ich es verdammt eilig, um herzukommen. 

Voller Wut balle ich meine Fäuste und versuche mich zu beherrschen. Schließlich können diese Männer nichts dafür, dass ihr Chef so ein Arsch ist. Obwohl er ja nicht wissen kann, wie dringend mein Anliegen ist. Anstatt mich umzudrehen, trete ich auf den Mann zu. Meine Hände packen sein Hemd und ich schließe sie zu Fäusten. Sein Gesicht verzieht sich vor Überraschung, als ich ihn zu mir hochziehe. 

»Pass auf, Süßer«, murmele ich sanft, obwohl es in mir wütet. »Wenn er nicht sofort hier erscheint, dann schreie ich das ganze Haus zusammen und beschuldige ihn, sich mir aufgedrängt zu haben. Hast du das verstanden?«, kommt es nun doch zornig über meine Lippen. 

Der Aufpasser wird wütend, schlägt dann meine Hand weg, dreht sich wieder um und nimmt mich nicht mehr zur Kenntnis. 

Fassungslos schaue ich auf meine Finger und sehe, wie sie sich röten. Was denkt der Kerl denn, wen er vor sich hat? Oh nein, schlagen lasse ich mich nicht. Und schon gar nicht von einem Mann, der mir nichts bedeutet. 

Tief Luft geholt und schon hebe ich meine Stimme, beschwere mich resolut. Die Männer hinter mir werden schon unruhig und die Gäste im Vorraum bleiben stehen, drehen sich zu mir um. 

Dieser verdammte Großkotz von Devil Sanchez. Hier geht es um das Leben meines Bruders und nicht um irgendeinen billigen Fick! Der Türsteher schaut mich zornig an. Er tritt auf mich zu und ich weiche etwas zurück, werde noch lauter. 

»Beruhige dich, ich werde ihn noch mal anrufen«, ruft er hektisch, als er bemerkt, dass er mich nicht so schnell loswird. 

Er nimmt das Telefon, klärt seinen Boss wütend darüber auf, dass der aufdringliche Kerl hier unten immer noch steht und ihn lautstark beschuldigt. Er würde sich nicht abwimmeln lassen, will heute Abend noch mit ihm sprechen. Er hört kurz zu und legt dann auf.  

»Er wird gleich herunterkommen, um sich mit Ihnen zu unterhalten. Bitte folgen Sie mir.« Dann höre ich, wie er brummelnd etwas flüstert: »Hoffentlich versohlt er dir den Arsch so gründlich, dass du morgen nicht sitzen kannst. Aufdringlicher Kerl!« 

Wie, Hintern versohlen? Wer oder Was ist dieser Devil bloß? Hektisch hole ich Luft, als mir bewusst wird, dass dieser Mann seinen Namen vielleicht nicht umsonst bekommen hat, ihn vielleicht zu Recht trägt. 

Ich hoffe doch, dass er kein Verbrecher ist, der sich daran aufgeilt, sein Opfer lange leiden zu lassen. Oh nein, ich weiß noch nicht mal, was für ein Geschäftsmann er ist. Sonst laufe ich doch nicht direkt kopflos aus dem Haus. Tief durchatmen Kevin, denk an deinen Bruder. Du kannst dich wehren. Wenn er dich bedroht, dann nimmst du eben die Beine in die Hand und flüchtest. 

Der Kerl vor mir öffnet eine Tür und schubst mich in das Büro. Staunend schaue ich mich im Raum um. Es ist elegant und stilvoll eingerichtet. Dass Sanchez nicht gerade am Hungertuch nagt, kann man hier deutlich sehen. Da meine Beine anfangen zu zittern, setze ich mich einfach auf einen Stuhl, warte, dass der Besitzer des Casinos hier erscheint. 

Puh! Geschafft. Die erste Hürde liegt hinter mir. Nie habe ich damit gerechnet, dass ich ihn heute noch zu Gesicht bekomme. Devil – Teufel.  

 

Mist, meine Hände schwitzen und mein Körper zittert vor Angst. Wieso habe ich Angst? Ob es eine Vorahnung ist? Der Satz des Mannes eben, dass mir dieser Devil den Hintern versohlen sollte, bringt mich an den Rand meiner Beherrschung. Schon wieder lauert meine Neigung dicht unter der Haut, versucht an die Oberfläche zu gelangen. Es juckt wie verrückt und leicht streichle ich über meine empfindliche Haut, versuche sie zu beruhigen. 

Wie sich das wohl anfühlt, wenn ein Mann dich beherrscht, dich mit Haut und Haaren will? In Gedanken versunken, höre ich noch nicht mal, wie die Tür des Büros leise hinter mir aufgeht. 

Die Knie zitterten immer mehr und mein Hals ist total trocken. In meinem Magen hat sich ein dicker Knoten gebildet und auf der Stirn ein feiner Schweißfilm. Die feuchten Hände reibe ich an der Hose ab, versuche durch langsames Ein- und Ausatmen wieder etwas ruhiger zu werden. Gott, ich bin doch sonst so cool, weiß mit mächtigen Männern umzugehen. In meinem Beruf treffe ich sie öfter, als mir lieb ist. Gerade die, die sich mit ihrem Geld alles kaufen können, sind die Schlimmsten. Nur mich, mich konnte bis jetzt keiner kaufen, egal wie hoch der Preis auch war und bei manchen war er verdammt hoch. 

 

Viele haben es versucht. Vielleicht, weil ich so unnahbar bin. Tausende von Dollars hätte ich so schon verdienen können. Aber wie hätte ich dann am anderen Morgen in den Spiegel schauen können? 

Erschrocken schaue ich auf, als die Tür mit einem lauten Knall zugeworfen wird. Schnell erhebe ich mich, stehe zitternd vor einem Mann, der alleine schon durch seine Statur, förmlich schreit: Ich will dich vor mir knien sehen! 

Er ist sogar noch größer als ich, was selten vorkommt. Nie habe ich so einen Menschen kennengelernt, der mich alleine durch sein bloßes Auftreten in helle Erregung versetzen kann. Gott, dieser Mann ist der feuchte Traum aller devoten Kerle. Sprachlos stehe ich vor ihm und mein Körper sendet ein Leuchtsignal an meinen Schwanz aus. Fuck, was passiert bloß mit mir? 

Hoffentlich erkennt er nicht, dass ich total auf ihn reagiere. Immer schon hat es mich angemacht, wenn ein Mann diese dominante Aura besitzt. Er trägt es wie eine zweite Haut vor sich her. Die wenigsten wissen was damit anzufangen. Er aber ist sich seiner sehr wohl bewusst. So ein verdammter Mist aber auch. 

 

 

Kapitel 4

 

Devil 

*~*~*~* 

 

Plötzlich geht mein Telefon. Der Türsteher informiert mich darüber, dass ein Mann mit mir reden will. Doch nicht jetzt! Gerade habe ich was Besseres vor und würge das Gespräch einfach ab.  

Langsam nähere ich mich Roger, sehe, wie er erschrocken in meine Augen schaut. Mit einem festen Griff um seinen Arm, ziehe ich ihn vom Sofa zu mir nach oben. Er verzieht das Gesicht, als hätte ich ihm wehgetan. Gott, wie wird er erst reagieren, wenn ich ihm seinen süßen Hintern verhaue? Jeder hier in Las Vegas und in Berlin, der meine Clubs besucht, weiß, wie ich ticke. 

Schon wieder läutet das Telefon. Fuck, zornig darüber, dass es jemand wagt, mich zu stören, sind meine Worte harscher, als ich es will. 

Der Türsteher erklärt mir, dass der Kerl, der unten bei ihm steht, sich nicht abweisen lässt und mich unbedingt sprechen will.  

Hat er nicht auf die Uhr gesehen? Es ist fast Mitternacht! Im Hintergrund höre ich, wie jemand sich mit meinem Türsteher anlegt, ihn anschreit. Mut hat der Kerl ja. Respekt, dass er sich das traut, wenn man bedenkt, welche Statur meine Leute haben. Aber dass er mich zwingt, zu ihm nach unten zu kommen, macht mich verdammt wütend. Keiner, der mich kennt, traut sich das. Obwohl ich ihm gerade dankbar sein sollte, die Geschichte mit Roger abbrechen zu können. 

Voller Wut knalle ich den Telefonhörer auf die Gabel und wende mich dann meinem One-Night-Stand zu.

 

»Du musst entschuldigen, Roger, aber es sind ein paar kleine Probleme aufgetreten. Ich muss noch mal nach unten. Du kannst dir schon mal einen neuen Drink mixen. Es wird nicht lange dauern.« 

Ohne auf eine Antwort zu warten, lasse ich ihn einfach stehen. Ich habe es nicht nötig, ihm zu erklären, warum ich noch mal weg muss. Er kennt die Spielregeln, meine Spielregeln. Keine Fragen, und er hat zusammen mit mir eine unvergessene heiße Nacht. 

Roger kocht vor Wut und ich sehe, dass er versucht, sich zusammenzureißen. Ist auch besser so für ihn. Nach fast vier Wochen hat er mich endlich so weit, dass ich ihn wahrnehme und nun das. Er knirscht voller Zorn mit den Zähnen. 

Als ich die Türe hinter mir schließe, höre ich, wie er sein Glas dagegen schmeißt. Er scheint ziemlich jähzornig zu sein. Ich will für ihn hoffen, dass er die Sauerei weggemacht hat, bevor ich wieder nach oben komme, sonst treibe ich ihm seine Wut aus dem Körper. 

Derweil fahre ich nach unten und gehe zum Empfang. Aufgeregt kommt der Türsteher auf mich zu. Ich erkundige mich, was hier los gewesen ist, warum ich nach unten kommen musste. Hektisch erzählt er mir von diesem ungehobelten Mann, der jetzt in meinem Büro sitzt und auf mich wartet. Er entschuldigt sich dafür, mir Unannehmlichkeiten verursacht zu haben. Was kann er dafür, dass der Kerl sich nicht bewusst ist, mit wem er sich gerade anlegt? 

Voller Zorn öffne ich die Tür und werfe sie laut hinter mir zu. Eigentlich habe ich mein Temperament immer unter Kontrolle. Aber jetzt bin ich wütend, dass so ein dahergelaufener Typ es wagt, mich unter Druck zu setzen, mich zwingt, meinen Liebhaber für diese Nacht oben alleine im Schlafzimmer stehen zu lassen. 

 

Wenn er keinen vernünftigen Grund hat, dann kann er was erleben, schwöre ich mir. Mit einem Ruck drehe ich mich um und ziehe meine Augenbrauen hoch. Nanu! Das, was ich da vor mir sehe, lässt mein Herz schneller schlagen. Als ich bemerke, wie er mir mit einem Schritt nach hinten ausweicht, beruhigt das mein Ego ungemein. Sofort springt mein Jagdinstinkt an, wittert Beute. 

Schlaues Kerlchen, denke ich in diesem Moment und lasse ihn meine Dominanz spüren. Hier in diesem Büro habe ich das Sagen, sonst niemand. Daher mache ich noch einen Schritt auf ihn zu, sehe, wie er weiter vor mir zurückweicht. Sein Gesichtsausdruck ist einfach zu göttlich. Ein keuchender Laut kommt aus seinem Mund und erschrocken schauen mich zwei wunderschöne Smaragde an. 

 

 

 

 

 

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Redline 2

 

 

 

 

 

 

Kapitel 1

Vorstellung Jan Briegel

*~*~*~*

 

So ein …! Wenn ich das alles vorher gewusst hätte. Wer konnte denn auch ahnen, dass mein Leben letztendlich aus den Fugen geraten würde.

Doch von vorne. Ich, Jan Briegel, stamme aus einer Stadt, die total fußballverrückt ist. Da ich mit Fußball und seinen Chaoten nichts anfangen konnte, war meine Jugend nicht besonders leicht. Hier, in Gelsenkirchen im Ortsteil Schalke, herrschte das Gesetz des Stärkeren. Wer kein Fan vom Fußballclub war, der hatte eh hier auf den Straßen nichts verloren. Das Faustrecht regierte und nur die Stärksten wurden anerkannt. Das einzig wahre Leben, was solche Fans führten, war das, was sich rund um die Veltins Arena abspielte. Jedes Tor wurde bejubelt und mehr als einmal wurden die gegnerischen Fans verprügelt. Man hat sie vor und nach dem Spiel wie Vieh durch die Straßen gejagt. Dabei verabscheute ich das Gebaren der Halbstarken und ihrer Mitläufer, die sich nur im Rudel stark fühlten, zutiefst. Ich quälte mich daher und tat genau das, was alle anderen taten, die sich Fans schimpften, und bejubelte jede Aktion der Mannschaft. Dabei schmachtete und sabberte ich die Spieler an. Oh ja, ich träumte von ihnen und wachte öfters mit einer feuchten Unterhose auf, als mir lieb war.

 

Doch tief in mir drin hatte ich nur Angst, dass mein Geheimnis auffallen würde. Keiner von den Chaoten wusste, dass ich mehr auf Männer stand als auf Frauen. Ich bin schwul! Na und, denkt ihr jetzt bestimmt. Von wegen! Nichts gegen die Weiblichkeit. Ich habe es sogar probiert und was soll ich euch sagen? Es wurde der schlimmste Reinfall in meinem Leben. Mein Schwanz trat in den Streik und der Magen hob sich, versuchte das bisschen Essen wieder loszuwerden. Ich konnte mit der Weichheit eines Frauenkörpers nichts anfangen. Ich brauchte Muskeln, stahlharte Arme, die mich umfingen und festhielten. Ja, ich weiß, das sollte in der heutigen Zeit nichts Besonderes mehr sein.

Da ich aber in einem Dorf groß geworden bin, wurde es zu einem unlösbaren Problem. Weil ich nichts mit Weibern anfangen wollte und statt sie jeden Abend flachzulegen, lieber Männer beim Duschen zusah, war das eine tödliche Mischung. Ich bin einer, der auf starke, bestimmende Männer steht. Männer, die sich durchsetzen können und mir dabei ein Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit vermitteln. Die mir das geben, was mein Körper braucht, um ruhiger zu werden. Mit der Pubertät kamen dann auch noch neue Probleme auf mich zu. Verlangen nach Unterwerfung, nach Schmerz. Hatte ich nicht schon genug damit zu tun, dass ich schwul war? Jetzt kam auch noch der Lustschmerz dazu.

 

Seufzend erinnere ich mich an die schlimme Zeit in der Jugend. Ich wäre bestimmt keine achtzehn Jahre alt geworden, hätte einer in meiner Umgebung dieses Geheimnis jemals entdeckt. Das, was du von dir preisgibst, muss aussehen, als wärst du einer von ihnen. Hooligans erfahren sehr schnell, wie du tickst und dann bist du verloren. Keiner wird dich vor ihnen schützen. Jeder denkt, du bist pervers, weil du Männer lieber magst als Frauen. Dabei entscheidet das Herz für dich und nicht dein Verstand. Du kannst es vielleicht eine Zeit lang unterdrücken, aber dann bricht es aus. Was glaubt ihr, wäre dann aus mir geworden?

Ein Punchingball wäre ich für alle gewesen. Ein Junge, an dem man seine Wut abreagieren konnte, weil er darauf stand, verprügelt zu werden. Dem ist aber nicht so. Auch wenn der Name Jan Leben und Hoffnung bedeutet, bin ich ganz allein auf mich gestellt. Leben und Hoffnung? Worauf? Dass die Meute mich nicht in einer dunklen Ecke erwischte? Zwar war es zu diesem Zeitpunkt ein beschissenes Leben, aber es war immer noch meins. Immer die Furcht im Nacken, ob ich es schaffen würde, ihnen zu entkommen! Kann man das dann noch Leben nennen? Ich versteckte mich und versuchte so gut es ging diesen homophoben Schlägern aus dem Weg zu gehen. Allein das Gerücht hätte genügt, dann wäre mein Dasein keinen Cent mehr wert gewesen. Das war kein Leben für einen sensiblen Jungen.

Aber es passierte und ich musste mit den Konsequenzen zurechtkommen, was nicht ganz einfach war. Mein Leben, das bis dahin schon nicht besonders gut verlief, verwandelte sich in ein Desaster. Der angeblich beste Freund hatte mich für die Aufnahme in einem Fanclub direkt ans Messer geliefert. Klar, hier im Menschen-Dschungel überleben nur die Stärksten. Ich aber war nie einer davon gewesen. Weder der Größe noch dem Aussehen nach.

 

Ich erinnere mich, als wäre es eben erst geschehen. Fünfzehn Jahre alt, völlig irritiert, als ich bemerkte, dass Männer mich mehr faszinierten als Frauen. Den letzten Beweis lieferte mir ein Junge aus der anderen Klasse. Auch heute noch nach Jahren kann ich ihn euch genau beschreiben, wie er damals aussah. Groß, Muskeln, die gerade anfingen sich zu bilden. Blaue Augen und blondes Haar. Ich war so sehr in ihn verliebt, dass ich vergaß mich zu schützen. Nach dem Sport war Duschen jedes Mal eine Pflicht und mein Glied fand es geil, dass sich Thorsten mit langsamen Bewegungen einseifte. Wenn er sein Glied in die seifigen Hände nahm, es wusch, erstarrte ich regelrecht. Gierig verfolgte ich mit den Augen jedes Streicheln der kräftigen Hände. Klar erwischte er mich beim Starren und verzog den Mund dabei. Er fand es anscheinend nicht besonders toll und innerlich wusste ich, was ab jetzt in der Schule los war. Es sprach sich wie ein Lauffeuer herum, dass ich auf Jungs stand, und die Proleten machten von da an Jagd auf mich.

Der Jan Briegel ist schwul. Passt auf eure Ärsche auf! machte es am nächsten Morgen in der Schule die Runde.

Immer wieder fand ich Bilder von Kerlen, die sich einen Blowjob gaben, sich gegenseitig verwöhnten. Ich würde es ja lieben nennen. Sie aber zogen es in den Schmutz mit Wörtern wie Arsch versilbern, Arschficker, schwule Sau und Aids-Schleuder. Das schlimmste war … Schwanzlutscher. Ich bin kein Lutscher. Wenn, dann nenne ich es jemanden liebevoll mit dem Mund verwöhnen.

 

Zuerst schlug ich mit Worten und zum Schluss mit Fäusten auf alles ein, was ich als Bedrohung wahrnahm. Natürlich blieb dies den Eltern nicht verborgen, was da in der Schule abging. Dass ich schwul war, hatte ich direkt zugegeben. Vater ist ausgerastet und Mutter? Sie stand nur still daneben, schaute zu, als er versuchte, die homosexuellen Tendenzen aus mir herauszuprügeln. Als alles nichts nutzte, haben sie es stillschweigend akzeptiert. Von dem Zeitpunkt an durfte ich sie nicht mehr umarmen, geschweige denn berühren. Das Besteck, mit dem ich aß, wurde mit heißem Wasser abgewaschen und die Wäsche separat gewaschen. Als würde Schwulsein eine ansteckende Krankheit sein und ich in Quarantäne leben müssen. Nach einiger Zeit hatte ich endlich wieder Ruhe von ihnen.

Müde lege ich den Kopf zurück, lasse mir die Sonne ins Gesicht scheinen und tauche ab in die Vergangenheit, zu dem Zeitpunkt, als ich zum ersten Mal das ausleben konnte, was mein Körper brauchte, um befriedigt zu sein.

 

Verzweifelt suchte ich in meiner Umgebung einen bestimmten Typ Mann, dem ich alles anvertrauen konnte. Jemand, der meine Liebe und Hingabe zu schätzen wusste. Sollte ich ihn finden, bekäme er alles von mir, damit er auch bei mir blieb. Einfach alles! Einen Master, der weiß, wie er die speziellen Neigungen aus mir herauskitzelte. Wenn es zwischen uns passen würde, legte ich ihm zum Schluss auch mein dummes Herz zu Füßen. Hoffnung, dass er genau wusste, was dies mit mir anstellte, erfüllte meine gequälte Seele mit wohliger Wärme.

Endlich lernte ich so einen Dom kennen.

Eric wollte mich, war fast 20 Jahre älter, was mich aber nicht im Geringsten störte. Ein Sugar-Daddy halt. Ab und zu blieb ich auch über Nacht bei ihm. Er versohlte mir den Hintern, war damit zufrieden, mich zu seinen Füßen zu sehen. Eric war 

ein Softie von einem dominanten Mann. Erziehen und Fehler durch ein Spanking zu bestrafen war alles, was er von mir wollte. Die erste Zeit konnte ich es nicht fassen, dass dort jemand war, der meine Veranlagung akzeptierte. Leider war unsere Beziehung nicht von Dauer. Er konnte nach einiger Zeit nicht mehr mithalten, mir nicht mehr das geben, was ich brauchte. Um glücklich nach einer Session in seinen Armen zu liegen, wollte ich es härter. Nicht nur, dass ich mich gerne unterordne, ich trage auch noch eine ganz spezielle Neigung tief in mir drin.

Ihr fragt euch bestimmt, worauf ich hinauswill. Ähm. Ich gehöre zu den 28 Prozent devoten und schwulen Männern, die sich gerne schlagen lassen. Genau! Ihr lest richtig. Ich liebe den Schmerz auf der Haut. Der Mann, der mir dies zuteilwerden lässt, sollte mich beherrschen können. Ein souveräner Master, der mir zeigt, wo die Grenzen liegen, wäre der Traum von jedem Sub oder Sklaven. Oder schmerzhafte Pein, die nur ein besonders dominanter Kerl mir geben kann. Wenn die Haut glüht und sich in jedem einzelnen Nerv des Körpers der Schmerz festsetzt, dann lässt mich mein Körper fliegen. Es gibt mir den Kick, den ich brauche, um zum Orgasmus zu kommen. So einen Master zu finden, bei dem ich mich bedenkenlos fallen lassen kann, ist für mich unerreichbar. Schließlich verkehre ich nicht in den diversen Clubs, wo sie zu finden sind.

 

Leider musste ich lernen, dass mein Dom zufrieden war mit dem, was er mir gab. Unsere Beziehung zerbrach an meiner Unzufriedenheit, meinem Wunsch nach Lustschmerz der gröberen Art. Das Schlimmste, was dieser Kerl danach machte, als alles herauskam war, er stritt es vehement ab, mich zu kennen. Eric verleugnete unsere 

Beziehung. Ich hätte versucht ihn zu erpressen. Fassungslos schaute ich ihn an, sah sein von Scham errötendes Gesicht, als er den Kopf senkte. Voller Schmerz erkannte ich, dass er kein ehrenwerter Dom war. Nur ein Lügner und Betrüger. Von diesem Zeitpunkt an verachtete ich ihn von ganzem Herzen.

Wer uns damals verriet oder wer es auch immer meinen Eltern verraten hatte, dass ich mit 17 Jahren ein Verhältnis zu einem älteren Mann hatte, kann ich nicht sagen. Nur, dass sie mich am selben Tag noch auf die Straße schmissen. Einen Sohn zu akzeptieren, der Männer liebte, fiel ihnen schon nicht leicht. Einen schwulen Sohn, der sich verhauen lässt, war zu viel für ihre heile Welt. Sie verstießen mich, nahmen mir die Chance auf ein geregeltes Leben. Zwei Lehrjahre als Grafik-Designer umsonst. Heute noch bin ich voller Wut auf sie. Ich musste die Lehre abbrechen, weil es wie ein Lauffeuer durch unser Dorf ging, dass ich zu Hause rausgeflogen bin, weil ich schwul war. Nun machte der Fanclub offiziell Jagd auf den kleinen Dreckshomo. Ich konnte dort nicht bleiben, wo ich nur Freiwild war. In einer Nacht-und-Nebel-Aktion habe ich vor zehn Jahren die wenigen Sachen gepackt, die mir gehörten, und bin Richtung Berlin getrampt. Überall wäre es besser gewesen, als in diesem Kaff zu versauern.

Stattdessen bin ich irgendwie in Köln gelandet. Gerade mal siebzehn Jahre jung und keinen einzigen Cent in der Tasche.

 

Mein Schlafplatz war immer irgendwo anders und das, was ich zum Leben brauchte, erbettelte ich oder arbeitete dafür. Es war schwierig, manchmal fast unmöglich. Trotzdem bin ich stolz darauf, dass ich es geschafft habe, diese harte Zeit zu überleben. Der Hunger nagte zwar manchmal ganz schlimm in den Eingeweiden und der Durst war höllisch. Trotzdem bin ich rein geblieben. Irgendwann, so schwor ich mir, werde ich den Master meiner Träume finden. Dann kann ich ihm später mit reinstem Gewissen sagen, dass ich mich nie verkauft habe.

Im Laufe der Zeit musste ich auf der Straße verdammt schnell erwachsen werden. Ich bin zwar unterwürfig, trotzdem habe ich es geschafft und mich gerade wegen dieser Neigungen versucht durchzusetzen. Oft war ich in Prügeleien verwickelt. Mehr als einmal entkam ich in letzter Sekunde der Polizei. Zwar hat es nicht immer geklappt, den Gegner einzuschüchtern, aber meistens gelang es mir. So ist nun mal das Leben auf der Straße. Hier können nur die Stärksten gewinnen, niemals die Schwachen. Wurde es aber zu riskant, 

bin ich einfach weitergezogen, habe an einem anderen Ort neu angefangen. Bis ich hier gelandet bin.

Berlin! Die Hauptstadt ist groß und du kannst untertauchen, ohne aufzufallen. Straßenkids, wie ich eines bin, verschwinden in der Statistik. Tief hole ich Luft und denke mir, dass ich viel Glück gehabt habe, dass ich auf der Straße nicht unter die Räder gekommen bin. Mit der Hand fahre ich mir durch die Haare, lege den Kopf zurück und schließe die Augen.

 

 

 

Kapitel 2

Vorstellung Andrew Sanchez

*~*~*~*

 

Diejenigen, die die Geschichte von meinem Bruder Devil und seinem Sklaven Kevin kennen, wissen natürlich, wer ich bin. Viele von euch sind auch noch Zeuge davon geworden, als ich vor einiger Zeit versucht habe, mir Jessy Laurin einzufangen. Hiermit stelle ich mich mal vor. Ich bin … Andrew Sanchez, der Bruder von Devil Sanchez oder der Idiot, der sich dummerweise in den Jungen von Dante Alvarez verliebt hatte. Ich erinnere mich, als wäre es erst gestern gewesen, als dieser verführerische Sub im Club Red auftauchte.

Der Türsteher rief an, fragte, ob er einen Twink mit Namen Jessy Laurin hereinlassen dürfte. Er wäre der Bruder vom Manager desClubs Black. Daniel kannte ich. Dass er einen Bruder hatte, war auch mir neu. Um sicherzugehen, dass sich hier keiner reinschlich, der Streit anfangen würde, rief ich im Club Black an. Dort erfuhr ich, dass dieser kleine Twink tatsächlich Daniels Bruder war und sich mit Dante Alvarez angelegt hatte. Mir war der Name Jessy bis dato unbekannt. Ich gab mein Einverständnis, weil ich neugierig war, wer so lebensmüde oder mutig genug war, um sich mit Dante anzulegen. Das, was ich dann entdeckte, entsprach gar nicht meiner Erwartung.

Oben auf der Empore beobachtete ich, wie der Kleine in den Club hereinrauschte. Er kam nicht allein, hatte einen anderen Twink an der Hand. Die Atmosphäre veränderte sich schlagartig. Die Jäger spielten total verrückt, als sie Jessy erblickten. Ein bildhübscher junger Mann mit den schönsten Augen, die ich je sah. Sie erinnerten mich an funkelnde Diamanten. Haare bis zum Hintern und eine tolle sexy Figur, leicht feminin. Viel zu kurz ist er geblieben. Nach einem Drink ist er wieder verschwunden. Ich bekam keine Chance, um mich ihm ordentlich vorzustellen.

 

Keine Minute später rauschte Dante in den Club, setzte sich zu mir. Die Warnung, dass der Kleine ihm gehöre, nahm ich einfach nicht zur Kenntnis. Schließlich hatte er seine Chance und sie verspielt. Das wütende Funkeln in den dunkelblauen Augen, als ich einen Dreier vorschlug, belehrte mich schnell eines Besseren.

Tage später kam ich ins Büro, stand unerwartet nur einen Meter von Jessy entfernt. Das Herz schlug bei seinem Anblick einen Salto und 

mein Schaft drückte sich gegen den Verschluss der Jeans. Da hatte ich noch Hoffnung, ihn für mich gewinnen zu können. Als er den Auftrag von uns annahm, ein privates Spielzimmer im Club Red einzurichten, sah ich die Chance, ihn von mir zu überzeugen. Sogar nachts ließ er mir keine Ruhe, schlich sich in meine Träume ein.

Jessy liebt Dante, sodass ich zum Schluss einsah, dass er mir nie gehören würde. Ich weiß nicht mehr, was ich damals alles versucht habe, um mir den Kleinen zu angeln. Jeden Mittag haben wir zusammen gegessen, sind uns dabei etwas nähergekommen. Immer wenn Jessy mich anlächelte, wollte ich ihn umarmen und küssen, bis seine Augen leuchteten. Sie blickten immer traurig, wurden erst lebendig, sobald Dante in seiner Nähe auftauchte. Von da an wusste ich, dass Jessys Herz nicht mehr frei war.

Langsam komme ich darüber hinweg, weil ich sehen kann, dass er glücklich mit Dante ist. Er traf Dante nur ein paar Minuten vor mir und danach wollte er keinen anderen Mann mehr. Nur um ein paar verfickte Minuten habe ich Jessy verpasst. Er war der Erste, den ich mir als meinen Jungen vorstellen konnte. Daher tat es ziemlich weh, ihn an Dante zu verlieren. Trotzdem will ich Jessy als Freund behalten und lasse die Finger von ihm.

 

Jessy ist ein toller Sub, einer, der sich gerne fallen lässt. Ich habe erkannt, dass es für mich nicht passt, ich mehr brauche. Auch will ich es mir nicht mit Dante verscherzen und behalte die Finger bei mir. Er kennt da kein Erbarmen, sollte sich einer an seinen Mann heranmachen. Ich verstehe ihn, denn, wenn du den Richtigen gefunden hast, kämpfst du mit allen Mitteln, die dir zur Verfügung stehen, um ihn zu beschützen. Wer kann das nicht besser verstehen als ich! Ich würde das Gleiche tun, sollte der Junge mein Eigentum sein.

Wie bitte? Was höre ich da gerade? Ich glaube es einfach nicht! Da fragen sich tatsächlich ein paar Leser, wer ich eigentlich wäre? Nun gut! Da will ich mal nicht so sein und mich richtig vorstellen.

Also alle mal herhören. Mein Name ist Andrew und ich bin einer der Sanchez-Brüder sowie Mitinhaber des Gay Club RED. Mit meinen Brüdern führe ich den Club schon ein paar Jahre. Hier und auf der anderen Seite der Straße, dem Club Black, ist das Jagdrevier von uns allen. Egal ob Top, Dom, Master oder einfach nur Mann. Ich bin ein sehr herrschsüchtiger Master, suche mir nur die Subs aus, die es auch lieben, wenn ich ihnen den Hintern versohle. Das Black und Red ist bekannt dafür, dass sich die meisten herrischen Männer bei uns aufhalten. Daher sind viele Subs, Sklaven und Twinks bei uns gerne gesehen.

Jawohl. Das hier ist ein Club, der nur für Männer ist. Wo sich nur Männer austoben dürfen. Schwule, bisexuelle oder auch neugierige Heteros. Sie müssen nur einen Schwanz in der Hose haben. Hier verkehren dominante, aber auch devote Männer. Keiner braucht sich zu verstecken oder sich zu schämen, warum er solche Neigungen verspürt. Sie können in speziellen Zimmern ausgelebt werden.

Ab und zu machen wir auch mal ein Event für Transgender und Drag Queens. Wenn das geschieht, geht hier die Post ab. Die meisten Männer, die unseren Club besuchen, kommen aus der BDSM-Szene. Dafür ist der Club Red in aller Welt bekannt.

 

Ich fühle mich wohl in meiner Haut, habe viele Freunde. Doch etwas hat sich langsam, aber beständig bei mir verändert, sodass ich es zuerst nicht bemerkt habe. Seit ein paar Monaten grassiert das Liebesfieber in unseren Clubs. Zuerst ergriff es von Dante Besitz, dann folgte kurze Zeit später Daniel. Hm! Mal überlegen. Adrian reihte sich auch ein und vor Kurzem hat es Angelo erwischt. Sogar mein älterer Bruder war nicht immun dagegen. Wie sollte ich da nicht neidisch werden? An manchen Tagen fühle ich eine drückende Leere, weil auch ich seit Langem einen Sub, nein, den perfekten Jungen, der mit mir kompatibel ist, suche. Seine Neigungen sollen sich mit meinen Wünschen zu einhundert Prozent decken. Er muss devot sein, aber trotzdem mit beiden Beinen fest im Leben stehen. Das, was ich von ihm verlange, ist, dass er sich im Lustschmerz verlieren kann. Ich liebe es, die Peitsche zu schwingen, und wenn lustvolle Schmerzensschreie den Raum füllen, bin ich in meinem Element. Auch soll er nur für mich bitterliche, schmerzerfüllte Tränen weinen, mich stolz mit seiner totalen Hingabe machen. Er muss mir blind vertrauen und gehorchen. Sich zu meinen Füßen knien und anbeten. Das Letzte ist jetzt wohl doch etwas übertrieben.

Trotzdem will ich das, was mein Bruder Devil mit seinem Sklaven Kevin hat. Jawohl! Mit weniger werde ich mich niemals zufriedengeben, jetzt, wo ich weiß, dass es wirklich möglich sein kann!

 

Seufzend schaue ich zu Dante rüber. Er geht so liebevoll mit Jessy um, obwohl ich auch weiß, dass er den Kleinen ohne Erbarmen bestraft, sollte er sich danebenbenehmen oder nicht auf ihn hören. Ich beneide sie ein klein wenig um ihre Liebe. Jessy hat mir manche schlaflose Nacht bereitet. Er entspricht genau dem Bild, was ich von meinem eigenen Jungen habe. Groß, schlank, ein klein wenig widerspenstig und vor allen Dingen ist seine Devotheit für mich sehr anziehend. Nach Jessys hat es keiner mehr geschafft, mich zu fesseln, dass ich mehr wollte als nur eine Nacht.

Moment mal! Sagte ich gerade ein klein wenig widerspenstig? Oh nein! Vergesst es. Meiner wird brav in einer Ecke auf mich warten. Er wird vor mir knien, mich verehren. Jawohl! Obwohl es eine tolle Herausforderung wäre, solch einen Kerl zu zähmen. Ihn zu formen, wie ich es brauche. Irgendwo da draußen wird er sein, darauf warten, dass ich ihn entdecke. Leider läuft mir die Zeit davon. Vor ein paar Wochen bin ich 30 Jahre alt geworden und langsam gebe ich auf.

Eine Besonderheit besitze ich allerdings, die jene erstaunt, die mir nahe kommen dürfen. Während meine Brüder dunkelbraune Augen besitzen, habe ich eine dunkelgraue, feurige Iris, die von einem hellen Rand umgeben ist. Lange Wimpern zieren sie.

Penibel achte ich auf Körperpflege. Mein Gesicht ist schmal und die schwarzen Haare sind zu einem Zopf gebunden, fallen mir über die breiten Schultern. Dagegen ist die Taille recht schmal. Auch zwei Reihen schneeweiße Zähne lächeln den Jungs zu. Mit 1,98 m bin ich mit einer der größten Tops hier. Außer Devil. Er überragt mich mit seinen 2,03 m um ein paar Zentimeter. Auch mein Name hört sich gehaucht genauso cool an, wenn er im Schmerz oder später im Orgasmus geschrien wird.

 

ANDREW – der Männliche – der Tapfere. Meine Mamá war immer ein Fan der griechischen Mythologie und da Papá Andreios ablehnte, einigten sie sich auf Andrew. Gott hab ihn selig, meinen Papá. Dass ich mit der hellbraunen Haut, die das spanische Erbe verrät, ein gefragter Dom und Top bei den Jungs in den Clubs bin, weiß ich. Die Subs laufen mir nach, weil sie wissen, dass sie bei mir sicher sind, ich immer auf ihr Safewort höre. Nie gehe ich über ihre gesteckten Grenzen hinaus und kümmere mich danach liebevoll um sie, wenn die Session vorbei ist.

Nur in letzter Zeit, da bin ich nicht mehr mit ganzem Herzen dabei.

Voller Langeweile lehne ich an der Bar und schaue mich um. Es sind immer dieselben Jungs hier und ich hatte sie fast alle schon unter mir liegen. Klar hört sich das eingebildet an. Trotzdem ist es die Wahrheit. Schließlich bin ich all die Jahre kein Kind von Traurigkeit gewesen. Seufzend bestelle ich einen neuen Drink. Eigentlich ist es 

schlaflose Nacht bereitet. Er entspricht genau dem Bild, was ich von meinem eigenen Jungen habe. Groß, schlank, ein klein wenig widerspenstig und vor allen Dingen ist seine Devotheit für mich sehr anziehend. Nach Jessys hat es keiner mehr geschafft, mich zu fesseln, dass ich mehr wollte als nur eine Nacht.

 

Moment mal! Sagte ich gerade ein klein wenig widerspenstig? Oh nein! Vergesst es. Meiner wird brav in einer Ecke auf mich warten. Er wird vor mir knien, mich verehren. Jawohl! Obwohl es eine tolle Herausforderung wäre, solch einen Kerl zu zähmen. Ihn zu formen, wie ich es brauche. Irgendwo da draußen wird er sein, darauf warten, dass ich ihn entdecke. Leider läuft mir die Zeit davon. Vor ein paar Wochen bin ich 30 Jahre alt geworden und langsam gebe ich auf.

Eine Besonderheit besitze ich allerdings, die jene erstaunt, die mir nahe kommen dürfen. Während meine Brüder dunkelbraune Augen besitzen, habe ich eine dunkelgraue, feurige Iris, die von einem hellen Rand umgeben ist. Lange Wimpern zieren sie.

Penibel achte ich auf Körperpflege. Mein Gesicht ist schmal und die schwarzen Haare sind zu einem Zopf gebunden, fallen mir über die breiten Schultern. Dagegen ist die Taille recht schmal. Auch zwei Reihen schneeweiße Zähne lächeln den Jungs zu. Mit 1,98 m bin ich mit einer der größten Tops hier. Außer Devil. Er überragt mich mit seinen 2,03 m um ein paar Zentimeter. Auch mein Name hört sich gehaucht genauso cool an, wenn er im Schmerz oder später im Orgasmus geschrien wird.

ANDREW – der Männliche – der Tapfere. Meine Mamá war immer ein Fan der griechischen Mythologie und da Papá Andreios ablehnte, einigten sie sich auf Andrew. Gott hab ihn selig, meinen Papá. Dass ich mit der hellbraunen Haut, die das spanische Erbe verrät, ein gefragter Dom und Top bei den Jungs in den Clubs bin, weiß ich. Die Subs laufen mir nach, weil sie wissen, dass sie bei mir sicher sind, ich immer auf ihr Safewort höre. Nie gehe ich über ihre gesteckten Grenzen hinaus und kümmere mich danach liebevoll um sie, wenn die Session vorbei ist.

 

Nur in letzter Zeit, da bin ich nicht mehr mit ganzem Herzen dabei.

Voller Langeweile lehne ich an der Bar und schaue mich um. Es sind immer dieselben Jungs hier und ich hatte sie fast alle schon unter mir liegen. Klar hört sich das eingebildet an. Trotzdem ist es die Wahrheit. Schließlich bin ich all die Jahre kein Kind von Traurigkeit gewesen. Seufzend bestelle ich einen neuen Drink. Eigentlich ist es heute egal, welcher von ihnen, die mich gerade mit ihren Augen verschlingen, mit mir in den Darkroom geht. Ich will etwas entspannen und suche jemanden, der mir nur einen Blowjob anbietet. Heute wird es keine Session und auch keinen schweißtreibenden Sex geben. Der Schwanz bleibt schön eingepackt in der Hose oder in einem Kondom. Nicht immer muss ich ihn in einen willigen Arsch versenken. Die Lust vergeht mir wieder, wenn ich nur daran denke, dass sie alle um mich herum ihre Liebe finden. Nur ich, ich scheine leer auszugehen!

Die Faust auf den Brustkorb gedrückt, fahre ich mit der anderen Hand über mein Gesicht und überdenke mein Leben. Ich bin Single und einsam. Klar habe ich mich ausgetobt. Jeden Kerl, der mir gefiel, habe ich vernascht. Ein paar von ihnen waren Subs und haben meine Neigung nach Dominanz erfüllen können. Irgendetwas fehlte aber immer, um mir das Gefühl zu geben, dass wirklich alles stimmt. Lange Zeit verspürte ich keine Lust mehr, mit einem Sub zu spielen, geschweige seine oder meine Neigungen auszuleben. Heute Abend will ich das ändern, sofern ich denn einen Kerl finde, der sich traut, mit mir nach oben zugehen.

 

 

 

Kapitel 3

Jan

*~*~*~*

 

Wenn ich mich so im Spiegel betrachte, erkenne ich darin einen ganz normalen Jungen. Viele schätzen mich jünger als 27 Jahre, obwohl ich seit zehn Jahren auf der Straße lebe. Vielleicht macht es das zierliche, feminine Aussehen. Die schlanke Figur, was auch immer. Um zu überleben und Geld zu verdienen, nehme ich jede Arbeit an, die ich finden kann. Da bin ich nicht zu stolz oder wählerisch. Vom Tellerwäscher bis Autopolieren habe ich alles gemacht. Stolz, dass ich weder kiffe, Heroin spritze oder meine Mitmenschen beklaue, schaue ich in den Spiegel, ohne mich zu schämen. Sogar um den Straßenstrich mache ich einen besonders großen Bogen. Trotzdem gehen immer sehr viele Angebote und Anfragen ein. Ich ignoriere sie, was mir den Namen Eisjunge einbrachte. Was zum Teil auch an den hellblauen Augen liegen könnte.

Zusammen mit einem anderen Kerl teile ich mir seit ein paar Monaten ein kleines, heruntergekommenes Zimmer. Wir zwei schaffen es immer, irgendwie zu überleben. Hier ist es allemal besser, als auf der Straße zu verrecken. Trotz der Misere bin ich glücklich und zufrieden. Harte Jahre liegen hinter mir und ich bin nicht untergegangen. Ihr fragt, wie ich aussehe?

 

In der schwulen Szene würden sie sagen, dass ich ein süßer Twink bin. Mit einer Größe von 1,83 m falle ich auch nicht aus den Rahmen. Mein Gesicht ist schmal und die Nase gerade. Die Lippen sind etwas zu voll, was mir etwas Weibisches gibt. Die Zähne sind gepflegt, gerade und schneeweiß. Eine kleine, kaum wahrnehmbare Lücke ist zwischen den beiden vorderen Schneidezähnen zu erkennen, wenn ich lache. Natürlich lege ich viel Wert auf körperliche Pflege, trotzdem ich ein Straßenkind Berlins bin. Da bin ich sehr eitel. In den dunkelbraunen Haaren, die hier die Hälfte der Jungs auch haben, hebe ich mich mit einer hellblauen Strähne hervor, die mir ins Gesicht fällt. Sie ist mein Markenzeichen auf der Straße. Nur die Augenfarbe ist etwas Besonderes. Die Iris ist hellblau, von einem weißen Rand umgeben, was sie zu etwas sehr Seltenem macht.

 

Hier in Berlin habe ich auch Kim Dumas kennengelernt. Seine Eltern sind vor 20 Jahren von Frankreich nach Deutschland ausgewandert. Ein anderer Straßenjunge versuchte ihn zu beklauen. Ich mischte mich ein und wir freundeten uns an. Blinzelnd komme ich zurück in die Gegenwart, verlasse die Vergangenheit. Kim! Sobald ich an ihn denke, wird mir ganz warm ums Herz. Er ist mein bester Freund und ich liebe ihn. Nicht das, was ihr denkt. Er ist mehr ein Bruder für mich. Einer, mit dem man zusammen lachen kann, dem man alles erzählt, was man auf dem Herzen hat! Er ist schwul, devot und erlebt bei sich zu Hause, seit er out ist, die Hölle auf Erden.

Ganz anders als bei mir spielt bei Kim das Geld keine Rolle. Er ist der Sohn reicher Eltern und probt gerade den Aufstand. Sein Vater ist ein neureicher Schnösel, der ihn an der kurzen Leine hält. Obwohl wir Liebe, Zärtlichkeit und körperliche Zuwendungen vermissen, haben wir nie miteinander geschlafen. Zwei devote Twinks, das passt einfach nicht zusammen. Kim ist ein Träumer, will gefunden werden.

Als wir uns das erste Mal trafen, sahen wir uns an und erkannten einen Seelenverwandten. Er ist einfach ein toller Freund. Kim kommt immer, sobald ich ihn anrufe. Er hilft mir an manchen Tagen, dass ich nicht verzweifle. Auf Kim ist Verlass und ich vertraue ihm blind. Er ist der einzige Mensch auf Erden, dem was an mir liegt. Er kümmert sich liebevoll um mich. Dabei hat er immer Angst, dass mir was passieren könnte. Ein kleines bisschen sehen wir uns sogar ähnlich. Seine Augen sind auch der Hammer. Genauso hellblau, nur ist der Rand um die Iris dunkler als bei mir. Auch sind seine Haare schwarz statt einem satten Dunkelbraun. Sogar ein eigenes kleines Zimmer hat er mir vor ein paar Tagen vermittelt. Er will nicht, dass ich mit einem fremden Kerl ein Bett teile, der ein Säufer ist. Das bisschen Geld, das er von zu Hause bekommt, teilt er brüderlich mit mir. Zusammen mit ihm, seiner Freundschaft, ist das Überleben auf der Straße nicht mehr so einsam. Er will auch von zu Hause raus, mit mir zusammen auf der Straße leben.

 

Nein! Kim ist nicht wie ich. Er wird hier zugrunde gehen, weil er nicht abgehärtet ist für ein Leben auf der Straße. Also haben wir beschlossen, dass wir es selbst in unsere Hände nehmen, uns eine eigene Wohnung suchen. Sein Vater darf auf keinen Fall dahinterkommen, sonst wird er uns das Leben zur Hölle machen.

Die erste Hürde, die wir nehmen müssen, ist, dass wir beide keine geregelte Arbeit vorweisen können. Kim studiert noch und ich? Ohne eine Bescheinigung vom Arbeitgeber nimmt dich kein Vermieter. Daher muss ganz schnell eine feste Arbeit her. In der Zeitung lese ich, dass ein gewisser Adrian Dalke eine Lehrstelle als Webdesigner frei hat. Da ich keinen Lebenslauf vorweisen und Bewerbungsunterlagen einreichen kann, gehe ich persönlich zu ihm, werde sogar vorgelassen. Die Hände zitterten bei seinem Aussehen, dass ich sie hinter dem Rücken verschränkte. Er ist groß, männlich, kommt dem Traum von einem Master ziemlich nahe. Stockend erzähle ich von meiner Pechsträhne, dass ich zwei Lehrjahre schon hinter mir habe. Fragend schaut er mich an und die Knie zittern dabei ganz furchtbar. Er sieht toll aus.

Was mag dieser Mann nur von mir denken? Immer noch schaut er mich an. Ich räuspere mich, erzähle ihm, dass ich die Lehre unterbrechen musste, weil die Eltern mich hinauswarfen und dass es schon ein paar Jahre her wäre. Bevor er fragt warum, schiebe ich leise ein: »Ich bin schwul. Ist das von Bedeutung, um die Stelle nicht zu bekommen? Ich bräuchte nur eine Chance, um Ihnen zu beweisen, dass ich gut bin. Trotz, dass ich nie viel besaß, habe ich mehr Zeit in einem Internetcafé verbracht als sonst wo. Ich bin nicht unbedarft, sondern habe mich immer über alles Neue, was mit meinem Beruf zusammenhing, erkundigt und es mir selbst beigebracht!«, erwidere ich voller Stolz.

 

Dieser Adrian lehnt an seinem Schreibtisch, sieht zweifelnd zu mir runter. Mein Herz klopft vor Angst schneller, dass er ablehnen könnte. Ich würde es ihm nicht verübeln, so wie ich aussehe. Jeans mit vielen kleinen Löchern. Alt, an den Beinen schon ganz dünn. Ein T-Shirt, das auch schon bessere Zeiten hinter sich hat. Die Turnschuhe sind schmutzig und die Sohle ist so dünn, dass ich jeden Stein spüre.

Ein Ruck geht durch den schlanken, großen Körper. Ohne etwas zu sagen, dreht er seinen PC zu mir herum, zeigt auf den Stuhl und lässt mir eine Stunde Zeit, um die Werbung für ein Auto zu entwerfen.

Konzentriert sitze ich vor dem Computer und die Nervosität nimmt ab. Die Finger fliegen nur so über die Tastatur. Mit der anderen Hand erstelle ich mithilfe der Maus ein Auto und ein Werbespruch war auch schnell gefunden. Nach nur einer halben Stunde stehe ich auf, überlasse Adrian Dalke den PC. Er steht davor, sieht es sich ganz genau an. Dann greift er in die Schublade, legt mir einen Lehrvertrag auf den Schreibtisch. Erstaunt schaue ich ihn an. Bevor ich es mir anders überlege, unterschreibe ich. Eins muss ich allerdings versprechen, und zwar, immer pünktlich zu erscheinen. Auch dass ich 

weiter zur Berufsschule gehe. Er würde mich direkt dort anmelden und ein gutes Wort einlegen, damit ein Teil der geleisteten Jahre anerkannt wird.

Seitdem gehe ich fleißig zur Arbeit und auch zur Berufsschule. Ich will diese zweite Chance auf keinen Fall vermasseln.

 

Nur das mit der Wohnung müssen Kim und ich vorerst auf Eis legen. Sein Vater warnte ihn, dass er ihn sofort enterben wird, sollte er sich weiter mit mir herumtreiben. Er ignoriert das einfach und ich spüre seinen Unmut, dass er von den Eltern abhängig ist. Lange haben wir darüber geredet und zum Schluss gab er mit tränenerstickter Stimme nach. Er muss sich mit seinen Eltern auseinandersetzen, bei ihnen leben, bis er eigenes Geld verdient. Bei ihm ist es so, dass seine Familie es sich nicht leisten kann, sollte in der Zeitung auftauchen, dass sie ihren Sohn und Erben verstießen, nur, weil er Männern zugetan ist. Kim setzte seine Eltern unter Druck, dass er sich öffentlich outen würde, wenn sie ihn nicht in Ruhe lassen würden. Solange er gute Noten nach Hause bringt, verhalten sie sich ruhig. Wir wissen, dass sie Kim immer einen Aufpasser hinterherschicken, sobald er das Haus verlässt. Er hat sich damit arrangiert, wartet ab, bis sein edler Ritter auftaucht. Manchmal könnte ich den Kopf über seine Naivität schütteln.

Er verspricht, wenn er mit dem Studium fertig ist, dass er sich vom lieblosen Elternhaus befreien wird und mit mir zusammenziehen will. Trotz des Verbots seines Vaters kommt er ein paarmal in der Woche vorbei. Er steckt mir Geld zu, will, dass ich wenigstens mein kleines Zimmer behalte, dort schlafe statt auf der Straße. Ich tue ihm den Gefallen, weil ich ihn liebe, nicht möchte, dass er sich noch mehr Sorgen um mich machen muss.

 

Dann traf er ihn, Damian Sanchez. Kim ist schwer verliebt und ich gönne es ihm von Herzen. Seit Wochen gehen sie zusammen aus und Kim ordnet sich diesem Mann unter. Er schwärmt von ihm, zeigt mir ab und zu seinen Hintern, auf dem man die Zeichen einer Gerte erkennen kann. Mit der Fingerspitze fahre ich sie nach und jedes Mal beneide ich ihn für diese Spuren der Leidenschaft. Dann kam der Tag, an dem Kim in meinen Armen zusammenbrach, weinte, ohne sich beruhigen zu können. Ich brauchte Stunden, um herauszubekommen, was geschehen ist. Lange haben wir uns nur in den Armen gehalten. Irgendwann hat Kim sich erhoben und einen Flug irgendwohin gebucht. Er musste weg, musste aus der Nähe dieses Mannes 

verschwinden. Herzschmerz ist scheiße. Am liebsten würde ich in denClub Red gehen und diesem Idioten Damian Sanchez meine Meinung sagen. Wie konnte er nur an Kim zweifeln? Ich hoffe, ihm geht es genauso schlecht.

Nun bin ich allein und keiner ist da, an den ich mich anlehnen kann. Wir telefonieren viel, aber das ist nicht das Gleiche. Wenn ich genug Geld zusammen habe, werde ich Kim nach Italien folgen.

Ein paar Monate in meinem Leben geht alles gut. In einem Moment geistiger Umnachtung jedoch geschieht etwas, was nicht passieren durfte. Ich treffe eine einzige verfluchte verkehrte Entscheidung und werde nun hart dafür bestraft. Das nur, weil ich mein Verlangen nicht unter Kontrolle hatte. Die schlimme Situation, in der ich nun stecke, ist nur passiert, weil Kim nicht bei mir war und mich davon abhielt. Ich vermisse ihn sehr, kann aber auch verstehen, dass er Zeit braucht, um wieder zu sich zu finden.

Wie immer versuche ich am Wochenende in den Club Black zu kommen. Die Türsteher drücken da manchmal ein Auge zu, sollten sich zu wenige Twinks und zu viele Tops dort tummeln. Heute Abend hatte ich leider kein Glück. Statt dass ich nach Hause gehe, bin ich in einer anderen Bar gelandet. Genau dort hat sich mein bis dahin beschissenes Leben in einen wahren Albtraum verwandelt, weil … ich dort Igor Popow treffe!

 

 

Kapitel 4

Andrew

*~*~*~*

 

 

Der Darkroom ist seit Langem mein bevorzugtes Jagdgebiet. Dort kann ich meinen sexuellen Frust abbauen, brauche keinen mit nach Hause zu nehmen, was ich die letzten Monate zu verhindern wusste. Mein Bruder hat in Las Vegas sein Glück gefunden, wie weit müsste ich durch die Welt reisen, um den richtigen Jungen für mich zu finden? Das frage ich mich gerade zum tausendsten Mal!

Dabei schaue ich nicht mal schlecht aus, sonst wäre ich nicht immer von Männern belagert, die gerne mit mir eine Nummer schieben möchten. Schnell riskiere ich einen kurzen Blick in den Spiegel, der über unserer Bar hängt.

Jawohl, ich kann mich sehen lassen. Von allen Brüdern bin ich Devil am ähnlichsten. Wir könnten fast Zwillinge sein, wenn er sich sein Haar mal wachsen lassen würde.

Kaum bin ich im Club, steht auch schon ein kleiner Twink vor mir, schaut fragend hoch. Sein Kopf nickt Richtung Darkroom. Weiß er eigentlich, in was für eine Situation er sich gerade begibt? Mein Gesichtsausdruck ist nicht gerade freundlich zu nennen. Er bleibt standhaft, schaut mir in die Augen, was ich gar nicht leiden mag. Sie wissen doch alle, auf was ich stehe, von ihnen verlange. Schließlich kennen die Jungs mich. Und die, die hier verkehren, wissen, auf was ich abfahre.

Ich bin kein Top, sondern ein Master! Dementsprechend sauer schaue ich den Jungen an. Er schluckt, reißt die Lider ängstlich auf, entschuldigt sich leise und macht sich davon. Tief atme ich ein, versuche mich zu beruhigen. Ist das, was ich möchte, zu viel verlangt?

 

Wann hatte ich das letzte Mal das Vergnügen, dass mir jemand seine Schmerzensschreie und Tränen schenkte? Hm, ich erinnere mich gar nicht mehr daran, was nicht gerade für mich spricht.

Dabei will ich einen Jungen haben, der die Peitsche liebt, sich in den Schmerz fallen lässt. Seinen Lustschmerz und die Tränen, die darauf folgen, sollen nur für mich sein. Allein bei dem Gedanken, dass ich die Striemen sorgfältig auf der weißen Haut verteile, sie zum Schluss liebevoll küsse, zuckt meine Hand.

MEINEN EIGENEN JUNGEN!

Das ist es, was mir fehlt, um endlich ruhiger zu werden.

Ich möchte, nein, ich will nach einer Nacht voller Pein und Lust meinen Jungen in die Arme nehmen. Dabei flüstere ich ihm tröstliche Worte ins Ohr, küsse seine Tränen weg.

Wie es sich für einen Master gehört, werde ich mich danach liebevoll um seine Wunden kümmern. Ihn versorgen, nachschauen, ob er auch alles bekommen hat, was er von mir braucht. Immer schaue ich zuerst, ob der Sub es genossen hat, bevor ich mir meine Befriedigung hole.

Seufzend schaue ich auf meine Finger. In Gedanken umklammere ich fest die Peitsche, hole aus, um sie singen zulassen, bis sie ihr Ziel findet. Verdammt, wie lange ist es eigentlich her, dass ich einen Sub mit der Peitsche bearbeitet habe? Das weiß ich schon gar nicht mehr und das macht mir eine höllische Angst. Ich bin ein geborener Jäger, will jagen, meine Beute erlegen. Die, die sich mir anbieten, schmeißen sich ohne eine aufregende Jagd zu meinen Füßen, betteln, dass ich sie mit ins Spielzimmer nehme und das langweilt mich zu Tode.

 

Mit der Hoffnung im Herzen, heute einen Jungen zu finden, der sich etwas wehrt, mir widerspricht, damit ich ihn bestrafen kann, schaue ich mich aufmerksam um. In einer Ecke stehen die Twinks, warten, dass ich auf sie zugehe. In der anderen knien ein paar Subs. Will ich spielen oder mich entspannen? Sorgfältig schaue ich mich weiter um, nehme jeden Mann wahr, der mir gefallen könnte. Keiner ist dabei, der mich wirklich anspricht, weil ich einen bestimmten Typ suche. Er soll nicht zu zierlich sein, aber auch nicht zu klein. Am liebsten wäre mir ein blonder Jüngling mit blauen Augen. Ich liebe die Farbe, weil sie das Gegenteil von meinen sind. Bei Wut verändert sich die Iris, wird dunkler. Bei Schmerz heller. Wenn er zornig wird, dies verheimlichen will, schaue ich nur hinein und weiß direkt Bescheid. Da nützt es auch nichts, sollte er es abstreiten. Ich kann sogar darin erkennen, ob ich ihm gefalle oder ob er Angst vor mir hat. Augen lügen niemals. Sie offenbaren mir seine Seele.

Mein Herz klopft schneller allein bei dem Gedanken, dass ich vielleicht heute Abend den Jungen meiner Träume treffen könnte. Seufzend stoße ich mich von der Theke ab, mache einen Rundgang durch den Club.

Nur nicht die Hoffnung aufgeben, Andrew.

 

Gelangweilt stehe ich zum Schluss am Tresen, weiß nichts mit mir anzufangen. Hier sind nur Jungs, die ich schon kenne, und keiner von ihnen lässt meinen Schwanz zucken. Ich werde mal in den Club Blackgehen, dort schauen, was sich da alles herumtummelt. Kaum bin ich da, laufe ich Tom Reisner und Joy Laurin in die Arme. Zusammen gehen wir auf die Empore. Dass Joy allein ist, verwundert mich. Daher frage ich ihn, wo denn sein Mann wäre. Er schaut mich mit seinen pechschwarzen Augen an, zeigt nach unten. Dort steht Daniel und unterhält sich mit Jessy. Leise seufze ich bei seinem Anblick auf. Zufrieden, dass ich jemanden gefunden habe, mit dem ich mich unterhalten kann, bestelle ich uns einen Whisky. Wir lehnen am Geländer, schauen von oben auf die Tanzfläche, beobachten die tanzende Menge. Tom ist auch seit einiger Zeit auf der Suche, während sein Bruder Joy seinen Dom schon gefunden hat. Nie hätte ich gedacht, dass Daniel sich in den Kleinen verlieben könnte. Daniel ist genau wie ich. Groß, muskulös und strahlt eine respektvolle Aura aus. So temperamentvoll Joy ist, so ruhig und besonnen ist Daniel. Wieder haben sich zwei gefunden und ich?

 

Stundenlang unterhalten wir uns darüber, wo wir unsere Jungs vielleicht treffen könnten. Eine paar Drinks später hören wir ein paar Männern zu, die ein Geburtstagslied singen. Interessiert schauen wir hinunter. Tom versteift sich plötzlich neben mir. Nanu, was hat er bloß? Er beobachtet mit zusammengekniffenen Augen einen bildhübschen Jungen, der heute anscheinend mit ein paar Freunden hier feiert. Hm, braunes Haar, das im Licht etwas rötlich schimmert, kleiner als wir zwei. Er lacht laut auf, als er hochgeworfen wird. Ein Knirschen und ein Fluch neben mir lassen mich zusammenzucken. Toms Hände umkrampfen das Geländer und sein ganzer Körper wirkt angespannt. Anscheinend hat unser Geburtstagskind seine volle Aufmerksamkeit erregt.

 

Sie feiern, singen jedes Lied laut mit, das gespielt wird. Tom lässt keinen Augenblick seine Aufmerksamkeit von dem Jungen. Amüsiert schauen wir ihnen zu, bis er von einem anderen Kerl angesprochen wird. Tom stößt einen Fluch aus, versteift sich. Beruhigend legt Joy die Hand auf seinen Arm. Unten geht Toms Beute mit einem erstaunten Ausdruck im Gesicht mit einem seiner Freunde in den Darkroom. Neben mir stellt sich Tom gerade hin. Die Armmuskeln spannen sich an und reflexartig packe ich zu, ziehe ihn an mich heran, rede leise auf ihn ein. Sogar sein kleiner Bruder versucht immer noch, ihn zu beruhigen. Joy stellt sich auf die Zehenspitzen, schaut hinunter zur Bar. Sofort erkennt er die Situation. Erstaunt nehme ich wahr, dass 

Wut in Toms dunkelblauen Augen aufleuchtet. In diesem Moment wird die Tür des Darkroom aufgestoßen. Ein Typ stößt den Kleinen brutal vor die Brust, schlägt nach ihm. Ein feiner Blutfaden läuft aus seinen Mundwinkeln. Sogar von hier oben können wir erkennen, dass er geschlagen wurde. Eine Hand zeichnet sich auf den Wangen dunkelrot ab. Nun gibt es für Tom kein Halten mehr. Mit einem Satz springt er von der Empore, landet direkt vor ihnen. Erschrocken zucken die zwei zusammen, weichen nach hinten aus, als er sich zu seiner ganzen Größe von 2,00 m aufrichtet.

 

Schnell laufe ich mit Joy hinterher, versuche eine Schlägerei zu verhindern. Der Junge schreit den Kerl an, zerrt an seinem Finger und schmeißt einen Ring durch den Raum, der genau vor dem Grobian landet. Dieser macht einen Schritt auf ihn zu, hebt die Faust und wird von Tom aufgehalten. Ohne das Gesicht zu verziehen, drückt er fester zu. Mit einem lauten Schmerzensschrei sinkt der Kerl zu seinen Füßen. Mörderische Wut leuchtet aus Toms dunkelblauen Augen. Erst als der Kleine die Hand auf seinen Arm legt, lässt er locker. Dantes Sicherheitspersonal greift ein und schmeißt den Grobian aus dem Club. Ein Paar rauchgraue Augen treffen auf blaue. Sie starren sich mit offenem Mund an, bis Tom ihn sich einfach über die Schulter schmeißt, die Treppen hochläuft. Seine Freunde lachen laut auf und jubeln ihnen zu. Seufzend schaue ich Tom nach. Als er den Kleinen nach oben trug, ihn liebevoll anschaute, da war mir klar, dass er seine Suche beendet hatte. Vorsichtig lässt er seine wertvolle Last in einen Sessel gleiten, nimmt sein Gesicht in die Hände und schaut nach, ob er noch mehr verletzt wurde. Behutsam streicht er über den blauen Fleck auf der Wange. Während Tom sich um den Jungen kümmert, stehe ich fassungslos neben ihm. Das darf doch alles nicht wahr sein. Und ich? Zwei Drinks später verabschiede ich mich von ihnen, gehe rüber ins Red.

Dort werde ich mir einen Kerl schnappen und mich vor lauter Frust danach betrinken, dass ich mein Elend vergesse.

 

 

 

Impressum

Texte: Neschka Angel
Bildmaterialien: Main Verlag
Tag der Veröffentlichung: 06.11.2016

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