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Das Leben ist kein Wunschkonzert

Hier ist mein Beitrag zur Ausschreibung  des Themas Winkelzüge eines Chefanwärters

Der Wettbewerb

 

 

Neschka Angel

 

Das Leben ist kein Wunschkonzert

Das ist Leben ist beschissen. Ich heiße Dante, bin 16 Jahre alt und meine Eltern haben mich vor die Tür gesetzt und das alles nur, weil ich schwul bin.  Als ob ich eine ansteckende Krankheit in mir tragen würde. 

In dieser Situation habe ich Alexander getroffen. Er ist mein Leben, mein Ein und Alles. Der Fels in der Brandung. Unser Sex ist berauschend  und erfüllend. Voller Verlangen und  Vertrauen gebe ich mich ihm hin. Er ist mein erster Mann. Der Mann, der mich in die Liebe einführte. Vor  einem Jahr haben wir den Test zusammen gemacht, weil Alexander mich lieber pur haben möchte. Mich besser fühlen will, wenn er mich nimmt. Wir sind beide negativ und mein erstes Mal ohne Kondom war unvergesslich. Einfach genial. Ich bin zurzeit 1,80m, habe schwarze Haare und dunkelblaue Augen. Mein Körper ist noch schmal, noch nicht so muskulös. Alexander ist zwei Jahre älter als ich, verdient  schon eigenes Geld und ist in meinen Augen schlechthin  ein Held. Das erste Mal, dass ich geliebt werde.

Alexander ist ein Traum von einem Mann. 1,95m groß dunkelblonden Haaren und hellblaue Augen strahlt er mich jeden Morgen an, wenn ich wach werde.  Er sah den Twink in mir,  so dass ich immer den passiven Part übernahm. Immer öfter  aber wünsche ich mir, auch mal aktiv zu werden, meinen Mann zu verführen, ihn zu nehmen. Ich will wissen, wie es sich anfühlt, wenn mein Schwanz in seinem Hintern  verschwindet. Wie heiß und eng es sich wohl anfühlen wird. Doch das Leben ist kein Wunschkonzert.

Zwei Jahre sind wir nun zusammen. Mein Körper hat sich verändert. Ist größer geworden, hat Alexander überholt. Meine Schultern sind breiter und immer mehr widerspreche ich meinem Mann. Ich will auch mal aktiv sein, doch noch schafft er es, mich zu dominieren.

Meine Arbeit in der Bar erfüllt mich und lässt mich teilweise vergessen, dass in meinem Leben irgendetwas nicht richtig läuft. Heute Nachmittag geht es mir nicht besonders gut, so dass mein Chef mich nach Hause schickt.  Schon im Flur kann ich das Stöhnen hören. Mein Herz schlägt hart in meiner Brust, meine Finger zucken.

Nein? Das würde Alexander niemals machen. Er würde unsere Liebe niemals verraten. Wir lieben uns doch. Er darf alles mit mir machen. Er braucht dafür keine anderen Männer, die ihm sein Verlangen erfüllen.

Leise schleiche ich in die Wohnung weiter hinein. Vor der Schlafzimmertüre bleibe ich stehen und öffne sie langsam. Das Gestöhne wird lauter. Rhythmisches Klatschen ertönt. Haut trifft auf Haut. Mit einem Ruck öffne ich die Türe und stehe wie erstarrt in unserem Schlafzimmer. Da liegt mein Alexander auf dem Bauch. Lässt sich von unserem besten Freund pur nehmen. Wie wild stößt er in meinen Mann hinein und er genießt das, stöhnt wie verrückt.

Geschockt stehe ich im Raum, kann es nicht fassen. Er entweiht unsere Liebe, lässt sich von meinem besten Freund nehmen. Zwei Paar große Augen schauen mich erschrocken an. Sie stieben auseinander, reden auf mich ein, doch in diesem Augenblick stirbt meine Liebe zu ihm. Hinterlässt einen Haufen Scherben. Keine Entschuldigung, kein Wort das es ihm leid tut. Nein, ich bin selber schuld. Er wollte eine offene Beziehung, hat versucht es mir zu sagen, doch in meiner selbstlosen Liebe zu ihm habe ich die Zeichen verkehrt gedeutet.

Ich packe meine Tasche, raffe alles zusammen, was mir gehört. Er hält mich nicht zurück. Traut sich nicht. Meine Augen schauen ihn an und wenn er jetzt nur mit dem Finger zuckt, dann schlage ich ihn zusammen. Mittlerweile bin ich größer und stärker als er. Bin sogar dominanter geworden und das ist Alexander zu viel geworden. Ich bin kein kleiner Junge mehr der ihn anhimmelt, der sich führen lässt.

Wochenlang  lebe ich nur so vor mich hin. Schlafe unter Brücken, vernachlässige meine Arbeit. Nach einiger Zeit  gehe ich wieder in unseren Club und erfahre, dass Alexander sich mit Aids angesteckt hat. Ich glaube es kaum, was man mir erzählt. Positiv. Alexander ist HIV… positiv und ich habe pur mit ihm geschlafen. Betäubt verlasse ich den Club, unfähig etwas zu unternehmen.

Was ist, wenn? Was mache ich dann? Mein bisheriges Leben hat es schon nicht gut mit mir gemeint.  Wenn ich an Alexander denke, überkommt mich immer diese Wut, die ich nicht raus lassen kann. Wir waren doch ein Paar, wollten zusammen alt werden. Hab ich da etwas anderes erwartet als er? Für mich gab es nur ihn, sonst keinen.  Doch er wollte frei sein, sich anderen Männern hingeben und andere Männer ficken. Zu mir kam er dann, wenn er sich ausgetobt hatte, von seinem wilden Rumgevögel wund war.  Darum durfte ich nicht aktiv sein. Hätte es sonst rausbekommen,  dass er fremd ging.

Ich habe es ihm nie verziehen.  Mein Freund. Meine erste Liebe. Irgendwann wurde ich wieder klar im Kopf und die Angst, dass ich mich angesteckt haben könnte, ließ mich nicht mehr los. Dreimal habe ich versucht, im Krankenhaus den Test machen zulassen. Doch meine eigene Feigheit ließ mich immer wieder umkehren. Doch heute habe ich es gewagt und sitze nun seit einer Stunde im Wartezimmer. Mein Name wird aufgerufen und mit zittrigen Knien gehe ich in den Behandlungsraum. Der Assistent, der mir Blut abnimmt, versucht mich zu beruhigen. Doch mein einziger Gedanke ist, dass mein restliches Leben von diesem Test abhängt.  

Sechs Wochen laufe ich nun schon wie ein lebender Leichnam rum. Immer wieder rufe ich an, will wissen, ob das Ergebnis schon da ist. Der Arzt gibt mir sein Versprechen, dass er mich sofort informiert, wenn es vor liegt. Heute ist es soweit. Mein Handy klingelt und ich gehe ran. NEGATIV. Mein Hals zieht sich zu, als ich es höre. Mein „Danke“ quetsche ich gerade noch so raus, als ich auf meine Knie falle und bitterlich anfange, zu weinen.  

Negativ. Ich halte es ein paar Tage später schwarz auf weiß  in meinen Händen. Niemals wieder werde ich ohne Kondom mit einem Kerl schlafen. Niemals wieder mich verlieben. Nein, ich verspreche mir ab heute,  dass  ich nur noch aktiv sein werde. Mir wird niemals wieder ein Kerl seinen Schwanz in den Hintern drücken. Ich werde der Dominante sein. Sechs Wochen Hölle liegen hinter mir. Sechs Wochen, in denen ich nicht wusste, ob ich weiter leben darf. Niemandem wünsche ich, in dieser Hölle zu schmoren.

Heute bin ich 30 Jahre alt, habe etwas aus meinem Leben gemacht. Alexander ist Geschichte. Schon seit Jahren gestorben an seinem maßlosen Verlangen nach Sex und Freiheit. Ich  habe meinen Schwur bis jetzt nicht gebrochen. Jeden Twink, den ich wollte, nahm ich mir. Immer bin ich der Dominante, der seinen Schwanz in ihre Hintern schiebt. Nie wieder habe ich mich verliebt. Habe immer Abstand davon genommen. Meine Kerle wissen das und ich lasse sie nie im Unklaren darüber.

Ja, bis ich an diesem verhängnisvollen Tag  den Mann getroffen habe, der mein Herz höher schlagen lässt. Der mein Verlangen,  ihn pur zu besitzen, ihn zu markieren , dass alle Welt erfährt, dass er meins ist, so heiß in mir brennt, das ich alles vergesse was ich mir geschworen habe. Ihn zu besitzen  und zu behalten, wird ab sofort mein Leben bestimmen. Die Jagd ist eröffnet. Doch das ist eine andere Geschichte.

Wie gesagt:“Das Leben ist kein Wunschkonzert!“

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 18.06.2014

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Es ist all denen gewidmet die sich beim Sex schützen. Denkt dran Safer Sex kann dein Leben retten.

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