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 Copyright © 2014 Günter Claas

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Land der Regenbogenschlange

 

 

 

 

Wir alle sind Besucher dieser Zeit und dieses Ortes.

Wir sind nur auf der Durchreise.

Unser Ziel ist es hier zu beobachten, zu lernen, zu wachsen, zu lieben

und dann nach Hause zurückzukehren.

 

Weisheit der Aborigines

Singapur, die Löwenstadt


 

 

Es ist Freitagmorgen.

 

Seit dem Start in Frankfurt liegen mehr als zehn Stunden Flugzeit hinter uns. Bis die Maschine der Malaysia Airlines auf der Landebahn des internationalen Singapore Changi Airport im asiatischen Stadtstaat Singapur aufsetzt, werden noch mehr als zwei Stunden vergehen. Die vorgesehene Ankunftszeit vor Ort ist gegen 21:45 Uhr zu erwarten.

Die meisten der Fluggäste scheinen noch ebenso zu schlafen, wie Sabine, meine neben mir in ihrem Sitz zusammengesunkene Frau. Während aller meiner unternommenen Flugreisen habe ich immer die Menschen beneidet, denen es möglich ist, sich in einen Sitz hineinfallen zu lassen, um darin trotz aller sie umgebenden Geräusche sehr bald in einen tiefen Schlaf zu sinken.

Mir wurde diese Gunst leider nie gewährt.

Alle Versuche, während der Dauer einer Flug-, Bahn- oder Busreise wenigstens ein bisschen zu schlafen, scheiterten immer kläglich und werden dies wohl auch in Zukunft tun. Mehr als ein kurzes Einnicken, das eher einem leichten Dämmerzustand mit halbgeschlossenen Augen und Ohren gleicht, ist nicht möglich.

Ein leichtes, kleines Ruckeln an meinem Sitz, hervorgerufen durch eine Bewegung des hinter mir sitzenden Passagiers, der Schritt eines Vorbeihuschenden auf dem Weg zur Toilette oder der einer Stewardess, die meinem in seinen Sicherheitsgurten hängenden Vordermann einen mit Wasser gefüllten Becher reicht, lassen mich sofort wieder in die Wirklichkeit zurückkehren. Doch für mich ist das alles nicht wirklich ein Problem, gewährt es mir doch sehr viele Stunden des nachdenken Könnens. So auch auf diesem Flug.

 

Die erste Reise hinüber auf den Fünften Kontinent liegt fast auf den Tag genau zwei Jahre zurück. Der Gedanke, irgendwann erneut einen Teil dieses fantastischen Erdteils zu bereisen, hat uns seitdem nicht mehr losgelassen. Während der vergangenen Monate haben Sabine und ich diese zweite Reise nach Down Under geplant. Viele Straßenkarten wurden auf der Suche nach Routen durchforstet. Im Internet wurden geeignete Unterkünfte ermittelt und nach Sehenswertem gesucht.

 

Alle Ergebnisse wurden in den Entwurf eines Reiseablaufplans eingetragen. Manches wurde herausgenommen, gegen anderes ausgetauscht um Verworfenes dann doch wieder in den Plan aufzunehmen.

Irgendwann war es dann fertig - das Konzept für eine Reise, die uns nach Singapur und nach einem Stopover von dort aus einige Wochen nach und durch Australien führen würde.

Wir legten das Konzept drei Unternehmen zur Prüfung vor, welche von sich behaupteten, Spezialisten für das Organisieren von Australienreisen zu sein. Sie wurden gebeten, den Plan und dessen mögliche Ausführung unter Berücksichtigung aller darin enthaltenen Wünsche zu prüfen und uns ein Angebot zu erstellen. Dieses sollte vor allem konkrete Aussagen über die uns erwartenden Kosten für alle Flüge, für die Reservierung und Buchung der von uns vorgesehenen Unterkünfte und der Mietwagen beinhalten.

Zwei der Unternehmen passten. Man habe bei der Umsetzung der Planung zu viel Aufwand und Kosten zu erwarten, hieß es. Es gab da wohl ein paar Landstriche, in denen man sich doch nicht so gut auskannte. Auch einige der von uns gewünschten Hotels, Motels und Lodges passten nicht in die Reihe der von den Unternehmen angebotenen Unterkünfte.

Jedoch ein in Köln ansässiges, kleines Reisebüro sah in dem Ganzen kein Problem. Zwar waren auch der jungen, hübschen, blonden Angestellten und ihrem älteren Kollegen, einige der von uns im Konzept vorgesehenen Unterkünfte ebenfalls unbekannt. Aber alles sei machbar, bedeutete man uns.

Die Frage, woher wir diese Adressen hätten, beantwortete ich mit der Aussage, dass ich diese von einer Australierin hätte, mit der mich schon seit mehr als einem halben Jahrhundert eine enge Brieffreundschaft verbinde und ich durch sie ein so umfassendes Wissen erhalten habe, dass ich fast selbst ein Aussie sein könnte. Sie hätte mir einige Motels, Hotels, Orte und Regionen benannt, die ich unbedingt besuchen solle. Bei einer guten Tasse Kaffee erfolgte ein äußerst qualifiziertes Beratungsgespräch, das von Kompetenz, Fachwissen und Kenntnis über die Organisation von Fernreisen geprägt war und in dem alle noch offenen Fragen geklärt werden konnten.

Knapp zwei Wochen später wurden wir telefonisch informiert, dass alle Vorarbeiten erfolgreich abgeschlossen worden seien. Noch am gleichen Tag saßen wir den Beiden erneut im Reisebüro gegenüber.

 

Was wir erfuhren, klang äußerst erfreulich. Bis auf eine einzige Unterkunft konnten alle Reservierungen vorgenommen werden. Für das von unserem Plan abweichende Motel wurde bereits ein Ersatz gefunden. Die Vorreservierung umfasste alle Fern- und Zusatzflüge, Mietwagen, Aufenthalte am Ayers Rock, auf Fraser Island, in Darwin, im Daintree Rainforest. Gleiches galt für die Stopover in Singapur, Bali und Kuala Lumpur.

 

Doch welche Kosten würden uns erwarten?

 

Die Katalogpreise für Australienreisen mit einer Dauer von sechzehn bis einundzwanzig Tagen, die wir den Katalogen namhafter Reiseveranstalter entnommen hatten, schwebten vor meinem inneren Auge. Wir würden jedoch allein in Down Under rund sechs Wochenunterwegs sein. Auch die Aufenthalte in Singapur, auf Bali und in Kuala Lumpur würden mit Sicherheit finanziell zu Buche schlagen.

 

Meine Frage nach dem für das Gesamtpaket zu erwartenden Preis erreichte das Ohr meines Gegenübers deshalb ziemlich zaghaft.

Die Antwort war umwerfend und erschien fast unglaubhaft. Wir beide würden gemeinsam für kaum mehr als das Doppelte des uns bekannten Katalogpreises reisen. Nur dass wir eben mehr als drei Wochen unterwegs sein werden. Während der Dauer unserer Reise stünde uns in Sydney eine in Notfällen Tag und Nacht erreichbare Agentur zur Verfügung. Natürlich waren die Kosten für Benzin, Speisen, Getränke, Ausflüge, Eintrittsgelder und anderes nicht im Reisepreis enthalten.

Aber das Ergebnis konnte sich wirklich sehen lassen. Es hatte sich gelohnt, die Reise selbst zu planen. Meine Vermutung, dass Australien mit Sicherheit preiswerter zu bereisen sei, hatte sich bewahrheitet.

Vor allem können wir frei und ungebunden reisen.

Wir können tun und lassen, was wir wollen, müssen keinem der Sonnenschirm oder Fähnchen schwingenden Reiseführer folgen, um die Sehenswürdigkeiten im Schnelldurchlauf zu erleben, um danach erschöpft und verschwitzt in den Sitz des Kühlhauses Bus zurückzusinken.

In der Durchführung dieser wochenlangen Reise sahen wir kein Problem. Auch wenn wir beide bereits ein Alter erreicht hatten, in dem sich andere gerne ihre Ruhe gönnen oder ihren Urlaub zum fünfunddreißigsten Mal am gleichen Ort verbringen.    

 

Es gab nichts mehr zu überlegen. Als wir das freundliche Team verließen, waren alle Reservierungen bestätigt.

Vor uns lagen noch drei Monate. In der ersten Dezemberwoche würde es losgehen. Bis dahin mussten die Einreisevisa und die internationalen Führerscheine betragt und erteilt sein und sich in unseren Händen befinden.

Ach ja, eine Vereinbarung hatten wir in Köln noch getroffen. Die Mitarbeiter des Reisebüros baten darum, ihnen nach unserer Rückkehr eine Bewertung aller in Australien besuchten Hotels, Lodges, Motels und über den Verlauf der gebuchten Ausflüge vorzulegen. Gerne erteilten wir hierfür unsere Zusage.

 

Während der folgenden Wochen wurden alle für die Reise noch erforderlichen Maßnahmen getroffen. Die Gültigkeit aller unserer Schutzimpfungen und die Reiseapotheke wurden überprüft und die notwendigen internationalen Führerscheine beantragt.

US-Dollar, Reisechecks und Australische Dollar bei der Hausbank geordert. Die schon länger nicht benutzten Kameras wurden Funktionstests unterzogen. Reiseführer, variable Netzadapter und andere zweckmäßige Kleinigkeiten gekauft. Die Vorbereitungen umfassten auch die rechtzeitigen Absprachen mit Freunden, die während der langen Abwesenheit unser Haus versorgen sollten.

 

Wir zählten die Tage, fieberten dem Reisestart entgegen, konnten ihn kaum erwarten.

Dann endlich war es soweit.

Am frühen Nachmittag eines eiskalten Dezembertages standen wir mit gepackten Reisetaschen zur Abreise bereit, warteten auf das Taxi, dessen Fahrer uns zum Abreisebahnhof bringen sollte. In Köln bestiegen wird den Hochgeschwindigkeitszug ICE 3, der uns mit über 300 Kilometer in etwas mehr als einer Stunde zum Airport Frankfurt katapultierte.

 

Die Abgabe des Gepäcks verlief reibungslos.

Das galt jedoch nicht für die vorgesehene Abflugzeit, die in unseren Unterlagen mit 22:20 Uhr ausgewiesen wurde. Draußen trieben Schnee, Wind und Eis ihr Unwesen. Die Räumung der Lande- und Startbahnen gestalteten sich ebenso schwierig, wie das zeitlich aufwendige Enteisen der Flugzeuge. Lange eineinhalb Stunden vergingen. Die Ziffern der digitalen Uhr sprangen nur sehr widerwillig weiter. Wir rechneten schon damit, in einem der Hotels des Airports übernachten zu müssen. Es war kalt, die Müdigkeit hatte nicht nur uns im Würgegriff. Doch es hieß weiter durchhalten.

 

Die vorgesehene Abflugzeit lag bereits eineinhalb Stunden hinter uns, als die für Singapur gebuchten Passagiere endlich zum Check-In aufgerufen wurden. Das Einchecken ging zügig vonstatten.

Endlich – wir konnten uns in unsere Sitze zurücklehnen. Hofften, dass die Maschine bald vom Boden abheben würde. Leider war diese Hoffnung trügerisch. Durch das Bordfenster war ein Teil der Tragfläche zu sehen, die von grauweißem, nebligem Dampf umtost wurde, der durch das Auftreffen einer aus der Hochdruckdüse eines Auslegers geschossenen Mischung aus Wasser und Enteisungsflüssigkeiten auf der vereisten Maschine verursacht wurde.

Die erlösende Nachricht, dass man jetzt bald mit einem Start rechnen könne, erklang kurz vor ein Uhr aus den Lautsprechern. Und doch war für eine weitere halbe Stunde Nervenstärke gefragt. Dann endlich! Die Maschine rollte zur Startbahn hinaus und hob genau eine Minute nach halb zwei Uhr vom Boden ab.

 

Wie auch bei den vorhergegangenen Flügen hielt meine Frau meine Hand mit ganzer Kraft fest und lockerte den Griff erst, als die Flughöhe erreicht war. Bald danach versorgte uns freundliches Bordpersonal mit den ersten Getränken und kleinen Snacks. Es war geschafft, wir hatten die ersten Hürden unserer großen Reise überwunden und gemeinsam würden wir auch alles andere meistern.

 

Meine rückerinnernden Gedanken hatten mich doch tatsächlich die Zeit vergessen lassen. Inzwischen ist eine weitere Stunde der Flugzeit vergangen.

 

Singapur, das erste Ziel rückt immer näher.

In der Flugzeugkabine wird es langsam lebhafter. Immer mehr Fluggäste erwachen, reiben sich die Augen, strecken erlahmte Gliedmaße aus. Es wird gehustet, geschnieft und genießt.

Es riecht nach Schlaf, nach Menschen, nach den verschiedensten Parfüms und nach viel Undefinierbarem. Kinder beginnen laut zu quengeln. Vor den Toiletten bilden sich erste Warteschlangen. Stewardessen bereiten sich auf ihre Einsätze vor; ein Anzeichen dafür, dass es bald Frühstück geben wird. Hier oben ist die mitteleuropäische Winterzeit noch präsent. Doch mehrere tausend Meter unter uns sind die Zeiger der Uhren bereits sieben Stunden weitergerückt.

 

Ich berühre vorsichtig Sabines Hand und flüstere ihr zu: „Aufwachen, es dauert nicht mehr lange bis zum Sinkflug!“

Sie antwortet: „Ich bin schon eine Weile wach!“

Woran ich jedoch meine Zweifel habe. Doch die behalte ich für mich.

Ich verreise sehr gerne mit Sabine. Wir sind nicht nur auf Reisen sondern auch im gemeinsamen Leben ein gutes Team und können uns immer aufeinander verlassen. Das wird auch auf dieser Reise der Fall sein. Was denn auch sonst?

 

Wir warten, bis sich die Reihen vor den Toiletten gelichtet haben. Dann entern auch wir nacheinander eine dieser kleinen, so manchem Benutzer Platzangst verursachenden Toiletten, um uns, soweit das in dieser Enge überhaupt möglich ist, etwas zu erfrischen.

 

Nach einem bei Fernreisen mit Malaysia Airlines üblichen, gutem Frühstück haben wir kaum noch Zeit, das erhaltene Formular der Landing-Card auszufüllen, die bei der für die Einreise in Singapur zusammen mit dem Reisepass vorgelegt werden muss.

 

Bald ist die Sinkflugzone, in der wir zum Singapore Changi Airport, einen der bedeutendsten Flugplätze Südostasiens, geleitet werden, erreicht. Nach dem Durchstoßen der Wolken taucht die Maschine in die Nacht über Malaysia ein. Vor und dann unter uns leuchtet das riesige Lichtermeer der Millionenmetropole Singapur und ihrer Vororte.

Tiefer und immer langsamer gleitend strebt der große Vogel der hell erleuchteten Landebahn entgegen.

Der Pilot ist ein Könner.

Er setzt sein Baby mit den ihm anvertrauten Passagieren butterweich auf die Betonpiste. Dann jagt die Maschine über die Landebahn, folgt den vorbeihuschenden Befeuerungen bis sie langsamer wird um einem „Follow Me“-Wagen über das Flugfeld bis in die Nähe des vorgesehenen Flugzeugandocksystems zu folgen.

Es dauert nicht sehr lange, dann hat die Maschine angedockt und die Freigabe zum Verlassen des Flugzeugs wird erteilt.

Die Ausgabe der Gepäckstücke erfolgt schnell, und auch die Einreise- und Zollformalitäten nahmen nicht sehr viel Zeit in Anspruch. Erst nach dem Verlassen der Zollkontrolle werden uns die riesigen Ausmaße des sehr sauber und gepflegt aussehenden Airports bewusst.

 

Seine Größe ist kaum beschreibbar. Wir folgen den endlosen Gängen und lassen uns auf langen Laufbändern transportieren, erreichen irgendwann den Ausgangsbereich und treffen dort auf einen Angestellten des von uns gebuchten Hotels “Holiday Inn Singapore Orchard City Centre“, der ein Schild hochreckt, auf dem unsere Namen stehen. Gemeinsam mit ihm verlassen wir die Ausgangshalle des Airports.

 

Draußen regnet es leicht, doch die Temperatur beträgt 28 Grad Celsius. Die Luft ist feucht, schwül und warm. Dafür ist das Innere des hoteleigenen Busses ein Eiskeller, der zum Frösteln zwingt. Der Fahrer beschleunigt das Fahrzeug fast aus dem Stand heraus und taucht bald mit ihm und uns in den durch Singapur wogenden, spätabendlichen Verkehr ein. Vierzig Minuten später erreichen wir das Hotel, in welchem wir zwei volle Tage bleiben werden.

 

Der freundliche Empfang an der Rezeption sowie die ebenso freundliche Abwicklung der erforderlichen Formalitäten lassen nichts zu wünschen übrig.

Die zurückhaltende, angenehme Behandlung jedes Gastes durch das vorhandene Personal ist besonders auffallend. Schon bei den Reisevorbereitungen hatten wir gelesen, dass so wie in anderen asiatischen Ländern Höflichkeit auch in Singapur einen wichtigen Stellenwert hat. In unserem eigenen Land sind Freundlichkeit und Höflichkeit leider schon vielen Menschen verloren gegangen.

 

Ob wir noch etwas essen wollen, werden wir gefragt.

Nein danke, wir möchten nichts mehr, wollen nur noch unser Zimmer aufsuchen, um dann baldmöglichst schlafen zu gehen.

Das Hotelzimmer und seine Einrichtung machen einen hervorragenden Eindruck auf uns. Das Gepäck wurde von einem der Room-Boys schon säuberlich auf die dafür vorgesehenen Bänke abgelegt. Der Boy wartet noch auf ein Trinkgeld, geht und wir sind allein. Nach einer ausgiebigen Duschorgie finden wir uns bald danach in Orpheus Armen sicher aufgehoben.

 

 

Guten Morgen Singapur!

 

 

Der Morgen begrüßt uns mit strahlendem Sonnenschein und das weibliche Hotelpersonal mit einem sehr freundlichen Lächeln. Der männliche Teil der Angestellten hält sich damit noch etwas zurück, lässt aber dann auch bald die ersten weißen Zahnreihen blitzen. Während wir das gute Frühstück im weihnachtlich bunt dekorierten Restaurant zu uns nehmen, begleiten uns die unzähligen, unterschiedlichsten Klingeltöne der vielen Handys und das Stimmengewirr der anwesenden Gäste.

Es scheint nichts Wichtigeres zu geben, als zu telefonieren.

Wir versuchen, diesen lauten Kommunikationswettbewerb zu ignorieren und besprechen unser Tagesprogramm.

 

Uns ist bewusst, dass wir während der zwei Tage nur einen kleinen Teil der Stadt ansehen können. Für mehr ist Singapur einfach zu groß, hat zu viele sehenswerte Plätze, als dass wir diese in der kurzen Zeit alle besuchen könnten. 

 

Beim Aussuchen dieses Hotels haben wir einen guten Riecher gehabt. Das in der Cavanagh Road gelegene „Holiday Inn Singapore Orchard City Centre“ ist ein sehr gut ausgestattetes und geführtes Haus und liegt nur wenige Gehminuten von der bekannten Orchard Road sowie den Mass Rapid Transit (MRT) Bahnhöfen Somerset und Dhoby Ghaut entfernt. Von hier aus sind alle Teile der Insel Singapur schnell und bequem zu erreichen.

 

Aufmerksam durchblättern wir den bei der Ankunft an der Rezeption erhaltenen Stadtführer.

Neben vielen anderen Informationen gibt er Auskunft darüber, dass und warum Singapur einer malaiischen Legende zufolge auch die Löwenstadt genannt wird.

Der Stadtname wurde dem Sanskrit, einer altindischen Hochsprache entnommen und setzt sich aus den beiden Begriffen Siṃhah „Löwe“ und Pura „Stadt“ zusammen, bedeutet somit Löwenstadt. Die Besiedlung des heutigen Stadtgebiets begann im siebten Jahrhundert.

Das errichtete Fürstentum erhielt den Namen “Temasek”, die Stadt am Meer. Im 14. Jahrhundert flüchtete der hinduistische Prinz und spätere Herrscher Singapurs, Sang Nila Utama, aus Sumatra nach Temasek. Er hatte dort eine javanische Prinzessin geheiratet, die dem buddhistischen Glauben angehörte.

Damit geriet er in die politischen Wirren zwischen Sumatras hinduistischen Srivijaya-Reich und Javas ebenfalls hinduistischen Majapahit-Reich.

 

Auf seiner Flucht nach Temasek begegnete der Prinz mitten im Dschungel einem Löwen. Als er sein Schwert zog, um das Tier zu töten. blickte er in dessen Augen und sah, dass darin nichts Böses war. Er senkte seine Waffe und der Löwe zog sich in den dichten Busch zurück. Von diesem Treffen äußerst beeindruckt, entschied der Prinz sich dafür, die später von ihm geführte Stadt am Meer künftig “Löwenstadt“, also Singapur zu nennen.

 

Diese Legende dürfte die Ursache dafür sein, dass der “Merlion“, als Wahrzeichen und Schutzpatron Singapurs gilt. Die 1964 von Fraser Brunner entworfene Figur ist eine Mischung aus Löwe und Fisch. Der Löwenkopf steht für Stärke und Furchtlosigkeit, der Fischkörper für die Verbundenheit mit dem Meer.

Aus den Bezeichnungen “Meermaid“ und “Lion“ entstand die phantasievolle Wortverbindung “Merlion“. Dieser Wächter der Stadt ist eine neun Meter hohe Statue, die am Übergang von der Marina Bay zum Singapur River zu finden ist und endlos Wasser in den Zulauf zum Singapur River speit.

 

Während ich in einen hervorragenden Croissant hineinbeiße, blättere ich weiter und lese, dass Sir Thomas Stamford Raffles, ein Agent der Britischen Ostindien-Kompanie, im Jahr 1819 am alten Handelssitz Singapur die erste Niederlassung gründete. Der Engländer wird als Gründer des modernen Singapur bezeichnet.

Die Insel, auf der lediglich zwanzig malaiische Fischerfamilien lebten, diente vorher Seeräubern nach deren Raubzügen als Zufluchtsort. Bereits 1824 hatte die Britische Ostindien-Kompanie die gesamte Insel vereinnahmt und sie dem Sultan von Johor für 60.000 Dollar und eine Jahresrente von 24.000 Dollar abgekauft. Am 1. April 1867 wurde Singapur britische Kronkolonie. Durch die besondere geographische Lage entlang der verkehrsträchtigen Schifffahrtswege zwischen China und Europa wurde Singapur sehr bald zu einem bedeutenden Umschlaghafen. Vierzehn Jahre später zählte Singapur bereits mehr als 172.000 Einwohner.

Zum Zeitpunkt unserer Reise hat die parlamentarische Republik etwa fünf Millionen Einwohner, die den unterschiedlichen ethnischen Gruppen angehören. Etwa 75 Prozent davon sind Chinesen. Der verbleibende Anteil setzt sich aus Malaien, Indern und anderen Nationalitäten zusammen. Malaiisch ist die offizielle National- und Amtssprache. Englisch ist Sprache des Business. Daneben werden Tamil, Chinesisch und Englisch als anerkannte Amtssprachen geführt.

 

In den Jahren von 1959 bis 1963 als britische Kronkolonie verwaltet, wurde Singapur am 1. September 1963 in eine Föderation mit Malaya, Sabah und Sarawak überführt und wurde damit vom Vereinigten Königreich unabhängig. Massive Unruhen zwischen chinesischen und nicht-chinesischen Einwohnern und ideologischen Auseinandersetzungen zwischen der eigenen Regierung und der Föderationsregierung in Kuala Lumpur führten dazu, dass Singapur am 7. August 1965 aus der Föderation ausgeschlossen wurde. Nur zwei Tage später wurde Singapurs Souveränität als erstes von Malaysia anerkannt. Seit dieser Zeit ist der 9. August der Nationalfeiertag des Inselstaates.

Bevor neue Wohnviertel, vorrangig als Satellitenstädte außerhalb des ursprünglichen Stadtgebietes errichtet wurden, war das Territorium des Staates am Singapore River bis hinein in die 1960er Jahre nur im südlichen Teil bewohnt. 

Bis zu diesem Zeitpunkt bestanden die restlichen Teile des Landes aus tropischem Regenwald oder wurden landwirtschaftlich genutzt.

Die in den 1960er Jahren mit mehr als 581 Quadratkilometern vorhandene Landfläche Singapurs wurde in den vergangenen Jahren durch die Entnahme von Erdmaterial aus den Bergen und dem Meeresboden sowie durch andere geeignete Maßnahmen durch Aufschüttung auf rund 710 qkm erweitert. Die wachsende Einwohnerzahl zwingt den Inselstaat, seine Fläche bis zum Jahr 2030 noch um mindestens einhundert Quadratkilometer zu vergrößern.

Trotz der in den vergangenen Jahren überwundenen politischen und wirtschaftlichen Schwierigkeiten zählt Singapur längst zu den namhaften Industrienationen der Erde. Der Lebensstandard der Bevölkerung ist hoch, jedoch auch die Lebenshaltungskosten. Singapur gilt als eine der teuersten Städte der Welt.

 

Ich lege die Informationsbroschüre auf den Tisch und gebe meiner Frau den geschichtlichen Überblick in Kurzfassung mündlich weiter. Sabine ist der englischen Sprache weniger gewachsen als ich und so muss ich immer wieder einmal als Übersetzer oder Dolmetscher tätig werden.

 

In einer Art Abschlussgespräch bei einer letzten Tasse Kaffee beraten wir, was wir heute unternehmen werden. Wir werden uns einig, dass wir uns nach dem Frühstück zunächst noch etwas zur Ruhe legen, um die Nachwirkungen der langen Reise besser zu überwinden. Später werden wir die nähere Umgebung des Hotels erkunden.

Eines der Ziele ist das Raffles Hotel mit seiner berühmten Long-Bar, in welcher der chinesische Barkeeper Ngiam Tong Boon am Anfang des Zwanzigsten Jahrhunderts für das Raffles den Singapore Sling, ein fruchtig-aromatischer Cocktail aus Gin, Cherry-Brandy, Cointreau, Bénédictine und einigen weiteren Zutaten erfand. Dieser alkoholische Leckerbissen gilt seitdem als das Aushängeschild des altehrwürdigen Luxushotels.

Nach einem Drink dort werden wir vielleicht hinüber zur Orchard Road bummeln, die für viele Touristen eines der vielen Highlights in Singapur darstellt. Sie gilt als die bekannteste Straße Singapurs. Über eine Länge von zwei Kilometern reihen sich dort Shoppingmalls, Hotels, Kinopaläste, Bars, Cafés und Restaurants aneinander. Hier ist der Kunde König, kann seiner Kauflust freien Lauf gewähren, kann diese sich in den vielen Einkaufstempeln austoben lassen. Alle bekannten Edelmarken dieser Welt sind hier vertreten. Hier treffen sich die Reichen und Schönen Asiens und Europas mit denen aus Nord- und Südamerika.

Die Orchard Road, welche heute kaum noch jemanden daran denken lässt, dass sie bis in die vierziger Jahre des Neunzehnten Jahrhunderts als Zufahrt zu den dort vorhandenen Obstgärten, Muskat- und Pfeffernussplantagen diente, ist das Herz der Stadt; ist ihr Mode-, Einkaufs-, Vergnügungs- und Flanierzentrum. Keine der anderen Straßen könnte den Aufschwung Singapurs besser repräsentieren.

Kurz nach Mittag machen wir uns auf den Weg. Schon am Ausgang des Hotels empfängt uns die feucht-schwüle, tropische Wärme dieser Region, lässt unsere von den Klimaanlagen heruntergekühlte Temperatur des Bluts unangenehm schnell nach oben fahren. Zuerst noch etwas unsicher darüber, in welche Richtung wir uns wenden sollen, finden wir dank des Stadtplans dann doch bald die Straße, die uns zum Raffles führt.

 

Während des Bummels fällt uns die Sauberkeit der Straßen, Plätze und Anlagen auf. Kein Wunder, haben wir doch gelesen, dass das Wegwerfen und Hinterlassen jeglichen Abfalls sehr streng bestraft wird. Ich bin sicher, dass diese Strafen den Zeitgenossen in unserem eigenen Land, die leichtfertig und gleichgültig Abfälle überall in die Natur entsorgen, mit Sicherheit sehr schnell eine andere Denkweise beibringen würden.

Überhaupt sollte sich jeder, der nach Singapur reist, vorher ausreichend über das, was dort erlaubt ist und über das, was, warum und in welchem Maße bestraft wird, informieren, damit er nicht unangenehm überrascht wird. Die verhängten Strafen fallen erheblich härter aus, als in unserem Land. Das den Richtern für das Verhängen von Strafen verfügbare Repertoire reicht von Bußgeldern über Stockschläge bis zur Todesstrafe.

 

Über die Cavenagh Road erreichen wir schon bald die Orchard Road. Nach kurzer Zeit verlassen wir diese und gehen entlang der Bras Basah Rd bis wir die Ecke Beach Rd erreichen. Dort biegen wir nach links ab und haben schon einen ersten Blick auf das Raffles, dessen weiße Fassade mit aus künstlichem Tannengrün akkurat geflochtenen, dicken Bögen geschmückt wurde, die mit riesigen roten Schleifen versehen sind. Die weihnachtliche Dekoration der zum Verweilen einladenden Außenterrasse und ihrer sauberen Servicestation passt zum restlichen Haus.

 

Es ist der Stadtverwaltung und der Regierung Malaysias hoch anzurechnen, dass dieses im Kolonialstil erbaute Vorzeigemodel der internationalen Raffles Hotelkette nicht dem Bau immer neuer Hochhäuser zum Opfer gefallen ist. Im Jahr 1987 wurde es zum Nationaldenkmal erklärt und eine aufwändige Restaurierung in Auftrag gegeben. 1991, nach Abschluss der Arbeiten wurde das renommierte Haus wiedereröffnet. Neben diversen Boutiquen für extravagante Waren bietet es Gästen und Touristen verschiedene Restaurants und Cafés, ein Museum und ein hübsches Theater im viktorianischen Stil. Schöne Innenhöfe und gepflegte Grünflächen geben ihm ein besonderes Flair.

 

Der Empfehlung des freundlichen Barkeepers, auf jeden Fall einen Singapore Sling zu probieren, kommen wir gerne nach. Das hervorragend gemixte, wenn auch zu süße Getränk entschädigt für den hinter uns liegenden Fußmarsch.

 

Ein auf dem Tisch liegender Flyer lässt uns wissen, dass sich im nahen Kolonialviertel am Ufer des Singapore Rivers eine Statue befindet, die Sir Stamford Raffles darstellt. Sie wurde an der Stelle errichtet, an welcher der Gründer Singapurs, Sir Stamford Raffles, erstmals an Land ging und damit den Beginn der Entstehung des neuen Singapur einleitete. Das bronzene Original, ist nur wenige Meter von der Statue entfernt, vor der Victoria Memorial Hall zu sehen.

Eingerahmt vom Singapur River gibt es im Kolonialviertel einige der berühmtesten Sehenswürdigkeiten und Gebäude. Das alte Parlament und das Rathaus bilden das historische Zentrum der Stadt. Daneben sind hier die wichtigsten Regierungsgebäude zu finden, darunter der Supreme Court, der Oberste Gerichtshof.

Wir lesen, dass ein Rundgang durch dieses Viertel für jeden Besucher Singapurs unerlässlich sei. Wir sind zwar sehr trainierte Geher, glauben aber nicht, dass wir während unseres Stopover all das sehen können, was uns empfohlen wurde und wird. Heute Abend wollen wir uns aber auf jeden Fall in das bunte Treiben der Orchard Road stürzen. Im Hotel hat man uns geraten, dies auf keinen Fall zu versäumen. Schließlich sei Vorweihnachtszeit. Während dieser Zeit sei die Orchard Road etwas Einmaliges, etwas wirklich Besonderes. Jeder abendliche Besuch dort sei jetzt ein endloses Schwelgen in bunten Farben angesagt.

 

Während wir den Drink genießen, dreht sich unser Gespräch um die Fotos, die wir heute schon in unserer Kamera abspeichern konnten und welches Ziel wir als nächstes ansteuern werden. Die Entscheidung fällt zugunsten des Merlion an der Marina Bay, des Kolonialviertels und der Statue Sir Raffles. Wir leeren die Gläser, machen noch einige Erinnerungsfotos und brechen auf.

Der Weg vom Hotel zurück zur Bras Basah Rd, dann durch den War Memorial Park, vorbei am Esplanade Park und weiter entlang der Connaught Street bis zum Ziel ist nach knapp zwölf Minuten geschafft.

Der War Memorial Park wurde im Gedenken an die vielen zivilen Opfer unter der japanischen Besetzung während des Zweiten Weltkriegs angelegt. Im Zentrum des Parks wurden vier einundsechzig Meter hohe weiße Säulen errichtet, welche die vier ethnischen Gruppen Chinesen, Malaien, Inder und Angehörige anderer Völker repräsentieren. Unter diesen Säulen wurden die sterblichen Überreste der in den 60er Jahren aus Massengräbern hierher umgebetteten Kriegsopfer beigesetzt.

 

Vom War Memorial Park können wir auf die fünf hohen Türme von Suntec City blicken. Verschiedene Reiseführer beschreiben diesen Komplex als das größte und schönste Einkaufszentrum der Stadt. Der kleinste dieser Tower hat 18, die vier anderen Türme haben je 45 Etagen. Neben 200 Läden, Ausstellungsräumen und diversen Büros beinhaltet die Suntec City Mall auch einen Supermarkt der französischen Kette Carrefour. Rechts vom Park verlaufen die Beach Rod und dahinter die Stamford Road, welche direkt vor dem Raffles City Shoppingcenter vorbeiführt.

Dieser gigantische Komplex beherbergt unter anderem die Hotels Fairmont Singapur, Swissotel, The Stamford und das neue Raffels. Zahlreiche Restaurants, mehrere Konferenzräume und eine riesige Shoppingmall vervollständigen das moderne Zentrum, unter dem eine unterirdische Verbindung zu den Suntec Towers verläuft.

 

Der zentral gelegene Esplanade Park galt in der Kolonialzeit als einer der beliebtesten Parks der Stadt. Seine schönen Spazierwege und eine phantastische Sicht auf Singapurs Skyline ziehen auch heute noch Touristen und Einheimische magisch an. Wie mir heute, da ich die Höhepunkte unserer Reise zu Papier bringe, bekannt ist, wurden auf einem Großteil der Parkfläche zwischenzeitlich die Esplanade Concert Hall, das Esplanade Theatre On The Bay, die Esplanade Library, die Esplanade Shopping Mall, einige Restaurants und anderes mehr errichtet und nach sechsjähriger Bauzeit im Jahr 2002 eröffnet.

An der in der Nähe der Victoria Concert Hall und dem Asian Civilisation Museum gelegenen Statue Sir Raffles verweilen wir einige Minuten und bestaunen von dort aus die auf der anderen Seite des Flusses zu sehende Skyline. Vor dem Fuß der hoch aufragenden Gebäude befinden sich Reihen kleiner Häuser, deren bunte Dächer und Architektur in totalem Gegensatz zu den hinter ihnen liegenden Hochbauten stehen.

Der Barkeeper des Raffles hatte uns erklärt, dass sich am Singapur River früher Lagerhaus an Lagerhaus gereiht und ein geschäftiges Treiben geherrscht habe. Hier habe das Herz der Stadt pulsiert und von hieraus hätte sich Singapur zur Großstadt entwickelt. Durch den errichten Seehafen und den ständig bedeutender werdenden Containerverkehr sowie den Bau und die Nutzung immer größerer Schiffe verloren die Lagerhäuser und damit einhergehend die Flussschiffahrt ihre Bedeutung. Die Häuser entlang des Rivers wurden nach und nach aufgegeben und verfielen. Der ansteigende Tourismus führte dazu, dass man den Stellenwert der Erhaltung dieses historischen Bereichs erkannte. Die Häuser wurden aufgekauft und restauriert. Heute ist der Singapore River im Bereich des Boat- und Clarke Quays ein touristischer Magnet. Die vielen Restaurants, Diskos, Bars und die verschiedensten Geschäfte ziehen ab dem späten Nachmittag eines jeden Tages tausende Besucher aus aller Welt in ihren Bann.

 

Leider fehlt uns die Zeit, es ihnen gleich zu tun. Unser Weg führte uns vom Empress Place über die Cavanagh Bridge, die den Singapore River überspannt. Die als verkleinerte Nachbildung der Londoner Tower Bridge erbaute Stahlkonstruktion ist die einzige Hängebrücke und eine der ältesten Brücken in Singapur.

Als einzige Fußgängerbrücke der Stadt stellt sie die günstigste Verbindung zwischen der am nördlichen Ufer gelegenen Fußgängerzone des kulturellen Viertels und des Geschäftsviertels im Süden des Flusses dar. Kein Besucher der Stadt sollte die Überquerung des Singapore Rivers und den von hier möglichen grandiosen Rundumblick verpassen.

Am Zugang der Brücke weist der Text eines Schildes darauf hin, dass das Begehen und Befahren nur Fußgängern und Radfahrern, Pferden und Ochsenkarren gestattet sei. Für die beiden Letztgenannten galt das laut Reiseführer jedoch nur in der Vergangenheit, denn der Hinweis auf dem Gebotsschild datiert aus dem Jahr 1910.

 

Nach dem Überqueren der Brücke bewegen wir uns in Richtung Flint Street und biegen wenige Meter weiter nach links auf den Fullerton Square ab. Auf der rechten Seite, am Ende des Piers vor dem Fullerton Hotels, erkennen wir schon Singapurs Wahrzeichen, den Merlion, den wir bald erreicht haben. Da sitzt es, Singapurs Wappentier, und wacht über die Stadt. Wendet man sich an seiner Seite stehend herum, öffnet sich der Blick auf die Hochhäuser der Skyline, die das Fullerton Hotel um ein Vielfaches überragen.

Hier, so nahe dem Schutzpatron Singapurs, belohnen wir uns mit einigen schönen Erinnerungsfotos für die verbrauchten Kalorien, welche wir auf der Strecke verloren haben.

 

Die Dunkelheit hat bereits langsam eingesetzt und lässt die Finger ihrer Schatten in jeden Winkel hineindringen, der nicht von einem Lichtstrahl erreicht wird. Die jetzt überall aufleuchtenden farbigen Lichter umgeben den wasserspeienden Fischlöwen mit einer besonderen Aura. Doch die vor unseren Augen aus der Dunkelheit erwachsenden schönen Bilder ändern nichts daran, dass wir unsere Füße erneut in Bewegung setzen müssen. Das Ziel, welches wir jetzt ansteuern, heißt Orchard Road. Auf die andere Seite des Flusses zurückgekehrt, legen wir bei der jetzt von Lichtern angestrahlten Raffles-Statue noch eine kurze Rast ein. Danach verlieren wir etwas die Orientierung und landen letztlich noch einmal vor dem Raffles Hotel, welches jetzt im vorweihnachtlichen Lichterglanz erstrahlt.

Nach einigen abendlichen Fotos vor und im Raffles und einem anschließenden weiteren kleinen, unnötigen Umweg treffen wir auf der Höhe des Bras Basah Parks auf die Orchard Road.

 

Schon in diesen noch frühen Abendstunden ist die Straße mit flanierenden Menschen und Autos überfüllt. Wir sind überwältigt von dieser irren, Farborgie der weihnachtlichen Lichter und Dekorationen, die uns auf beiden Seiten der Orchard Road empfängt und während unseres Bummels bis zur Ecke der Claymore Road begleitet.

Entlang dieser berühmten Straße steht Kaufhaus an Kaufhaus dicht aneinander. Selbst wenn wir es zuhause später Freunden und Bekannten erzählen, niemand von ihnen kann sich vorstellen, was hier abgeht, wenn er nicht selbst einmal hier war! Es ist auch nicht beschreibbar, denn mit Worten kann man das, was einen hier erwartet, nicht bebildern. Ein Tag hat nicht genug Stunden, er würde nicht ausreichen, jedes Einkaufszentrum, jedes Restaurant aufzusuchen.

Zu zahlreich und zu groß sind die sich in diesem Bereich befindenden Gebäude, Luxushotels, Coffee Shops, Restaurants, die vielen Schnellrestaurants nach amerikanischem Vorbild und die Modehäuser und Parfümerien.

Eines der exklusivsten Kaufhäuser für betuchte Käufer ist das Ngee Ann City. Es gibt keine einzige der bekannten Luxusmarken, die hier nicht angeboten würde. Doch auch der normale Käufer findet im angrenzenden Takashimaya, welches einer japanischen Kaufhauskette angehört, aktuelle Mode zu moderaten Preisen.

 

Zusammen mit tausenden anderer Menschen lassen wir uns über die Gehwege und Plätze dieser Stadt vorwärts schieben. Ein unbeschreibliches Stimmengewirr, zusammengesetzt aus vielen fremden Sprachen umgibt uns und lässt kaum ein Gespräch zwischen uns beiden zu. 

Am Straßenrand bieten die Betreiber der Sushi- und Satay-Stände ihre Speisen an, Gerüche und Dünste kriechen in unsere Nasen, erwecken unsere Mägen, erinnern daran, dass wir noch nichts gegessen haben.

Auf der vierspurigen Straße blasen die Motoren der vielen Toyotas, Mazdas, Hyundais, Hondas und Nobelkarossen ihre Abgase in alle Richtungen. Mich verwundert, dass sich darunter auch Karossen teurer Prestigemarken befinden, habe ich doch gelesen, dass die importierten Fahrzeuge in Singapur mit bis zu zweihundert Prozent besteuert werden.

Die sowohl über der Straße als auch an den Fassaden und Bäumen in großer Fülle angebrachten Weihnachtsdekorationen erschlagen uns fast mit ihren Farben. Sie sind großflächig, hell leuchtend, schillernd, beeindruckend, berauschend und doch wieder kitschig. Solch eine Farbenpracht wird sonst höchstens beim Abschlussfeuerwerk der Kölner Lichter geboten. Aber das nur für einen begrenzten Teil einer Stunde. Doch hier bleiben die Symphonien in Rot, Blau, Silber, Gold, Grün und all den anderen Farben für einige Wochen an ihren Plätzen, bieten sich den Augen immer neuer Besucher dar. Fast aus jedem der Geschäfte ertönen Weihnachtslieder. Die Songs “Rudolph, The Red-Nosed Reindeer, Let It Snow, Jingle Bells und White Christmas” haben die ersten Positionen der Top Five eingenommen.

 

Wenn sich künftig noch einmal jemand über das Bunte und Laute während der deutschen Weihnachtzeit beklagen sollte, werden wir ihm empfehlen, diese Zeit in Singapur zu verbringen.

 

Doch irgendwie ist das Ganze auch schön, faszinierend und anregend. Wir freuen uns, mitten in diesem menschlichen Strom mitschwimmen zu dürfen, all das hier zu erleben. Nur etwas fehlt uns, und das ist ein etwas aufgetankter Magen. Wir entscheiden uns für eines der vielen Kaufhausrestaurants, stehen dort etwas ratlos vor den Fotos der angebotenen Speisen. Den Gesichtern der Gäste an den Tischen ist abzulesen, dass ihnen das Essen hier schmeckt. Also tippen wir auf eines der Fotos und erhalten bald darauf das Gewünschte.

Wir wissen nicht genau, was es ist, aber es schmeckt vorzüglich. Dann drängeln wir uns wieder nach draußen und fädeln in die noch länger gewordene Menschenschlange ein. Lassen uns von ihnen an Straßen und Plätzen vorbeischieben, deren Namen Scotts Road, Carnhill Place und Cuppage Road auf längst verstorbene Personen hinweisen, die zu ihren Lebzeiten genau an diesen Stellen auf ihren Plantagen Obst, Nüsse und anderes ernteten.

 

Die Entfernung vom Bras Basah Park bis zur Claymore Road beträgt etwa zwei Kilometer. Doch in so einer Menschentraube können zweitausend Meter, die man auch wieder zurücklaufen muss, sehr lang sein. Besonders dann, wenn man schon vorher viele Schritte auf dem Asphalt gegangen ist. Wir spüren unsere Füße und nehmen dies zum Anlass, an unserem vorgesehenen Wendepunkt tatsächlich umzukehren.

Nun geht das Gedränge und Geschiebe in die umgekehrte Richtung. 

Wenn auch aufgrund der zunehmenden Müdigkeit etwas gehemmter, nehmen wir nochmals den unermesslichen Wahnsinn der Farbenpracht der Orchard Road, die verschiedenen Gerüche, die Musik, die Menschen, deren Stimmen und als Zugabe die von den Fahrzeugen produzierten Abgase in uns auf. 

 

An der Einmündung zur Cavanagh Road biegen wir nach links ab und erreichen nach wenigen Metern unser Hotel. Für heute haben wir genug. Wir fühlen uns wie zerschlagen. Vor den Augen kreisen noch immer bunte Farben, in den Ohren hallt der von tausenden Geräuschen angeheizte Lärm der Orchard Road nach. Doch können wir eine gewisse Hochstimmung nicht verleugnen. Während weniger Stunden haben wir sehr viel erlebt, haben Teile einer interessanten Stadt voller Leben gesehen, Bilder in uns aufgenommen, die wir nicht mehr vergessen werden.

 

Am nächsten Morgen lässt ein Blick aus dem Fenster einen zunächst grauen Himmel erkennen. Während des Frühstücks lassen wir den gestrigen Tag noch einmal Revue passieren und einigen uns dann auf unser heutiges Tagesprogramm, den Besuch des Zoos von Singapur.

 

Wir haben nur noch die wenigen, verbleibenden Stunden dieses Tages, um uns noch etwas umzusehen. Da der Weiterflug nach Melbourne und Sydney noch heute Abend bevorsteht, haben wir uns für eine etwas ruhigere Gangart entschieden. Als wir den Platz draußen vor dem Hotel betreten, klart der Himmel auf und zeigt bald sein schönstes Blau.

 

Die Station Somerset, an welcher der “Mass Rapid Transit“ hält, ist nach wenigen Minuten erreicht. Von hier fahren wir in kaum mehr als einer Stunde zum Zoo, der inmitten einer riesigen Naturschutzzone liegt, welche den Einwohnern der Stadt auch als Naherholungsgebiet dient.

Die Ausmaße des Zoos sind nicht nur für die Augen, sondern auch für jedermanns Füße überwältigend. Nach der gestrigen langen Tour sind die unsrigen über ihren neuerlichen Einsatz nicht besonders erfreut.

Gottseidank bietet der Zoo viele Sitzgelegenheiten an, die wir auch immer wieder dankend in Anspruch nehmen. Das wiederum führt dazu, dass wir Zeit sitzend verschwenden und uns deshalb bei der Besichtigung des phantastisch angelegten Geländes nur auf Besonderes konzentrieren.

Die Gehege der Löwen und weitgehend auch der Elefanten, Nashörner und Flusspferde schließen wir aus unserem Laufplan aus. Diese liebenswerten Tiere haben wir während verschiedener Aufenthalte in den freien Wildbahnen der Nationalparks Kenias zur Genüge kennengelernt. Diese Erlebnisse können von einem Zoo nicht getoppt werden.

In diesem Tierpark widmen wir uns besonders den weißen Tigern, den Orang-Utan, den Nasenaffen mit ihren großen, gurkenförmigen Riechorganen und den mit den Meerkatzen verwandten Mandrille.

Die Mandrille sind nach den Menschenaffen die größten Primaten. Sehr gefährlich aussehend sind sie ein, wie der Wiener sagen würde, Schmankerl für die Augen. Ihr olivgrün gefärbtes dichtes Fell, der gelblich-graue Bauch und die purpurn bis rötlich leuchtende, unbehaarte Gesäßregion schenkt ihnen ein sehr extravagantes Aussehen. Die Nase der Männchen ist leuchtend rot und zeigt entlang des Nasenbeins auf beiden Seiten je sechs blaue Furchen. Ein wie ein gelber Bart aussehender Bereich unter dem Gesicht und eine Schultermähne komplettieren das tolle Bild, das so ein Bursche darstellt. Die Mädels unter ihnen sind etwas schlechter gestellt. Ihre Farben und Zeichnungen sind weniger leuchtend, als die ihrer männlichen Kollegen.

So wie die Mandrille zählen auch die Nasenaffen zu den Verwandten der Meerkatzen. Nur die männlichen Angehörigen tragen die auffallende Gurkennase. Ihren Partnerinnen wurden die Erlaubnisscheine zum Tragen dieses hervorstechenden, pardon, herunterhängenden Merkmals hierfür offensichtlich bisher noch nicht ausgehändigt.

Die Gruppe, die wir in ihrem Freigehege beobachten können, wirkt interessenlos, denn ihre Mitglieder sitzen nur träge vor sich hindösend auf Ästen und starren in den vor Ihnen liegenden Teich. Der Hinweis auf einem Schild lässt uns wissen, dass diese Affenart zu den besten Schwimmern und Tauchern unter allen Primaten zählt.

 

Wir gehen weiter und erreichen das weitläufigen Gehege der weißen Tiger, vor dem einige hundert Besucher ihre Körper gegeneinander drängen, um einen der Plätze in der ersten Reihe zu erobern. Wir haben das Glück, bei unserem Eintreffen durch eine Lücke direkt bis nach vorn stoßen zu können, bleiben einige Minuten vor dem Gitter der weiten Anlage stehen und bewundern die dahinter vor sich hindösenden oder umherwandernden, prächtigen Raubkatzen.

 

Der absolute Höhepunkt erwartet uns bei den aus Sumatra stammenden Orang-Utans. Ein Höhepunkt deshalb, weil hier die Angehörigen einer großen Menschenaffenfamilie all das zeigen, was sie uns an Kunststücken, Spiel und Lebensfreude darbringen können. Klein und groß tobt und jagt kreuz und quer durch das große, dem Dschungel nachempfundene Gelände. Felsbrocken, Baumstümpfe und Äste werden ebenso in die wilde Jagd einbezogen, wie Klettergerüste, Schaukeln und täuschend echt aussehende Lianen.

In den vom Toben unberührten Zonen sitzen die, welche ihre Ruhe haben möchten, entfernen sich gegenseitig Parasiten aus dem Haarkleid. Andere halten sich an den Händen oder kuscheln sich aneinander. Gemütlich in einer Astgabel liegend und dabei den Ellbogen aufstützend, verzehrt einer genüsslich eine Orange. Ein anderer, ebenfalls in der Gabel eines Baumes hängend, hat seinen rechten Arm hinter seinem Hals vorbeigeführt und mit der geöffneten Innenhand unter sein Kinn geführt.

Sein nachdenklicher Gesichtsausdruck lässt darauf schließen, dass er über die Menschen nachdenkt, die auf der anderen Grabenseite des Geheges stehen und ihn und seine Kumpels anstarren. Einer, der nur wenige Meter weiter im Grün sitzt, schaut derart verschmitzt in die Objektive der klickenden und surrenden Kameras, dass es eine Freude ist, sein Portrait mit nachhause zu nehmen.

 

Der Übersichtsplan des Zoos informiert sehr ausführlich über diese lustige Gesellschaft. Sumatra-Orang-Utans gehören zu den tagaktiven Waldbewohnern. Diese stark vom Aussterben bedrohte Art zählt zu den Pflanzenfressern, die sich von Früchten, aber auch von Blättern, jungen Trieben und Baumrinde verschiedenen Insektenarten ernähren.

Sie führen eine baumbewohnende Lebensweise und verfügen deshalb über einen Körperbau, der es ihnen dank ihrer langen, beweglichen Arme und verhältnismäßig kurzer Beine ermöglicht, flink auf Bäume zu klettern und sich dort zu bewegen. Hilfen dabei sind ihre hakenförmigen Hände und die handähnlichen Füße. Ihre Nachtruhe verbringen sie in einem Blätternest, welches meist nur einmal verwendet wird.

Die männlichen Affen können eine Größe von bis zu anderthalb Metern erreichen und bis zu neunzig Kilogramm schwer werden. Sie sind geschickte Handwerker und benutzen Holzstöcke zum Graben, Kämpfen und um ihr eigenes Fell zu kratzen. Gegen zu heiße Sonne schützen sie sich mit großen Blättern, die sie über ihren Kopf halten.

´Dieses Können haben sie sicher der Technik der Zoobesucher abgeguckt´, denke ich, ´in diesen tropischen Breiten gießt es ja oft genug in Strömen´.

 

Leider müssen wir diese begeisternde Affenshow verlassen. Die Zeit drängt, schließlich wollen wir unseren Flug nach Down Under nicht verpassen.

An Gehegen, die unterschiedliche Primatenarten beherbergen, und an einem großen Felsen vorbei, auf dem sich eine große Horde Paviane vergnügt, machen wir uns auf den Weg zum Ausgang. Im danebenliegenden Schnellrestaurant nehmen wir noch schnell einen kleinen Imbiss zu uns und eilen danach zur Metro-Station.

Wir haben Glück, die Schnellbahn in Richtung Stadtmitte fährt erst in sechs Minuten ab. Das bedeutet, dass wir gegen 18.30 Uhr zurück in unserem Hotel sein werden. Auf irgendeine Art sind wir froh, die laute, pulsierende Metropole heute verlassen zu können. Wir haben das von ihr gesehen, was möglich war. Doch nun freuen wir uns auf den roten Kontinent, den wir morgen früh in Sydney zum zweiten Mal betreten werden.

 

Die wenigen, für das Check-Out am Abend erforderlichen Formalitäten sind schnell erledigt. Schon kurze Zeit später treibt der hoteleigene Bus mit uns als Last im Strom des starken Abendverkehrs dem Airport entgegen. Exakt um 22.30 Uhr hebt die Maschine der Qantas zum Flug nach Sydney vom Boden ab. Der Flugplan sieht einen Zwischenstopp in Melbourne vor. Von dort wird der Flug zu einer der schönsten Städte Australiens fortgesetzt. Die voraussichtliche Ankunftszeit in Sydney ist für 9.55 Uhr Ortszeit zu erwarten.

 

Während des ruhigen Flugs unterhalten wir uns über die seit dem Antritt unserer Reise vergangenen Tage und Ereignisse und denken nochmals an den jetzt zwei Jahre zurückliegenden ersten Aufenthalt in Australien. Damals waren wir erheblich aufgeregter als es heute der Fall ist. Ich erinnere mich gut an den ersten Tag mit dem Auto im Frühverkehr Sydneys. Nachdem wir dort ein paar schöne Tage verbracht hatten, übernahmen wir am Airport nach kurzer Einweisung einen Mietwagen und unsere Tour in Richtung Norden begann.

 

Zu unserem Leidwesen mussten vom südlichen bis zum nördlichen Ende Sydneys rund neunzig Kilometer zurückgelegt werden und das zur morgendlichen Rushhour, die Zeit in der die Stadt wohl alle die in ihr gemeldeten Fahrzeuge auf die Straße schickt. Ich fädelte mich auf die linke der in den Norden führenden sechs Spuren ein.

 

Ungewohnter, nicht trainierter Linksverkehr umschloss uns. Das auf Rechtsfahren trainierte deutsche Gehirn kämpfte gegen den Willen der Hände, die das Fahrzeug krampfhaft auf der linken Straßenseite zu halten versuchten.

Ein mir fremdes Auto, der Fahrersitz und das Lenkrad rechts und ich daran klebend.

Blinker- und Scheibenwischer, Gangschaltung, ebenso die Handbremse, das Schloss des Sicherheitsgurts, alles auf der falschen Seite.

Unzählige Fahrzeuge, ringsumher und überall, immer neue Richtungsänderungen, bremsen, anfahren, dazu eine Partnerin, die ohne das gewohnte Lenkrad links sitzend von diesem Tohuwabohu mehr als ich genervt war. Die mir immer wieder zurief, ich solle doch nicht so weit links fahren.

  

„Links ja, aber doch nicht soooviel!“

 

Bei diesen Worten hin und her rutschend, mit dem Fuß nach dem Bremspedal suchend, um dieses als Rettungsanker benutzen zu können.

Zum Glück hatte der Fahrzeughersteller auf ihrer Seite keins eingebaut.

 

Unzählige Mal habe ich bei dem Versuch, einen anderen Gang einzulegen mit dem rechten Handrücken vor die Fahrzeugtür geschlagen, weil ich vergaß, dass der Hebel in diesem Auto doch links ist.

Mehrfach habe ich die Fahrer hinter mir damit genervt, dass ich den Blinker zu spät setzte. Dafür war aber der Scheibenwischer auf Tour, denn der war dort, wo in die Fahrzeuge zuhause der Schalter für den Blinker eingebaut wird.

 

Der Beginn der Reise war endloser Stress. Erst als die nördlichsten Vororte erreicht und durchfahren waren, wurde es ruhiger.

 

Wir auch!

 

Ab dem zweiten Tag wurde das Fahren auf der linken Seite schon zur Routine. Am Ende der Reise hatte ich mich dann dermaßen an den Linksverkehr und die umgekehrte Anbringung der Hebel im Auto gewöhnt, dass ich mich zuhause angekommen zunächst in meinem eigenen Pkw nicht mehr zurechtfand. Diese damaligen Anlaufprobleme werden bei unserer jetzt noch am Anfang stehenden Reise keine Rolle mehr spielen, da bin ich mir ganz sicher.

 

 

 

Traumstadt Sydney

 

 

 

Trotz einer beim Anflug durchflogenen Schlechtwetterzone, in der die Maschine ziemlich durchgerüttelt wurde, ist die Landung auf dem internationalen Airport Melbourne problemlos. Es sei denn, man sieht das, was wir vor zwei Jahren schon einmal erlebt haben, als Problem an.

 

Während des Landeanflugs vor Sydney kam etwas auf uns zu, dem wir nicht entgehen konnten. Es waren die Stewardessen, die mit Spraydosen bewaffnet und aus diesen Dingern sprühend durch die Gänge schritten, um über den Köpfen der Fluggäste Wolken aus Insektenspray zu hinterlassen.

Dies sollte gewährleisten, dass keine Malariamücke oder ähnliches nach Australien einreist und sich dort verdrückt. Ich kam mir nach dieser Aktion jedenfalls vor, als sei ich eine Motte, die bald ihr Leben aushauchen würde.

 

Auch über Melbourne wird uns heute dieses eklige Geschenk präsentiert. Zu diesem Zeitpunkt wissen wir noch nicht, dass wir die Restfüllung aus den Dosen vor Sydney als Zugabe erhalten.

 

Es ist 7.40 Uhr.

Die Zeitverschiebung zu der aktuellen Ortszeit in Singapur beträgt zwei Stunden. Ein Blick durch das Fenster lässt graue, regenschwere Wolken erkennen, die gerade ihre nasse Last ausklinken und zur Erde hinab senden. Eine neben mir auf der anderen Gangseite sitzende Australierin klärt mich darüber auf, dass es in der Region Melbourne schon seit mehreren Wochen immer wieder starke Regenfälle gegeben hätte. Die ständige Nässe sei keine Freude für die Landwirte und Weinbauern, deren Ernten bereits im letzten Jahr sehr schlecht ausgefallen wären.

Auch sie selbst sei nicht “happy“ über die herabfallenden Regenmassen. Die Sonnenwärme Malaysias habe sie verwöhnt und nun müsse sie sich am Flughafen gleich in dieses “very terrible weather“, dieses sehr schreckliche Wetter stürzen.    

Nachdem das Flugzeug an der Fluggastbrücke angedockt und die Freigabe zum Auschecken erteilt wurde, verlässt sie uns mit den besten Wünschen für einen guten Weiterflug, dessen Start für 8.30 Uhr vorgesehen ist. Bis dahin verharren wir geduldig in unseren Sitzen, warten, bis alle zusteigenden Passagiere an Bord sind und darauf, dass es weitergeht.

Der Start erfolgt fast auf die Minute. Tausende PS treiben das Gewicht sehr vieler Tonnen Stahl, Kunststoffe, Treibstoff und das geringe Volumen an Mensch nach oben, stoßen sie durch dicke, dunkle Wolkenschichten, bis diese unter uns zurückbleiben. In gleißendem Sonnenlicht schweben wir nun über weißen Daunen dahin, aus denen hier und da hohe Wolkentürme emporwachsen. Mit der Hoffnung, dass die Regenfronten nicht bis Sydney reichen, fliegen wir dieser schönen Stadt entgegen. Wenn es zu keinen wetterbedingten Störungen kommt, werden wir dort gegen zehn Uhr landen.

 

Als der Sinkflug beginnt, kommt es wieder!

Das Gefühl, ein Insekt zu sein, welchem es untersagt ist, sich in Down Under niederzulassen. Stinkende Sprühnebel schleichen um unsere Köpfe, dringen in Augen, Mund und Nase ein, hemmen das Einatmen und zwingen zum Luftanhalten. Wir sind dem Geruch von Mottenkugeln jetzt mit Sicherheit sehr ähnlich. Doch das wird bald vorbei sein. Ab heute wird Australien uns jeden Tag mit der Freundlichkeit seiner Menschen, den weißen Stränden und vielen anderen Dingen für das Erlittene entschädigen.

Der Pilot gönnt seinen Passagieren noch einige Minuten Sydney von oben und setzt nur Momente später seinen Arbeitsplatz mit einem kleinen Ruck auf die Landebahn des Airports von Sydney.

Um 9.55 Uhr befindet sich die Maschine in ihrer Ruheposition und wir dürfen auschecken.

 

Nachdem wir alle Sicherheitsbarrieren überwunden haben, stolpern wir fast über die Vielzahl freundlich lächelnder Duty-Free Verkäuferinnen, die uns buchstäblich im Weg stehen. Denn der zu den Gepäckbändern führende Gang führt direkt zwischen den Regalen unzähliger Airport-Shops hindurch, in denen sehr viel Krimskrams und teure Waren angeboten werden.

 

Der etwa neun Kilometer südlich des Stadtzentrums gelegene “Kingsford Smith International Airport“, kurz Sydney Airport genannt, ist der größte Flughafen Australiens. Von hier fahren wir mit dem Shuttlebus zum “The Chateau Hotel” welches in der Macleay Street liegt, die sich ungefähr in der Mitte zwischen Potts Point und der Elisabeth Bay befindet.

 

Über den Southern Cross Drive und weiter über die South Dowling Street vorbei am rechts zusehenden Sydney Jewish Museum, dem Jüdischen Museum, erreichen wir die Darlinghurst Road, welche sehr bald in die Macleay Street übergeht.

Die Haltestelle, an der wir aussteigen müssen, liegt fast unmittelbar vor dem Hotel. So haben wir mit unserem Gepäck nur wenige Meter zurückzulegen.

 

Schon während unseres ersten Aufenthaltes in Sydney haben wir in diesem Hotel übernachtet. Es ist ein zwar kleines, aber gemütliches Haus mit einem sehr guten Service und akzeptablen Preisen. Der Botanische Garten, das Opera House, die Stadtmitte und vieles andere mehr sind von hier sehr schnell erreichbar.

 

Wie bereits schon bei der Buchung in Deutschland vereinbart, wurden an der Rezeption von einer in Sydney angesiedelten, uns während der Reise in eventuellen Notfällen betreuenden Agentur, Straßenkarten, Informationen, Reiseführer und vieles andere für uns hinterlegt.

 

Nun sind wir also zum zweiten Mal in diesem gepflegten Haus!

 

Es ist Mittagszeit. Egal, wir sind hundemüde und sehnen uns nur noch nach einem Bett. Wir schlafen den restlichen Tag und weiter bis zum nächsten Morgen.

Nach einem Blick vom Balkon auf die vor unseren Augen im Licht der Morgensonne leuchtende Skyline der Stadt und einem Frühstück, das für uns keine Wünsche offenlässt, will meine Frau zur ersten Entdeckungsfußtour in Richtung Opernhaus.

Es sei allerdings besser, sagt sie scherzhaft, wenn ich mitkäme. Wegen der Verständigung, wegen der englischen Sprache, in der ich doch mehr trainiert wäre. Nun gut, ich habe sowieso nichts anderes vor, also marschieren wir gemeinsam los.

 

Unterwegs erwerbe ich in einem Transit Shop zwei Sydney Explorer Tickets, welche es uns ermöglichen, an drei aufeinander folgenden Tagen alle in der Stadt fahrenden Busse und Bahnen ohne weitere Kosten in Anspruch zu nehmen.

Nachdem wir die Woolloomooloo Bay passiert haben erreichen wir dann auf herrlichen Fußwegen mit “Mrs. Macquarie`s Chair“ einen der beliebtesten Aussichtspunkte Sydneys. Dieser steinerne Stuhl wurde im Jahr 1810 von Strafgefangenen aus Sandstein gemeißelt und der Frau des Gouverneurs Macquarie gewidmet.

 

Von hier aus sind sehr gut das Sydney Opera House, die Harbour Bridge und das auf einer gegenüberliegenden Landzunge gelegene Kirribilli House zu sehen, welches als Wohnhaus des amtierenden Premierministers dient, sofern dieser sich anlässlich offizieller Verpflichtungen in Sydney aufhält. Auf einer kleinen Insel vor uns sehen wir die Befestigungsanlage Fort Denison und nach rechts blickend die Woolloomooloo Docklands.

 

Es fällt schwer, sich von diesem beeindruckenden Panorama zu lösen, doch wir müssen leider weiter. Durch die Royal Botanic Gardens, dem Botanischen Garten, wandern wir langsam in Richtung Opera House. Hier und da weichen wir von diesem Weg ab. Legen Stopps beim Visitors Center und den Garden Shops ein, schauen beim Botanic Gardens Restaurant vorbei, das leider noch nicht geöffnet hat, machen einen Abstecher zum Tropical Garden Center. Das Conservatorium of Music lassen wir links liegen und bewegen uns vorbei am Government House weiter zum Opera House.

 

Sydney, im Jahr 1788 gegründet, wird fälschlich oft als die Hauptstadt Australiens bezeichnet, ist jedoch tatsächlich nur die des Bundesstaats New South Wales. Seit ihrer Gründung ist die Bevölkerungszahl der Stadt rasant gestiegen. Waren es um das Jahr 1800 noch ungefähr zweieinhalbtausend Einwohner, sind es jetzt mehr als 4,3 Millionen und damit lebt hier mehr als ein Fünftel der Gesamtbevölkerung Australiens. Zum Vergleich: Canberra, die tatsächliche Hauptstadt Australiens, zählt nur etwa 350.000 Einwohner!

Seit unserem ersten Aufenthalt in Australien haben wir keinen Zweifel daran, dass Sydney eine der schönsten Städte der Welt ist.

Die weitgehend von Buchten und Wasser eingerahmte Stadt ist eine phantastische, lebensfrohe und liebenswerte, pulsierende, sehr verkehrsreiche und doch fußgängerfreundliche Metropole, in deren Stadtgrenzen es viele grüne Naherholungszonen, Wander- und Spazierwege gibt und die für sich mit einer phantastischen Lage entlang des riesigen Naturhafenbeckens des Port Jackson wirbt. Kilometerlange, weiße Sandstrände locken Einheimische und Touristen zum Surfen, Baden und Verweilen ein.

 

Einer der vielen Magneten der Stadt ist das Sydney Opera House. Das am 20. Oktober 1973 nach vierzehnjähriger Bauzeit offiziell von Königin Elisabeth II. eröffnete Wahrzeichen der Stadt ist ein architektonisches Meisterwerk. Sein in der äußeren Form gestaltetes Dach macht auf die meisten Menschen den Eindruck, als seien es geblähte Segel. Anderen kommt es eher vor, als stellten sie hochgestellte Austernschalen dar.

 

Um es mit wenigen Worten auszudrücken:

Das Opera House ist absolut sehenswert und einmalig!

 

Einschließlich der fünf großen Veranstaltungssäle hat das Gebäude fast 1000 Räume. Einen Job als Fensterputzer möchte ich hier nicht haben. 6255 Quadratmeter verbaute Glasflächen würden mir diesen Job doch sehr vermiesen.

 

Nun stehen wir erneut auf der zum Eingang dieses imposanten Komplexes hinaufführenden Treppe, genießen zum zweiten Mal die sich von hier bietende Aussicht auf die Harbour Bridge, auf The Rocks, die Altstadt Sydneys. Wir sehen den Circular Quay und den ein gutes Stück dahinter über alles andere hinausragenden, 305 Meter hohen Sydney Tower, den Fernsehturm, von dem phantastische Rundblicke über die Stadt und den Hafen möglich sind.

Bei gutem Wetter kann man von dort oben die rund achtzig Kilometer entfernten Blue Mountains sehen. Dieser Gebirgszug zählt ebenso zum Einzugsbereich Sydneys wie die rund eine Stunde nördlich gelegene Central Coast, eine Küstenregion, die Touristen und Einheimische gleichermaßen mit malerischen Landschaften, dem Brisbane-Waters-Nationalpark und weißen Sandstränden beschenkt.

 

Wir begehen einen Teil der vielen Räume des Opernhauses, filmen, fotografieren, nehmen Eindrücke von Ansichten und von Aussichten auf Teile Sydneys als Erinnerungen in uns auf.  Wie schon vor zwei Jahren begeistert uns die Architektur dieses phantastischen Wahrzeichens der Stadt. Später schlendern wir Hand in Hand entlang des Circular Quay und vorbei an den Terminals der Sydney Harbour Ferries, von welchen Rundfahrten in die und durch die vielen Buchten möglich sind und an denen Kreuzfahrtschiffe anlegen.

 

Nach der bunten Weihnachtsdekoration, die wir in Singapur erleben durften, fällt besonders auf, dass die Straßenzüge und Geschäfte Sydneys, wenn überhaupt, nur mit sehr dezentem Weihnachtsschmuck auf das bevorstehende Fest aufmerksam machen. Doch wir vermissen die übertriebene Farbenpracht nicht, mit der sich die Löwenstadt präsentierte.

 

Wir sind fröhlich, albern ein bisschen herum, genießen die warmen Sonnenstrahlen. Das Quecksilber des Thermometers ist schon bis zur 26 Grad Marke hinaufgeklettert. Blauer Himmel, eine schöne Stadt, der salzige Geruch des Meeres, Klänge von Musik, Stimmen und Gelächter vieler Menschen, Pizzaduft, Lärm von Boots- und Automotoren – das alles vermischt sich zu einem unbeschreiblichen Gefühl von Lebensfreude.

 

Wir erreichen “The Rocks“, ein Viertel, das als der Geburtsplatz Australiens bezeichnet wird. Hier erbauten die ersten Siedler ihre Häuser, von hier zogen sie ins Land und besiedelten Teile Australiens.

Seit dem Anfang der 1980er Jahre wurden die historisch erhaltenswerten Wohn- und Kaufhäuser sowie die Markthallen dieses ältesten Stadtteils Sydneys restauriert. Viele von ihnen wurden zu Eigentumswohnungen, Galerien, Restaurants, Pubs, Bars, Antiquitätenläden und Souvenirshops oder ansprechenden Modeboutiquen umgestaltet,

 

Bei unserem Bummel durch die Straßen des Viertels stoßen wir auf ein deutsches Restaurant, den Löwenbräukeller. Da es schon Zeit für ein Mittagessen ist, entscheiden wir uns, dieses in diesem stilecht hergerichteten Lokal einzunehmen.

Wüssten wir nicht, dass hier australisches Territorium ist, könnte man annehmen, dass wir im entsprechenden Restaurant in München säßen. Von der Dekoration bis zur Einrichtung, von der Schweinshaxe und vom Bier bis zum feschen Dirndl der Kellnerinnen, alles ist echtes Bayern. Allein deutsch spricht man kaum, geschweige denn bayrisch.

Das Essen ist gut, wir sind satt, und so können wir getrost unsere Stadttour fortsetzen und schlendern nach Miller´s Point hinüber, wo sich unter anderem auch das Sydney Observatory befindet. Vor der von Wolkenkratzern gebildeten Kulisse ist ganz in der Nähe das weiße Gebäude des Sydney National Trust zu sehen. Im 1800 Jahrhundert als Lazarett geführt, sind darin heute mehrere Teestuben, eine Galerie und der National Trust Shop zuhause. In der Kunstgalerie finden während des ganzen Jahres Ausstellungen mit Werken australischer Künstler statt. 

 

Entlang von Kent-, Margaret- und Hunt-Street gelangen wir wieder zum Botanischen Garten und von dort nochmals zum Opernhaus zurück. Die Dämmerung hat bereits eingesetzt, die Dunkelheit wird bald einen Teil der Stadt zudecken. Das Opera House, die Harbour Bridge und alles andere bekommen ein anderes Aussehen. Viele Fenster der Hochhäuser werden zu hellen Augen in dunklen Rahmen. Auf dem gegenüberliegenden Festland und im weiten Rund blitzen immer mehr Lampen und Laufschriften auf.

Aber auch immer mehr Menschen versammeln sich vor der Oper oder flanieren auf und ab. Die Auslöser hunderter Kameras klicken, Blitzlichter senden ihre hellen Strahlen auf Gesichter oder lassen sie irgendwo im Dunkel vergehen. Es macht Spaß, dem quirligen Treiben zuzusehen, mittendrin zu stecken.

 

Doch irgendwann geht auch der schönste Tag zu Ende. Wir müssen zurück. Ziemlich zerschlagen erreichen wir das Hotel. Wir verbringen noch einige Zeit auf unserem Balkon und bewundern die farbige Pracht, welche die Skyline der Stadt in der Dunkelheit bietet. Dann überfällt uns endlose Müdigkeit und wir finden uns bald in unseren Betten wieder.

 

Am nächsten Morgen sind wir schon wieder fit und früh auf dem Weg zu den Anlegestellen der Sydney Harbour Ferries am Circular Quai. Von hier aus nehmen wir an einer Hafenrundfahrt teil, die durch die vielen Buchten des neunzehn Kilometer langen Sydneyer Hafenbeckens führt, das auch Port Jackson genannt wird. Das Schiff passiert die Woolloomooloo Bay und läuft wenig später in die Elisabeth Bay ein, an der auch der gleichnamige Stadtteil liegt. Es folgen die dicht besiedelten Landzungen von Darling Point, Point Piper, Rose Bay und Sharks Point bis hinaus nach Watsons Bay.

Jeder Sydneysider, so werden die in der Stadt lebenden Einwohner Sydneys genannt, der in einer dieser wunderschönen Buchten eines der sicher nicht preiswerten Grundstücke besitzt, darf sich glücklich schätzen. Denn hier liegen ihm die schönsten Teile eines Landes buchstäblich zu Füßen. Auch der Schauspieler Russel Crowe ist hier zu Hause.

 

Nach einer Wende auf dem offenen Meer geht es hinüber in die Hunters Bay und den Stadtteil Clontarf passierend bis zu den Hügeln auf denen sich Killarney Heights befindet. Von dort schippern wir an Mossman vorbei langsam zurück in Richtung der Anlegestellen und tuckern dann an der links zu sehenden Insel entlang, auf der sich Fort Denison befindet, das vor langen Jahren als Gefängnis für Wiederholungstäter diente. Auf der Höhe von Cremorne kreuzt das Schiff bis kurz vor die Harbour Bridge und von dort aus hinüber zu den Anlegestellen.

 

Kein Besucher Sydneys sollte eine der vielen angebotenen Rundfahrten verpassen. Nirgendwo gibt es einen vergleichbaren Ort, welcher so viele Panoramablicke in schöne Buchten, auf das Opera House, die Skyline und die Harbour Bridge erlaubt, die geradezu danach betteln, auf Fotos verewigt zu werden. Bedingt durch die ständigen Richtungswechsel des Bootes ändern sich die Blickwinkel im Minutentakt und geben ständig neue Ausschnitte dieses unbeschreiblichen Panoramas frei.

Eines der gefragtesten Fotomotive ist die 1932 eingeweihte Sydney Harbour Bridge. Schon vor Jahren haben die Aussies ihr wegen ihres hohen, stählernen Brückenbogens den Spitznamen “Coathanger“, Kleiderbügel, gegeben. Mit einer Höhe von 135 Metern und der Spannweite von 503 Metern zählt sie zu den längsten Bogenbrücken der Welt. Jährlich lädt sie tausende Wagemutige ein, den Stahlbogen in luftiger Höhe zu begehen und das Hafenbecken zu überqueren. Auch jetzt ist dort oben eine sechsköpfige Gruppe dieser “Bridgeclimber“ zu sehen, die gerade den Scheitelpunkt des Bogens erreicht hat.

 

Mit etwas wackligen Beinen wieder zurück an Land, nehmen wir auf der Terrasse eines der vielen kleinen Restaurants am Circular Quay Platz. Bei einem guten Lunch und einem ebenso guten Gespräch, lassen wir die gesehenen Bilder nochmals an uns vorbeiziehen.

Danach setzen wir erstmals die am Vortag erworbenen Explorer Tickets für eine Stadtrundfahrt in einem allein dafür vorgesehenen Bus ein.

Neben der Erkundung zu Fuß, ist das die beste Möglichkeit, in kurzer Zeit viele Eindrücke über diese quirlige Stadt zu erhalten. Mit dem Bus werden über zwanzig der sehenswertesten Punkte angefahren. An jedem dieser Stellen kann man das Fahrzeug verlassen, sich ausgiebig umsehen und dann mit einem der auf dieser Linie folgenden Busse weiterfahren.

 

Während der Fahrt ertönen ausführliche Informationen aus den Lautsprechern, welche den Businsassen Kenntnisse über das geschichtliche, politische und wirtschaftliche Leben sowie über die Sehenswürdigkeiten und architektonischen Veränderungen dieser Stadt vermitteln. Für mich heißt das, aufmerksam zuzuhören und gleichzeitig das Ganze in Deutsch an meine Frau weiterzugeben.

Fast drei Stunden später verlassen wir nur einen Katzensprung vom Sydney Tower entfernt den Bus.

Den Blick vom höchsten Aussichtpunkt Sydneys haben wir in unserem Programm für den nächsten Morgen vorgesehen. Durch den gepflegten Hyde Park, in dem wir noch eine Weile an der Archibald Fontaine verweilen, gelangen wir an der St. Mary`s Kathedrale wieder in die zum Hotel führende Richtung.

 

Unsere Füße lassen uns spüren, welche Botschaft wir jedem, der diese Stadt besucht, übermitteln sollten.

Und diese lautet:

Bereite dich gut auf das Schöne vor, das dich hier erwartet. Verschaffe dir vor deinem Besuch ausreichende Kenntnisse über die Historie und alles Wissenswerte über Sydney. Sei dir bewusst, dass du diese Stadt erwandern solltest, um sie wirklich zu sehen und zu erleben. Glaube uns, die Größe des Stadtkerns lässt es zu, diesen in alle Richtungen zu Fuß zu durchqueren.

Bist du hierfür nicht fit genug, verpasst du viel Sehens- und Liebenswertes dieser wunderbaren Metropole. Du musst nicht alles an einem oder an zwei Tagen sehen wollen, denn das ist absolut unmöglich.

Doch wenn du einmal hierherkommst, wird es dir beim ersten Ausblick auf die große Fülle interessanter Sehenswürdigkeiten so ergehen, wie schon tausenden Besuchern vor dir. Du wirst sie lieben, diese schöne Stadt am Port Jackson!

 

Der nächste Morgen sieht uns schon früh auf dem Weg zum Sydney Tower, der von den Einwohnern der Stadt “Centre Point Tower“ genannt wird. Neben dem Observationsdeck sind im so genannten “Turmkorb“ des einschließlich der Antenne 305 Meter hohen Towers noch zwei Drehrestaurants untergebracht.

 

Schon zu dieser frühen Stunde ist am Fuß des mitten im Business District stehenden Fernsehturms schon richtig was los.

Nach dem Kauf der mit einem, in dieser Höhe nicht erwarteten Preis bedachten Besuchertickets, sind wir bald mit einem der drei Aufzüge nach oben zur Besucherplattform unterwegs, die sich auf 251 Metern Höhe befindet. Durch die Glasfenster hat man von hier aus einen imposanten Ausblick.

Ganz egal in welche Richtung man auch schaut, Sydney so hoch von oben ist grandios. Die Aussicht von hier reicht bei gutem Wetter – und das haben wir auch heute wieder – bis zu achtzig Kilometer weit.

Zuerst sehen wir hinunter in die unter uns liegenden Häuserschluchten, lassen dann je nach Standort die Blicke bis zum Pazifik nach Osten, bis zur Botany Bay im Süden, zu den Blue Mountains im Westen und über den Naturhafen Sydneys nach Norden wandern.

Den Bildausschnitt etwas zurücknehmend wandert der Blick über die zahllosen, weißen Strände bis hinüber nach Manly, dann zum Bondi und Nelson Beach. Von dort zurück nach Darling Harbour, nach rechts zum Circular Quay und dem Opera House mit dem angrenzenden botanischen Garten, zur Harbour Bridge mit dem dahinter liegenden Luna Park, weiter bis zur Botany Bay und deren aufgeschütteten Containerhafen, einer Erdölraffinerie und dem Sydney Airport. In diese Bucht segelte die von Captain James Cook geführte “Endeavour“ am 29. April 1770 ein. Cook und seine Crew waren die ersten Briten, die den unbekannten australischen Kontinent betraten.

 

Es ist eine unfassbare, unendliche Fülle von Bildern, die vor den Augen vorbeifliegen. Eine Aussicht, die süchtig nach mehr macht. Und doch müssen wir uns irgendwann aus dieser Höhe verabschieden, unser selbstgewähltes Programm fortsetzen. Gut, dass auch nach unten gefahren werden kann. Denn auf das Nachzählen der von oben herabführenden 1504 Treppenstufen hätten wir keinen Wert gelegt.

 

Nach dem Verlassen des Towers nehmen wir den Weg durch die geschäftige Innenstadt und streben dort dem Queen Victoria Building, kurz QVB genannt, zu. Auf den vier Stockwerken dieses viktorianischen Gebäudes sind zahlreiche Geschäfte zu finden. Seine kunstvolle Architektur steht in krassem Kontrast zu den Hochbauten der Umgebung. Unserem Reiseführer nach besteht das QVB aus einem einhundertneunzig Meter langen und dreißig Meter breiten Block, der sich zwischen der George-, Market-, York- und Druitt Street befindet.

 

Die wechselnde Geschichte dieses Hauses ist lang.

Bei der Eröffnung im Jahr 1898 noch als George Street Market bezeichnet, erhielt es später den heutigen Namen. Zunächst enthielt das Gebäude Kaffeestuben, Einzelhandelsgeschäfte und eine Konzerthalle.

Viele Jahre später wurde aus der Veranstaltungshalle eine Bücherei und die Geschäfte fielen den Büros der Stadtverwaltung zum Opfer. Diese Nutzungsänderung und wahrscheinlich fehlende Mittel sorgten dafür, dass das QVB verfiel. 1959 planten die Verantwortlichen der Stadt seinen Abriss, der jedoch zum Glück unterblieb.

 

In den folgenden Jahren wurde es sorgfältig restauriert und bietet seitdem Einwohnern und Touristen die unterschiedlichsten Einkaufsmöglichkeiten unter seinem Dach, welches von einer großen, zentralen Kuppel dominiert wird. Das aus den bemalten Fenstern, darunter ein radförmiges mit der Darstellung des alten Stadtwappens von Sydney, einfallende Licht, gibt dem Innenraum zusammen mit dem Lichtschein vieler Leuchten ein fantastisches Flair. In jedem der beiden Gebäudeflügel ist eine besondere Uhr zu sehen, die Szenen aus England und Australien zeigen.

Die als “Royal Clock“ bezeichnete Uhr zeigt von neun Uhr morgens bis einundzwanzig Uhr abends zu jeder vollen Stunde Szenen aus dem englischen Königreich, die sich von der Unterzeichnung der Magna Carta durch König Johann ohne Land bis zur Hinrichtung von König Charles, dem Ersten, erstrecken.

Im zweiten Flügel befindet sich die vier Tonnen schwere „Great Australian Clock“, die dem Betrachter dreiunddreißig Szenen aus der australischen Geschichte, sowohl aus europäischer wie auch aus Sicht der Aborigines zeigt. Die Nachbildung eines Jägers der Ureinwohner umkreist ständig die alte Uhr und symbolisiert damit den unendlichen Lauf der Zeit.

Viele weitere Kunstwerke aus der britischen Vergangenheit und historische Schaukästen bereichern und vervollständigen den Innenraum, darunter unter anderem eine in einem Glaskasten untergebrachte, ständig langsam rotierende, lebensgroße Puppe, welche die englische Königin Victoria am Tag ihrer Krönung zusammen mit den nachgebildeten, englischen Kronjuwelen zeigt.

Eingekeilt zwischen hunderten anderer Schaulustiger lassen wir uns an den vielen Geschäften zuerst in die eine Richtung und dann zurück in die andere schieben und sind froh, den Ausgang unversehrt passieren zu können.

Auf den Zutritt in die von hier nur wenige Meter entfernte Einkaufspassage „The Strand Arcade“, deren aus dem 19. Jahrhundert stammende Fassade mit vielen Verzierungen und Glasflächen versehen ist, verzichten wir. Das Wetter ist einfach zu schön, um die Zeit im Inneren von Gebäuden zu vergeuden. Wer es anders mag dem bieten die unzähligen Modetempel und zahlreichen kleinen Boutiquen in der belebten Fußgängerzone zwischen der George, Park, Elizabeth, King und Pitt Street Shoppingmöglichkeiten bis zum Abwinken.

 

Nach einem Cappuccino, den wir gleich um die Ecke im QVB Jet Bar Café einnehmen, entschließen wir uns zu einer Rundfahrt mit einem Explorer Bus, der durch einige der Außenbezirke bis hinaus zum Bondi Beach, einem der berühmtesten, besonders bei Surfern beliebten Strände Australiens, fährt. Auch heute werden wir aus den Lautsprechern mit Informationen über das, was rechts und links zu sehen ist, berieselt. Schon kurz nach dem Verlassen des Zentrums weichen die Wolkenkratzer kleineren Blocks und Wohnhäusern.

 

Die Fahrt geht durch Darlington nach Surry Hills. Stadtteile, in denen sehr viele alte Wohnhäuser und Hotels zu sehen sind, deren Fassaden aus den frühen Jahren des 20. Jahrhunderts stammen. 

Ab und zu hält der Fahrer den Bus an, um seinen Fahrgästen Schnappschüsse auf Sehenswertes zu ermöglichen.

An der weitläufigen Sportanlage vorbei, in der sich auch das Aussie Stadion befindet, geht es weiter durch den Centennial Park, eine der vielen großen, grünen Lungen der Stadt.

Nach kurzer Fahrt durch den Ortsteil Bondi Junction ist Bondi Beach erreicht. Hier können wir aussteigen und für einige Minuten das bunte Treiben am Strand beobachten. Unzählige Menschen vergnügen sich im strandnahen Wasser. Weiter draußen reiten Surfer gekonnt auf den vom Ozean endlos in die Bondi Bucht hineinrollenden, sich hebenden und absenkenden Wellen. Schon seit 1930 suchen hier an den Sommerwochenenden tausende Einwohner und Gäste Spaß Erholung vom Alltag.

Auch heute gleicht der Strand einem Ameisenhaufen. Die vielen Parkflächen zwischen der Campell Parade und dem Queen Elisabeth Drive weisen kaum noch einen freien Platz auf.

Aus den Lautsprecherinformationen im Bus wissen wir, dass sich Sonntag, den 6. Februar 1938 am Bondi Beach etwas Unfassbares ereignete. Bereits am frühen Vormittag befanden sich mehr als fünfunddreißigtausend Menschen am Strand. Es herrschte ein starker, stürmischer Wind, der eine besonders unruhige See verursachte. Es war gegen 15 Uhr, als nach einer ungewohnten Flaute sechs bis sieben unüblich hohe Wellen in die Bucht hineinjagten, die auf ihrem Weg alles mit sich rissen, was sich in ihrem Weg befand. Zu diesem Zeitpunkt befand sich eine große Zahl der Badegäste auf einer weit ins Meer hinausragenden Sandbank. Sie wurden von der ersten Welle erfasst, an den Strand geschleudert, die meisten von ihnen wieder zurück ins Meer gespült und von der nächsten Welle erneut an Land geworfen. Mit jeder nachfolgenden Welle wiederholte sich das Gleiche.

Fast 300 Personen wurden weit hinaus ins Meer getrieben, konnten zum Glück aber von mehr als 70 Rettungsschwimmern an Land geholt werden. Viele von Ihnen waren bewusstlos und mussten noch vor Ort wiederbelebt werden. Fünf Personen starben. Seit diesem Tag wird der 6. Februar als “Black Sunday“, schwarzer Sonntag, bezeichnet.

 

Außer dem Bondi Beach gibt es an den Küsten Sydneys noch neunundsechzig weitere Strände, die zum Baden, Schwimmen und Surfen einladen. Einer der bekanntesten neben Bondi ist der Manly Beach. Alle haben etwas gemeinsam: Sie bieten Erholung, Sportaktivitäten, eine phantastische Natur und sind schnell und gut erreichbar. Doch viele von diesen Stränden sind wegen ihrer unberechenbaren Brandungsrückströmungen nicht nur für geübte, sondern auch für weniger trainierte Surfer gefährlich.

 

Der Interessierte Besucher findet am Bondi Beach während des ganzen Jahres die verschiedenartigsten Veranstaltungen und Events. Der Bondi

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Texte: Günter Claas
Bildmaterialien: Günter Claas
Tag der Veröffentlichung: 10.04.2014
ISBN: 978-3-7309-9904-2

Alle Rechte vorbehalten

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