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Karibuni Kenya

 

 

 

Es ist Mittwoch, der 5. Dezember 1984. Zu einer Zeit, während der überall im Land Hektik und Hast ausgebrochen ist und die Menschen bei den Vorbereitungen und Einkäufen für die bevorstehenden Weihnachtstage in Atem gehalten werden, verlassen wir unseren Heimatort, um dem kommenden Winter zu entfliehen. Unser Ziel für die nächsten vier Wochen ist Kenia. Es ist unsere erste Reise auf den Schwarzen Kontinent. Seit Wochen haben wir uns auf dieses Vorhaben vorbereitet, uns auf dieses Land, seine Menschen, die Natur, den Indischen Ozean, Strand und Sonne gefreut. Bücher und Atlanten wurden gewälzt, um möglichst viel Wissen über dieses Land mit nach Afrika zu nehmen.

 

Der Nachtflug von Düsseldorf nach München verläuft ebenso ruhig, wie der Anschlussflug, der uns über Athen und Kairo nach Mombasa führt. Nach einer perfekten Landung auf dem Moi International Airport am frühen Morgen des nächsten Tages, verlassen wir die Maschine der LTU. Schon auf der Gangway empfängt uns eine feucht-heiße Schwüle, welche uns schnell ins Schwitzen bringt und die Kälte Deutschlands vergessen lässt.

 

Die Pass- und Devisenkontrollen nehmen sehr viel Zeit in Anspruch. Es wird mit afrikanischer Ruhe, sprich Langsamkeit, gearbeitet. Alles wird sehr genau gelesen, überprüft und abgestempelt. Hier gelten die Worte „Pole pole“, langsam, und nicht „Haraka“, das für Schnelligkeit steht.

 

Beim Check Out an der Gepäckkontrolle sieht es nicht anders aus. Auch hier in der Menschenschlange heißt es nur warten. Einen Schritt vor, stehenbleiben, erneut warten.

Die beiden diensthabenden Beamten fragen, ob wir für sie Geschenke aus Deutschland mitgebracht hätten. Unsere Verneinung führt zu einer noch intensiveren Untersuchung der mitgeführten Gepäckstücke.

Die stickige, warme Luft in der Abfertigungshalle reizt auch nicht gerade dazu, Freudentänze aufzuführen oder sich überhaupt schnell zu bewegen. Ich habe den Eindruck, dass ich bereits aus den Hosenbeinen herausschwitze.

 

„Something to declare?“, fragt einer der Beiden.

 

Nein ich habe nichts zu verzollen, denke ich und antworte ihm höflich in Englisch. Er fragt mich, was ich mit meiner Kamera vorhabe und für wen ich sie als Geschenk vorgesehen hätte. Nach einigem Hin und Her wird das Ding dann in meinem Reisepass eingetragen, natürlich mit Wertangabe. Damit ich sie auf keinen Fall unverzollt im Land lasse, wenn ich nach Deutschland zurück fliege.

 

Die Uhr zeigt bereits 9:15 Uhr Ortszeit an, als wir die Kontrolle überstanden haben. Seit der Landung sind bereits drei Stunden vergangen.

Endlich – wir sind durch. Um gleich wieder durch das nächst liegende Gate zu gehen, damit wir den Raum erreichen können, in dem wir auf unseren Weiterflug nach Nairobi warten müssen.

 

Dieser ist für 11:30 Uhr angesagt, doch leider verspätet sich der Start um rund eine halbe Stunde. Gegen 13:00 Uhr erreichen wir Kenias Hauptstadt, von der wir allerdings nichts sehen, da unser Safaribus bereits in der Wartezone vor dem Airport steht, wo der Fahrer darauf wartet, endlich starten zu können. Vor dem Gebäude nimmt uns die Beauftragte eines örtlichen Reisebüros in Empfang und reicht uns dann samt Gepäck an den Fahrer des Kleinbusses weiter.

Mount Kenya – Der Heilige Berg

 

 

 

Außer meiner Frau und mir entern sechs weitere Teilnehmer das Fahrzeug. Die Mannschaft, die während der kommenden acht Tage zusammen sein wird, besteht aus vier Bayern, zwei Berlinern, uns beiden Rheinländern und dem Fahrer. Schon wenig später stellt sich heraus, dass sich hier ein Team zusammengefunden hat, welches frei von Nörglern ist. Außer mir spricht niemand Englisch und das bedeutet, dass ich für die Dauer der Safari der Mittler zwischen Team und Fahrer sein werde. Schon bald umgibt uns eine gelockerte Atmosphäre und gemeinsame Vorfreude auf das geplante Unternehmen.

 

Der Name unseres etwas gefährlich aussehenden Fahrers lautet „Ngugi“. Wir wissen nicht, ob der Name irgendeine Bedeutung hat. Ngugi verrät es uns auch nicht. Überhaupt ist er ein großer Schweiger.

 

Mit einem Blitzstart, der unsere Rücken in die Sitze presst, bringt Ngugi den Motor des Matatu, des Kleinbusses, auf volle Umdrehungszahlen und jagt das Fahrzeug hinaus auf die Piste. Er wäre reif für die Formel 1 und zeigt dem Fahrzeug, wer sein Herr ist. Schon bald liegen die verwohnten Häuser der Vororte Nairobis hinter uns.

Während er das Fahrzeug rasant über die holprige Straße jagt, weist Ngugi auf die vom Safari-Unternehmen bereitgestellten Lunchpakete hin. Danach zieht er sich wieder in sein Schweigen zurück.

In den Paketen finden wir Hähnchenbrust, ein Ei, ein Schinkenbrot und Obst. Wir futtern los, denn das letzte Essbare gab es morgens um 4:00 Uhr im Flugzeug und nun ist es bereits zwei Uhr nachmittags. 

 

Irgendwo am Weg sorgt Ngugi dafür, dass wir etwas trinken können. Natürlich ist die Stelle so gewählt, dass dort schon ganz zufällig Händler warten, die uns ohne Umwege sofort ihre Ware, Schnitzereien, Perlenschmuck und anderes anbieten. Unsere dankende Ablehnung können sie wohl nicht so ganz verstehen. Wo sie doch so ein gutes Angebot gemacht haben! Wir statten dem angrenzenden, von Menschen und Waren überquellenden Markt noch einen Besuch ab und dann geht es weiter.

 

Die Fahrt führt weiter über die Thika Road, die Nairobi mit der äthiopischen Grenzstadt Moyale verbindet. Rechts und links des Fahrzeugs fliegen die Bilder einer abwechslungsreichen Landschaft an uns vorbei. Ananasplantagen und Sisalanpflanzungen, kleine ärmlich aussehende Farmen und Ansiedlungen bleiben hinter uns zurück. Nur die riesige Staubfahne, die vom Fahrzeug aufgewirbelt wird, folgt uns unentwegt.

 

Die asphaltierte Straße führt in Richtung Nyeri. Wir sind fasziniert von der überwältigenden Landschaft und deren scheinbar endloser Weite. Die Zeit bis zum Eintreffen in Nyeri vergeht wie im Flug. Der Hauptort des dem Stamm der Kikuyu gehörenden, fruchtbaren Farmlandes ist nach unseren europäischen Begriffen kaum mehr als ein aus Stein-, Lehm-, Holz- und Wellblechhäusern und -hütten bestehendes, großes Durcheinander.

Und doch ist die ungefähr einhundert Kilometer nördlich von Nairobi liegende Stadt mit etwa 120.000 Einwohnern eine der größten Städte Kenias und ein guter Ausgangspunkt für Touren in den Aberdare Nationalpark und zum Mount Kenya.

 

Während wir den Ort durchfahren, erzählt Ngugi, der für einige Zeit seine Sprache wiederfindet, dass in Nyeri das frühere Wohnhaus des Gründers der Pfadfindervereinigung, Baron Robert Baden-Powell, zu finden sei, der hier mit seiner Frau die letzten Jahre seines Lebens verbrachte. Das Haus sei heute ein Museum, das zum im Aberdare liegenden weltbekannten Hotel „The Outspan“ gehöre. Dieses sei für viele Reisegruppen der Ausgangspunkt für den Besuch des berühmten Baumhotel „Treetops“ im Aberdare National Park. Berühmt vor allem deshalb, weil die heute amtierende britische Königin Elisabeth II. dort während eines Urlaubs im Jahr 1952 vom Tod ihres Vaters erfahren habe.

 

Kurz hinter Nyeri verlassen wir die Straße. Eine Piste nimmt uns auf, deren staubiges Band uns in Richtung Mount Kenya, dem mit 5199 Metern höchsten Bergs Kenias bringen wird.

 

Direkt am Anfang der Piste werden wir erwartet. Nämlich von dem, was uns in der nächsten Zeit erhalten bleiben wird. Schlaglöcher, Längs- und Querrillen, Fahren in extremer Schräglage, mal nach links, mal nach rechts kippend, Staubwolken von vorausfahrenden oder entgegenkommenden Fahrzeugen schluckend. 

 

Von allem unbeeindruckt, steuert Ngugi sein Gefährt. Die vor ihm liegende Piste fest im Blick, jagt er durch Löcher von bis zu zwanzig Zentimetern Tiefe, umfährt jene, welche noch tiefer sind. Der Wagen hüpft, springt, ächzt und quietscht über die  Fahrbahn und durch enge Kurven.

Unsere Glieder werden ohne Ende geschüttelt. Es heißt, die Zähne fest zusammenzubeißen, damit diese nicht ständig aufeinander schlagen. Ich denke unwillkürlich darüber nach, ob ich alle unserer Versicherungsprämien auch wirklich fristgerecht bezahlt habe.

Nun, daran, dass ich diese Geschichte niederschreibe, lässt sich erkennen, dass wir unser nächstes Ziel ohne Schäden erreicht haben.

 

Allein die Aussicht auf und in die uns umgebende weite Landschaft ist Trost und lässt diesen gewöhnungsbedürftigen Fahrspaß fast vergessen.

Vor den Augen liegen mit Dornbüschen bewachsene Gebiete, Savannen, trocken und staubig. Dann wieder wunderschöne Hügellandschaften mit altem Baumbestand. Dazwischen  winzig kleine Dörfer, Rundhütten, von Bananenstauden umgeben, deren Blätter Schatten für spielende Kinder spenden.

 

Je näher wir dem Mount Kenya kommen, desto größer sind die Flächen, auf denen Viehwirtschaft betrieben wird. Riesige Schaf- oder Rinderherden sind zu sehen. Dazwischen schwarze Cowboys, die zu Pferd unterwegs sind, um defekte Zäune zu flicken. Wir passieren Hochtäler, in denen uns unendlich große Korn-, Weizen- und auch Rapsfelder überraschen.

Und dann liegt er in seiner ganzen Pracht vor uns. Der Mount Kenya, dessen weiße Spitze weit in das Land hinein leuchtet.

Der Kirinyaga, wie er von den hier lebenden Menschen genannt wird. Der weiße Berg, auf dem, wie viele von ihnen immer noch glauben, Ngai, der Gott der Klarheit, wohnt und dem der Himmel, das Universum und alles Land gehören.

 

Wenig später erreichen wir unser Ziel, die Kenya Serena Mountain Lodge. Die einst von dem Schauspieler William Holden gegründete, nur aus Baumstämmen erbaute Lodge, liegt in einer Höhe von 2194 Metern unmittelbar am Hang des Mount Kenyas, inmitten eines tropischen Regenwalds.

Das Innere des Gebäudes ist einfach als grandios zu bezeichnen. Die ganze Atmosphäre bietet urige Gemütlichkeit. Alle Räume sind liebevoll eingerichtet. An den Wänden hängen Fotos, die bekannte Schauspieler und Politiker zeigen. Eines der Bilder zeigt Winston Churchill, ein anderes Bing Crosby, beide zu ihren Lebzeiten Mitglieder des Kenya Mountain Safari Clubs.

 

Nach einem gemeinsamen Begrüßungsdrink an der Bar suchen wir unsere Zimmer auf und sind überrascht von dessen guter Ausstattung und Größe. Die ganze Fläche der dem

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Texte: Günter Claas
Bildmaterialien: Günter Claas
Tag der Veröffentlichung: 16.04.2014
ISBN: 978-3-7368-0079-3

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