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Prolog

Die Sonne sah aus, als würde sie zerfließen. Ein großer Ball aus Feuer, der auf den blauen Planeten stieß und beschloss, mit ihm zu verschmelzen und eine große Einigkeit zu bilden. Hinterlassen werden, würde nur tiefe Dunkelheit, bloße Schwärze, die einen zu erdrücken drohte. Doch noch war es nicht so weit und die Sonne zerfloss immer mehr, löste sich in orange und pinke Schimmer auf, die versuchten, die Nacht so lange wie möglich fernzuhalten. Es wirkte beinahe wie eine Art Kampf. Die Sonne, welche sogleich versuchte zu bleiben und zu gehen. Wie konnte so ein Konflikt nur eine solche Schönheit vermitteln? 
Der zehnjährige Junge schüttelte den Kopf und wandte sich von dem betörenden Sonnenuntergang ab. Es war totenstill, nur eine leichte Briese wehte, zog an den dunklen Haaren des Jungens und ließ ihn frösteln.
Die Nacht brach herein und der Herbst kündigte sich bereits mit den ersten sich verfärbenden Blättern an. Seine Schritte wirkten so laut an einem solchen Ort. Es war beinahe schon beängstigend, wie er der einzige Mensch weit und breit zu sein schien.
Der Junge schlenderte mit den Händen in den Hosentaschen durch die leergefegten Straßen von Kyhodia. Dieser Ort  des Reiches, Pavarez, war nicht besiedelt, weil auf der Erde angeblich ein Fluch legen sollte und die Einwohner an solche zu glauben pflegten. Der Junge jedoch empfand das als nichts als Humbug. Er mochte es, hier durch die verlassenen Häuserreihen zu spazieren, kein Geräusch zu hören, außer dem Kies, der unter seinen Sohlen knirschtn und den einsamen Lauten der Natur.
In letzter Zeit waren die Tage des Jungens begleitet von gähnender Leere und Langweile. Sein letztes Kartendeck wurde ihm von seiner Mutter genommen, weil er angeblich zu viel Zeit mit dem Spiel verschwendete. Es gab nichts zu tun in dieser grauen und ereignislosen Welt.
Sein Bruder fand Spaß an allem; sogar mit bunten Kieselsteinen konnte man Alexy bei Laune halten. Doch er war nicht so leicht zufrieden zu stellen. Kartendecks waren das einzige, was ihn aus dieser abgeschlafften Realität zu ziehen vermochte, sonst fand der Junge kaum an etwas Gefallen. Doch er schätzte Spaziergänge. Orte, von denen niemand wusste, dass er sie je betraten hatte. Stunden, in denen keiner ahnte, wo er sich zu der Zeit aufhielt. Momente, in denen er, der Bruder, der Sohn, der Freund, der Schüler nicht existierte; sondern einfach nur er als sein Selbst.
Auf einmal ertönte ein knacksendes Geräusch hinter sich. Erschrocken fuhr der Junge herum, in seinen Gedankengängen unterbrochen.
Ein junges Mädchen stand vor ihm und schien ungefähr in seinem Alter zu sein. Es hatte blonde Haare, die ihm bishin zum Hintern reichten und wie ein Wasserfalls aus purem Gold hinter ihr im Wind segelten. Das rote Kleid, in dem das Mädchen steckte, vervollständigte das Bild einer anmutigen Porzellanpuppe lediglich. Doch das Überwältigenste an ihr waren ihre Augen, beschloss Armin.
Sie strahlten in einem solchen Blau, wie der Junge noch nie eins zuvor gesehen hatte und sie blickte ihm direkt an, schien regelrecht durch ihn hindurchsehen zu können. Ein wenig bekam er es mit der Furcht zu tun, war aber entschlossen, sich das nicht anmerken zu lassen. Der Junge zwang sich, aus seinem Starren aufzuschrecken und nahm all seinen Mut zusammen. "
Was machst du hier?", fragte er leise und schluckte dann. Das Mädchen antwortete nicht, lächelte nur und verschränkte die Hände hinter dem Rücken, während sie  auf den Zehnspitzen auf und ab wippte.
Der Junge runzelte die Stirn und schließlich gewann die Neugier die Oberhand und er machte einen kleinen Schritt auf das Mädchen zu. Warum sprach es denn nicht? "Bist du stumm?", fragte er direkt und neigte leicht seinen Kopf zur Seite.
Das  Mädchen schien belustigt und schüttelte erheitert den Kopf. Es öffnete seinen Mund und ein glockenhelles Kichern ertöne, das nicht zu dem kleinen Mädchen zu passen schien und Arminaus irgendeinem Grund bis aufs Mark erschütterte. "
Ich bin Miriam", sagte das Mädchen dann plötzlich und sprang einen Satz nach vorne, so dass die beiden Kinder auf einmal nur noch wenige Zentimeter trennten. Erschrocken stolperte Armin ein paar Schritte zurück, schaffte es aber, sich auf den Beinen zu halten. Seine Augen waren auf die unnatürlich bleiche Hand des Mädchens fixiert, die erwartungsvoll nach vorne gestreckt war. Zögernd trat der Junge wieder nach vorn und erfüllte dann ihren Wunsch, indem er ihre Hand ergriff und schüttelte.
Er schluckte schwer.
Sprich nicht mit Fremden kam ihm in den Sinn. Das hatte seine Mutter ihm immer wieder eingebläut. Allerdings, sagte er sich, was konnte dieses Mädchen schon für eine Gefahr für ihn darstellen?
"Ich bin Armin", antwortete er deshalb mit Bedacht. "Was machst du hier?" Immerhin war das hier ein verfluchtes Gelände, welches sich keiner zu betreten traute außer er selbst? Oder war dem nicht so?
"Ich wohne hier", antwortete Miriam immer noch dieses starre Lächeln lächelnd. Armin war aufgefallen, dass sie kaum blinzelte und ihre Augen wirkten, als wären sie permanent aufgerissen.
"Echt jetzt? Hier in Pavarez?", fragte er erstaunt und sah sich um. Die Gegend schien aufgrund der jahrelangen Vernachlässigung bereits sehr heruntergekommen. Und soweit er wusste, wohnte hier keine Menschenseele. "Jawohl", antwortete Miriam und lachte ein kleines, erheitertetes Lachen.
Ihr ganzer Körper schien unter Anspannung zu stehen und sie machte generell den Eindruck, als wäre sie eines dieser Kinder, die es nicht zu Stande brachten, auch nur eine Sekunde still zu stehen.
"Wo wohnen denn du und deine Eltern?", fragte Armin interessiert und blickte sich weiterhin um, auf der Suche nach vielleicht einem Haus, welches sich von den restlichen abhob und vielleicht etwas gepflegter aussah. "
Keine Eltern." Miriam schüttelte den Kopf, aber das Lächeln verließ ihr Gesicht nicht, auch wenn es jetzt ein bisschen traurig aussah. "Die haben sie mitgenommen. Nur ich bin da." Das verstand Armin nicht ganz, aber er wollte es sich nicht anmerken lassen, also nickte er nur wissend. Der Punkt war jedoch, dass sie keine Eltern hatte. Also war sie.. wie hatten es Mum und Dad noch genannt.. eine Waise?
Doch bevor er sich nach dem erkundigte, wollte er zuerst noch etwas Anderes wissen. "Und hast du denn keine Angst vor dem Fluch?" Erneut brach Miriam in Gelächter aus – und verwirrte Armin damit heillos.
Was hatte er denn nun wieder Lustiges gesagt? Diese Miriam.. Er verstand sie einfach nicht. Als sie sich wieder beruhigt hatte, grinste Miram ihn abermals breit an. Sie ging einen Schritt auf ihn zu und stand ihm plötzlich ganz nah, zu nah für seinen Geschmack. Armin wollte zurück, doch Miriam griff nach seinem Handgelenk und sie war stark, stärker als es ein so zartes Mädchen eigentlich sein sollte.
Miriam stellte sich auf ihre Zehnspitzen und ihr Mund lag auf seinem Ohr. Armin spürte ihren warmen Atem auf seiner Wange. "Ich bin der Fluch", wisperte sie so leise, als würde sie ein streng behütetes Geheimnis weitererzählen. Dann kicherte sie. Armin rannten Schauer die Rücken hinunter und er runzelte verdutzt die Stirn. Nichts von dem, was das Mädchen von sich gab, machte Sinn. Vielleicht war sie ja.. geistig verwirrt? Möglicherweise träumte aber ja er selbst noch?
"Wie meinst du das…?", fragte er schließlich trotz der Gefahr hin, wie ein Dummkopf darzustehen. Miriam schüttelte amüsiert den Kopf und grinste ihm dann mitten ins Gesicht. "Möchtest du was spielen?"
Armin blinzelte verblüfft. Er verstand diesen plötzlichen Themenwechsel zwar nicht, war aber mehr als bereit für ein kleines Spielchen, um ihn vom öden Alltag abzulenken."Äh, glaub schon."
Miriam begann zu strahlen und plötzlich tippte sie ihm mit einen Finger an die Schulter und stobte dann davon. "Du bist!", kreischte sie und ihr Haar wehte hinter ihr her. "H-Hey!" Unwillkürlich begann Armin zu rennen und stolperte sofort über die eigenen Füße. Trotzdem lag ein lange nicht mehr gesehenes Grinsen auf seinem Gesicht, als er gleich darauf wieder aufsprang und Miriam hinterher rannte. 
So spielten die beiden Kinder stundenlang, bis die Nacht bereits über sie eingefallen war, die Sonne den Kampf verloren hatte.. oder vielleicht hatte sie gewonnen? Bis sie sich, vor Dreck strotzend und lachend , auf das abgestandene Gras sinken ließen und bis Armin beschloss in Miriam eine neue beste Freundin gefunden zu haben. Bis er entschied, die ausdruckslosen Tage nun ein für alle mal hinter sich zu lassen.
"Du bist cool",  sagte Armin und drehte sich im Gras zu Miriam um. Trotz der Dunkelheit, konnte er sie dank des Mondlichts noch gut erkennen. "Wollen wir Freunde sein?"
Erneut begannen Miriams Augen zu leuchten wie die eines kleinen Kindes an Weihnachten, und sie setzte sich aufgeregt auf. Energisch nickte sie, erhob sich dann und vollführte einen kleinen Freudentanz, der Armin erneut zum Lachen brachte. Schon lange hatte er nicht mehr so gelacht.
Wie lange war die Sonne jetzt schon verschwunden? Wenn er mit diesem Mädchen zusammen war, schien die Zeit nur so zu verfliegen. Auch wenn das nur schwer seiner Familie zu erklären sein würde. Gerade wollte er aufstehen und sich von Miriam verabschieden und sie fragen, wann sie wieder spielen konnte, als etwas passierte.
Und es ruinierte
alles.
Eine dröhnende Stimme brüllte: "Geh weg von ihr, Junge! Sie ist ein Dämon!" Erschrocken richtete Armin sich auf und sah sich alarmiert um. In der nächsten Sekunde schnellten zwei Männer hervor und griffen Miriam jeweils am rechten und linken Arm. Diese, in ihrem Tänzchen unterbrochen, blickte sich verwirrt und auch ein bisschen erschrocken um. Doch dann schien sie die Männer zu erkennen und ihr Blick hellte sich plötzlich auf. "Ihr seid.... Bringt ihr mich zurück zu Mama und Papa?" Ihre Stimme klang hoffnungsvoll und Armin konnte erkennen, wie ihre Wangen nass wurden und das Licht des Mondes sich in den in ihren Augen stehenden Tränen spiegelte.
Mehr bekam Armin jedoch nicht mit, denn ein anderer Mann zog ihn hastig in die andere Richtung davon. Armin wollte zurück. "M-Miriam?", rief er halblaut. "Was macht ihr mit ihr?", fragte er den Mann, der jedoch ignorierte ihn und zog ihn mit eisernen Griff einfach weiter. Irgendetwas in Armin ahnte, dass er Miriam nie wieder sehen würde.

Kapitel 1 - Der Beginn

 Nun war es so weit. Armin stand vor den Toren des wohl eindrucksvollsten Gebäudes, das er je zu Gesicht bekommen hatte. Selbst, ohne dem Hügel, auf dem es platziert war, würde es wirken, als stände es an der Spitze der Welt. Mit seinen ganzen Türmchen, den Nebengebäuden, den brückenähnlichen Übergängen und den vereinzelten Flaggen ähnelte es mehr einem Schloss als einer Schule.
Seltsamerweise verspürte Armin nicht einen Hauch von Aufregung. Es war mehr so, als würde eine eigenartige Resignation in ihm ruhen. Vielleicht fühlte er sich auch einfach nur leer. Im  Gegensatz zu seinem Zwillingsbruder, dem beim Anblick ihrer künftigen Schule beinahe die Augen aus dem Kopf zu fallen drohten.
Seine Finger bohrten sich schmerzhaft in den Oberarm Armins, bis dieser sie schließlich stöhnend und mit verzerrtem Gesicht entfernen musste.
"Alexy..", murrte er, während er sich den Arm rieb. "Komm mal wieder runter." Doch das hätte er wohl besser nicht gesagt, denn im nächsten Moment fuhr der Junge mit den viel zu Blau gefärbten Haaren herum und starrte ihn mit vor Entsetzen geweiteten Augen an.
"Ich soll runter kommen? Wie kannst du nur so etwas sagen?", fragte er ungläubig. "Wir haben es geschafft! Wir wurden erwählt! Jetzt können wir Mum und Dad stolz machen!" Alexys Augen strahlten heller, beinahe heller als an dem Tag, an dem sie die Briefe bekommen hatten, als er verzweifelt versuchte Armin mit seiner Vorfreude anzustecken. Dieser kniff jedoch lediglich die Lippen zusammen und blickte dann zur Seite, den Hügel hinunter auf den unnatürlich hellblauen See.
"Und das findest du wirklich so gut?", sagte er und biss sich dann auf die Unterlippe, um sich von weiteren Aussagen abzuhalten. Was fragte er überhaupt? Er wusste, wie viel das seinem Bruder bedeutete. Und tatsächlich: Alexys Gesicht fiel in sich zusammen und nun schienen seine Augen auch auf den Boden geheftet zu sein. Es war immer schon so gewesen. Freute sich sein Bruder, freute auch er sich. War sein Bruder allerdings deprimiert oder andersweitig verstimmt, fühlte er dieselben Emotionen. Armin hatte von klein auf alles mit seinem Zwilling geteilt, wieso also nicht auch die Gefühle? Es war keine Art von telekinetischen Humbug, sondern einfache Bruderliebe.
Armin bemerkte das und zwang sich, sich am Riemen zu reißen. Ihm war diese ganze Idee nicht wirklich geheuer, doch er wollte seinem Bruder den ersten Tag an der neuen Schule nicht vermiesen. Ein erzwungenes Lächelns wanderte auf seine Lippen und er nahm Alexys Hand in seine und drückte sie kurz. Dieser blickte daraufhin auf und ihm direkt in die Augen. Es war, als verständigten sie sich still und ohne ein Wort zu sagen. Reine Blicke vermochten es, damit sich die beiden Brüder im Klaren ihrer derzeitigen Situation waren.
Schließlich seufzte Alexy schwer und lächelte.
"Ich weiß, okay? Du hast Bedenken. Aber versuch das Positive zu sehen. Aramis hat uns erwählt. Uns beide. Das muss doch dafür sprechen, was für ein tolles Team wir abgeben werden, nicht wahr? Wir werden der Menschheit einen Schritt weiterhelfen! Wir werden.. wichtig sein."
Und bei diesen Worten spürte Armin einen widerwilligen Funken Freude in sich aufblühen. Alexy hatte Recht. Ihre Göttin hatte  sie für wert befunden, um die Menschheit zu beschützen. Und nicht nur einen von ihnen. Armins Blick fiel auf seine rechte Hand und er konnte dem Drang nicht widerstehen, kurz den Handschuh anzuheben und erneut das seltsame Mal zu begutachten, das von seinem Handgelenk bis zu den Fingerspitzen verlief, mit all seinen Zacken und den seltsamen Gravuren. Einige Tage zuvor war Armin einfach damit aufgewacht. Er war gezeichnet. Genauso wie sein Zwillingsbruder.
Die beiden würden den Kampf gegen die düsteren Wesen der Nacht, den Dämonen, auf sich nehmen und diese Schule würde ihr erster Schritt in diese Richtung sein. Heute würde ihr Leben als Jäger seinen Anfang nehmen!


"Nur wenige Menschen sind es wert an dieser Schule aufgenommen zu werden."
Die Stimme der Direktorin hallte durch die riesige, altertümliche Halle und Armin verzog das Gesicht. Die Atmosphäre gefiel ihm nicht. Der Boden und die Wände waren aus weißem, kühlem Porzellanstein und in jeder der vier Ecken befand sich eine mit kunstvollen Verzierungen geschmückte Säule. Von der Decke hing ein riesiges Kronleuchter, der helles, gleißendes Licht spendete.
Armin widerstand den Drang, sich die Ohren zuhalten zu müssen, da die eindringliche Stimme der Direktorin von allen Seiten aus an sein Ohr drang.  "Sogut wie jedes Jahr werden Kinder im Alter von sechzehn Jahren rund um den Globus ausgewählt, um einer der zwei Akademien beitreten zu dürfen. Ihr alle dürft euch glücklich schätzen und Aramis dafür danken, dass ihr die Glücklichen seid, die diese Ausbildung nun erhalten werdet. Ihr Vertrauen in euch muss bodenlos sein. Allerdings dürft ihr euch nicht im Glück wohlen und die Verantwortung, die mit dem Mal einhergeht, vergessen. Das Schicksal der gesamten Welt liegt praktisch in euren Händen. Werdet euch dem bewusst und zeigt entsprechenden Respekt. Das ist eine Voraussetzung von Sweet Demonis High."
Armin musste die Augen verdrehen. Dieser dämliche Name beschrieb nicht ansatzweise das Wort, das für diese Schule gerechtfertigt wäre. Sweet Demonis High klang weich und als würde man hier zum Koch ausgebildet werden und nicht etwa zum Dämonenjäger.
Kurz achtete Armin nicht weiter auf die Rede der Direktorin, sondern sah sich stattdessen um. Der Saal sah ziemlich leer aus – was auch kein Wunder war. Immerhin waren es nur um die dreißig Schüler vielleicht und einige Lehrkräfte in einem viel zu großen Raum. Ein Schutzwall war um diese Schule gezogen worden, wie ihnen erzählt wurde. Keiner ohne dem Mal konnte das Grundstück betreten.
Wieder musste Armin dem Drang widerstehen, seine Hand zu begutachten. Es war seltsam. Als hätte er plötzlich ein Tattoo, ohne überhaupt eins gewollt zu haben. Nun, es war wohl eine Ehre..
Plötzlich spürte er einen dumpfen Schmerz in der Seite und wirbelte erschrocken in seinem Stuhl herum. Alexy hatte ihm mit den Ellbogen einen Schlag verpasst und blickte ihn mahnend an. Armin verdrehte nur die Augen. Er wusste, was sein Zwillingsbruder jetzt gesagt hätte. "Pass auf! Diese Rede ist wichtig!" Blablablah. Als ob Armin das nicht wüsste. Trotzdem versuchte ein Teil von ihm immer noch das ganze Geschehen so gut es ging zu verdrängen.
Und wer weiß – Seit er aufgewacht war und das Mal auf seiner Hand entdeckt hatte, fühlte er sich wie in einer .. Seifenblase. Alles war surreal und wie als er wäre er lediglich ein Beobachter seiner Selbst, der den Jungen bemitleidete dem dies alles zugestieß.
Armin schüttelte energisch den Kopf und versuchte diese Gedanken abzuschütteln, woraufhin er einen verwirrten Seitenblick von Alexy erntete, den er jedoch ignorierte. Er zwang sich, tief Luft zu holen und sich aufrecht hinzusetzen.
Was wagte er es eigentlich, sich dermaßen in Selbstmitleid zu suhlen? Er, der den Traum lebte, den sich jedes Individuum verzweifelt ersehnte, den jede Mutter für ihren Sohn wollte. War er wirklich so undankbar? Aramis hat ihn auserwählt und er sollte das zu schätzen wissen!
Dennoch.. unweigerlich kamen die Erinnerung von vor ein paar Jahren wieder hoch, die in bis heute noch prägten. Die Erinnerung an Miriam, an die Männer, die sie mitnahmen. Sie hatten Armin nach Hause gebracht, woraufhin er schweigend in sein Zimmer verschwand und nie einer Menschenseele davon erzählte. Miriam sollte er wohl nie wieder sehen. Doch sein kindlicher Verstand begriff nicht, was damals vorgefallen war. Er konnte einfach keinen Zusammenhang zwischen Miriam und Dämonen erkennen. Dämonen, mit ihren spitzen Zähnen, den roten Augen und der abgrundtief bösen Natur, und dann Miriam, süße, liebe Miriam, die nur Spaß haben wollte und deren Lachen oh, so ansteckend war. Noch Jahre später grübelte er darüber nach und erst im Alter von dreizehn gestand er sich endlich ein, dass das liebliche Mädchen wohl ein Dämon gewesen sein musste. Und da begannen auch seine Zweifel: Waren Dämonen wirklich so böse, wie man es ihnen nachsagte?
Von klein auf wurden sie gewarnt, sich vor den finsteren Wesen des Untergrunds zu fürchten und sie zu hassen, doch Armin hatte begonnen, dieses Allgemeingesetz in Frage zu stellen. Nie lästerte er mit, wenn es um Dämonen ging. Er behielt seine neutrale Stellung, sprach zwar seine Bedenken nicht aus, war aber auch nicht offensichtlich gegen sie.
Genau deswegen hat er sich nicht so sehr gefreut, wie sein Bruder, als das Mal auf ihren Händen erschien. Die Bedenken und die Tränen auf Miriams Wangen hatten ihn die letzten Jahre ständig begleitet und wollten nicht von ihm ablassen. Und nun war er, der einzige verdammte Mensch, der Zweifel an dem bösen Wesen der Dämonen hatte, zum Jäger erwählt worden. Verfluchte Ironie des Schicksals.
"Und?"
Armin zuckte zusammen, als er urplötzlich in die Realität zurückgeholt wurde, von niemand anderen, als seinem Bruder, der sich erwartungsvoll näher zu ihm heran beugte.
"Äh..", machte Armin, schluckte und zwang ein wenig Abstand zwischen sich und Alexy. "Was und?" Ein kurzes Umschauen sagte ihm, dass die Rede offensichtlich zu Ende gegangen war und ihre künftigen Mitschüler bereits langsam den Raum verließen.
Wow. Ich hätte echt aufpassen sollen. Alexy zog eine Schnute und ließ sich mit übereinander gekreuzten Armen zurück in seinen Sessel sinken. "Du hast nicht zugehört", stellte er vorwurfsvoll fest. Armin lächelte hilflos und zuckte mit den Schultern. "Sorry, Mann. Hab nachgedacht."
"Nimm das jetzt nicht falsch auf, aber – Du denkst kaum nach! Warum ausgerechnet jetzt?" Armin seufzte. "Keine Ahnung. Ich hab das Ganze wohl immer noch nicht verdaut", gab er schließlich zu und blickte teilnahmslos hinauf zur Decke. Seine Stimme war leise geworden. "Wir beide.. In Demonis High. Ich meine, was soll der Scheiß?"
Alexys Züge wurden weicher und er legte seinem Bruder eine Hand auf die Schulter. "Wie wär's, wenn wir jetzt mal auf unsere Zimmer gehen und dann erzähl ich dir, was die Direktorin gesagt hat?", schlug er vor und das alte Grinsen kehrte auf sein Gesicht zurück. Armin lächelte dankbar und nickte. Dann standen die beiden auf und gingen den anderen künftigen Dämonenjägern hinterher aus dem Saal.

 

Da Armin keinen blassen Schimmer hatte, wo ihre Zimmer lagen, folgte er einfach seinem Bruder und sah sich dabei ein bisschen um.
Als er die Schule zum ersten Mal betreten hatte, waren seine Gedanken allein auf die bevorstehende Rede fokussiert und seinen Umgebung war irgendwie in den Hintergrund getreten. Als sein Bruder und er den Festsaal verließen, fanden sie sich in einem länglichen Gang nach links wieder, rechts nur eine bloße Wand mit einer Tür. Ein paar Meter den Gang entlang spaziert, befand man sich auch schon im Fortzimmer. Ein riesiger Saal mit Kronleuchtern und fünf Gängen in entgegengesetzte Richtungen. Und in der Mitte des Saales : Eine gewundene, ziemlich hohe Treppe, die wohl in das zweite Geschoss führte. Und obwohl sie so seltsam platziert war, schien sie doch vollkommen robust zu sein.
Armin folgte Alexy die Stufen hinauf und sah sich dabei unwohl um. Lauter unbekannte Gesichter. Weit nicht so viele, wie man sie in einer normalen High School antreffen würde, allerdings machte die ganze Situation Armin zu schaffen. Von Dämonenjägern umgeben zu sein… Nun ja, jetzt war er wohl selbst einer.
Als die beiden Geschwister oben angekommen waren, wurden sie von einem weiteren kleinen Saal begrüßt. Zwei Türen waren jeweils gegenüber voneinander in der Wand verankert. Über der linken stand groß MÄDCHENTRAKT und über der rechten JUNGENTRAKT. Die beiden steuerten automatisch den rechten Gang an und öffneten die massive Holztür.
Ein länglicher Gang lag vor ihnen, der sehr weit nach hinten ging und links und rechts in gleichmäßigen Abständen Türen, auf denen Zahlen eingraviert waren. "Wir haben  Zimmer genau nebeneinander", erklärte Alexy Armin, ohne sich umzudrehen, während er mit schnellen Schritten durch den Ganz schritt und sich nach rechts und links umsah, um die richtige Tür zu finden. "Ich hab Nummer 076 und du 078. Cool, was?"
Dann hatten sie die Türen erreicht. Sie lagen ziemlich weit hinten  und Armin verzog das Gesicht bei dem Gedanken, die ganze Strecke jeden Tag mehrere Male entlang laufen zu müssen. Da zog Alexy ein kleines Etwas aus der Tasche.
"Hey, woher hast du den Schlüssel!", fragte Armin verwirrt. Alexy grinste ihn vergnügt an, während er den kleinen grauen Schlüssel ins Schloss steckte und 076 aufschloss. Dann steckte sein Bruder ihm ein Kuvert zu, auf dem in verschnörkelter Schrift  S O R N I Z   A r m i n  stand.
"Was ist das? Und wann haben wir das bekommen?", fragte Armin verdutzt und löste das rote Siegel, das auf dem Kuvert prangte. Alexy seufzte. "Vor einer Woche? Als wir das Mal gerade entdeckt hatten? Die Briefe kamen einfach mit der Post."
"Äh, achja..", erinnerte sich Armin und grinste nervös.
"Warum hast du ihn denn nicht schon längst aufgemacht? Ich bin vor Neugier fast gestorben! Beinah' hätte ich die Papiere in dem Kuvert zerrissen!" Alexy lachte.
Die beiden betraten das Zimmer 076 und Armin machte sich einen schnellen Eindruck von dem Raum. Er war ziemlich groß, größer als sein altes Zimmer, riesig jedoch auch nicht. Ein Doppelbett stand an der einen Seite Zimmers, dort war ein breiter Schrank, hier noch ein Schrank, da ein Schreibtisch, noch einige leere, kleine Regale und eine Tür, die wohl ins Bad führen musste. Der Geruch von Lavendel lag in der Luft. Licht strömte durch das Fenster über dem Schreibtisch ins Zimmer und ließ es irgendwie unberührt wirken. Man konnte kleine Staubpartikel im Sonnenlicht schweben sehen und Armin fand sich seltsam hypnotisiert von der Ruhe, die dieser Raum ausstrahlte. In der Mitte war Alexys Gepäck platziert, welches -gelinde gesagt- nicht gerade leicht war und in Blau und Orange leuchtete und die Szene damit mit einen bunten Tupfer versah. Das Zimmer sah noch ziemlich blass und karg aus, aber Armin war sich sicher, dass das bei seinem Bruder nicht lange so bleiben würde.
Alexy machte sich sofort daran, den Raum zu erforschen und gleichzeitig seine Sachen auszupacken, während Armin sich auf das überraschend bequeme Bett setzte und seinen Umschlag sorgfältig öffnete. Heraus fischte er einige Papiere, die er zur Seite legte und sich später anschauen würde. Jetzt wollte er erstmals seinen Schlüssel zur Hand haben.
Doch zu seiner Verwunderung fand er ihn selbst dann nicht, als er den Inhalt seines Umschlags auf das Bett leerte. "Du, Alexy?"
"Ja?", fragte Alexy fröhlich und wirbelte herum, um seinen Bruder anzusehen. "Mein Schlüssel ist nicht da." "Ach, Quatsch", sagte Alexy immer noch optimistisch, doch seine Augenbrauen zogen sich zusammen. Er beugte sich über Armins Hab und Gut aus dem Brief und durchsuchte es nochmal genau.
"Da ist wirklich keiner", murmelte Alexy stirnrunzelnd und zupfte an seiner Unterlippe. Eine Angewohntheit, die der Junge noch aus dem Kindheitsalter besaß. Armin entwich ein lautes Stöhnen und ließ sich zurück aufs Bett fallen. "Na, wenn das mal kein Zeichen ist."
Sein Bruder verdrehte die Augen und zog Armin wieder aufrecht hin. "Das ist doch nicht weiter schlimm. Geh zum Direktorat und sag's einfach!", versuchte er ihn aufzubauen. Erneut stöhnte der Schwarzhaarige auf. "Ist ja super. Und wo ist dieses Direktorat?"
"Äh, ein Plan vom Gebäude sollte in deinen Unterlagen sein" Alexy zuckte mit den Schultern und stand wieder auf. "Ich pack hier mal fertig aus. Komm einfach wieder und klopf an, wenn du den Schlüssel hast, dann reden wir nochmal über das Ganze!" Armin seufzte tief, setzte sich dann auf und schlenderte Richtung Tür. "Mach dir keine Sorgen, Armin. Das alles wird toll, du wirst schon sehen!", rief ihm Alexy noch hinterher.
Armin schüttelte den Kopf. Doch er musste lächeln.  

Kapitel 2 - Erste Bekanntschaften

 

"Okay... Verdammt.. Verdammt, wie liest man das?" Armin hatte das Pergamentstück gefunden, auf dem ein Plan dieser Schule niedergeschrieben worden war, aber er war nach wie vor heillos verwirrt. Gerade trottete er langsam wieder die gewundene Treppe hinab, welche ihn ihmmer noch ein wenig unbehaglich fühlen ließ. Wie er da im Zentrum des Raumes diese Stiege hinunterging, fühlte er sich, als würden alle ihn anstarren. Außerdem fürchtete er den Durchbruch einer Stufe, seinen Sturz und seinen darauffolgenden quallvollen Tod.
"Na gut..", murmelte Armin vor sich hin und stellte die Karte auf den Kopf. Er war jetzt in der Mitte des Fortimmers mit den fünf Gängen und der große Pforte, die auf den Hof hinausführte. Den einen Gang ganz links konnte er bereits dem Festsaal zuordnen. Da blieben nur noch vier...
Hm.. Das Dkt da steht wohl für Direktorat.. Demnachzufolge.. Da lang?
Armin beschloss, dass er nichts zu verlieren hatte und steuerte den zweiten Gang von links an. Er stieß eine schwere Tür auf und fand sich in einem etwas stickigen Gang wieder, dem ein wenig Licht zu fehlen schien.
Mit einem Nasenrümpfen setzte Armin sich in Bewegung und öffnete die erste der drei Türen. Der dahinterliegende Raum war groß, dunkel und staubig und er konnte keinen genaueren Blick hinein erhaschen, weil plötzlich ein hochgewachsener Mann vor ihm stand und ihm die Sicht versperrte.
Der Mann musterte ihn kühl mit seinen.. was? Rote Augen?  "Du hast hier nichts verloren", sagte er ruhig und Armins Nackenhaare stellten sich beim Klang dieser Stimme auf. Die langen, dunklen Haare gaben dem Unbekannten eine Art mystisches, altertümliches Aussehen und seine bleiche Haut jagte Armin kalte Schauer über den Rücken.
Was hatte denn ein solcher Mann, welcher wirkte, als könnte er selbst ein Monster sein, in einer Schule für Dämonenjäger zu suchen?
"Ich.." Armin schluckte und räusperte sich dann. "Direktorat", sagte er mit ausgedörrter Stimme.
Der bleiche Mann musterte ihn kurz unergründlich, trat dann heraus und schloss die Tür hinter sich. Danach ging er weiter den Gang entlang und erwartete offensichtlich, dass Armin ihn folgte.
Dieser zögerte kurz, eile dem Fremden dann aber nach. Der Mann blieb einige Momente später vor einer dunklen Tür stehen auf dem ein kleines Schild mit der Gravierung Direktorat befestigt war. "Hier", sagte der Mann und nickte zur Tür. Eilig dankte Armin dem Mann, der daraufhin eilig in eine andere Richtung davonschritt, und klopfte dann an.
"Tritt ein!", erklang eine tiefe, aber dennoch weibliche Stimme und Armin schluckte einmal schwer und öffnete die Tür. Ein großes, luxuriöses Gemach lag vor ihm und unterschied sich von der restlichen Erscheinung des Ganges wie der Tag von der Nacht. Hinter einem großen, mahagoniholzenem Schreibtisch, saß eine kleine, schon etwas älter wirkende Frau, welche nun mit einem verkniffenen Gesichtsausdruck von einem Haufen Papierkram aufblickte. Armin erkannte sie als die Frau wieder, die im Festsaal die Rede gehalten hatte, auch wenn er zu dem Zeitpunkt nicht zuganz in der Realität gewesen war.
"Was wollen Sie denn hier? Sollten Sie nicht auspacken? Es ist gerade ziemlich ungünstig, also würde ich Sie darum bitten, später wiederzukommen", sagte sie und sah dann wieder auf die Papiere. Armin blinzelte einmal und biss sich dann auf die Unterlippe. "Ehm.. Mein Schlüssel war nicht in meinem Umschlag und .. naja ..", erklärte Armin langsam und stöhnte innerlich auf.
Sonst verhielt er sich auch nicht so schüchtern und ängstlich, aber dennoch schüchterte ihn irgendetwas an dieser Frau ein. Auch wenn er dies natürlich nie zugeben würde. Schließlich war die Dame ältlich, sehr klein und hatte zudem noch ein enges, pinkes Kostüm an. Das war wohl kaum etwas, das man als 'Furchteinflößend' bezeichnen würde.
Die Direktorin, Professor Rouge, wenn sich Armin recht erinnerte, blickte ein wenig genervt auf und musterte ihn einmal eindringlich. "Welche Zimmernummer?", fragte sie dann trocken. Erneut musste Armin blinzeln. "Ähh.. 078! Das- ja, das Zimmer.. 078." Professor Rouge nickte kurz angebunden, öffnete dann eine Schublade und fischte nur wenige Momente später einen kleinen, grauen Schlüssel heraus. "Tatsächlich. Ich entschuldige mich dafür", sagte die Direktorin, obwohl es überhaupt nicht so klang, als täte ihr irgendetwas Leid.
Armin beeilte sich den Schlüssel an sich zu nehmen, verabschiedete sich dann höflich und hastete, vielleicht ein wenig zu schnell, aus dem riesigen Büro, den dunklen Gang entlang und durch die schwere Tür. Doch er hatte nicht erwartet, gleich schon die nächste Bekanntschaft zu schließen.
Verdutzt stolperte er zurück, als er direkt in jemanden hineinlief, und hielt sich am Türrahmen an, um nicht niederzufallen. Als sich seine Sicht wieder klärte, sah er ein am Boden liegendes Mädchen, welches sich mit verzogenem Gesicht die Stirn rieb.
"Oh, tut mir Leid", entschuldigte sich Armin sofort und reichte dem Mädchen eine helfende Hand. Es hatte braunes gelocktes Haar, welches ihr gerademal bis zu den Schultern reichte und dunkelbraune Augen, die sich bei seinem Anblick sofort aufhellten.
"Ach, schon okay", sagte es schnell, ergriff Armins Hand und ließ sich von ihm hochziehen. Erstmal fest auf beiden Beinen stehend, schüttelte sie sich kurz, klopfte etwas Staub von ihrem Rock und lächelte Armin dann freundlich an. "Ich bin Suesette Candy. Ehm, und du?", fragte Suesette und ihr Lächeln war so breit, dass es beinahe lächerlich aussah.
Skeptisch, aber ein wenig amüsiert hob Armin eine Augenbraue. "Armin Sorniz. Wolltest du ins Direktorat? Ich warne dich, diese Rouge hat gerade echt schlechte Laune.." Suesette errötete leicht und blickte eilig zu Boden. "Ja! Es ist nur, dass sie vergessen haben... Also, ich hab meinen Schlüssel nicht."
Armin nickte langsam. "Irgendwie sind die ziemlich neben der Spur, oder? Meinen Schlüssel haben sie auch vergessen." Erleichterung darüber nicht die einzige zu sein, der etwas fehlte, trat auf Suesettes Gesicht und sie lächelte Armin erneut an; diesmal schien das Lächeln jedoch wesentlich echter und.. ruhiger.
Doch urplötzlich, als sie Armin näher zu musterte, verschwand das Lächeln von ihrem Gesicht und wurde von einem Stirnrunzeln ersetzt. "Sag mal.. werd ich verrückt, oder hab ich vorhin einen Typen getroffen, der genauso aussieht wie du?", fragte sie behutsam.
Armin seufzte tief. "Blaue Haare?" Suesette nickte. "Alexy, mein Zwillingsbruder. Eigentlich wollte er gerade packen, keine Ahnung warum er schon wieder durch die Gänge läuft. Ihn kann man echt nicht allein lassen", fügte Armin noch hinzu und schüttelte grinsend den Kopf.
Suesette lachte und schüttelte ebenfalls den Kopf. "Nein, nein! Er hat mich gefragt, ob ich weiß, wo sein Bruder ist.. Wollte ihm noch sagen, dass ich keine Ahnung hab, wer sein Bruder ist.. da war er auch schon wieder weg."
Armin verzog das Gesicht. "Na, dann such ich mal besser nach ihm, oder? Hat mich gefreut dich kennenzulernen. Nimm dich vor der Direktorin in Acht."  Armin zwinkerte und Suesette errötete abermals und stotterte noch etwas, bevor sie schnell durch die Tür zu dem düsteren Gang schlüpfte und Armin allein ließ.


"Armin, wo warst du nur so lange – du musst mitkommen! Da ist.. Da ist.."
"Gaaanz ruhig, Alex. Alles ist gut. Was ist los?"
"Da ist.. eine Spinne in meinem Zimmer.."
Den Rest des Nachmittags verbrachte Armin damit, das Zimmer seines Bruders nach einer kleinen Spinne zu durchsuchen. Als es schließlich kurz vor halb Zehn war und Armin immer noch nicht fündig geworden war, musste er zurück in sein Zimmer, zumindest hatte ihn Alexy das vorhin zum Thema Ausgangssperre erzählt. Jetzt war sein Bruder jedoch wudersamerweise anderer Meinung.
"Komm schon.. Du kannst doch noch ein bisschen bleiben, oder? Nur, bis wir die Spinne gefunden haben?", bettelte der mittlerweile im Schlafanzug  gekleidete und auf seinem Bett kniende Junge und faltete die Hände unter dem Kinn zusammen. Mit großen Welpenaugen starrte er hinauf zu Armin, wohl wissend, dass dieser diesen Augen noch nie widerstehen konnte.
"Alexy, komm schon, willst du, dass ich an unserem ersten Tag Ärger krieg'?", fragte Armin seufzend. Wenn er ehrlich war, wäre er auch selbst lieber noch bei seinem Bruder geblieben und hätte sich mit ihm unterhalten, aber es war nunmal wirklich keine gute Idee, gleich am ersten Tag die Ausgangssperre zu missachten.
"Willst du, dass mir in der Nacht eine Spinne in meinen Mund krabbelt!"
"Warum verdammt sollte sie dir in den Mund krabbeln!"
"Frag nicht mich. Das sind seltsame, gruselige Kreaturen, die nicht zu verstehen sind." Ernst nickte Alexy zu seinen Worten und Armin fuhr sich das Gesicht verziehend durch den dunklen Haarschopf.
"Ich hab noch nicht mal ausgepackt", seufzte er schließlich. Da hellten sich Alexys Augen plötzlich auf und er sprang auf die Beine. "Ich schlaf heute bei dir! Dann brichst du nicht die Regeln, ich kann dir beim Auspacken helfen und wir sind ganz weit weg von der Spinne! Perfekt, oder?" Armin öffnete den Mund, um etwas zu erwidern, doch ihm fiel nichts ein, also nickte er nur und bedeutete Alexy leise zu sein.
Langsam öffnete er die Tür, sah sich nach rechts und links um und schlich dann mit Alexy im Schlepptau zwei Meter weiter, bis sie vor dem Zimmer 078 standen. Behutsam nahm Armin den Schlüssel aus seiner Tasche und steckte ihn ins Schloss. Das Klicken, das daraufhin ertöne schien fast schon viel zu laut. Schnell schlüpften die beiden in Armins Zimmer und Alexy schloss leise die Tür hinter sich und schaltete dann das Licht an. Wie zu erwarten, war das Zimmer dem vom Alexy identisch, abgesehen von dem Gepäck, dass wesentlich weniger Platz einnahm und in eher dünkleren Farben gehalten war.
"Okay, also das Wichtigste zuerst..", murmelte Armin und nährte sich seinen Sachen. Alexy folgte ihm. "Kleidung?", fragte er.
Armin seufzte und verdrehte die Augen. "Meine Decks, natürlich!"
Alexy ließ ein theatralisches Stöhnen hören und ließ sich wie Ziegelstein aufs Bett fallen. "Du mit deinen Kartende-... Mhhm", muffelte er in die Matratze. "So bequem.. Müde.." Mit einem Satz war Armin hinter ihm und zog ihn wieder auf. "Du hast versprochen, mir beim Auspacken zu helfen, also wehe, du schläftst jetzt. Du weißt, ich bin nicht gut in sowas." "Jaja", gähnte Alexy und streckte sich einmal ausgiebig. "'Kay, wie viele Decks hast du mitgenommen?" Armin runzelte die Stirn. "Alle natürlich?  Glaubst du, ich überleb den Unterricht ohne Across the Border?" Alexy machte große Augen.
"Ist das nicht dieses neue, superbrutale Spiel ab Achtzehn?", fragte er atemlos. Armin nickte stolz. "Du solltest sowas echt nicht spielen, das schadet deiner Psyche.. Woher hast du das überhaupt?"
"Als würde auf eine Schule gehen, auf der man zu Dämonenjäger ausgebildet wird, meiner Psyche nicht auch irgendwie schaden.. Und, ich hab da so meine Wege.." Alexy verdrehte die Augen, musste jedoch lächeln, bevor er sich trotz Armins Aussage zuerst der Kleidung seines Bruders zuwandte.
Einige Male schnalzte Alexy missbilligend mit der Zunge, bevor er ein weiteres Armins Kleidungsstücke im Schrank verstaute. Bei einem beigen Hemd mit Knoten an Ärmeln und Ende, hielt er schließlich inne und wandte sich mit einem angewiderten Gesichtsausdruck seinem Bruder zu. "Was ist das?", fragter er und hielt das Hemd demonstrativ hoch.
Armin drehte sich ebenfalls um, wohl gerade mit seinen Decks fertig geworden und stöhnte sobald er sah, was Alexy in den Händen hielt. "Was willst du, Alexy?", seufzte er. Alexy öffnete den Mund, schloss ihn dann jedoch wieder und schüttelte dann wortlos seinen Kopf, bevor er das Hemd in den Schrank hängte. Als er jedoch gleich danach eine dunkelviolette Hose mit viel zu breiten Beinöffnungen entdeckte, war es um diese Stille geschehen.
"Nächste Woche gehen wir shoppen", sagte er nüchtern und in einem Tonfall, der keinen Widerspruch duldete. Armin sah seinen Bruder kurz überrascht an, bevor er den Kopf schüttelte, laut lachte und seinem Bruder auf die Schulter klopfte. "Gehen wir schlafen", sagte er liebevoll. Auch Alexy musste lächeln und gähnte dann. "Gut. Morgen wird ein spannender Tag."

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 07.06.2015

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Ich widme dieses Buch meiner Schwester Lily, die mir nicht nur sehr geholfen bei der Idee und dem Aufbau dieser Geschichte geholfen hat, sondern die ein oder andere Stelle auch mitgeschrieben hat. Dasselbe gilt für meine treue Freundin Anja, die für Miriam verantwortlich ist. Danke! (Titelbild nicht von mir. Die wunderbare Zeichnung der Zwillinge stammt von: http://crazyneko-reset.deviantart.com/art/AS-MCL-Alexy-and-Armin-397355005)

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