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Amy

 

Langsam konnte ich es mir nicht mehr ansehen. Seit Ende meiner Schulzeit war meine Mama mit einen Alkoholiker zusammen. Die Beziehung lief überhaupt nicht gut, sondern ging immer mehr den Bach runter. Nun ich war mittlerweile erwachsen, doch kurz nach Ende der Schulzeit zu meiner Oma gezogen, da ich es mit dem Säufer nicht aushielt. Fast täglich kamen Anrufe von ihr, in denen sie sich über Chris beschwerte. Doch trennen wollte sie sich nach wie vor nicht von diesem Idioten.

Ich konnte ihn schon seit längerer Zeit überhaupt nicht mehr ausstehen und die Abneigung zu dem Ekelpaket wuchs täglich. Wie hielt es Mama nur mit den Trottel aus? Jeden Tag kam er betrunken von der Arbeit heim und traktierte und belästigte sie oft bis Mitternacht, ehe er dann erschöpft einschlief. Handgreiflich wurde er nie, doch dies konnte sich schlagartig ändern, denn immer öfters bekam er plötzlich Wutausbrüche und schlug Laden und Küchenkästen zu. Je mehr ich auf sie einredete, umso besser fand sie die Idee, sich von Martin zu trennen. Gott sei Dank drang ich endlich zu ihr durch und sie dachte an eine geeignete Lösung.

Fürs erste blieb Mama nichts anderes übrig, als auch zu Oma zu ziehen, doch ich war mir sicher wir hätten eine lustige Zeit miteinander. Doch wie Chris die Trennung aufnehmen würde, war zu diesem Zeitpunkt absolut ungewiss und Mama wartete ab, bis er mal nüchtern von der Arbeit heimkam und ihn von ihrer Entscheidung zu berichten. Dann kam der Tag an dem es endlich soweit war und Mama und ich warteten ungeduldig in der Wohnung auf ihn. Als er die Küche betrat, saßen wir Beide am Esstisch und schauten ihn böse an.

Martin stand da, kratze sich am Kopf und starrte irritiert zurück, ehe er zu sprechen begann: „Was sitzt ihr da so dumm herum? Habt ihr nichts Besseres zu tun, als faul am Arsch zu sitzen?“
Mama schnappte mehrmals nach Luft, als sie antworten wollte, spürte ich wie sie leicht zu zittern begann. Doch ich nahm ihre Hand und drückte sie um ihr Mut zu machen.
„Also Chris ich wollte es dir schon lange sagen, aber da du ja nie nüchtern bist, bleibt nur heute die Möglichkeit dazu. Ich habe die Schnauze voll von dir und mache Schluss mit dir. Es gibt kein Zurück und ab heute sind wir kein Paar mehr.“
Chris sank auf die Knie, fing bitterlich an zu weinen und erwiderte flehentlich: „Nein Betty bitte nicht, tu mir dies nicht an. Du bist die Liebe meines Lebens und ich ändere mich. Ich höre mit dem Trinken auf, aber bitte gib mir noch eine Chance.“
Verdammt er gab keine Ruhe und der Zorn stieg mir bis ins Hirn. Mama sah zu mir und zuckte mit den Schultern.
„Mama? Du gibst den Saufbold doch nicht wirklich noch eine Chance oder? Er wird sich nicht ändern, bitte glaub mir.“
„Nein Amy natürlich bekommt er keine Chance mehr. Es ist endgültig vorbei und ich habe keinen Bock und Kraft mehr mit Chris zusammen zu sein.“, sagte sie ruhig und blickte streng in seine Richtung. Abwertend betrachtete sie ihn und erschauderte bei seinem Anblick, wie er da so mitleiderlegend lag.
Mama stand auf, nahm ihre Jacke und stieg über Chris Körper, der mittlerweile heulend und schluchzend am Boden lag.
„Amy komm lass uns gehen.“ und wir verließen unsere ehemalige Wohnung. Die Tür knallte ins Schloss und das Geräusch konnte man mit Sicherheit bis runter ins Erdgeschoss hören.
„Betty, Betty bitte komm zu mir zurück.“, schrie Chris ihr flehentlich nach, doch wir ignorierten seine Rufe und gingen zu Fuß nach Hause, wo Oma bereits neugierig auf uns wartete.

2

Amy

 

Oma stand bereits draußen bei dem Treppen und rauchte eine Zigarette. Als sie uns kommen sah, winkte sie bereits fröhlich.
„Los beeilt euch, kommt rein und erzählt mir alles.“, stotterte sie aufgeregt und sah uns nervös an. Sie konnte es gar nicht erwarten die Geschichte zu hören.
„Also Mama ich habe mich nun endgültig von Chris getrennt. Er will mich zwar zurück und hat geweint, doch ich blieb hart und bin mit Amy einfach gegangen. Ich weiß dass er sich niemals ändern wird und vom Alkohol nicht loskommt.“, erzählte meine Mama stolz. Oma begann übers ganze Gesicht zu strahlen, klatschte in die Hände und schrie freudig: „Mädels darauf stoßen wir drei mit einer Flasche Sekt an, denn die Trennung von dem Saufbold müssen wir feiern. Prost meine Lieblinge.“

Noch nie war ich so derart stolz auf meine Mama, wie in diesem Augenblick, sie hatte es tatsächlich durchgezogen und sich nicht einlullen lassen. Von nun an würde eine sehr lustige Zeit beginnen, da war ich mir sicher. Als ich sie so ansah, bemerkte ich, dass sie nachdenklich aus dem Fenster blickte und am Sekt nur ab und zu nippte. Bereute Mama die Trennung vielleicht schon? Inständig betete ich, dass sich die Ängste in Luft auflösten.
„Mum was ist denn los? Du siehst traurig aus. Raus mit der Sprache.“, fragte ich besorgt und streichelte sie an der Schulter.
„Amy schau ich bin jetzt zweiundvierzig, habe zwölf Jahre meines Lebens mit diesen Idioten verschissen und nun bin ich seit ein paar Stunden Single. Wo soll ich in diesem Dorf bitte einen gescheiten und vernünftigen Mann fürs Leben kennenlernen? Du weißt ja selbst hier am Land sind fast nur Bauerntrotteln, da werde ich die nächsten Jahre noch allein sein und hier bei Oma wohnen.“
Verdammt sie hatte ja irgendwie recht, hier in der ländlichen Idylle gab es kilometerweit Niemanden. Nun ich war ebenfalls Single und lernte die Typen übers Internet kennen und die Meisten kamen aus Wien oder der näheren Umgebung. Für mein Alter war ich total anders, als die Mädchen hier im Dorf, denn mein Stil war eine Mischung aus Emo- und Gothicstil.

Hier in meinem Wohnort war ich quasi eine kleine Aussätzige, denn keiner war so ausgeflippt und schräg wie ich. Die meisten meiner Freunde gehörten ebenfalls dieser Szene an und es war mir scheißegal was die Leute über mich dachten. Anfangs hasste Mama den Stil, doch ich rannte nun schon drei Jahre so herum und mittlerweile hatte sie sich daran gewöhnt und selbst Gefallen daran gefunden. Wirklich gescheite Typen, die für eine Beziehung taugten, lernte ich leider nie kennen, doch ich wollte auch nix festes, da ich meine Unabhängigkeit liebte und nicht gerne eintauschte. Wie konnte ich Mama zu einem Mann verhelfen? Dann knallte die Idee wie ein Blitz in mein Hirn. Ich beschloss sie ihn ein paar Singlebörsen anzumelden und ihr die Welt des Internets zu erklären.

Ich stellte mich neben sie und grinste. „Mama ich habe eine Idee. Wie wäre es wenn wir dir auf Singlebörsen Profile machen? Mit Fotos und allem Drum und Dran, was noch so dazugehört. Viele ältere Menschen suchen ihr Glück im Internet und lernen dort Leute oder sogar ihre nächste Beziehung kennen?“ Nun wirklich überzeugen schien sie von der Idee nicht zu sein, denn sie sah mich an wie eine verschreckte Eule und schien nicht zu wissen, was ich damit meinte.
„Amy ich kenn mich doch im Internet null aus. Du musst mir schon dabei helfen, doch ich finde es cool.“, erwiderte sie belustigt und kicherte wie eine Irre. Hätte ich ihr bloß nichts erzählt, denn nun dränge sie mich, ihr sofort ein Profil zu erstellen. Dies ging mir ehrlich gesagt ein wenig zu schnell, also erklärte ich ihr, dass man dazu gescheite Fotos bräuchte.

„Ach ist doch egal bitte Amy, los mach zwei Fotos von mir und zeig mir wie das funktioniert.“
Wenn sie ihren Dackelblick aufsetzte, konnte ich nicht nein sagen. Die Fotos und ein Profil zu machen, würde vielleicht fünfzehn Minuten in Anspruch nehmen, dann hätte ich für heute Ruhe.
„Also gut stell dich dorthin Mama und mach irgendeine Pose, egal welche.“
Sie sprang schnell wie ein Wiesel vom Sessel auf, stellte sich zum Fenster und machte einen verführerischen Kussmund. Nun fürs erste Foto müsste es reichen, morgen würde ich sie dann schminken und ihr andere Klamotten verpassen. Denn dies war absolut nötig, denn sonst würden sie nur Idioten und Schwachköpfe anschreiben und dass musste ich verhindern. Schließlich sollte sie ja hübsche, knackige Typen kennernlernen und keine Opas. Eilig tippte ich die Singlebörse ins Smartphone ein und wartete bis sich die Seite öffnete und ihr ein Profil mitsamt Foto erstellte.
„So Mama jetzt heißt es warten bis Morgen, dann sehen wir wieder in dein Profil rein okay?“
Kichernd antworte sie mir: „Ja Amy ist in Ordnung. Ich freue mich darauf neue Typen kennenzulernen und hoffe da sind nicht nur Idioten dabei.“
„Aber nein da sind auch normale, liebe Männer drin. Ich hab schon ein paar nette kennengelernt. Gute Nacht und süße Träume.“ und ging rauf in mein Zimmer. Die Neugierde ließ mich nicht einschlafen und so guckte ich in ihr Profil und war erstaunt wie viele Nachrichten sie inzwischen bekommen hatte. Sie wusste ja nicht, dass ich ihre Mails las und so beschloss ich alle zu lesen und zu prüfen wer geeignet schien und wer nicht. Zum Glück kannte ich ja den Geschmack von ihr und wusste haargenau welche Männer in Frage kamen. Die Typen die lieb und freundlich schrieben und mir sympathisch waren, denen gab ich einfach Mamas Nummer. Ich fand es lustig, den Vermittler und Kuppler zu spielen und war schon auf das Gesicht von Mama gespannt, wenn ich sie morgen früh sehen würde.

 


 

3

Amy

 

„Amy, Amy wach auf nun mach schon.“, hörte ich die aufgeregte Stimme von Mama, die mir einfach die Decke wegzog und mir ein kalter Schauer über die Haut jagte. „Mensch welche Ameisen haben dich denn bitte so früh gebissen? Es ist erst halb acht und zudem auch noch Samstag und ich möchte ausschlafen. Bitte zwei Stunden noch.“, flehte ich in der Hoffnung, sie würde das Zimmer verlassen. Doch weit gefehlt, stattdessen zerrte sie mich bei den Füßen runter bis zur Bettkante. „Spinnst du? Was soll…..,“ doch weiter kam ich nicht, denn sie strahlte, war hielt mir ihr Handy vor die Nase und wedelte damit herum.

„Amy du mich haben gestern noch drei Typen angerufen und ich habe bis drei telefoniert. Die Männer klingen recht nett und schreiben cool. Für heut Nachmittag habe ich mir schon ein Date ausgemacht und Hannes kommt von Wien her. Toll oder?“ Hatte ich sie gerade richtig verstanden oder mir mich verhört? „Ähm Mama du hast was? Du kennst den Typen doch nur vom Telefon.“, erwiderte ich schlaftrunken. Sie rollte mit den Augen und schwatzte: „Ach na und ist doch egal, gönn deiner Mama doch ein bisschen Spaß. Ich war jahrelang mit dem Idioten zusammen, jetzt ist es an der Zeit zu flirten und gescheit Aufriss zu machen. Du begleitest mich eh.“

Perplex starrte ich sie an und musste auf einmal lachen, es könnte durchaus witzig werden, schoss es mir durch den Kopf. Ich setzte mich auf die Kante des Bettes, rauchte mir ausnahmsweise eine Zigarette an und blies ihr den Rauch ins Gesicht. Das Zimmer wurde in eine dicke Rauchwolke getaucht und Mama hustete, sprang vom Bett auf und riss das Balkonfester weit auf. Sofort wurde es heller im Zimmer und die frische Luft wehte durch verrauchten Raum. Man konnte gleich viel besser atmen, da die abgestandene Luft entwich und ich allmählich wacher wurde. Die Vögel zwitscherten,  saßen in den großen Tannenbäumen und trällerten, die sich vor dem Balkon meines Zimmers befanden. 

„Also wir müssen dich fix umstylen und dir die Haare färben. Bist du dabei? Ich hab hier noch eine schöne kastanienbraune Farbe, welche dir gut stehen würde. Komm trau dich.“ und hoffte ein Ja zu hören. Sie zog eine Augenbraue hoch und überlegte, ehe sie antwortete: „Hm wenn du meinst Amy von mir aus, aber du musst mir aber auch Klamotten von dir borgen. Heute möchte ich flippig aussehen.“, dabei lachte sie herzhaft. Wie geil war sie denn heute drauf? Mama wollte von mir was anziehen? Träumte ich oder bildete ich mir den Satz ein? Ich zwickte mich in die Wange und es tat weh, also war ich hellwach. Seit ich sie auf der Seite angemeldet hatte, war Mama viel lockerer und besser drauf. Vielleicht tat ihr die Bestätigung anderer Männer gut, denn ich wusste ja nicht was alles in ihrem Kopf vorging.

Impressum

Texte: Abigail Dilaurentis
Bildmaterialien: Abigail Dilaurentis
Tag der Veröffentlichung: 14.03.2016

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