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Schon seit ich fünfzehn war, wollte ich ein Auslandsjahr in New York als Au-Pair machen und diesen Traum erfüllte ich mir nun. Vor ein paar Monaten hatte ich mich bei einer Agentur registriert, die Au-Pairs weltweit vermittelte. Lange dauerte es nicht und ich bekam einen Job. Den Familienvater kannte ich schon von Skype und den kleinen Sohn Kevin von Fotos her, die ich per Mail zugesendet bekam.

Alles in allem schien der Vater sympathisch zu sein und suchte dringend Unterstützung im Haushalt und bei der Erziehung des Kleinen. Ich erfuhr das Tyler allein lebte, da seine Frau erst kürzlich bei einen schweren Verkehrsunfall ums Leben gekommen war und die Zwei allein zurückließ. Der Verlust tat mir in der Seele und im Herzen weh und die Beiden taten mir verdammt leid. Umso mehr freute ich mich, wenn ich endlich meinen Job antreten konnte und ein Jahr vollkommen frei und unabhängig war, denn Mama behandelte mich trotz meiner neunzehn Jahre immer noch wie ein kleines Mädchen. Sie war eine richtige Glucke und passte auf mich auf wie ein Adler, vermutlich auch deswegen weil ihr einziges Kind war.
„Es ist mir egal ob du meine Idee gut oder schlecht findest. Ich bin volljährig und mache was ich will merk dir das. Du kannst mich nicht aufhalten denn ich fliege morgen nach New York“, schrie ich meine Mama aufgebracht und voller Zorn an.
„Cathy sei doch bitte vernünftig, überleg gründlich, bevor du dich endgültig entscheidest. Du verpflichtest dich ein Jahr als Au-Pair in New York zu bleiben und du kümmerst dich dabei um einen zweijährigen Jungen. Ich bin mir nicht sicher ob es das Richtige ist.“, sagte meine Mutter schroff.
„Ich ziehe das durch und aus. Wenn ich auf die Schnauze falle, dann habe ich eben Pech gehabt. Es wird schon nicht so schlimm werden, das schaffe ich links.“, erwiderte ich frech. Wütend stapfte ich in mein Zimmer und schlug die Tür hinter mir voller Zorn zu, sodass ein paar Bilder, die an der Wand hingen wackelten.

Ärgerlich öffnete ich den Kleiderschrank und schmiss fast die ganzen Klamotten, die sich darin befanden achtlos auf den Boden. Ich stellte mich auf Zehenspitzen und zog den Reisetrolly, der sich oben am Kasten befand ruckartig hinunter und plumpste mitsamt den Koffer auf den Fußboden. Tollpatschigkeit und Chaos zählten zu meinen weiteren Namen, solche Dinge passierten immer nur einen kleinen Pechvogel wie mir.

Langsam sortierte ich die Sachen ein, die ich für die Reise benötigte, der Rest der mir noch fehlte, könnte ich in New York nachkaufen. Die Aufregung stieg von Minute zu Minute, in ein paar Stunden ging mein Flug und wir waren noch nicht am Weg zu Flughafen.
„Mama ich bin fertig, wir müssen jetzt aber sofort los, sonst verpasse ich womöglich noch den Flug. Also beeil dich und beweg deinen Popo.“, rief ich belustigt.
„Ja Cathy ich bin bereit, von mir können wir uns auf dem Weg machen.“
Eilig verschloss ich den Koffer, warf einen letzten Blick in mein Zimmer, schnappte das Gepäck und rannte hinaus zum Auto. In circa einer Stunde wären wir am Flughafen angelangt und mein neues Leben stand kurz bevor. Hoffentlich würde ich mich mit dem Vater gut verstehen und es gebe keine Probleme. Gut jeder Anfang gestaltete sich als schwierig, doch nach alldem was diese Familie erlebt hatte in den letzten Wochen, könnte es tatsächlich nicht einfach werden. 

Für den kleinen Jungen und den Vater mussten die letzten Wochen wahnsinnig schwer und kaum auszuhalten gewesen sein. Der Mann stand von heute auf morgen ohne Frau und Kevin ohne Mama da. Mein Herz fühlte mit Ihnen mit, obwohl ich sie noch nicht real kannte, sondern nur von Fotos her, doch das änderte sich in ein paar Stunden. Am Counter checkte ich schließlich ein, das Gepäck und der Pass gründlich kontrolliert, doch es verlief alles problemlos und ich durfte die Kontrolle passieren und das Flugzeug betreten. Die Verabschiedung von Mama fiel mir trotz allem nicht wirklich leicht und es flossen auf beiden Seiten viele Tränen.

Ich hatte extra einen Platz beim Fenster gebucht um den Abflug und die spätere Aussicht genießen zu können. Seit ich mich hingesetzt habe, wartete ich gespannt darauf, endlich einen Blick auf die über uns liegenden Wolken erhaschen zu können und ich wurde nicht enttäuscht. Ein großes, weißes, endlos erscheinendes Wolkenmeer breitete sich vor meinen Augen aus und die Sonne strahlte wunderschön. Es sah aus wie ein Teppich aus Zuckerwatte, auf welcher das Flugzeug regelrecht zu gleiten und zu schweben schien.

Zehn Stunden Flug lagen nun vor mir, die ich hoffentlich einigermaßen positiv und ohne gröbere Probleme überstehen würde. Gott sei Dank zählte ich nicht zu den paar Prozent der Menschheit die unter Flugangst litten. Gegen einundzwanzig Uhr abends sei die geplante Ankunftszeit in New York. Mittag und Abendessen waren im Flugpreis bereits mit inbegriffen, also müsste ich nicht hungern und könnte futtern ohne Ende.

Mit meinem Aussehen war ich eigentlich einigermaßen zufrieden, zumindest konnte ich mich nicht beschweren. Ich hatte schulterlange braune Haare, grüne Augen, die Körpergröße betrug einen Meter fünfundsechzig und das Gewicht betrug circa 50 Kilo. Vom Charakter her war ich sehr offen, vielen oft zu direkt, freundlich, keineswegs schüchtern und schon gar nicht auf den Mund gefallen. Wenn man einen Begriff finden musste, welcher mich als Ganzes beschrieb, dann traf „Verrücktes Huhn“ perfekt zu. Männer beschwerten sich jedenfalls nie, denn ich hatte eine sehr schlanke Figur und über meine Oberweite konnte ich mich auch nicht beklagen, denn die betrug Körbchengröße fünfundsiebzig B.

An festen, langen Beziehungen war ich nie wirklich interessiert und verlor relativ schnell das Interesse an den Typen mit denen ich zusammen war oder eine Beziehung versuchte. Keine Ahnung warum, aber mit der Zeit wurden diese langweilig und ich hatte die Schnauze voll und brauchte neues Frischfleisch. Beim nächsten Fortgehen, hielt ich schon automatisch nach heißen Boys Ausschau, welche ich vernaschen könnte. An One Nights Stands oder kurzen Affären war ich generell niemals abgeneigt. Die meisten hielten, wenn alles gut verlief höchstens acht Wochen. Hallo ich war erst zwanzig Jahre jung, wollte das Leben in vollen Zügen genießen und mich nicht schon in so jungen Jahren ewig binden, wie manch andere in dem Alter. Kinder und einen Mann hätte ich mit dreißig bestimmt, also wozu dieser Stress?

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Die Sitzplätze waren allesamt besetzt, nicht mal einen leeren Sitz konnte ich sehen, als ich den Blick durch den Raum schweifen ließ. Wie es in der ersten Klasse aussah und wie der Komfort dort sei, interessierte mich brennend. Oje das könnte ein Kampf werden, wenn ich mal aufs Klo müsste. Zehn Stunden ohne sich zu erleichtern, schon allein die Vorstellung machte mir Angst und war für mich auf keinen Fall zu schaffen.

 Beinfreiheit hatte ich relativ genug für meinen Geschmack, andere Passagiere wiederum beklagten sich über den geringen Platz und ließen den angestauten Frust und Ärger an den Stewardessen aus. Die Mitarbeiter taten mir schon ein bisschen leid, denn ab und zu wurden sie sogar beschimpft. Dass war meiner Meinung nach unterste Schublade und gehörte sich ganz und gar nicht. Man konnte es doch ruhig und freundlich sagen, doch den Grund weshalb manche so ausfällig wurden, war für mich unverständlich. Niemals könnte oder würde ich so unfreundlich und unmöglich sein, das schwor ich mir und daran hielt ich mich auch. 

 

Impressum

Texte: Abigail Dilaurentis
Bildmaterialien: Abigail Dilaurentis
Tag der Veröffentlichung: 27.02.2016

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