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1. Zeig mir den Himmel

Zeig mir den Himmel

 

„Zeig mir den Himmel!“
Verwirrt blieb er stehen und drehte sich zu mir um. „Was?“
„Zeig mir den Himmel, “ wiederholte ich.
Er stand augenscheinlich still da, doch wenn man in seine Augen blickte, spürte man die Unruhe in ihm. Vorsichtig studierte er meine Gesichtszüge, wollte erkennen, was meine Absichten waren.
Doch in mir und nach außen hinaus, spiegelte sich nur eines: Leere.
„Was meinst du mein Schatz?“, meinte er nun und schien immer nervöser. Fahrig fuhr er sich durch seine Haare, die schon wieder so lang gewachsen waren, wie ich es an ihm eben gerne mochte.
„Ich bitte dich, mir den Himmel zu zeigen“, bat ich ihn abermals.
„Schau doch hinauf, da ist er doch der Himmel. Direkt über dir!!! Mehr kann ich dir auch nicht zeigen. Mann, bist du wieder kindisch“, rief er jetzt förmlich und wurde langsam genervt von meinem Verhalten.
Ich wusste nicht, wie ich es ihm erklären sollte und entschied mich auch schon dagegen, es hatte mit ihm ja doch keinen Sinn.
Er würde mir nur wieder sagen, dass ich übertreibe, dass ich schwarzmale, dass ich pessimistisch sei.
Und doch, es war mein erster Anlauf gewesen Hilfe zu suchen.
„Komm Valentine! Wir gehen wieder rein, das wird schon, wirst schon sehn“, meinte er schon versöhnlicher.
„Okay, das wird toll!“, strahlte ich nach außen und verdeckte meinen eigentlichen Gefühle wieder einmal hinter einer Maske.
Danielle wusste nichts von meinen Gefühlen, die wieder da waren, und nach der heutigen Reaktion würde ich ihn vermutlich auch nichts wissen lassen.

 

Seit einigen Monaten war ich schon rückfällig, zumindest was meine Gedanken anging, und es wunderte mich, dass noch niemand Wind davon bekommen hatte. Jedoch war ich froh darüber. Es reichte mir schon, wenn ich mit dem Ganzen hier klar kommen musste, da brauchte ich nicht noch jemanden, der mitmischen will.

Hi, darf ich mich vorstellen?
Ich bin Valentine.
20 Jahre alt. Angehende Lehrerin. Vorbildperson und stets in einem Zustand perfekter Zufriedenheit.
Das war es, was alle von mir wussten, auch die, die mich näher kannten.
Doch, wie es wirklich in mir aussah, hütete ich wie meinen Augapfel.
In Wahrheit war ich nichts mehr als ein Häufchen Elend, das nachts schreiend aufwachte, um stundelang wieder wach zu liegen und zu heulen, wie ein zutiefst verunsichertes Kind.
Das war es auch, was ich war.
Ein Kind.
Innerlich war ich noch immer nicht erwachsen geworden, ich wusste es tief in mir, doch wollte mich meine Vernunft immer noch zwingen, mich endlich in die Gesellschaft einzufügen.
Den stillen Trott zu gehen, den eben alle gehen, wie die Schafe immer in ein- und dieselbe Richtung.
Doch ein anderer Teil meines Körpers, mein Herz, klammerte sich verzweifelt an das „Kind-sein“.
Unbekümmert über die Wiesen laufen, ja fast schweben und sich über nichts Gedanken machen, einfach glücklich sein und mich über die kleinen Dinge des Lebens freuen.
Manch einer mag sagen, dass dies doch als Erwachsener auch noch geht.
Aber ich habe da andere Erfahrungen gemacht, Erfahrungen, die mich noch heute in meine schlimmsten Albträume verfolgen.
Seit über sieben Jahren leide ich an einer psychischen Krankheit namens Depression, oder das Monster in mir, wie ich sie nenne. Versteht mich bitte nicht falsch, natürlich gibt es auch gute Tage, Tage an denen ich einfach ich sein kann, völlig losgelöst von den meisten meiner Sorgen. Doch das Monster schlummert immer in mir, lauernd, wie ein Tiger auf seine Beute, um dann schneller als der Wind wieder auszubrechen. An alle, die diese pure nackte Verzweiflung  jemals gespürt haben: "God bless you!" Dies ist nichts worauf ich stolz bin oder worauf irgendjemand auf diesem Planeten stolz sein sollte, aber gleichzeitig auch nichts, was zu verurteilen wäre. Im Religionsunterricht wurde mir dazu einmal gesagt, dass Gott uns nie mehr Last auflegt, als wir tragen können. Langsam frage ich mich, welches Bild er von mir hat!

„Erde an Schatz! Bist du noch in unserem Sternensystem?“
Oh, ja.  Genau! Danielle!

„Oh! Sorry Schatz, ich war wohl wieder etwas in den Wolken.“
„Ja, aber nur ein klitzekleines bisschen“, meinte Danielle mit einem vielsagenden Blick.
Er seufzte und nahm mich bei der Hand. Danielle wusste, dass in solchen Situationen (die ich im Übrigen öfters habe) Worte überflüssig waren und ich einfach dringend Ablenkung brauchte.
Dies war eines seiner Spezialgebiete: Mich ablenken.
Danielle ist ein sehr fürsorglicher Lebenspartner. Vor allem sein Gespür dafür, was in der jeweiligen Situation zu machen ist und seine Ruhe dabei, faszinieren mich immer wieder. Mit Worten hat er es allerdings leider nicht so, aber darüber kann ich getrost hinwegsehen.

 

" Wir müssen langsam los Süße!", meinte Danielle und sah mich traurig an.

"Ich will nicht", seufzte ich und schluckte die Tränen hinunter, die sich gerade den Weg in meine Augen bahnen wollten. Ich entozg ihm meine Hand, in solchen Momenten konnte ich schlecht mit Nähe umgehen, wenn ich sie auch umso mehr brauchen würde.
"Ich weiß, ich auch nicht, aber du kennst das ja. Ist jede Woche dasselbe", auch er seufzte und nahm meine Hand wieder in seine. Danielle war eher so ein "Zu viel Nähe gibt es nicht"-Typ, er liebte es, meine Nähe zu spüren und schaffte es auch, dass ich es zulasse. Langsam packte ich meine restlichen Sachen in meinen Rucksack, den ich immer mithatte, wenn ich zu Danielle fuhr. Für mich hieß es, wieder nach Hause zu fahren, denn es war Sonntag und morgen musste ich wieder in die Uni.
Meine Universität lag ungefähr zwischen unseren beiden Wohnorten, aber ich musste zu Hause noch meine Sachen holen und konnte schließlich nicht die ganze Zeit meinen Wochenend-Rucksack mitschleppen.
Bald, sagte ich mir, bald ist es vorbei...

 

 

2. Führe mich sanft

...

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 10.06.2017

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Ich möchte dieses Buch meinem Lebenspartner widmen, der mich schon so lange auf meinem Weg begleitet und mich stützt, egal, wie tief ich zu fallen drohe. Danke dafür! Ich liebe dich von ganzem Herzen!

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