Regen prasselte an das Fenster. Beständig fielen die Tropfen vom Himmel und zersprangen, dort wo sie aufkamen, in weitere, kleinere Tröpfchen. Der Wind ließ den Vorhang ins Zimmer wehen und brachte den Duft der vom Regen gereinigten Luft mit hinein.
Starke Arme schlangen sich von hinten um meinen Oberkörper und zogen mich an eine durchtrainierte Brust. Ich schloss für einen Moment die Augen und genoss das Gefühl seiner nackten Haut auf meiner.
„Morgen“, nuschelte er an meinem Hals und ich erschauderte, als sein warmer Atem meinen Nacken streifte.
„Guten Morgen, Süßer.“ Ich drehte mich in seinen Armen um und hauchte ihm einen Kuss auf die Lippen. Diese verzogen sich daraufhin zu dem sanften Lächeln, welches ich so liebte.
Christian und ich waren inzwischen schon seit fünf Jahren zusammen und trotzdem schaffte er es immer wieder, mich mit der winzigsten Berührung, mit einer noch so unbedeutend aussehenden Geste, total aus dem Konzept zu bringen.
Wir hatten uns vor sechs Jahren auf Mallorca kennengelernt. Damals waren wir beide noch mit unseren Familien unterwegs, obwohl er schon 17 und ich 18 gewesen war. Für mich war es Liebe auf den ersten Blick gewesen und trotzdem hatten wir ein qualvoll langes Jahr gebraucht, um endlich zusammenzukommen.
„Ich glaube, Frühstück wird heute nichts.“ Christian sah misstrauisch aus dem Fenster. Ich schmunzelte. „Komm schon, das bisschen Regen wird dich doch nicht vom Essen abhalten, oder?“ „Doch, genau das tut es. Ich hab keine Lust, mich total durchnässt ins Restaurant zu setzen.“ Er gähnte. „Und außerdem bin ich noch total müde. Du hast mich letzte Nacht ganz schön geschafft.“ Ein süffisantes Grinsen schlich sich auf mein Gesicht, während sich mein Freund zurück in die Kissen kuschelte und mich dabei noch näher an sich zog.
„Hab ich das, ja?“ „Hm…“ Ich stützte mich auf seiner Brust ab. „Heißt das, du musst jetzt unbedingt schlafen und darfst auf keinen Fall gestört werden?“ „Hm…“ Ich lächelte. Er sah so süß aus, wenn er schlief. Auch wenn er da ganz anderer Meinung war.
„Hör auf, mich anzustarren.“ Christian öffnete ein Auge und sah mich verschlafen an. Grinsend tupfte ich einen Kuss auf sein Schlüsselbein. „Nenn mir einen guten Grund, warum ich meinen wunderschönen Freund nicht anschauen sollte.“ „Ich bin nicht wunderschön.“ „Doch, das bist du. Du bist einfach nur perfekt.“ Ich beugte mich vor und küsste ihn diesmal richtig.
Als er seine Lippen öffnete, um zu protestieren, ließ ich meine Zunge in seinen Mund gleiten und stupste seine auffordernd an. Christian seufzte einmal tief, womit er mir sagen wollte, dass ich unmöglich sei, doch ich quittierte das Ganze nur mit einem Lächeln. Ich wusste, dass er es in Wirklichkeit mochte, wenn ich ihm sagte, wie heiß, attraktiv und großartig er war und er wusste, dass ich es wusste. Und dennoch widersprach er jedes Mal wieder.
Ich vergrub meine Hände in seinen Haaren und platzierte mein eines Bein zwischen seinen. Christian keuchte leise auf, als ich dabei seine Härte streifte.
Ich löste den Kuss und sah ihn herausfordernd an. „Sicher, dass du schlafen willst?“ „Hm…“ Seine grauen Augen fixierten mich beleidigt. „Ich bin müde.“ „Dein kleiner Freund da unten sieht das aber irgendwie anders…“ Zur Untermauerung meiner Worte verlagerte ich mein Gewicht etwas mehr auf mein rechtes Bein, was Christian erneut dazu brachte, lustvoll aufzustöhnen.
„Okay, okay, du hast ja Recht.“ Er packte mich und drehte uns um, sodass er nun auf mir lag. „Aber du musst zugeben, dass ich nicht der Einzige mit einem kleinen Problem bin.“ Grinsend schaute er mir in die Augen und ließ dabei ganz langsam seine eine Hand unter die Bettdecke wandern, immer tiefer, bis sie meinen halberigierten Schwanz umfasste. Ich keuchte auf und bog mich automatisch der Berührung entgegen. „Na na, nicht so ungeduldig.“ Christian schenkte mir ein teuflisches Lächeln, welches mich nervös schlucken ließ.
Langsam strich er einmal meine Länge hinauf, eher seine Hand wieder verschwand. Er hauchte mir einen kurzen Kuss auf die Lippen und schob sich dann auf mich. Wir keuchten beide zeitgleich auf. Sein Blick ruhte auf mir und verhakte sich mit meinen.
Ich schlang meine Arme um seinen Nacken und zog ihn zu mir herab, um meine Lippen stürmisch auf seine zu pressen. Er erwiderte den Kuss ebenso hungrig und fing an, sich an mir zu reiben. Genießerisch ließ ich meine Hände über seinen Rücken gleiten und presste ihn noch dichter an mich.
Die makellose weiche Haut unter meinen Fingern und sein heißer Atem an meinem Ohr, zusammen mit seinem Becken, welches sich aufreizend an meinem rieb, ließen mich fast schon so kommen. Alles an ihm und alles mit ihm fühlte sich einfach so unbeschreiblich gut an.
„Christian“, keuchte ich. „Ich…“
Er verlangsamte seine Bewegungen und blickte mir verstehend in die Augen. „Ich weiß“, flüsterte er. „Soll ich…?“ Ich nickte hastig. Wenn er sich nicht beeilte, wäre der Spaß vorbei. Lange würde ich nicht mehr durchhalten können. Egal, wie oft wir es schon getan hatten, es wurde nie langweilig und er schaffte es jedes Mal wieder, mich in den Wahnsinn zu treiben.
Ich würde nie genug von ihm bekommen und genau deshalb wollte ich auch unbedingt mit ihm hierher fahren. Auf Mallorca, wo alles angefangen hatte. Ich wollte, dass es perfekt wurde, weil er perfekt war. Ich wollte, dass er es nie vergessen würde.
Ich spürte etwas Kaltes an meinem Eingang und keuchte überrascht auf. Beruhigend strich mir Christian über die Brust. Dabei führte er langsam einen Finger in mich ein und begann, mich zu dehnen. Ich stöhnte und krallte meine Hände ins Bettlaken. Als Christian seinen zweiten Finger hinzunahm und meine Prostata streifte, schrie ich vor Lust auf. „Chris…“ Er beugte sich zu mir und küsste mich leidenschaftlich.
Mir wurde schwindlig. „Chris, wenn du mich nicht sofort nimmst, dann hast du ein gewaltiges Problem.“ Er sah grinsend zu mir hoch und tastete nach einem Kondom.
Kurz darauf spürte ich seine Spitze an meinem Eingang und keuchte erneut, als er sich vorsichtig in mich schob. „Mach schon.“ Ich fing an, mich zu bewegen. „Du bist wirklich ungeduldig“, stellte Christian fest, doch ich hörte, dass es ihm genauso schwer fiel, sich zurückzuhalten.
Er packte meine Hüfte und hielt mich fest, um gezielter in mich stoßen zu können. Jedes Mal, wenn er diesen einen Punkt traf, stöhnte ich laut auf. Eine Schweißschicht bedeckte unsere Körper und Wellen der Erregung durchrieselten mich. Ich zog ihn zu mir herab, presste meine Lippen auf seine und hielt mich an seinen Schultern fest.
Unsere Bewegungen wurden schneller, unkontrollierter. Ich spürte, wie sich alles in mir zusammenzog und auch, dass Christian soweit war.
„Jakob“ Er stieß noch einmal in mich und ließ uns damit beide über die Klippe fallen. Mein Brustkorb hob und senkte sich hektisch. Sechs Jahre und ich war immer noch genauso scharf auf ihn wie am ersten Tag. Wie schaffte der Kerl das bloß?
Christian streifte das Kondom ab und schmiss es achtlos neben das Bett. Dann kuschelte er sich zurück in meine Arme. „Du hattest Recht, das war viel besser als schlafen.“ Ich lachte leise. „Natürlich hatte ich Recht.“ Seine grauen Augen fixierten mich belustigt. „Können wir jetzt trotzdem im Bett bleiben? Es regnet ja immer noch.“ „Klar. Ganz wie du willst.“ „Danke“
Er schmiegte sich an meine Brust und schloss zufrieden die Augen. Seine Atemzüge wurden ruhiger und nach wenigen Augenblicken war er eingeschlafen. Eine Eigenschaft von ihm, die ich nicht nachvollziehen konnte. Ich brauchte ewig, bis ich irgendwo eingeschlafen war, doch Christian hatte bei sowas keine Probleme.
Ich schloss ihn fester in meine Arme und strich ihm eine Strähne zurück hinters Ohr. Dann schmiegte ich meine Wange an seine Schulter und dämmerte ebenfalls weg.
Als ich das nächste Mal erwachte, hatte es aufgehört, zu stürmen. Nur ein leichter Nieselregen fiel noch vom Himmel. Es war vielleicht ganz gut, wenn es nicht mehr so heiß wie an den letzten Tagen war, dann würden wir beim Fahrradfahren nicht so ins Schwitzen geraten.
Im Nebenraum ging die Dusche an. Verdutzt drehte ich mich um und stellte fest, dass Christian nicht mehr im Bett lag. Auch gut, der Kerl war schwer wach zu bekommen.
Ich stand auf und ging hinüber ins Bad. Christian stand schon unter der Dusche und war gerade dabei, das Shampoo zu öffnen.
„Warte, ich mach das.“ Ich trat zu ihm und nahm ihm die Flasche aus der Hand. „Danke“ Er drehte sich zu mir und küsste mich.
Während seine Zunge meinen Mundraum erforschte, verteilte ich das Duschgel auf seinem Oberkörper. Ich strich über seine gut definierten Brustmuskeln, was ihn wohlig erschaudern ließ. Dann ließ ich meine Hände weiter zu seiner Rückseite wandern und knetete seine Pobacken. Christian stöhnte in den Kuss und schob mich dann vorsichtig von sich weg. Enttäuscht sah ich ihn an.
„Jakob, wenn du so weiter machst, kommen wir heute nicht mehr zum Essen.“ Bedauern lag in seiner Stimme, aber im gleichen Moment knurrte sein Magen. Ich lachte auf. „Okay, auf zum Essen. Nicht, dass du mir noch verhungerst.“ „Haha, sehr witzig.“ Doch sein Grinsen entschärfte den sarkastischen Ton.
Ich kannte Christian und wenn es ums Essen ging, war für ihn der Spaß vorbei. Beim Schlafen machte er ja noch die ein oder andere Ausnahme, aber jetzt…
Andererseits hatte das Ganze auch einen großen Vorteil, nämlich den, dass ich nicht kochen musste. Nach meinem ersten Kochversuch hatte Christian mich aus der Küche geworfen und mir verboten, je wieder eine Pfanne in die Hand zu nehmen. Mir, und sicherlich auch der Küchenmöbilierung, war es recht.
Deswegen lud ich Christian auch immer nur zum Essen ein, während er in unserer Wohnung wahre Meisterwerke fabrizierte. Doch es war ihm egal, wenn ich nur bei der Auswahl der Restaurants kreativ war. Hauptsache ich ließ die Pfannen in Ruhe.
Christian stieg aus der Dusche und nahm ein Handtuch aus dem Regal, in welches er mich einwickelte. Als er mich von hinten umarmte, stieg mir sein Duft in die Nase. Eine Mischung aus Zitronenmelisse und Duschgel. Ich war süchtig danach und kuschelte mich in seine Arme.
„Oh Jakob, du bist heute ja ganz schön verschmust.“ Ich spürte das Vibrieren seines Brustkorbes an meinem Rücken. „Nicht lachen!“ Ich funkelte ihn gespielt böse an. „Hey, ist in Ordnung.“ Er hob beschwichtigend die Hände. „Ich find’s süß.“
Bevor ich mich über das süß beschweren konnte, war mein Freund jedoch schon aus dem Zimmer. Immer noch in das Handtuch gehüllt, folgte ich ihm in den Nachbarraum und beobachtete ihn still, als er sich anzog.
„Was?“, fragte er, als er sich zu mir umdrehte. „Nichts. Ich seh‘ dir nur gerne zu.“ „Du weißt aber schon, dass ich mich gerade an- und nicht ausgezogen habe?“ „Tu ich, und du siehst auch beim Anziehen zum Anbeißen aus.“ Ich grinste und schlüpfte ebenfalls in meine Klamotten.
„Na dann: Ich freue mich, dass Sie ihren Spaß hatten, Sir.“ „Oh, den hatte ich, auch wenn Sie sich in nächster Zukunft gerne auch wieder ausziehen dürfen.“ „Eigentlich gehört das ja nicht zu meinem Standardrepertoire, aber für Sie mache ich da gerne eine Ausnahme.“ Er zwinkerte mir zu und schob mich dann aus der Zimmertür.
Es tat gut, mit ihm zu lachen und Blödsinn zu veranstalten. Ich genoss die lockere Stimmung zwischen uns und mein Beschluss, ihn zu fragen, festigte sich mit jeder Minute, die ich mit ihm verbrachte.
Die Hotelleitung war so freundlich gewesen und hatte für all jene, die nicht im Hauptgebäude untergebracht waren und aufgrund des Regens nicht zum Frühstück erscheinen konnten, das übrig gebliebene Essen stehen gelassen.
Christian und ich suchten uns einen etwas abseits gelegenen Tisch, um ungestört reden zu können. Obwohl wir beide geoutet waren und kein Problem mit unserer sexuellen Neigung hatten, wollten wir die anderen Leute nicht damit belästigen, wenn einer von uns während des Essens nach der Hand des anderen griff.
Trotzdem blieben mache pikierte Blicke nicht aus, als ich meine Gabel nahm und sie Christian in den Mund schob.
„Hey, das ist lecker, wo hast du das her?“, fragte er mich daraufhin verwundert. „Stand ganz hinten in der Ecke. Keine Ahnung, was es ist, stand nicht dran, deswegen hab ich dich zuerst probieren lassen.“ Ich zwinkerte ihm zu. Er lachte daraufhin auf und erwiderte: „Soso, und was hättest du gemacht, wenn ich an dem Zeug krepiert wäre?“ „Hm… Wahrscheinlich einen Notarzt gerufen, in der Hoffnung, dass dieser ganz ansehnlich ist.“ Ich schob mir einen Löffel von dem Zeug in den Mund, welches ich Christian gerade in den Mund gesteckt hatte und beobachtete dabei genau seine Mimik.
Er sah mich gespeilt geschockt an und seufzte dann theatralisch auf. „Ach Schatzi, es ist immer wieder schön zu hören, wie viel ich dir bedeute und gut zu wissen, dass du mich nie betrügen würdest.“ „Niemals“, bestätigte ich und er wusste, dass es so war.
Wir hatten am Anfang unserer Beziehung gleich festgestellt, dass ein Dreier oder eine offene Beziehung für keinen von uns in Frage kam. Allein der Gedanke, dass ein anderer meinen Christian küsste oder berührte, versetzte mir einen Stich.
Wenn wir abends weggingen, kam es zwar öfter mal vor, dass einer von uns ein eindeutiges Angebot bekam, doch meist küssten wir uns dann einfach leidenschaftlich, sodass jeder im Club wusste, dass wir vergeben waren. Aber ab Morgen sollte sowas dann hoffentlich kein Thema mehr sein. Ich war so schrecklich nervös. Was, wenn irgendetwas schief ging?
„Hase?“ Christians Stimme holte mich zurück in die Gegenwart. „Wie schmeckt’s?“ Er deutete mit der Gabel auf meinen Teller. „Was? Ach so, ja, du hast Recht, das Zeug ist wirklich lecker. Auch wenn ich immer noch keine Ahnung habe, was es ein könnte. Pasta oder sowas, vielleicht.“ „Ach Jakob, wo warst du denn schon wieder mit deinen Gedanken? Doch nicht etwa wirklich bei einem heißen Notarzt?“ Ich schenkte ihm ein verschwörerisches Grinsen. „Wer weiß…“
Nach dem Essen gingen wir zurück auf unser Zimmer, um uns umzuziehen. Von der Sonne war die Haut, die nicht von dem Fahrradtrikot bedeckt gewesen war, braun geworden, sodass es so aussah, als hätten wir Handschuhe und Kniestrümpfe an.
„Was gibt’s da zu schmunzeln? Du hast meinen Körper doch schon des Öfteren gesehen.“ „Hm, ich wollte dir nur sagen, die Bräunung steht dir ausgezeichnet.“ Christian runzelte die Stirn, musterte erst sich und ließ seinen Blick dann über meinen Körper gleiten. Feixend sagte er: „Du siehst aber auch nicht besser aus, also sei ja still! Und jetzt komm, sonst haben wir am Ende gar keine Zeit mehr.“
Er schnappte sich unsere Helme und hielt mir meinen auffordernd entgegen. Ich nahm ihn ihm ab und stieg in meine Fahrradschuhe. Dann steckte ich die Schlüsselkarte in meine Hosentasche und verließ zusammen mit Christian das Zimmer.
Es war angenehm kühl draußen, im Vergleich zu den letzten Tagen. Die Sonne war dabei, sich ihren Weg durch die Wolken zu kämpfen, sodass es nicht zu kalt wurde. Aufgrund des Sturmes waren auch die Straßen vergleichsweise leer, was das Fahrradfahren sehr erleichterte.
Ich fuhr dicht hinter Christian die Straßen entlang und genoss die frische Luft. Wir schlängelten uns durch enge Gassen, fuhren streckenweise am Strand entlang und passierten einen Kreisverkehr nach dem anderen. Die Mallorciner schienen viel Wert auf die Straßenverkehrsordnung zu legen, denn an wirklich jeder Ausfahrt stand ein Stopp-, bzw. Einfahrt-verboten-Schild. Die Kreisverkehre hingegen waren klasse, da es dafür keine Ampeln gab, die den Straßenverkehr behinderten.
Nach gut drei Stunden kehrten wir zum Hotel zurück.
„Wollen wir noch in die Sauna?“ Fragend sah mich mein Freund an. „Ist vielleicht eine gute Idee. Wenn wir morgen wieder eine größere Runde machen wollen, ist Muskelkater nicht so gut.“ „Ich frage mich immer noch, warum du gerade morgen die Runde planen wolltest.“ „Tja, du wirst es erfahren.“ Und da war sie wieder, die Nervosität. Die Angst, dass er Nein sagen könnte.
Christian trat hinter mich und schlang seine Arme um meinen Oberkörper. Leise raunte er mir ins Ohr: „Wir können natürlich auch erst noch ein wenig hier im Zimmer bleiben und dann später in die Sauna gehen. Ob wir schon verschwitzt da ankommen, ist ja auch egal.“ Ein Schauder durchlief meinen Körper und ich lehnte mich gegen die Brust meines Freundes. Ein Lächeln schlich sich auf mein Gesicht. Er würde nicht nein sagen.
Und sein Angebot klang verlockend… Auch wenn ich danach total fertig sein würde. Aber zur Hölle, seine Lippen, die anfingen, an meinem Hals zu knabbern, waren einfach zu verführerisch.
„Okay“, stimmte ich mit belegter Stimme zu. „Die Sauna kann warten.“ Ich drehte mich um und blickte direkt in Christians strahlendes Gesicht. „Na dann komm.“, flüsterte er rau und zog mich auf das Bett.
Ich hatte gewusst, dass ich erschöpft sein würde, aber es hatte sich allemal gelohnt.
Entspannt lehnte ich mich auf der Saunabank zurück und schloss die Augen. Ich spürte immer noch Christians Lippen auf meinem Körper, seine vorwitzige Zunge, die in meinen Bauchnabel stupste. Seine Hände, die mich mit der kleinsten Berührung in den Wahnsinn treiben konnten…
„Oh Mann, ich will gar nicht wissen, woran du gerade denkst.“ Christians Stimme riss mich aus meinen Tagträumen. „Aber ich würde an deiner Stelle aufhören, denn ich glaube, die anderen Gäste wären nicht so begeistert, wenn ich mich hier um dein kleines Problem kümmern müsste.“ Seine Augen funkelten belustigt. Machte er sich etwa über mich lustig? Aber er hatte Recht, ich sollte schleunigst an etwas anderes denken. Zum Beispiel an unsere Untermieterin, Frau Meyers. Die alte Schachtel war wirklich mit gar nichts zufrieden. Wenn wir nicht gerade den Müll vergessen hatten rauszustellen, hörten wir angeblich zu laut Musik und wir sollten doch bitte aufhören, unser Sofa andauernd umzustellen.
Bei letzterem hatte ich eine Vermutung, was sie für Geräusche meinte, aber Musik hörten wir nie laut. Zudem war die gute Dame schwerhörig, also nahm sie wahrscheinlich nur ihren eigenen Tinnitus wahr.
„An was denkst du?“ Christian sah mich neugierig an. „Ich überlege gerade, was Frau Meyers für Eigenheiten hat.“ „Oh, na das erklärt einiges.“ Er sah bedeutungsvoll auf meine Mitte, die wieder ihre Ursprungsform angenommen hatte. Gott sei Dank, sonst hätte das echt peinlich werden können.
„Ja, die Alte ist echt ‘ne harte Nuss, aber eigentlich ganz nett.“ „Hm… Ich bin trotzdem froh, dass sie einen Rollator und keinen Krückstock hat.“ Christian lachte. „Stimmt, sonst hätte sie dir wohl schon des Öfteren deinen süßen kleinen Arsch versohlt, weil du die Mülltonnen nicht exakt im 90-Grad-Winkel eingeparkt hast.“ Nun musste auch ich losprusten.
Christian hatte aber Recht, eigentlich war sie ganz okay, wenn man von ihren kleinen Macken mal absah.
Nach dem Abendessen schlenderten wir noch händchenhaltend durch das Hotelgelände. Irgendwann ließen wir uns an einem Tisch am Pool nieder und blickten auf das beleuchtete Wasser.
Die Luft war wieder wärmer geworden und eine milde Brise spielte mit einer Haarsträhne von Christian. Es war eine angenehm entspannte Stimmung. Das Wasser plätscherte leise vor sich hin, vereinzelt zwitscherten noch ein paar Vögel und der Sternenhimmel erstreckte sich über uns.
Ich verschränkte meine Finger wieder mit Christians und strich sanft mit dem Daumen über seinen Handrücken. Er lächelte mich an und das leuchtende Wasser spiegelte sich in seinen Augen.
Wir redeten über die Uni, unsere Familien und Christian versuchte, herauszubekommen, was ich für morgen geplant hatte, doch ich lächelte nur vor mich hin und schwieg beharrlich. Es sollte eine Überraschung werden, auch wenn ich manchmal kurz davor war, es ihm zu verraten.
Er wusste, welche Methoden er anwenden musste, um mich zum Reden zu bringen, doch ich schaffte es, stark zu bleiben.
Nach elf gingen wir schließlich zurück in unser Zimmer und ließen uns erschöpft ins Bett fallen. Christian rutschte an mich heran und schlang seine Arme um meine Brust. Seinen regelmäßigen Atemzügen in meinem Nacken schläferten mich ein und mit einem teils angenehmen, teils aufgeregten Kribbeln im Magen schlief ich schließlich ein.
Sonnenstrahlen stahlen sich durch die Gardine und kitzelten mich an der Nase. Ebenso wie etwas anderes, weicheres. Ich schlug die Augen auf und blickte in Christians friedlich schlafendes Gesicht. Seine Haare standen von der Nacht noch in alle Richtungen ab und eine Strähne kitzelte mich an der Wange.
Vorsichtig, um ihn nicht zu wecken, strich ich sie ihm aus der Stirn und fuhr dann langsam die Konturen seiner Wangenknochen nach. Seine Haut war so weich und von der Sonne leicht gebräunt. Nur um seine Augen war sie etwas weißer, da er beim Fahrradfahren immer eine Sonnenbrille trug. Das Ganze verlieh ihm das Aussehen eines Pandas und meine Mundwinkel zuckten unwillkürlich nach oben.
Ich ging im Kopf erneut alle Stationen des heutigen Tages durch. Nach dem Frühstück würden wir zu einer langen Radtour durch die Berge aufbrechen. Dann, an einer etwas abgelegenen Stelle, würden wir rasten und ich würde ihn endlich fragen.
Schon Zuhause in Zürich hatte ich immer wieder mit dem Gedanken gespielt, doch es war nie der richtige Augenblick dafür gewesen. Das Studium spannte uns beide ziemlich ein, Christian war gerade in den Abschlussprüfungen und würde dann seine Ausbildung beginnen.
Aber jetzt, in den Semesterferien, und hier, auf einer der schönsten Inseln der Welt, war der richtige Zeitpunkt. Ich wollte nicht länger warten, ich wollte den Rest meines Lebens mit ihm verbringen. Seit ich das erste Mal in diese bezaubernden grauen Augen, die bei Sonnenschein fast silbern leuchteten, geblickt hatte.
Christian bewegte sich neben mir und brummte leise. „Hey, Süßer. Aufwachen.“ Ich fuhr mit den Fingern über seine Lippen. „Mhm“, seufzte er und kuschelte sich enger an mich. Ich lachte leise. „Komm schon, es ist wunderbares Wetter, perfekt für eine Tour.“ „Steh schon mal auf, ich komm gleich nach.“, nuschelte Christian schläfrig und drehte sich auf die andere Seite. „Nichts da, wenn ich dich jetzt allein lasse, schläfst du mir nur wieder ein.“ „Hm“ Ich schmunzelte. Nicht alle Menschen sahen beim Schlafen süß aus, aber Cristian tat es definitiv. Und das würde ich auch sagen, wenn ich nicht mit ihm zusammen wäre.
Ich seufzte theatralisch auf. „Gut, ganz wie du meinst. Dann muss ich jetzt eben alleine duschen gehen. Oder nein, warte, ich hole mir einfach einen heißen Zimmersaubermachtypen.“ Christian drehte sich wieder zu mir um. „Zimmersaubermachtypen? Ernsthaft?“ Seine Augen sahen mich belustigt an. „Ähm … wie heißen die nochmal? Personal?“ „Entweder das oder einfach Zimmerservice.“, lachte er. „Stimmt, gut, dann rufe ich eben einen Typen vom Zimmerservice an. Besser?“ „Nee, es sei denn, ich fange an, dort zu arbeiten und du bestellst mich hierher.“ „Tja, wenn du dann nicht mehr so schläfrig bist…“
Ein Kissen flog in meine Richtung. Geistesgegenwärtig konnte ich es gerade noch auffangen, bevor es mich mitten ins Gesicht getroffen hätte. Wenn Christian eins konnte, dann war es zielen. Davon abgesehen, dass er viele Talente hatte, aber treffen tat er immer. Auch vor dem Aufstehen.
„Okay, du hast gewonnen. Ich steh auf.“ Murrend schlug er seine Decke zurück und kletterte aus dem Bett. „Sehr schön.“ Ich stand ebenfalls auf und folgte ihm ins Bad.
Nachdem wir ausgiebig geduscht und gefrühstückt hatten, machten wir uns auf den Weg in den Keller und holten unsere Räder. Ich stellte wieder einmal fest, dass das Trikot Christian unglaublich gut stand und er darin einfach nur zum Anbeißen aussah. Auch beim Fahrradfahren, das Spiel seiner Muskeln unter der Haut - zum Niederknien.
Bevor wir uns auf den Weg machten, kontrollierte ich nochmal, ob ich alles dabei hatte. Da wir mit dem Rad unterwegs waren, musste ich auf Rosen und Kerzenschein verzichten, doch das unscheinbare schwarze Kästchen war fein säuberlich verpackt.
„Hey, was machst du da?“ Cristian trat hinter mich. „Ich, ähm … nichts.“ Schnell verstaute ich die kleine Box wieder und drehte mich zu meinem Freund um. Dieser beäugte mich misstrauisch, fragte aber nicht weiter nach. Stattdessen hielt er mir die Karte vor die Nase. „Wie kommen wir da am besten hin?“
Ich zeigte ihm den Weg, den ich Zuhause schon ausgearbeitet hatte und wir fuhren los.
Je näher wir unserem Ziel kamen, desto aufgeregter wurde ich. Meine Hände schwitzten und in meinem Kopf spielten sich allerlei Horrorszenarien ab. Von einem Nein bis zum Absturz von der Klippe war alles dabei.
Doch immer wenn Christian mich liebevoll ansah, entspannte ich mich wieder. Er musste meine Nervosität spüren, ging aber nicht weiter darauf ein. Ich war ihm dankbar dafür und seine zärtlichen Berührungen, die sanften Blicke, bauten mich auf. Er war ein Schatz und das wusste er auch.
Als wir oben auf dem Berg, der heute mein Ziel gewesen war, angekommen waren, deutete Christian auf eine kleine Raststätte. Ich nickte und benetzte meine trockenen Lippen mit einem Schluck aus meiner Wasserflasche. Die Sonne schien heiß vom Himmel und jetzt, wo der Fahrtwind mich nicht mehr kühlte, war ich kurz vorm kochen.
Der Kiosk war ziemlich gut besucht, doch Christian und ich ergatterten noch zwei freie Plätze draußen im Schatten. Wir bestellten uns beide eine Apfelschorle und genossen die kurze Pause. Ich lehnte mich entspannt zurück und beobachtete die anderen Gäste.
Manche waren allein, andere in Gruppen. Vereinzelt konnte ich Pärchen erkennen, von denen einige auch Eheringe trugen. Ich wand mich wieder meinem Freund zu und musterte ihn. Er hatte sich wie ich zurückgelehnt und döste vor sich hin.
Eine Schweißperle rann von seinen Haaren über die Wange hinab zu seinem Hals und wurde dort von dem T-Shirt aufgefangen. Ich verfolgte ihren Weg mit den Augen und ließ meinen Blick dann tiefer gleiten. An beiden Ellenbogen hatte er sich vor drei Jahren jeweils einen Nautischen Stern tätowieren lassen und auch seine eine Wade zierten drei davon.
Ich liebte dieses Motiv, vor allem an seinem Körper. Der Stern war nicht nur für Seefahrer ein Symbol, es stand auch für Homosexualität. Doch auch, wenn man nicht über die Bedeutung nachdachte, war das Zeichen wunderschön. Schon oft hatte ich die Konturen mit meiner Zunge nachgefahren, hatte mit meinen Fingern darüber gestrichen, hatte zugesehen, wie sich bei der Berührung eine Gänsehaut an der Stelle bildete.
„Woran denkst du gerade?“ „An deine Tattoos.“ Er lächelte. „Anfangs warst du dagegen. Bis du das Motiv gesehen hast.“ „Stimmt. Ich bin froh, dass du sie dir hast stechen lassen.“ „Ich auch.“
Er sah mir tief in die Augen und ich versank in den silbernen Seen. Sie waren so wunderschön, er war wunderschön.
„Wollen wir weiter? Ich hab noch was geplant.“ „Ich wusste doch, dass du irgendetwas im Schilde führst.“ Er grinste mich an und erhob sich. Auffordernd reichte er mir eine Hand, die ich dankbar ergriff und mich von ihm hochziehen ließ. Zusammen schlenderten wir zu unseren Rädern und fuhren wieder los. Diesmal bergab.
Nach einem Drittel der Bergstrecke bedeutete ich Christian, anzuhalten. Wir schlossen unsere Räder an und folgten einem kleinen Trampelpfad in den Wald. Neugierig sah Christian mich an, doch ich schüttelte nur leicht den Kopf und ging weiter.
Nach kurzer Zeit lichtete sich der Wald und es wurde steiniger. Wir folgten dem Pfad zu einer kleinen Baumgruppe auf einem Felsvorsprung, von dem man eine super Aussicht über das Meer hatte.
„Jakob“, hauchte Christian. „Das ist überwältigend.“ Er drehte sich einmal im Kreis und blieb dann mit seinem Blick an mir hängen. „Wie hast du das gefunden?“ „Geheimtipp meiner besten Freundin. Hat sie beim Geocaching entdeckt.“ Christian nickte langsam. „Cool.“
Ich freute mich, dass es ihm gefiel. Als Laura mir die Bilder dieser Stelle gezeigt hatte, war ich auch sprachlos gewesen. Gleichzeitig wusste ich, das würde der Ort werden, an dem ich ihn fragen würde. Selbst das Wetter war perfekt, worauf sollte ich noch warten?
Ich umschloss das kleine Kästchen mit beiden Händen und trat auf Christian zu.
„Chris?“ Er drehte sich zu mir um und sah mich aufmerksam an. Ich schluckte und sah ihm tief in die Augen. „Christian, wir kenne uns jetzt schon seit sechs Jahren. Zwar haben wir ein ganzes davon gebraucht, um zu verstehen, dass es mehr als nur eine Urlaubsaffäre war, aber wir haben es geschafft.“ „Ja, wir standen ziemlich auf der Leitung.“ Er schenkte mir ein strahlendes Lächeln. Ich musste ebenfalls grinsen bei der Erinnerung. Wir hatten wirklich ewig gebraucht.
„Naja, jedenfalls war ich mir von Anfang an sicher, dass du der Richtige bist. Als du in mich reingerannt bist und ich dir das erste Mal in die Augen gesehen habe, wusste ich, das ist der Mann, mit dem ich den Rest meines Lebens verbringen will. Kein Streit konnte etwas an dieser Entscheidung ändern, im Gegenteil, er hat uns enger zusammengeschweißt. Jede Minute, die ich mit dir verbracht habe, hat diesen Entschluss, dich heute zu fragen, gefestigt.“ Tränen glitzerten in Christians Augen, als ich weitersprach. „Deshalb frage ich dich jetzt, Christian Rochat, willst du mich heiraten?“
Ich ging vor ihm auf die Knie und reichte ihm die kleine Schachtel. Mit zittrigen Fingern nahm er sie entgegen und strich ehrfürchtig über den schwarzen Samt.
Mein Herz hämmerte gegen meinen Brustkorb und ich hielt vor Aufregung die Luft an. War es doch zu früh? Hatte ich mich getäuscht?
Christian suchte meinen Blick und diesmal weinte er wirklich. Er presste seine Lippen aufeinander und nickte heftig. Er streckte seine Arme nach mir aus und ich stand auf, um ihn zu umarmen.
Er schlang seine Arme um meinen Hals, presste sich an mich und schniefte an meine Halsbeuge: „Ja. Ja, ich will den Rest meines Lebens mit dir verbringen. Ich liebe dich. Ich liebe dich so sehr. Ja! Ja, ich will!“ Er löste sich von mir und lächelte mich an. Ich wischte die Tränen, die über seine Wangen liefen, mit meinem Daumen fort und flüsterte heiser: „Ich liebe dich auch.“
Zur Bestätigung nahm ich sein Gesicht in meine Hände und küsste ihn zärtlich auf den Mund.
Alle Bedenken und Zweifel waren verschwunden. Es war richtig gewesen, ihn zu fragen. Alles, was jetzt noch zählte, war er.
Er, ich und unsere gemeinsame Zukunft.
Bildmaterialien: https://www.pinterest.com/pin/278801033156570544/
Lektorat: BlackSheep - ganz großes Dankeschön!
Tag der Veröffentlichung: 02.10.2015
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Für die Person, die mich immer aufgemuntert hat, mir immer zur Seite stand, auch wenn wir beide nicht weiter wussten, die mir immer ein Lächeln ins Gesicht zaubert und einfach nur sie ist. Ich hab dich ganz doll lieb, mein kleines (altes) Erdfrauchen! ♥ *dich ganz fest knuddel* ♥