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Ich liebe ihn wirklich nicht!

„Mischa?“ „Hm?“ „Ich liebe dich.“

 

 

 

Entsetzt riss ich meine Augen auf. Warum träumte ich nur schon wieder so einen Scheiß? Seit Wochen war es immer das Gleiche: Ich war mit meinem besten Freund irgendwo unterwegs und jedes Mal endete es damit, dass er mich küsste oder mir sagte, dass er mich liebt.

Entnervt drehte ich mich auf die andere Seite, aber an Schlaf war jetzt natürlich nicht mehr zu denken. Der ganze Unsinn hatte mich schon mehrere gute Noten gekostet, weil ich in den Arbeiten fast eingepennt wäre.

Ich war ja noch nicht mal in ihn verknallt, ebenso wenig wie er in mich. So viel zum Thema, Träume sagten immer etwas aus. Der Sandmann machte sich wahrscheinlich nur einen Spaß daraus, mich in den Wahnsinn zu treiben. Dem sollte mal einer seinen Sandsack wegnehmen…

Aber morgen würden wir erstmal für eine Woche auf Klassenfahrt fahren, vielleicht hatte ich ja Glück und es war danach vorbei. Lange würde ich das nämlich nicht mehr aushalten.

Ich gähnte herzhaft und kuschelte mich enger unter meine Decke. Scheinbar hatte jemand meine Wünsche erhört, denn ich schlief nach kurzer Zeit wieder ein und träumte von süßen kleinen Kängurubabys.

 

 

„Hey Mischa!“ Philip, Grund für meine schlaflosen Nächte und der Typ, der sich meinen besten Freund schimpfte, ließ sich neben mich fallen. Wir saßen im Bus auf dem Weg in das Kaff, in dem wir die nächste Woche verbringen würden.

„Hi“, grüßte ich zurück und verbot mir jegliche Gedanken an meine nächtlichen Träume. „Alles klar?“ „Was denkst du denn, Alter? Ich liebe Klassenfahrten! Vielleicht lernen wir in der Jugendherberge ja endlich nen paar heiße Bräute kennen.“ Hatte ich es nicht gesagt? Der Typ war hundertprozentig hetero. „Vielleicht.“ Ja, mein bester Freund stand definitiv auf Frauen. Und ich? Naja, jedenfalls nicht auf Philip. So viel konnte ich sagen, aber dann hörte es auch schon auf.

Ich kramte in meinem Rucksack nach Kopfhörern und rutschte tiefer in meinen Sitz. Philip tat es mir gleich und machte es sich ebenfalls bequemer. Unsere Arme berührten sich leicht, als er sich zurücklehnte.

Vor ein paar Monaten hatte ich im Urlaub einem Typen hinterhergeschmachtet. Erst dachte ich, der Grund für meine andauernde Konzentrationsschwäche wäre seine Freundin, doch als er klitschnass aus dem Wasser kam und die einzelnen Tropfen über seine durchtrainierte Brust rannen… Da hatte ich mir gewünscht, sie alle einzeln mit meiner Zunge aufzufangen und mir wurde klar, dass es definitiv nicht an seiner Freundin gelegen hatte.

Tja, aber wie gesagt, war es vergebens gewesen, denn er hatte nicht mal annähernd von mir Notiz genommen.

Der Bus fuhr in eine scharfe Kurve und ich wurde gegen Philip geworfen, der mich überraschenderweise nicht gleich wieder von sich wegdrückte. Erstaunt stellte ich fest, dass seine Haut schön weich war. Fühlte sich gut an…

Um zurück zum Thema zu kommen, vielleicht war ich bi, vielleicht auch nicht. Aber ich wollte definitiv nichts von meinem besten Freund und das beruhte auf Gegenseitigkeit. Warum zur Hölle ich dann diese Träume hatte, wusste ich nicht, aber sie entsprachen nicht der Wahrheit. Basta.

Ich verschränkte meine Arme vor der Brust und sah aus dem Fenster. Wiesen und Weiden zogen vorüber. Auf ihnen grasten friedlich Kühe und Schafe, vereinzelt auch Pferde.

Entspannt schloss ich meine Augen und merkte, wie ich langsam wegdriftete. Wen wunderte es auch, schließlich hatte ich seit Tagen nicht mehr durchgeschlafen. Entspannt aufseufzend kuschelte ich mich in meinen Sitz. Mein Kopf rutschte langsam zur Seite, bis er auf Philips Schulter zu liegen kam. Ich überlegte, ob ich ihn wegnehmen sollte, doch da er sich nicht wehrte und es angenehm war, blieb ich so sitzen.

Plötzlich veränderte Philip seine Position. Musste ich meinen Kopf jetzt doch wegnehmen? Der Gedanke behagt mir gar nicht, denn es war echt gemütlich.

Doch Philip rutschte nur näher an mich heran und legte einen Arm um meine Schultern, sodass sich unsere Körper der Länge nach berührten und ich meine Wange in seine Halsbeuge schmiegen konnte. Gut, ich gab zu, das war noch gemütlicher.

 

 

„Mischa“ „Hm?“ Ich schmiegte mich dichter an meinen besten Freund. Er war warm und ich liebte seine kuschelige Kapuzenjacke. Vielleicht konnte ich sie mir mal klammheimlich stibitzen…?

Warte, was hatte er gerade gesagt? Beziehungsweise, was zur Hölle hatte ich geantwortet? Nein, das durfte doch nicht wahr sein, dass… „Wir sind da.“ Hä? Wer war da? Und wo war da überhaupt?

Philips Schulter bewegte sich unter meiner Wange. „Mensch, Mischa! Du kannst aber auch wirklich überall pennen.“ Die Stimme meines besten Freundes klang belustigt. Okay, jetzt verstand ich gar nichts mehr.

Müde hob ich meinen Kopf und blickte in Philips Gesicht. Oder versuchte es zumindest, meine Augen hatten das mit dem Fixieren noch nicht so ganz raus. „Was?“ Meine Stimme hingegen schien schon wieder zu funktionieren.

„Wir sind da. An der Jugendherberge.“ Ah, also hatte er uns gemeint mit dem da sein. Das erklärte einiges. „Okay. Komme schon.“ Immer noch schläfrig erhob ich mich. Ich schwankte leicht und hielt mich an Philips Ärmel fest. „Sag mal, hab ich eigentlich die ganze Zeit auf deiner Schulter geschlafen?“ „Hm“ Mein bester Freund nickte. „War das nicht auf Dauer schwer?“ „Nee, ging schon. War kein Problem.“ Seine Wangen schimmerten leicht rötlich. Mir war bis jetzt gar nicht aufgefallen, dass es so warm im Bus war. Aber Philip trug ja auch seine Fleecejacke, also von daher…

 

Ich kletterte hinter ihm aus dem Bus und gemeinsam gesellten wir uns zu den anderen. Unsere Klassenlehrerin Frau Fischer las gerade die Zimmereinteilungsliste vor.

„Maja, Sara und Laura, ihr habt die Drei. Den Gang hoch und rechts das erste Zimmer.“ Ich betete, dass ich mit Philip auf einem Zimmer sein würde. Und zwar auf keinem Sechser.

„Mischa, Tobias und Philip, ihr nehmt die Fünf. Folgt einfach den Mädchen und biegt dann nach links ab. Die Bettwäsche steht gleich hier, hinter der Tür. Bitte bezieht gleich, ja?“ Wir nickten artig und trotteten wie kleine Hündchen ins Haus. Jeder schnappte sich einen Packen Bettzeug und zu dritt marschierten wir nach oben. Immer schön den Mädchen hinterher und dann nach links, wie es Frau Fischer gesagt hatte. Ich kam mir wirklich wie ein Schoßhund vor.

„Boah, geil! Ein Fünfer!“ Philip knallte seine Tasche mitten ins Zimmer und warf sich auf das Einzelbett. Ich ließ mich grinsend unten auf eines der Hochbetten nieder, Tobias auf das andere. Zu dritt ein Zimmer, das für fünf ausgelegt war? Ich würde sagen, da stimmte ich Philip zu - echt geil!

 

„Wisst ihr, was heute noch auf dem Programm steht?“ Tobias blickte fragend in die Runde. Wir hatten mittlerweile alle ausgepackt und uns an den Tisch gesetzt. „Nee, keine Ahnung, aber Frau Fischer wollte in die Zimmer kommen, um zu sehen, ob alles okay ist, da können wir sie fragen.“ Tobias nickte. „Gut.“ „Was haltet ihr von Flaschendrehen?“, meldete sich jetzt Philip zu Wort. „Flaschendrehen? Zu dritt? Dir ist bewusst, dass wir drei Kerle sind?“ Tobias musterte meinen besten Freund kritisch und ich warf ihm ebenfalls einen verwirrten Blick zu. „Ja, schon klar. Mann, ich meinte heute Abend, mit allen zusammen.“ „Ach so. Ja, klingt gut.“ Ich nickte zustimmend.

Wir waren schließlich auf Klassenfahrt. Auch wenn mir irgendein Trinkspiel lieber gewesen wäre. Die Vorstellung, dass Philip jemanden küsste, behagte mir nicht. Er sagte zwar immer, er wolle haufenweise Mädels aufreißen, aber ich wusste, dass er auf die Richtige wartete. Und wenn er jetzt beim Flaschendrehen eine küssen musste, dann bedeutete es ja nichts. Ich sorgte mich halt um meinen besten Freund.

 

Es klopfte und Frau Dreher, unsere stellvertretende Klassenleiterin, kam herein. „Hallo Jungs, ist bei euch alles in Ordnung?“ „Na klar. Aber können Sie uns sagen, was heute noch geplant ist?“ „Natürlich. Aber es steht nicht mehr viel an, schließlich ist es schon spät.“ Sie kramte aus ihrer Tasche einen Zettel heraus und legte ihn auf unseren Tisch. „Hier bitte, da steht alles drauf. Wir treffen uns in zehn Minuten unten auf dem Hof. Seid pünktlich!“ Und da war sie auch schon wieder verschwunden.

Neugierig beugten wir uns über den Zettel. Philips Atem streifte meine Wange und ich erschauderte wohlig. Vielleicht sollte ich eine Jacke mitnehmen, damit ich nicht fror. Mir war zwar eigentlich nicht kalt, aber wenn ich so auf Wärme reagierte…

„Och nee, war ja klar, dass wir nichts Schönes machen. 16.00 - 18.00 Uhr Besuch der Archäologischen Ausgrabungsstätte Heiligenstadt IV. 18.00 Uhr Abendessen. Ab 22.00 Uhr Nachtruhe“, las Philip vor. Stimmt, schön war was anderes, aber Archäologie klang ja gar nicht so uninteressant. Aber um zehn Nachtruhe? Hallo? Wir waren doch nicht mehr in der Achten!

 

 

Pünktlich drei Minuten nach der verabredeten Zeit standen Philip, Tobias und ich unten auf dem Sammelplatz. Frau Dreher bedachte uns mit einem strengen Blick, den wir jedoch gekonnt ignorierten. Drei Minuten waren ja nun wirklich kein Weltuntergang.

„Okay Leute, hört mal zu!“ Frau Fischer erhob die Stimme. „Ihr habt ja sicherlich den Ablaufplan schon gelesen und manche haben sich über die Nachtruhzeit beschwert. Nun, ich darf euch mitteilen, dass wir da noch von der Unterstufe ausgegangen sind. Ihr als Oberstufenschüler habt natürlich bis 23 Uhr Zeit. Aber es wird auf dem Gelände geblieben!“ Philip stieß mir in die Seite. „Cool, oder?“ Ich nickte begeistert.

„Gut, dann können wir ja jetzt gehen.“ Sie forderte uns auf, Zweierreihen zu bilden und ging voraus. So viel also zum Thema Oberstufe.

 

 

Die Ausgrabungsstätte war wirklich spannend gewesen und an so etwas kam man ja auch nicht alle Tage heran. Das schien auch Philip mitbekommen zu haben, denn entgegen seiner sonst nicht vorhandenen Motivation bei solchen Dingen, hatte er heute überhaupt nicht rumgemeckert.

Jetzt blühte er sogar regelrecht auf, aber nicht bei Fossilienausgrabungen, sondern beim Cola- und Chipskauf für heute Abend.

Eine Flasche nach der anderen drückte er mir in die Hand. Dabei streifte er immer wieder mit seinen Fingern meine Haut. Die Stellen, an denen er mich berührt hatte, prickelten. Meine Jacke war anscheinend nicht dick genug, andererseits standen wir vor dem Kühlregal.

Ich räusperte mich. „Ähm, Philip? Du weißt, dass wir das auch alles noch irgendwie trinken müssen?“ „Ja, und?“ Fragend sah er mich an. „Wo ist das Problem?“ Er legte noch eine Fanta auf den Flaschenberg in meinen Armen, der daraufhin gefährlich schaukelte. Ich lachte. „Und du musst es bezahlen.“ Abrupt hielt Philip mitten in der Bewegung inne. „Oh scheiße, stimmt!“ Er schlug sich eine Hand vor die Stirn. „Das hatte ich ganz vergessen.“ Hatte man gesehen…

Eilig begann mein bester Freund, die Flaschen von meinen Armen wieder zurück ins Regal zu sortieren. Grinsend sah ich ihm dabei zu. Warum trug er eigentlich keine Jacke? War ich vielleicht krank? Welchen Grund sollte es sonst geben, dass mir so heiß war? Komischerweise fiel mir das zwar immer nur dann auf, wenn ich gerade in Philips Nähe war, aber anders konnte ich es mir nicht erklären.

Und seit wann waren Philips Arme eigentlich so gut trainiert? Fasziniert verfolgte ich mit meinen Augen das Spiel seiner Muskeln unter der Haut. Bevor ich mich jedoch fragen konnte, warum ich das auf einmal so spannend fand, hatte Philip alle Flaschen bis auf zwei zurück ins Regal gestellt und sah mich konzentriert an. Das warme Braun seiner Augen war mir auch noch nie aufgefallen…

Da! Da war es schon wieder. Warmes Braun. Ich sollte wirklich zu einem Arzt gehen. Vielleicht hatte ich Schüttelfrost.

 

Musste wohl ein ziemlich lustiges Bild abgeben, wie Philip und ich im Supermarkt standen und uns teils verwirrt, teils aufmerksam in die Augen sahen, denn Hanna und Lisa, die gerade vorbeikamen, blieben plötzlich stehen und fragten uns grinsend: „Alles okay bei euch? Oder seid ihr festgewachsen?“

Als ob ich aus einer Trance erwachte, schüttelte ich den Kopf. Es hatte sich so angefühlt, als wäre ich in Philips Augen versunken. Völliger Schwachsinn, ich weiß, doch es war so. Aber ich hatte ja schon geklärt, dass mit mir etwas nicht stimmte, also sollte mich eigentlich gar nichts mehr wundern.

Wir folgten den beiden Mädchen zur Kasse und bezahlten die zwei Flaschen Cola und drei Tüten Chips. Im Vergleich zu unserer ursprünglichen Beute sah das irgendwie kläglich aus.

Während ich das Zeug in einen Beutel packte, bekam ich aus den Augenwinkeln mit, wie Philip mich mit einem undefinierbaren Blick musterte und Lisa Hanna etwas zuflüsterte, die daraufhin ratlos die Schultern zuckte. Kein Plan, was die alle hatten, aber ich packte meine Einkäufe in Beutel. Hatte ich schon immer so gemacht und würde ich auch nicht ändern. Höchstens mal auf Tüten ausweichen. Auch wenn die bekanntlich schlecht für die Umwelt waren.

 

 

Es war angenehm warm draußen, deshalb beschlossen wir, die Flaschendrehrunde von unserem Zimmer in den Garten zu verlegen. Fast die ganze Klasse war gekommen, darunter auch Lisa und Hanna.

Ich saß zwischen Tobias und Philip und stellte erleichtert fest, dass ein paar andere ebenfalls auf die Idee gekommen waren, Knabberzeug und etwas zu trinken mitzubringen. Eine unserer Chipstüten hatte ich schon fast aufgegessen und das alleine. Ohne zwanzig andere hungrige Personen.

„Hey Mischa! Lass mir auch noch was übrig! Schließlich hab ich die Dinger bezahlt.“ Philip griff in die Tüte und nahm sich eine Handvoll Chips heraus. Es stimmte zwar, was er sagte, aber bevor ich hier verhungerte…

 

„Okay Leute“, ergriff Sara das Wort. „Flaschendrehen oder Wahrheit oder Pflicht?“ „Pflicht“, grölte Johannes. Wie witzig er doch wieder war… Ich verdrehte genervt die Augen.

„Flaschendrehen.“ „Nee, Wahrheit oder Pflicht find ich besser.“ „Du willst doch nur nicht Tim küssen.“ Philip sah Maja belustigt an. Es war allgemein bekannt, dass Tim auf sie stand, ebenso wie jeder wusste, dass sie nichts von ihm wollte. Mieses Schicksal würde ich sagen.

Letztendlich einigten wir uns dann doch auf Wahrheit oder Pflicht. Fand ich persönlich besser, weil die ganze Zeit nur knutschen? Ich schielte zu Philip hinüber, der sich gerade den Rest der Chips in den Mund schüttete. Er bemerkte meinen Blick und grinste mich an. „Na dann wollen wir mal.“

 

„Lisa, Wahrheit oder Pflicht?“ „Ähm… Pflicht.“ „Okay.“ Tim grinste und überlegte. „Zieh dich bis auf die Unterwäsche aus und bleib so drei Runden.“ „Was?“, quiekte Lisa erschrocken auf. „Nein! Das kannst du vergessen!“ „Komm schon, du musst.“ Lisa wurde rot und sah sich hilfesuchend zu ihrer Freundin um. Die zuckte jedoch auch nur mit den Schultern und Lisa entledigte sich grummelnd ihres T-Shirts und ihrer Shorts.

Einige Jungs pfiffen anerkennend, doch Philip war nicht unter ihnen. Ich musterte ihn verwirrt. Sonst war er doch immer der Erste, der irgendeinen Spruch rausgehauen hatte. Mich selbst ließ der Anblick von Lisa in … Spitzenunterwäsche kalt. Warum zur Hölle trug sie Spitze? Pikiert zog ich eine Augenbraue hoch. Aber gut, jeder wie er wollte.

„Okay, der Nächste. Lisa, it’s your turn!“ „Ähm…“ Sie sah suchend von einem Gesicht zum anderen und blieb schließlich an meinem hängen. „Mischa, Wahrheit oder Pflicht?“ Tja, das war eine gute Frage. Da ich keinen Bock hatte, mich ebenfalls zu entkleiden, entscheid ich mich für Wahrheit. „Bist du verknallt?“ „Nein“, antwortete ich wie aus der Pistole geschossen. Skeptisch sah Lisa mich an. „Sicher? Du musst die Wahrheit sagen.“ Ja, ich war mir sicher. Ich müsste es doch wissen, wenn ich verknallt wäre. Mein Blick wanderte erneut zu Philip. Es gab niemanden, der in Frage käme. „Ja.“

Verdüsterte sich Philips Miene gerade? Nein, das konnte nicht sein. Aber er hatte den gleichen undefinierbaren Gesichtsausdruck wie vorhin im Supermarkt. Mit dem einzigen Unterschied, dass jetzt ganz klar auch eine Spur Enttäuschung in ihm zu erkennen war. Warum war er denn bitte enttäuscht? Doch nicht etwa, weil… Oh war das süß! Er sorgte sich um mich! Wie ich, wollte auch er nicht, dass der andere von uns mit 40 noch immer Single war. Ach, ich wusste schon, warum gerade er mein bester Freund war.

Ich rutschte näher an ihn heran und legte einen Arm um seine Schultern. Kurz versteifte er sich und ich hatte das Gefühl, als wöllte er wegrücken, doch er blieb sitzen. Stattdessen drehte er seinen Kopf zu mir und fragte leise: „Warum tust du das?“ Warum tat ich was? Ihn umarmen? „Weil mir gerade wieder bewusst geworden ist, dass du der liebste beste Freund bist, den man sich nur wünschen kann.“ Philip brummte missmutig. „Super.“

War das Sarkasmus in seiner Stimme? Aber warum… „Mischa! Du bist dran.“ Oh ja, stimmte.

 

Die nächsten Runden verliefen recht ereignislos. Zumindest wenn man mal davon absah, dass Tina Philip mit Zunge geküsst hatte. Also gemusst hätte sie es nicht, aber ich hatte es gesehen. Sie hatte ihre widerwärtige, dreckige Zunge zwischen Philips hübsche Lippen gezwängt. Mir war von dem Anblick immer noch schlecht. Ob es an der Vorstellung des ganzen Lippenstiftes in meinem Mund lag oder daran, dass ich Tina auf den Tod nicht ausstehen konnte, wusste ich nicht. Aber ich wusste, dass sich das Stechen in meiner Brust nicht gut anfühlte. Wenn ich wegen der Tusse jetzt auch noch einen Herzkasper bekam, dann … dann…

Eine Hand legte sich beruhigend auf meine. Überrascht sah ich zu meinem besten Freund, der mich unsicher anlächelte. Ich grinste dankbar zurück. Genau das hatte ich jetzt gebraucht. Sanft strich ich mit meinem Daumen über seinen Handrücken. Er wusste immer, wann es mir schlecht ging und auch, was dann zu tun war.

Unsichtbar für die anderen verschränkte er unsere Finger. Ich schloss kurz meine Augen und genoss das Gefühl. Es fühlte sich herrlich an.

 

„Philip?“, wurde mein bester Freund erneut angesprochen. „Wahrheit oder Pflicht?“ Mit einem zögernden Seitenblick auf mich antwortete er: „Pflicht.“ „Küss Mischa.“ Was? Hatte ich mich eben verhört?

Verwirrt blinzelte ich Hanna an, die mich daraufhin nur angrinste. Also hatte ich es doch richtig verstanden. Aber was bitte hatte sie davon? Sie wusste doch, dass er mein bester Freund war. Nicht weniger, aber eben auch nicht mehr.

Nervös sah ich zu Philip. Vorsichtig löste er seine Hand aus meiner und hinterließ damit ein Gefühl der Leere auf meiner Haut. Ich fröstelte. War ja klar, dass ich mich gerade auf Klassenfahrt erkälten musste.

„Mischa?“, riss mich Philip aus meinen Gedanken. Was? Ach ja, wir sollten uns ja küssen. Auch wenn ich immer noch nicht wusste, wieso.

Mein bester Freund hockte sich vor mich und sah mir tief in die Augen. Wieder hatte ich das Gefühl, in ihnen zu versinken. „Alles klar?“, fragte er leise. Ich nickte und versuchte das Kribbeln, welches mich erfasst hatte, zu verdrängen. Fühlte sich fast wie Vorfreude an… Ich schmunzelte. Tja, mein Körper wusste sich halt zu helfen. Ich war krank und brauchte Wärme und Philip konnte mir diese geben. Wie eben mit unseren verschränkten Händen. Mein Körper hatte das erkannt und wollte ihn jetzt unbedingt wieder berühren.

 

Langsam neigte Philip seinen Kopf. Kurz bevor er meine Lippen berührte, hielt er inne und sah mir einen Moment prüfend in die Augen. Ich musterte ihn aufmerksam, wusste nicht, was ich von dem Ganzen halten sollte.

Dann schloss mein bester Freund die Augen und legte seine Lippen auf meine. Eine angenehme Wärme ging von ihnen aus und zog sich durch meinen Körper, der auch sofort darauf reagierte. Meine Lippen begannen zu prickeln und ich lehnte mich seiner Berührung entgegen. Langsam erwiderte ich den Kuss. Erst zaghaft, dann immer mutiger. Seine Hände legten sich in meinen Nacken und zogen mich näher zu sich.

Ein paar Jungs fingen an, zu grölen. Irgendwer rief: „Mit Zunge!“ Zustimmendes Gejohle erklang.

Sollten wir wirklich? Also so richtig?

Etwas Feuchtes streifte meine Unterlippe. Zögernd öffnete ich meine Lippen einen Spalt breit. Philips Zunge nutzte die Gelegenheit und glitt in meine Mundhöhle.

Es fühlte sich irgendwie fremd an. Anders. Aber nicht schlecht. Eher im Gegenteil. Ich legte meine Hände auf seine Hüften und ging auf das neckende Spiel seiner Zunge ein.

Das war so ein verdammt geiles Gefühl! So berauschend und … erregend. Warum zur Hölle erregte es mich, wenn ich meinen besten Freund küsste? Wieso…?

Plötzlich löste sich Philip von mir. Ein leichtes Schwindelgefühl erfasste mich. Schwer atmend sah er mich an. Sein Blick huschte zwischen meinen Augen hin und her, als würde er irgendetwas suchen. Aber momentan hatte ich keinen Nerv, darüber nachzudenken, was es war. Zu sehr verwirrte mich die Tatsache, dass ich Philip gerade am liebsten wieder geküsst hätte, seinen Körper mit meinen Händen erkunden wollte. So etwas fühlten beste Freunde nicht. Auch wenn sie sich küssten. Und ganz sicher taten sie nichts dergleichen.

Verwirrt trank ich einen Schluck Cola. Philip hatte sich zurück auf seinen Platz gesetzt. Die anderen starrten uns mit großen Augen an. „Das war…“, setzte Lisa, die mittlerweile wieder bekleidet war, an. „Echt heiß.“, beendete Maja ihren Satz. „Danke“ Philip grinste sein typisches Philip-Grinsen und deutete eine Verbeugung an. Ich musste nun ebenfalls lächeln.

Das Gedankenwirrwarr in meinem Kopf verbannte ich in irgendeine kleine Schublade ganz weit hinten in meinem Hirn. Sollte es mich doch in meinen Träumen heimsuchen. Ich empfand nichts für Philip. Er war mein bester Freund. Nichts weiter. Punkt.

 

 

Seufzend ließ ich mich auf mein Bett fallen. Das tat gut. Nach der langen Busfahrt in die Jugendherberge mit dem ewigen Rumgesitze… Zudem ging die Wahrheit-oder-Pflicht-Runde doch länger als geplant. Frau Dreher würde uns dafür morgen bestimmt umbringen, aber momentan war mir das vollkommen egal. Von mir aus durfte sie mich auch foltern, hauptsache ich durfte jetzt endlich pennen.

Die Zimmertür ging auf und jemand tapste herein. Aufgrund der Richtung, aus der die Schritte kamen, nahm ich an, dass es Philip war. Tobias musste demnach noch im Bad sein. Ich schloss erschöpft die Augen. Jetzt einfach nur schlafen. Tief und fest und möglichst ohne Träume von meinem besten Freund und mir.

Müde drehte ich mich auf die Seite und kuschelte mich unter meine Decke. Ich gähnte noch einmal und dämmerte weg.

 

„Mischa?“ „Hm?“ „Ich liebe dich.“ Schön... „Ich dich auch.“, murmelte ich. Vielleicht, wenn ich mich einfach mal auf den Traum einließ, wenn ich mich nicht dagegen wehrte, vielleicht konnte ich dann gleich weiterschlafen. „Ich liebe dich auch…“

Ich kuschelte mich tiefer in mein Kissen. Die Finger, die sanft über meine Wange strichen, nahm ich schon gar nicht mehr wahr.

Oder etwa doch?

 

Entspannt drehte ich mich den Sonnenstrahlen, die mich geweckt hatten, entgegen. Ein müdes Lächeln schlich sich auf mein Gesicht. So gut hatte ich schon lange nicht mehr geschlafen. Abgesehen von dem kurzen Moment nach dem Einschlafen, war ich in der Nacht von komischen Träumen, die sich um Philip und mich drehten, verschont geblieben. Einfach herrlich!

Ich streckte mich und schielte zu Tobias hinüber. Dieser hatte sein Handy in der Hand und tippte wie wild darauf herum. Er schien meinen Blick bemerkt zu haben, denn er sah auf und grinste mich an. „Morgen.“ „Morgen.“ Er deutete mit dem Kopf zu Philip. „Er schläft bestimmt nicht mehr lange, aber Frühstück gibt’s erst in einer Stunde und Felix wollte mir noch was zeigen, also lass ich dich mal alleine, wenn das okay ist?“ „Klar. Geh nur.“ Ich zwinkerte ihm zu und er lächelte mich dankbar an, ehe er aus dem Zimmer verschwand.

Ich setzte mich auf und sah zu Philip hinüber, der seelenruhig in seine Decke eingewickelt schlief. Tobias hatte Recht, lange würde er nicht mehr schlafen, denn ich musste mich unbedingt bei ihm bedanken. Ich krabbelte aus dem Bett und streifte mir einen Pulli über. Es wäre nämlich wirklich nicht schön, die gesamte Klassenfahrt über erkältet zu sein.

Leise tapste ich zu meinem besten Freund hinüber und ließ mich vorsichtig auf die Bettkante sinken. Er sah so niedlich aus, wenn er schlief… Die Mädchen, die morgens neben ihm aufwachten, hatten echt Glück. Das unangenehme Stechen in meiner Brust von gestern kam zurück und ich verdrängte den Gedanken von Philip und einer anderen in seinem Bett ganz schnell wieder. Er war kein Typ für One-Night-Stands, das hatte ich doch gestern schon festgestellt.

Darauf bedacht, ihn nicht zu wecken, strich ich ihm eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Er sah aber auch wirklich süß aus, wie er da so lag. Die verwuschelten Haare, diese langen Wimpern…

„Was machst du da?“, nuschelte Philip plötzlich. Erschrocken zog ich meine Hand, mit der ich bis eben noch seine Gesichtskonturen nachgefahren hatte, zurück.

„Sorry, ich wollte dich nicht wecken.“ „Kein Problem. Von dir werde ich doch immer gern geweckt. Vor allem, wenn du dabei so zärtlich bist…“ Verschlafen lächelte er mich an. Hatte er das gerade wirklich gesagt? Philip, mein bester Freund? Na gut, es war früh am Morgen und er sah auch noch ziemlich verpennt aus.

„Wann gibt’s denn Frühstück?“, wollte er wissen. Ich grinste. Hatte ich nicht eben gesagt, er war noch nicht ernst zu nehmen. „In etwa einer Stunde. Tobias ist so lange zu Felix rüber.“ Bei meinen Worten begannen Philips Augen zu leuchten. Der gleiche undefinierbare Ausdruck wie gestern lag in ihnen. Und ich konnte ihn noch immer nicht deuten. Das war doch schlimm! Warum verstand ich meinen besten Freund nicht mehr?

Plötzlich fiel mir wieder ein, weshalb ich Philip eigentlich wecken wollte. Ich sprang euphorisch auf, nur um mich gleich darauf wieder auf meinen besten Freund zu werfen.

„Was zu Hölle…?“, begann er verwirrt, doch der Rest seines Protestes ging in meiner Knuddelattacke unter. Ich schlang meine Arme um seinen Hals und vergrub meine Nase an seiner Halsbeuge. Er roch selbst vor dem Aufstehen verdammt gut… Ich atmete einmal tief ein und kuschelte mich noch dichter an ihn.

Ein Räuspern erklang. „Ähm, Mischa? Was wird das?“ Philip klang verunsichert und irgendwie auch leicht gequält. Aber das konnte nicht sein, schließlich unternahm er auch nichts, um mich wieder von sich herunterzuschieben.

Vielleicht konnte ich diese Tatsache nutzen und mich das nächste Mal, wenn wir uns einen Film anschauten, an ihn lehnen. Das war wesentlich gemütlicher. Und wenn er dann auch noch seine Kuscheljacke trug…

Okay, ich war schon wieder abgeschweift. Eigentlich wollte ich mich ja bedanken. Ich hob den Kopf und sah Philip begeistert an. „Philip, du glaubst es nicht! Das war einfach unglaublich! Der letzte Abend...“ Mein bester Freund wurde rot und lächelte mich liebevoll an. „Mischa, ich…“ „Die Nacht war einfach wunderschön!“ Philip runzelte verwirrt die Stirn. „Ich danke dir so sehr! Echt, das war die beste Nacht meines Lebens!“ „Mischa, ich denke, du…“ „Ich könnte dich gerade knutschen!“

Mit leuchtenden Augen blickte ich auf meinen besten Freund hinab, wohl wissend, dass ich ihn andauernd unterbrochen hatte. Aber ich war im Moment einfach so glücklich! Wenn man wochenlang keine einzige Nacht durchschläft und dann das! Unglaublich!

Philip sah mich aus großen Augen ungläubig an. „Meinst du das ernst?“, flüsterte er. Perplex starrte ich ihn an. „Was?“ Natürlich meinte ich meinen Dank ernst, was dachte er denn?

Sanft legte Philip eine Hand in meinen Nacken und zog mich zu sich herunter. „Das hier“, murmelte er an meine Lippen, ehe er sie vorsichtig mit seinen bedeckte.

Ich seufzte leise auf. War ja klar, dass das alles ein Traum war. Warum sollten sie auch plötzlich aufhören?

Mmh, aber Philips Lippen fühlten sich echt gut an. Allgemein, alles an ihm. Sein Körper unter meinem, seine Hände, die sich zögernd unter meinen Pullover schoben… Das alles würde der reale Philip nie im Leben tun. Aber da es sich wirklich angenehm anfühlte, ließ ich es zu. Wenn ich mich nicht wehrte, wurde es kein Alptraum, ergo, ich wachte nicht schweißgebadet auf. Also hatte ich doch noch Chancen auf einen entspannten Morgen.

Zufrieden seufzend schmiegte ich mich enger an ihn und vertiefte den Kuss. Er schmeckte noch besser als gestern Abend. Lag wahrscheinlich daran, dass diesmal keine nervenden Freunde um uns herum saßen, die uns anstarrten. Ach ja, und natürlich, weil ich träumte und mein Hirn es - warum auch immer - auf Philip abgesehen hatte.

 

Philips Hände strichen über meinen Rücken und ließen mich wohlig erschaudern. Sie fuhren über meine Seiten bis hin zu meiner Brust und schoben meinen Pullover immer weiter nach oben. Als er im Begriff war, ihn auszuziehen, löste ich mich von ihm.

„Alles okay?“ Unsicher blickte er zu mir hoch. „Ja, es ist nur … naja, nicht, dass ich mich wirklich noch erkälte.“ Ich träumte die ganze Situation zwar nur, aber wenn ich im Traum fror, dann war das oft ein Zeichen, dass mir auch in Wirklichkeit kalt war.

„Warum solltest du dich erkälten?“ Die Stimme meines besten Freundes klang belustigt. „Ähm, weil ich schon leicht angeschlagen bin?“ „Echt? Ist mir bis jetzt noch gar nicht aufgefallen. Gestern ging’s dir doch gut.“ „Wenn man davon absieht, dass mir in deiner Nähe dauernd heiß geworden ist, ja. Ich glaube, ich hatte so eine Art Schüttelfrost…“ Ich rutschte von Philip runter und legte mich neben ihn.

„Schüttelfrost?“, fragte dieser ungläubig nach. „Ja, Schüttelfrost. Hey, das ist nicht lustig, ja? Also hör auf zu lachen!“ Ich schlug ihn scherzhaft gegen den Oberarm. „Ähm, doch Mischa, das ist unbezahlbar!“ Er wischte sich eine Lachträne aus dem Auge. „Ich meine, du sagst, dir ist in meiner Nähe heiß geworden, weil du Schüttelfrost hast?! Ist das dein ernst?“ Philip kugelte sich vor Lachen und zwar buchstäblich.

Ich verstand nicht, was er hatte. Was sollte es denn sonst gewesen sein? Was gab es denn noch für Krankheiten, bei denen einem abwechselnd heiß und kalt wurde?

„Mann Philip, hör auf zu lachen! Hast du etwa ‘nen besseren Vorschlag?“ „Wie besseren Vorschlag? Vorschlag wofür?“ Er richtete sich auf und versuchte, sich zu beruhigen. Ich tat es ihm gleich und setzte mich im Schneidersitz ihm gegenüber.

„Ich meine, ob du eine andere Vermutung hast, was ich habe.“ „Das ist nicht dein ernst, oder?“, feixte Philip, sein Grinsen erlosch allerdings, als er mir ins Gesicht blickte. „Oh Gott, du machst wirklich keine Scherze.“ „Nein, verdammt nochmal!“ So langsam entwickelte sich der Traum doch zum Alptraum. Nur in einer ganz anderen Richtung, als ich ursprünglich angenommen hatte. Ich wollte mich nicht mit Philip streiten.

 

„Okay“ Philip holte tief Luft. „Was hast du denn noch für Symptome gehabt in letzter Zeit?“ „Machst du dich jetzt über mich lustig?“ Skeptisch sah ich ihn an, doch Philip schüttelte nur den Kopf. „Nein, ich versuche, dir ernsthaft zu helfen. Also, was gab es außer gelegentlichen Hitzeschüben, die zufällig nur in meiner Nähe stattfanden, noch?“

Ich zog eine Augenbraue nach oben. Er machte sich über mich lustig. Definitiv. Aber gut, wenn er Doktor spielen wollte, dann machte ich eben mit. Vielleicht konnte er mir ja wirklich helfen, schließlich sollte er als Produkt meiner Fantasie wissen, was mit mir los war.

„Keine Ahnung, meine Haut kribbelt gelegentlich.“ „Nur deine Haut oder verspürst du auch ein Kribbeln im Magen?“ „Äh“ Ich versuchte, in mich hineinzuhorchen. Gestern am Lagerfeuer, bevor Philip und ich uns geküsst haben… „Ja, auch im Magen. Oh Gott, Philip, ich bin echt am Arsch, oder?“ „Naja, kommt drauf an, wie du am Arsch definierst…“ Ein zweideutiges Grinsen schlich sich auf seine Lippen. Egal, wie ich am Arsch definierte, ich kam mir auf jeden Fall gerade ziemlich verarscht vor.

„Wolltest du mir nicht helfen?“, fragte ich trotzig und verschränkte meine Arme vor der Brust. „Jaja, schon gut, sorry.“ Er rückte näher an mich heran. Unsere Knie berührten sich leicht und in mir stieg wieder eine angenehme Wärme auf. Sollte mich das jetzt beruhigen?

„Also, gegessen hast du die letzten Tage normal, oder?“ Ich nickte. „Und geschlafen?“ Mein Blick schoss in die Höhe. Worauf wollte er hinaus? „Nicht so gut.“ „Wieso?“ „Äh… Alpträume?“ Ich wurde rot. „Alpträume, ja? Und von was handelten diese Alpträume?“ Er grinste schon wieder so blöd. Konnte er das nicht mal lassen? „Naja, von dies und das.“ „Okay Mischa, hör zu. Wenn ich dir helfen soll, musst du schon präziser werden.“ Ja, aber ich konnte ihm doch nicht erzählen, dass ich jede Nacht von ihm träumte, oder? Außerdem, was sollte das bitte für eine Krankheit sein?

„Mischa?“ Abwartend sah Philip mich an. „Ähm, also … ich … habvondirgeträumt.“ Die letzten Worte waren schnell und undeutlich aus meinem Mund gekommen, aber Philip hatte sie trotzdem verstanden. Warum lächelte er denn jetzt schon wieder?

„Okay, du hast also Alpträume von mir? Deinem besten Freund?“ „Ja…“ „Was mach ich denn so Schreckliches, dass du nicht schlafen kannst?“ Meine Wangen wurden noch röter. Tja, sollte ich ihm sagen, dass er mich küsste? Aber war das wirklich so schlimm? Vorhin hatten wir ja auch rumgemacht und es hatte mir gefallen und… Oh Mann, ja, es hatte mir wirklich gefallen… Aber warum wachte ich dann immer schweißgebadet auf?

„Mischa?“ „Sorry, also ich … du … wir…“ „Wir was?“ „Wir… Du hast mir gesagt, dass du mich liebst.“ Perplex sah Philip mich an. „Ähm, okay. Und das nennst du Alptraum?“ Er sah gekränkt aus. „Was, nein! Ich… Jetzt wo ich darüber nachdenke, ist es eigentlich gar nicht so schlimm, aber… Ach, keine Ahnung!“ Verzweifelt blickte ich in Philips wunderschöne Augen. „Ich meine, gestern Abend hab ich gesagt, dass ich dich auch liebe und dann konnte ich auch beruhigt weiterschlafen, beziehungsweise schlafe ich ja immer noch, denn wenn ich nicht mehr schlafen würde, würde ich mich gerade ziemlich zum Affen machen und dann hättest du mich auch nicht geküsst. Es fühlt sich übrigens unbeschreiblich schön an, wenn wir uns küssen und du riechst unglaublich gut und ich liebe die Farbe deiner Augen. Sie sind so warm und immer wenn ich dich ansehe, habe ich das Gefühl, in ihnen versinken zu müssen. Jedes Mal wenn ich dich berühre, steigt eine angenehme Wärme in mir auf, die ich nicht greifen kann. Ich vermisse dich, wenn wir uns mal ein paar Tage nicht sehen können, denn du hast einen so tollen Charakter und ich kann mir keinen anderen als besten Freund vorstellen.“

Überrascht von meine Rede sah ich Philip unsicher an, der den Blick gerührt erwiderte. „Oh Mann, Mischa. Sieht aus, als wärst du wirklich am Arsch.“ Er schniefte und ich bemerkte erst jetzt, dass er weinte. Dann beugte er sich vor und zog mich in eine Umarmung. „Aber du bist lange nicht so sehr am Arsch wie ich.“

Verwirrt drückte ich ihn an mich. Warum war er denn bitte am Arsch? Hatte er sich etwa angesteckt? Ich wusste doch gar nicht, was ich hatte. Was, wenn es etwas Schlimmes, nicht mehr heilbares, war?

 

„Philip, was … was hab ich denn jetzt? Ist es ansteckend?“ Mein bester Freund löste sich von mir und sah mich verständnisvoll an. „Tja, ansteckend ist es nicht, aber es ist auf jeden Fall schlimm. Sehr schlimm.“ Ich zuckte zusammen. „Ja?“ „Ja. Aber ich weiß nicht, was mich mehr beunruhigen sollte. Die Tatsache, dass du keinen blassen Schimmer hast, wie sich Liebe anfühlt oder, dass du dich wirklich in mich verliebt hast, aber zu verpeilt bist, um es zu erkennen und es als Traum abstempelst.“ Nachdenklich sah er mich an und erhob sich. „Wo willst du hin?“, fragte ich leise. „Ich denke, es ist besser, wenn ich dich erstmal alleine lasse, damit du in Ruhe über alles nachdenken kannst.“ Er blickte mir ernst in die Augen. „Denk darüber nach, was du fühlst. Und wenn du es weißt, dann kannst du wieder zu mir kommen.“ Er drehte sich um und ging zur Tür. „Nur so viel, Mischa: Weder bist du krank, noch träumst du.“

Er warf mir noch einen letzten undefinierbaren Blick zu und verschwand.

 

Verwirrt sank ich auf dem Bett zusammen. Ich hatte keine Ahnung, wie ich das alles einordnen sollte. Was zur Hölle war gerade passiert?

Ich hatte Philip doch nur gesagt, dass ich ihn mochte, warum brauchte er auf einmal Abstand? Und wie kam er darauf, dass ich mich in ihn verliebt hätte? Er war schließlich mein bester Freund.

 

Die Tür öffnete sich und Tobias steckte seinen Kopf herein. „Hey, alles klar bei euch? Philip sah gerade ziemlich fertig aus… Oh Gott, du siehst ja auch nicht besser aus.“ Besorgt schloss er die Tür hinter sich und setzte sich zu mir auf’s Bett. „Los, erzähl! Was ist passiert?“

Wenn ich das wüsste… Was zur Hölle sollte dieser Alptraum mir sagen? Was… Nein, Philip meinte, ich würde nicht träumen, aber wenn ich nicht schlief, dann hieß das…

„Tobi? Träume ich?“ „Äh, nein…“ Skeptisch sah er mich an. „Wieso solltest du träumen?“ Keine Ahnung, woher sollte ich das denn wissen? Aber warum hatte Philip mich dann geküsst? Wir waren doch Freunde und Freunde küssten sich nicht. Das ergab keinen Sinn, das…

„Sicher, dass ich wach bin?“ „Ja…“ Tobias zog das Wort in die Länge. „Soll ich dich vielleicht kneifen, damit du mir glaubst?“ Was? Kneifen? Ich nickte.

Erschrocken zuckte ich zusammen. „Au!“ „Sorry, aber du wolltest doch, dass ich…“ „Jaja, schon klar. Ich weiß, was ich gesagt habe.“ Und wie ich das wusste. Wenn ich so darüber nachdachte, hatte ich Philip schon irgendwie meine Liebe gestanden. Aber das ergab keinen Sinn. Ich liebte ihn nicht, er war doch mein bester Freund. Nicht mehr und nicht weniger.

Und was meinte er überhaupt damit, dass ich nicht wüsste, wie sich Liebe anfühlt? Klar wusste ich das. Schließlich war ich auch schon verknallt gewesen. Und das hatte sich definitiv anders angefühlt als das mit Philip. Nicht so eng und verbunden. Eben darum bedeutete mir unsere Freundschaft so viel. Er bedeutete mir viel.

 

„Huhu, Erde an Mischa?!“ Tobias wedelte mit seiner Hand vor meinem Gesicht herum. „Hm?“ „Oh Himmel, du bist ja heute wieder schnell. Ich hab dich gefragt, was überhaupt los war.“ „Ähm, ich…“ Ja, was ich? Ich war krank und hatte Fieberträume? Ich war krank und halluzinierte? Ich träumte? Ich hatte meinem besten Freund mehr oder weniger direkt gesagt, dass ich ihn liebte und das bei vollem Bewusstsein?

„Ich…“ „Du…?“ „Ich … glaub, ich bin krank.“ „Krank?“, stellte Tobias trocken fest. „Krank bist du definitiv nicht. Und träumen tust du auch nicht, also was zur Hölle ist mit dir los, Mischa?“ „Mann, ich weiß es doch auch nicht, okay?“ Aufgebracht stand ich auf und lief im Zimmer umher.

„Schön, aber soll ich dir sagen, was ich weiß?“ Tobias war ebenfalls aufgestanden. „Ich weiß, dass Philip mir gerade total aufgelöst entgegenkam. Mit Tränen in den Augen. Und ich weiß auch, dass er dich mag. Sehr mag, Mischa.“ Er verschränkte die Arme und sah mich abwartend an. „Ja, aber…“, begann ich. „Nichts aber, Mann! Du hättest euch gestern mal sehen sollen. Das war kein Wahrheit-oder-Pflicht-Kuss. Das war mehr. Und zwar nicht nur für Philip. Denk mal darüber nach. Und zwar lieber schnell, denn ich hasse es, wenn meine Freunde unglücklich sind und momentan habe ich gleich zweimal das Problem.“

Er sah mich noch einmal scharf an, verließ dann wieder den Raum und ließ mich völlig planlos allein zurück. Das konnte kein Traum mehr sein. Andererseits war das alles so unwirklich…

Ach scheiße, was sollte ich denn jetzt machen? Erschöpft ließ ich mich zurück auf Philips Bett fallen. Es roch alles noch nach ihm. Müde schloss ich die Augen und kuschelte mich unter seine Decke. Wenn er schon nicht da war, dann wenigstes seine Restwärme.

 

„Mischa?“ „Hm“ „Du hast das Frühstück verschlafen.“ Tobias rüttelte an meiner Schulter. Blinzelnd setzte ich mich auf. War ich echt weggepennt? Es schien so, denn draußen war es heller als vorhin und meine zwei Freunde packten ihr Zeug für den heutigen Ausflug zusammen. Ich sah zu Philip, doch dieser mied meinen Blick und stopfte stumm eine Jacke in seinen Rucksack.

„Komm schon, Mischa! Wir waren gestern schon zu spät unten, nochmal lässt Frau Dreher das nicht durchgehen.“ Tobi hielt mir auffordernd meine Klamotten hin. Seufzend griff ich danach und zog mich um. Philip würdigte mich immer noch keines Blickes, was mir einen Stich versetzte.

Was sollte ich nur tun?

„Mischa! Mann, wir müssen los! Schlafen kannst du später wieder.“ Schlafen… Ja, schlafen war gut. Aber… Warte, schlafen? Ich hatte doch eben geschlafen und im Traum konnte man nicht aufwachen und wieder einschlafen, das hieß, ich war wirklich aufgewacht. Also war das auch alles wirklich passiert und ich hatte wirklich mit Philip rumgeknutscht und hatte ihm wirklich gesagt, was ich für ihn fühlte. Doch war das Liebe? Wieso sollte ich mich in meinen besten Freund verlieben?

Grübelnd folgte ich Philip und Tobias nach unten auf den Sammelplatz. Diesmal hatten wir es sogar geschafft, pünktlich da zu sein. Ich hatte keinen Plan, wo wir heute hingingen, aber es musste weiter weg sein, denn ein Bus wartete auf uns.

Ein kurzer Seitenblick auf Philip ließ mich aufseufzen. Ich musste die Fahrt wohl allein verbringen. Naja, war vielleicht ganz gut, dann konnte ich mir in Ruhe überlegen, wie ich dem Gott, dem Sandmann und dem Schicksal mal kräftig in den Hintern trat. Das konnte doch nicht mehr normal sein, wie mein Leben momentan verlief.

 

Konnte … konnte er das nicht mal lassen? Warum musste er sich andauernd durch seine Haare fahren, die daraufhin nur noch verwuschelter von seinem Kopf abstanden? Wieso? Wie sollte man da denn in Ruhe nachdenken?

Ich saß ein paar Reihen schräg hinter Philip und raufte mir die Haare. Innerlich zumindest. Äußerlich tat er es. Sehr zu meinem Leidwesen.

Philip hob seine Hand und ich spannte mich an. Nein… Nein, das würde er jetzt nicht tun, das… Nein! Ach Mann, warum nur? Warum? Entnervt sank ich tiefer in meinen Sitz. Wieso musste es auch so niedlich aussehen, wenn die einzelnen Strähne wild in alle Richtungen abstanden? Und warum zur Hölle wünschte ich mir eigentlich, dass ich derjenige war, der durch seine Haare fuhr?

Plötzlich drehte Philip sich um und blickte direkt in meine Richtung. Ertappt zuckte ich zusammen. Hatte er bemerkt, dass ich ihn angestarrt hatte? Unsicher erwiderte ich den Blick meines besten Freundes. Oder war er jetzt mein ehemaliger bester Freund? Doch Philip lächelte mich nur sanft aus traurigen Augen an und wandte sich dann wieder Tobias zu.

Ein warmes Gefühl breitete sich in meiner Magengegend aus. Ich seufzte. Philip hatte Recht, ich bekam diese Hitzewallungen wirklich nur in seiner Nähe, beziehungsweise wenn er mich ansah. Und seine Augen... Okay, nein. Stopp! Ich war nicht in meinen besten Freund verknallt, das war unlogisch. Was sollte das auch für einen Sinn haben? Wir waren schließlich befreundet, weil ich ihn mochte. Mochte, nicht liebte. Eben eine ganz normale Freundschaft.

Tobias erzählte gerade irgendeinen dummen Witz und Philips Lippen verzogen sich zu einem amüsierten Grinsen. Sofort reagierte mein Körper auf diese kleine unbedeutende Geste und krampfte sich zusammen. So als ob ich einen Magnet in meinem Inneren trug, dessen Gegenstück in Philip steckte. Ich wollte doch nur ebenfalls in seiner Nähe sitzen, mit ihm lachen, ihn umarmen und vielleicht auch küssen. Ich… Okay, vielleicht war ich doch in ihn verknallt. So ein kleines bisschen. Ein winziges kleines Bisschen.

 

Während der restlichen Fahrzeit grübelte ich über Gründe nach, warum ich mich ausgerechnet in meinen besten Freund verlieben musste. Was wollte Mutter Natur mir damit sagen? Ich dachte auch über Philips und Tobias Worte nach. Mit einem hatten sie Recht, so konnte das definitiv nicht weitergehen, aber ich konnte doch schlecht einfach zu Philip gehen und ihm alles sagen. Oder?

„Okay, Leute! Wir sind da.“ Frau Fischer hatte sich vorne zwischen die Reihen gestellt und sah uns begeistert an. „Das Wetter ist traumhaft, die Landschaft sowieso und ihr seid doch eine liebe Klasse und könnt euch für ein paar Stunden allein beschäftigen, oder?“ Sie zwinkerte uns zu, ehe sie wieder ernst wurde und uns klassenleiterlike erklärte, dass wir auch ja nichts liegenlassen und nicht zu nah an die Steilküste gehen sollten.

Wir murmelten alle irgendeine Zustimmung und stiegen dann im Gänsemarsch aus dem Bus. Ich musste Frau Dreher zustimmen, sowohl das Wetter als auch die Landschaft waren wunderschön. Aber nicht so schön, wie Philips Augen. Oder sein Mund. Oder seine… Argh!

Ich schüttelte den Kopf und fing daraufhin einen verwirrten Blick von meinem besten Freund ein. Ich wurde rot und wandte mich schnell ab. Konnten diese Gedanken nicht endlich mal aufhören? Musste ich mich erst wie im Traum, oder Reallife - je nachdem, was es gewesen war, dem Ganzen stellen und ihm meine Liebe gestehen? Erneut? Wahrscheinlich, denn jedes Mal, wenn ich Philip ansah, also praktisch die gesamte Zeit, verspürte ich den Wunsch, diese wundervollen Lippen zu küssen. Ich sehnte mich nach seiner Nähe und wurde jedes Mal eifersüchtig, wenn jemand anderes mit ihm sprach… Also wenn das wirklich Liebe war, dann war es echt anstrengend, verliebt zu sein. Wie hielten das nur so viele aus?

Aber auf jeden Fall war mir mittlerweile klar geworden, dass es mich erwischt hatte. Und wie. Der Weg zur Steilküste war der Horror, da ich die ganze Zeit freien Blick auf Philips Rückansicht hatte. Sein Nacken, die Oberarmmuskeln, die sich leicht unter seiner gebräunten Haut abzeichneten, seine schmalen Hüften… Wieder einmal wünschte ich mir, wir wären allein und ich könnte ihm das störende Oberteil ausziehen, seine Haut mit meiner Zunge erkunden.

Zum Glück rettete mich Tim vor weiteren nicht jugendfreien Gedanken und verwickelte mich in ein Gespräch über die geplante Abifeier. Trotzdem konnte ich nicht verhindern, dass meine Gedanken immer wieder zu einem gewissen Typen vor mir abschweiften und ich Tim deshalb nur mit halbem Ohr zuhörte. Doch diesem schien das nicht aufzufallen, denn er redete fröhlich weiter. So fies es auch klang, ich war froh drüber.

 

An der Aussichtsplattform der Steilküste stellten wir unser Gepäck ab und Frau Fischer teilte uns mit, dass wir ab jetzt vier Stunden Freizeit hätten und, dass wir uns dann wieder treffen würden, um das zugehörige Museum zu besichtigen. Die Klasse war davon zwar nicht begeistert, aber immerhin konnten wir uns bis dahin frei auf dem Gelände bewegen.

Ich wollte gerade meinen Rucksack zu den anderen stellen, als ich aus dem Augenwinkel mitbekam, wie Philip allein in einem kleinen Kiefernwäldchen verschwand. Ich atmete tief durch und hängte mir meinen Rucksack wieder über die Schulter. Wenn nicht jetzt, wann sollte ich dann mit ihm reden? Das war die perfekte Gelegenheit und meine Gedanken würden mich noch umbringen, wenn ich nicht bald etwas gegen sie unternahm.

Ich wollte Philip gerade folgen, als Sara mich abpasste und mir einen Volleyball vor die Nase hielt. „Willst du mitspielen?“ „Nee, danke.“ Ich lächelte sie entschuldigend an und runzelte zweifelnd die Stirn, als sie sich wieder zu den anderen gesellte. Ich war mir nicht sicher, ob Volleyball an einer Steilküste wirklich die beste Idee war. Aber sollten sie doch machen, was sie für richtig hielten, es war nicht mein Problem. Mein Problem lief gerade irgendwo vor mir durch den Wald. Und da es hier auch keinen Weg gab, musste ich mich durch die Äste schlagen und versuchen, Philip irgendwie zu peilen.

Als ich es mit gefühlt tausend Kratzern an Armen und Beinen endlich geschafft hatte, fiel mir auf, dass ich nur ein wenig die Orientierung verloren hatte. Ich ortete Philip circa 200 Meter links von mir an der Küste. Er stand vor dem Abgrund und sah auf das Meer hinaus. Der Wind spielte mit seinen Haaren und ich musste dem Drang wiederstehen, ihn einfach von hinten zu umarmen.

 

„Hey“, sagte ich deshalb leise. Philip zuckte zusammen und drehte sich zu mir um. „Hi“ Seine Stimme klang heiser. „Ich hab nachgedacht.“ In Philips Augen spiegelten sich Hoffnung und Angst. Es tat weh, ihn so verletzlich zu sehen. Wo war mein sonst so cooler bester Freund geblieben?

Zögernd trat ich auf ihn zu und griff nach seiner Hand. Ich hoffte, ihm so die Angst nehmen zu können, denn die brauchte er nicht zu haben. Als er sich mir nicht entzog, verschränkte ich unsere Finger miteinander und Philips Lippen verzogen sich zu einem zaghaften Lächeln.

Ich trat dichter an ihn heran und sah ihm tief in die Augen. „Du hattest Recht, ich träume nicht. Für einen Traum ist das hier einfach viel zu schön.“ Ich spürte, wie Philip sich entspannte und atmete erleichtert aus. „Heißt das, dir ist bewusst, dass alles, was geschehen ist, real war?“ Ich zögerte kurz, nickte dann aber. „Ja, ich bin mir sicher.“ Philips Lächeln wurde breiter und er strich sanft mit dem Daumen über meinen Handrücken. „Und bedeutet die Tatsache, dass du hier bist und mir das gesagt hast, dass es dir recht ist, was passiert ist?“ Jetzt musste ich ebenfalls grinsen. „Das bedeutet es, ja.“

Mein, jetzt wohl wirklich, ehemaliger bester Freund strahlte mich an und zog mich in eine Umarmung. Ich schlang meine Arme um seinen Oberkörper und vergrub mein Gesicht in seiner Halsbeuge. Tief atmete ich seinen unwiderstehlichen Duft ein.

Endlich. Endlich konnte ich ihn wieder berühren, endlich wieder seine Wärme spüren. Obwohl wir nur wenige Stunden getrennt gewesen waren, kam es mir vor, als wären es Tage gewesen.

Jetzt verstand ich auch, warum es so viele Leute aushielten, verliebt zu sein. Es war einfach das schönste Gefühl der Welt.

 

 

 

„Du weißt, dass wir eigentlich gar nicht hier sein dürften?“ Ich drehte meinen Kopf zur Seite und sah in Philips Gesicht. Wir lagen auf der Klippe im Gras und sahen den Wolken zu, die über uns ihren Weg ins Ungewisse verfolgten. Ich hatte meinen Kopf auf Philips Brust gebettet und spielte mit unseren ineinander verschlungenen Fingern. So ein bisschen fühlte ich mich auch wie die Wolken über uns. Ich hatte keine Ahnung, wo mich das alles hinführen sollte, aber ich war bereit, es herauszufinden. An Philips Seite.

Dieser blickte mich aus seinen warmen braunen Augen liebevoll an. „Ich weiß.“ Er grinste frech und ich wusste genau, dass ihm diese Tatsache vollkommen egal war. Genauso wie mir.

Ich sah auf das Meer hinaus, hörte, wie sich die Wellen an der Küste brachen. Das Gras wiegte sich im Wind und eine salzige Brise umspielte unsere Nasen. Die ganze Situation war so friedlich, fast schon irreal. Wie ein Traum, nur vollkommen real… Um nichts in der Welt würde ich meinen Platz an Philips Seite aufgeben. Nichts könnte mich von den sanften Fingern, die durch meine Haare strichen, weglocken.

 

„Mischa?“ „Hm“ „Ich liebe dich.“ Ich lächelte. „Ich liebe dich auch.“

Impressum

Texte: Alles meins!
Bildmaterialien: https://www.flickr.com/photos/diogioscuro/8375978906
Lektorat: Langsam gehen mir die Danksagungen aus O.o aber gut .... *Trommelwirbel* ... *tief Luft hol* Ganz ganz lieben und riesen großen Dank für deine vielen und lustigen Kommis, die mich immer zum lachen bringen! Ich bin dir dafür echt so dankbar! *knuddel*
Tag der Veröffentlichung: 26.04.2015

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
So, meine liebe ERROR1.3: Happy Birthday!!! (nochmal xD) Ich wünsche dir alles alles Gute und ganz viel Spaß heute! Entspann dich jetzt mal von dem vielen Schulstress. *dir ganz fest die Daumen drück und Cocktail rüberreich* Ich hoffe, dass dir die kleine Geschichte gefallen hat. O.o Mehr kann ich dir ja leider nicht schenken... :( HAPPY B-DAY!!! *knuddel* ♥

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