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Happy Halloween

Moritz

 

„Hey, kannst du mir mal kurz helfen? Das kack Weiß funktioniert nicht mehr.“ Entnervt schmiss ich die Schminke auf den Waschtisch. Schon seit einer gefühlte Ewigkeit versuchte ich aus dem Farbding noch was herauszubekommen.

Mein Gesicht war weiß. Zumindest zu zwei Dritteln. Dann hatte sich diese gottverdammte Schminke überlegt, nö, ich bin dann mal alle. Und jetzt stand ich da, sah aus wie jemand, den man zur Hälfte in einen Farbeimer geditscht hatte, und hatte keine Ahnung, was ich machen sollte.

„Zeig mal her“, meinte plötzlich Lele neben mir und riss mich aus meinen finsteren Gedanken. Er umfasste mein Kinn und drehte meinen Kopf zu sich. Ich musste mich zusammenreißen, um bei seiner Berührung nicht die Augen zu schließen. Ja, ich war in ihn verknallt und nein, er wusste es nicht. Ich weiß nicht, wie er reagieren würde, wenn er es herausfände. Alle Welt sagte immer, die Freundschaft wäre dann vorbei, aber bei dem Blick, den er mir manchmal zuwarf, war ich mir da nicht so sicher. Andererseits hatte er eine Freundin, mit der er glücklich zusammen war und ich… naja, also ich hatte mal eine. Dann hat mich die Schlampe betrogen und ich hab Schluss gemacht und blablabla, jetzt war ich Single. Und hoffnungslos in meinen besten Freund verliebt. Fuck!

„Hast du noch weiß?“, fragte ich. „Ja, warte.“ Er ließ mein Kinn los, um nach der Schminke zu greifen und ich nahm enttäuscht die hinterlassene Leere auf meiner Haut zur Kenntnis. Warum musste das Hirn immer so verrückt spielen, wenn man verknallt war?

„So, Vorsicht. Augen zu!“ Er trat näher an mich heran und hob den Pinsel. Ich schloss artig meine Augen und konzentrierte mich auf jede seiner Bewegungen. Etwas Feuchtes legte sich auf meine Nase und ich verzog für einen kurzen Moment den Mund.

„Alles okay mit dir?“, fragte er mich besorgt. „Ja, das Zeug fühlt sich nur eklig an, so wie Schleim.“ Er lachte auf und auf meinem Arm breitete sich eine Gänsehaut aus. Bei meinen früheren Freundinnen war das doch auch nicht so extrem gewesen, warum also jetzt? Das war schon in England so nervenaufreibend gewesen…

Lele fuhr damit fort, mein Gesicht einzupinseln. Ich konnte seinen Atem auf meiner Haut spüren und wäre am liebsten näher an ihn heran getreten und hätte mich an ihn gekuschelt. Aber das ging ja leider nicht.

„So, fertig.“ Für meinen Geschmack viel zu schnell. Ich beobachtete wie er die Schminke zur Seite legte und den Pinsel abwusch. Einem plötzlichen Impuls folgend drehte ich mich zu ihm um.

„Warte, ich mach das.“ Ich trat an ihn heran, legte meine Hände auf seine und begann, die Farbe aus dem Pinsel zu waschen. Wobei man sagen müsste, dass ich eher über Leles Hände strich, als wirklich Farbe aus dem Pinsel zu entfernen. Ich wusste, ich sollte das eigentlich nicht tun, aber in dem Moment konnte ich einfach nicht anders. Seine Nähe machte mich einfach total verrückt.

„Moritz?“, fragte er leise. „Ja“, hauchte ich ebenso leise zurück, fuhr aber damit fort, kleine Kreise auf seine Handfläche zu malen.

Leander drehte sich langsam zu mir um, ließ meine Hand dabei jedoch nicht los. Unsicher sah ich ihn an. Er beugte sich ein Stück zu mir runter. „Du machst mich ganz wuschig, weißt du das?“ Ich schluckte und wollte ihm meine Hand entziehen, doch er hielt sie fest und hauchte mir ins Ohr: „Wenn du mich berührst oder anlächelst, dann, ich weiß nicht, ich bekomm ‘ne Gänsehaut und ich würde dich am liebsten umarmen, gegen die nächste Wand drücken und küssen und…“ „Du willst mich küssen?“ Verzweifelt sahen mich seine braunen Augen an. „Ja“ Er verschränkte unsere Hände miteinander. „Warum machst du’s dann nicht?“, fragte ich mit zittriger Stimme.

Ich sah ihn mit klopfendem Herzen an und war mir nicht sicher, ob ich der glücklichste Mensch auf Erden war oder lieber schleunigst im Boden versinken wollte. Warum sagte er denn nichts? Konnte er nicht irgendetwas machen? Nur eine winzige Kleinigkeit? Wenn er mich losließ und abhaute, wusste ich immerhin, dass er nichts von mir wollte, auch wenn das, was er gerade gesagt hatte, das Schönste war, was ich in meinem Leben bisher gehört hatte. Doch diese Stille brachte mich um!

„Lele?“ „Scht, sag nichts. Bitte.“ Die Unsicherheit in seiner Stimme machte mich total nervös. Mist, was hatte ich nur getan? Warum konnte ich nicht einmal meine Klappe halten? Warum?

„Lele, bitte, sag was, irgendetwas.“ Flehend sah ich ihn an. Er biss sich auf die Lippe und fing an, mit meinen Fingern zu spielen. Dass er damit einen Schauder nach dem andern durch meinen Körper sandte, schien er geflissentlich zu ignorieren. Der Typ machte mich noch ganz kirre!

„Ach, scheiß drauf!“ Erschrocken über seinen plötzlichen Ausbruch sah ich auf, nur um gleich darauf seine Lippen direkt auf meinen zu spüren. Völlig überrumpelt blickte ich meinen besten Freund, oder was auch immer, an, doch er hatte seine Augen geschlossen. Er hatte seine Augen geschlossen, das hieß doch, ihm gefiel der Kuss…

Die Information sickerte nur langsam in mein träges Hirn und als sie endlich da angekommen war, fühlte ich ihn auch. Der Kuss war… wow! Ich seufzte und schloss nun ebenfalls die Augen. War ja gruslig, wie lange das gedauert hatte.

Lele schmeckte nach Erdbeeren und Cola, was eine lustige Mischung ergab. Eine Mischung, die süchtig machte. Ich leckte mit meiner Zunge über seine Unterlippe und bekam gleich darauf, was ich wollte. Ich erforschte seinen Mundraum und stupste dann neckisch seine Zunge an. Mit einem leisen Stöhnen ging er auf das Spiel ein und ich konnte einfach nicht mehr anders, ich schlang meine Arme um seinen Hals und presste mich an ihn. Er erwiderte die Geste, indem er mich an den Hüften nach hinten bis zum Waschbecken schob und dagegen drückte. Ich zog in noch näher an mich heran, wenn das überhaupt noch möglich war, und löste mich schließlich nach Atem ringend von ihm. Stirn an Stirn blieben wir stehen und zum ersten Mal realisierte ich, wieviel kleiner ich war.

Ich leckte mir über die Lippen, die immer noch nach ihm schmeckten und holte tief Luft. „Was…“ Ich räusperte mich. „Was ist mit Clara?“ Fragend sah ich ihn an. Lele wirkte so, als ob er gerade aus einer anderen Welt wieder erwacht wäre und sich erst daran erinnern musste, dass er ja eigentlich eine Freundin hatte. „Ich weiß nicht.“, antwortete er schließlich. „Was ist mit uns? Was sind wir?“ Hilflos zuckte ich mit den Schultern. „Keine Ahnung.“

So, jetzt hatten wir es geschafft: Genau an diesem Punkt waren wir schon mal. Damals, vor vier Monaten in England. Ich seufzte.

„Hey, wir bekommen das hin, ja?“, flüsterte Lele. „Meinst du? Du hast eine Freundin und wir können doch nicht einfach allen sagen, dass wir schwul oder so sind.“ „Wer sagt, dass sie es erfahren müssen?“ Überrumpelt sah ich ihn an. „Du willst es geheim halten?“ Lele zuckte mit den Schultern. „Was bleibt uns anderes übrig?“ Da hatte er Recht. Wieso musste das Leben immer so scheiß kompliziert sein?

„Okay, also heimlich.“, murmelte ich und legte meine Hände auf seine Brust. Gedankenverloren zeichnete ich verschiedene Muster darauf und fragte leise: „Und was machen wir jetzt?“

Lele nahm mein Gesicht in seine Hände und sah mich an. Wieder einmal faszinierte mich das Braun seiner Augen, sodass ich in ihnen versank. Darüber, wie kitschig ich mich gerade benahm, wollte ich nicht nachdenken.

Langsam näherte er sich mir und strich mit seinen Lippen über meine. Ich seufzte auf. Ja, ganz sicher nicht. Das war einfach nur peinlich. Nur Mädchen seufzten. Ich seufzte. Ahhh, das war ja zum verrückt werden!

Ich stellte mich auf die Zehenspitzen und gab Lele einen Kuss. Dieser erwiderte ihn und nach kurzer Zeit waren wir wieder dabei, und atemlos die Zungen in den Hals zu stecken.

 

Erst als es an der Tür klingelte, ließen wir voneinander ab. Belustigt sahen wir uns an. „Freunde mit gewissen Vorzügen?“ „Jap.“

Grinsend ging ich voraus, um unsere Freunde reinzulassen, weil wir ja eigentlich eine Halloweenparty machen wollten und betete, dass meine Schminke nicht allzu verschmiert war.

„Moritz?“, fragte Lele hinter mir, als ich schon an der Tür stand. „Ja?“ Ich drehte mich um. „Ich… ich glaube, ich liebe dich.“ Sprachlos sah ich meinen besten Freund an. Er liebte mich, er liebte mich! Okay, nein, ich werde jetzt keinen Freudentanz aufführen, nein, sowas machten Mädchen. Mädchen, nicht ich.

Mit einem Lächeln auf den Lippen drehte ich mich wieder zur Tür und nicht einmal Clara, die erst mich umarmte und dann Lele einen stürmischen Kuss aufdrückte, konnte es wieder von da vertreiben.

Schlagsahne, Alk und ein ganz bestimmter Typ

Leander

 

„Was ist eigentlich mit deiner Schminke passiert?“ Perplex drehte ich mich um. Vor mir stand Lea, meine frühere Freundin. Naja, es war eher so eine On-Off-Beziehung gewesen. Mal waren wir zusammen, dann hatte einer von uns Schluss gemacht und so weiter. Zwischenzeitlich war ich auch mit einer anderen zusammen gewesen. Wenn man das jetzt so hörte, klang das schon nach ´nem ziemlichen Verschleiß…

„Lele?“ „Hm?“ „Du hast keine Ahnung, was ich dich gefragt habe, oder?“ Betroffen sah ich sie an. „Nee, nicht wirklich…“ Ich fand es gut, dass wir Freunde geblieben waren und uns immer noch super verstanden. Lea war wirklich nett.

Sie seufzte. „Ich hab dich gefragt, warum deine Schminke so verschmiert ist. Und die von Moritz auch.“ Ertappt zuckte ich zusammen. „Ich… naja… also“ Ich räusperte mich. „Das Weiß war alle und wir mussten mit Wasser etwas nachhelfen und ja, deswegen sieht das jetzt so aus.“ Sie hob eine Augenbraue. „Okaay…“ Mist, sie glaubte mir nicht. Dann sollte ich schleunigst zu Moritz und ihm sagen, was ich Lea gesagt hatte, damit er nicht etwas vollkommen anderes erzählte.

„Ist eigentlich was zwischen dir und Clara passiert?“, fragte Lea plötzlich. „Nee, warum?“ „Keine Ahnung, ihr macht heute gar nicht so viel zusammen. Da dachte ich halt…“ „Was? Nein, nein, alles okay, aber ich kann ja nicht nur mit meiner Freundin abhängen.“ Ich versuchte, nicht zu nervös zu klingen. Wenn ich das mit Moritz geklärt hatte, sollte ich vielleicht zu Clara gehen. Lea hatte Recht, ich mied sie irgendwie. Keine Ahnung warum, aber ich hatte dann immer das Bild von Moritz vor Augen und das Gefühl seiner Lippen auf meinen…

„Hallo!?“ Lea fuchtelte vor meinem Gesicht herum. „Was?“ Sie stöhnte genervt auf. „Mann, du bist heute ja wirklich total verpeilt. Ich meinte, du und Clara seid ein süßes Paar. Ich freu mich für euch, wirklich.“ Ich nickte. „Danke“ Sie meinte es ernst, das wusste ich. Und ich wusste auch, dass mein Blick jetzt eigentlich zu Clara und nicht zu Moritz wandern sollte. Der Kerl konnte einen echt verrückt machen. Hatte ich ihm wirklich gesagt, dass ich ihn liebte? Lea hatte Recht, ich war echt verpeilt. Also, ja, ich mochte Moritz. Wirklich. Aber so wie Clara? Es war anders mit ihm. Irgendwie. Ach, das war doch zum kotzen! Wahrscheinlich konnte er einfach nur verdammt gut küssen und deswegen war mein Hirn so vernebelt gewesen und mir war der Satz einfach raugerutscht. Genau.

Entschlossen nahm ich einen Schluck Cola, in die wir etwas Alk gemischt hatten, und beobachtete das Treiben im Wohnzimmer. Moritz und Heiner waren gerade dabei, Sina mit Schlagsahne einen Schnurrbart ins Gesicht zu malen. Da sie das Ganze sehr ungeschickt anstellten, verteilten sie die Sahne eher über sein ganzes Gesicht und seine eigentliche Frankensteinbemalung war dadurch kaum noch zu erkennen. Die Szene war einfach zum wegschmeißen.

Plötzlich drehte Moritz seinen Kopf zu mir und grinste mich an. Automatisch lächelte ich zurück und ein warmes Gefühl breitete sich in meiner Magengegend aus. Ich seufzte. Ja, vielleicht war ich doch verknallt. So ein ganz, ganz kleines bisschen.

Lea neben mir bewegte sich und mir fiel wieder ein, dass ich noch mit Moritz reden wollte, bevor sie es tat.

„Ich geh dann mal ‘ne neue Cola holen.“ Ich schnappte mir die leere Flasche vom Couchtisch, gab Moritz ein Zeichen, dass er mitkommen sollte und verschwand in der Küche.

 

„Was gibt’s?“ Lässig wie immer lehnte er an der Theke und ich hätte ihn schon wieder küssen können. Wahrscheinlich sprach mein Gesicht Bände, denn Moritz lehnte sich ein Stück vor und fragte verschmitzt: „Hattest du etwa Sehnsucht nach mir?“ Er stieß sich von der Kante ab und kam auf mich zu. Ich schluckte. „N…nein…“ Nicht wirklich überzeugt zog er einer Augenbraue hoch und trat noch einen Schritt näher. Warnend sah ich ihn an. „Moritz…“ „Ja?“ Ein Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus. Ich ballte meine Hände zu Fäuste, weil ich sonst nicht mehr dafür garantieren konnte, dass ich ihm nicht auf der Stelle das Shirt vom Körper reißen würde.

„Wir müssen reden.“ Für einen kurzen Augenblick huschte ein Hauch Unsicherheit über sein Gesicht. „Nein, nicht so.“ Beruhigend legte ich ihm eine Hand auf die Schulter. „Lea hat mich wegen der Schminke angesprochen. Sie hat mir die Ausrede mit dem Verdünnen nicht ganz geglaubt.“ „Hä?“ Verwirrt schaute mich mein bester Kumpel an. Ich verdrehte die Augen. „Naja, sie hat halt gefragt, warum die bei uns so verwischt ist und da hab ich ihr gesagt, dass das Weiß alle war und wir das Zeug mit Wasser verdünnen mussten. Und das hat sie mir, glaube ich, nicht so ganz abgenommen.“

„Ach so, sag das doch gleich, Mann!“ Herausfordernd funkelten mich seine Augen an. „Wenn das jetzt geklärt ist…“ Er sah abwartend meine Hand an, die immer noch auf seiner Schulter lag. Schnell zog ich sie weg. Ich konnte doch nicht… Ich durfte nicht…

„Nervös?“, fragte Moritz. „Nein“ Wieder hob er eine Augenbraue. „Sicher?“ „Ja“, krächzte ich, weil er schon wieder genau vor mir stand und mit seinem Finger aufreizend langsam über meine Brust bis hin zum Beginn meiner Jeans strich. Er hakte einen Finger in die Gürtelschlaufe und zog mich zu ihm heran. Fragend sah er zu mir hoch. Konnte ich wirklich? Was, wenn jemand rein kam? Andererseits… wenn wir es auf den Alk schoben. Allgemein lag es am Alk. Oder?

Unsicher blickte ich Moritz an. In seinen blauen Augen konnte ich eine Spur Scheu ausmachen. Wenn ich noch länger zögerte, wäre der Moment vorbei und dann… Es war ja nur ein Kuss. Ein bedeutungsloser Kuss zwischen zwei Freunden, die zu viel Alk intus hatten. Genau. Was war schon dabei?

Langsam beugte ich mich zu ihm herunter und legte sanft meine Lippen auf seine. Sofort merkte ich, wie er sich entspannte. Ich schloss meine Augen und vertiefte den Kuss. Es fühlte sich so total anders an, als bei Clara. Bei ihr war es so… naja, trivial, aber bei Moritz… Moritz war einfach…

„Moritz! Lele! Wo bleibt ihr denn? Wir wollen Flaschendrehen spielen!“

Panisch löste ich mich von ihm. Wie ich Laura gerade erwürgen könnte. Warum jetzt? Andererseits… Flaschendrehen? Mit Moritz? Ich schielte zu meinem Freund hinüber. Er schien das Gleiche zu denken wie ich, denn er grinste wissend vor sich hin. Ich schnappte mir zwei Flaschen Cola, ‘ne Sprite und drückte Moritz eine Packung RedBull in die Hand, ehe wir die Küche wieder verließen und uns zu den anderen gesellten.

 

Ich hatte einen Arm um Clara gelegt und ließ mich von ihr als Kissen missbrauchen. Dabei fragte ich mich, wann sie sich wohl auf meinen Schoß setzen würde. Mein Blick kreuzte sich mit Leas und ich schluckte die Gereiztheit, die mich ergriffen hatte, als Moritz und Laura 30 Sekunden rummachen sollten, hinunter und rang mir ein Grinsen ab. Ich beugte mich zur Seite und gab Clara einen Kuss auf die Wange. Lächelnd drehte sie sich zu mir um und kuschelte sich noch näher an mich. Was soll’s? Früher oder später saß sie ja eh da, also konnte ich sie auch gleich auf meinen Schoß ziehen. Dann hatte Lea wenigstens nichts mehr zu meckern.

 

„Clara?“ Sie hob ihren Kopf und sah mich fragend an. Ich bedeutete ihr, sich auf meinen Schoß zu setzen und ignorierte den eifersüchtigen Blick, den Moritz mir zuwarf. Selbst Schuld, dachte ich. Du hättest die Sache mit Laura ja nicht so… authentisch machen müssen.

„So, also der Nächste muss eine Flasche Bier exen, okay?“ Natalie sah abwartend in die Runde. Moritz brummte zustimmend, während Lea ihn misstrauisch beäugte. „Moritz, wie viel hast du schon getrunken?“ „Keine Ahnung, noch nicht so viel. In der Cola ist doch nur ein kleiner Schuss.“

Überrascht zog ich eine Augenbraue hoch. Er klang gar nicht gut. Besorgt musterte ich ihn. Vorhin war doch noch alles gut gewesen.

„Also, wenn ihr die Flasche nicht dreht, mach ich das. Ich will jetzt saufen!“, grölte Christian in die Runde. „Mensch, Chrissi! Du kommst eh nicht dran.“ Natalie ließ sich neben Lea auf die Couch sinken. „Wollen wir wetten?“ „Wenn du die Flasche nicht manipuliert hast, ist deine Chance zu gewinnen sehr, sehr gering.“ „Lass ihn, Nata, soll er denken was er will.“ Marie stieß ihre Freundin in die Seite und sah dann Chrissi auffordernd an. „Los, dreh!“

Während Christian der Aufforderung nachkam, erhob sich Moritz und verschwand in Richtung seines Zimmers. Gerade als ich mich von Clara befreien und ebenfalls hochhieven wollte, um ihm nachzulaufen, stand Laura auf und folgte meinem Kumpel. Hätte Clara nur nicht auf meinem Schoß gesessen! Dann wäre ich zuerst da gewesen. Und dieses Miststück von Laura! Die wollte sich doch nur an ihn ranmachen! Meine anfängliche Sympathie ihr gegenüber verschwand zunehmend. Was fiel der Schlampe eigentlich ein?

Ich griff nach meinem Glas und nahm einen tiefen Schluck. Das Brennen des Alks, als der meinen Hals hinunterlief, fühlte sich gerade unbeschreiblich gut an.

„Lele?“ Clara hatte sich zu mir umgedreht und strich über mein Gesicht. Am liebsten hätte ich ihre Hand weggeschlagen. „Was?“, brummte ich unfreundlich. „Was ist mit dir los? Du bist schon den ganzen Abend so abweisend.“ Bei ihrem traurigen Ton bekam ich sofort ein schlechtes Gewissen. Sie konnte ja nichts dafür.

„Tschuldigung, hab schlecht geschlafen.“ Ihr Blick wurde weicher und sie nahm mein Gesicht in beide Hände und küsste mich. Ich schloss die Augen und versuchte alles um mich herum auszublenden. Mich nur auf das Gefühl ihrer Lippen zu konzentrieren. Doch das Kribbeln, was sonst immer einsetzte, blieb diesmal aus. Vor meinem inneren Auge tauchten Bilder von Moritz auf, wie er lächelte, wie er mich vorhin so verschmitzt angeguckt hatte und wie wir uns dann geküsst hatten. Ich stellte mir vor, dass ich nicht Clara, sondern ihn küsste.

Ich legte meine Hände auf ihre Taille und öffnete den Mund, in Erwartung, dass gleich eine Zunge kommen würde. Doch nichts geschah. Clara küsste nicht gern mit Zunge.

Warum fühlte es sich bei Moritz so verdammt gut an? Warum bei ihm, aber bei ihr, meiner Freundin, nicht?

Ich war nicht mehr bei der Sache. Clara schien es zu merken, denn sie löste sich von mir und sah mich enttäuscht an. „Lele?“ „Sorry, ich… Ich mache mir Sorgen wegen Moritz.“ „Aber Laura ist doch bei ihm.“ Ja, und steckte ihm wahrscheinlich gerade die Zunge in den Hals. „Trotzdem, ich will einfach nur wissen, ob’s ihm gut geht, ja?“ Sie nickte und rutschte von meinem Schoß. Ich erhob mich und steuerte das Zimmer meines besten Freundes an.

 

Als ich die Türklinke runterdrücken wollte, hörte ich Stimmen. Mit gerunzelter Stirn lehnte ich mich an den Rahmen und lauschte.

„Laura, wie oft denn noch? Ich will nichts von dir!“ „Aber… Komm schon, das meinst du doch nicht ernst.“ „Doch, und wie ernst ich das meine. Es gibt jemand anderen, kapiert? Und jetzt verpiss dich!“

Ich hörte, wie Laura aufschluchzte und trat schnell einen Schritt beiseite. Die Tür wurde geöffnet und sie stürmte an mir vorbei ins Bad.

Vorsichtig betrat ich das Zimmer. Moritz lag bäuchlings auf seinem Bett und hatte seinen Kopf in den Kissen vergraben. Leise schloss ich die Tür und ging auf ihn zu.

„Hey“ Er drehte sich um und setzte sich auf. „Was willst du?“ Ich setzte mich neben ihn. „Was ist los mit dir?“ Er zuckte mit den Schultern. „Nichts“ „Klar ist was. Mann, Moritz, wir sind beste Freunde, ja? Ich weiß, wenn mit dir was nicht stimmt!“ „Sind wir das, ja?“ Perplex sah ich ihn an. „Ja, warum…?“ „Beste Freunde küssen sich nicht oder sagen sich, dass sie sich lieben. Und vor allem verletzen sie sich nicht gegenseitig.“ Seine Stimme klang trotzig.

Und da fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Er war eifersüchtig. Wegen mir. Deswegen hatte er so viel getrunken. Ich lachte auf. Wie blöd waren wir eigentlich?

„Was ist daran so lustig?“, fragte Moritz verwirrt. „Ach, Moritz, ich finde es einfach nur unglaublich süß, wenn du eifersüchtig bist.“ Ich bin nicht…“ „Doch, bist du. Genauso wie ich.“ Jetzt sah er vollends durcheinander aus. „Was?“

Ich rutschte näher zu ihm und legte einen Arm um seine Schultern. „Du bist eifersüchtig auf Clara und ich auf Laura.“ „Aber ich will doch gar nichts von Laura. Die kann mich mal.“ Er kuschelte sich an mich und ich genoss die Wärme, die sein Körper ausstrahlte. „Ich weiß, und ich bin froh drüber.“ Ich lehnte meinen Kopf an seinen und streichelte mit meiner Hand gedankenverloren über seinen Arm.

„Lele?“ „Hm?“ „Kannst du mich küssen?“ Schmunzelnd löste ich mich aus der Umarmung und umfasste Moritz‘ Kinn. „Immer“ Ein Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus.

Vorsichtig legte ich meine Lippen auf seine und jetzt, jetzt setzte das Kribbeln ein. Bei der ersten leichten Berührung. Seine Lippen bewegten sich sanft auf meinen und fühlten sich warm und weich an. Ich legte meine Hand in seinen Nacken und zog ihn näher zu mir heran. Seine Finger krallten sich in mein Oberteil und er öffnete den Mund, um meine Zunge hineinzulassen. Freiwillig, ohne Aufforderung. Er war nicht Clara, und das war gut so.

Ich krabbelte auf sein Bett, ohne den Kuss zu unterbrechen und drückte Moritz nach hinten, bis er unter mir lag. Seine Lippen waren ein Stück geöffnet und er blickte mich erwartungsvoll an. Ich stützte mich rechts und links von ihm ab und senkte langsam den Kopf. Ihn zu Küssen war wie eine Sucht, deren Droge Moritz‘ Lippen war.

 

Moritz murmelte irgendetwas Unverständliches und widerwillig löste ich mich von ihm. „Wir sollten zu den anderen zurückgehen.“ „Aber wir sind doch erst fünf Minuten weg“, protestierte ich. Schmunzelnd zeigte Moritz auf seinen Nachttisch. Sprachlos starrte ich seine Wecker an. 20 Minuten! Wir waren über 20 Minuten weggewesen und hatten uns geküsst. Krass!

„Lele?“, fragte Moritz belustigt. „Was? Äh, ja. Wir… wir sollten zurückgehen.“ Ich rappelte mich hoch und half Moritz auf.

Vor der Tür hielt er mich am Arm fest und küsste mich kurz auf den Mund. Dann fuhr er sich nochmal durch die Haare und ging mir voraus ins Wohnzimmer. Lächeln folgte ich ihm. Wahrscheinloch sah ich gerade aus, wie ein verliebter Trottel. Ich glaubte, diesmal würde ich eine bessere Ausrede brauchen, um Lea das zu erklären. Und Clara…

 

„Und? Geht’s dir wieder besser?“ Meine Freundin sprang auf und umarmte Moritz. „Ja, mir war nur ein bisschen schlecht und ich hatte Kopfschmerzen.“ Mitleidig legte sie ihm einen Arm um die Schultern und zog ihn zur Couch.

Also hegte sie keinen Verdacht. Blieb nur noch Lea… Doch die war gerade in ein Gespräch mit Nata und Chrissi vertieft, also konnte das noch warten. Lächelnd setzte ich mich neben Moritz und stellte zufrieden fest, dass von Laura noch immer jede Spur fehlte.

Als ob er meine Gedanken lesen konnte, fragte er: „Wo ist eigentlich Laura?“ „Gegangen, ihr ging’s nicht so gut.“ Sehr gut, also hatte ich ihn heute Abend für mich. Grinsend lehnte ich mich zurück und summte leise das Lied mit, welches gerade lief.

Secrets will stay hidden in the darkness

Moritz

 

Um mich herum war es dunkel. Stockdunkel. Ich lehnte an einer Wand und versuchte, flach zu atmen. Bloß kein Geräusch machen. Sonst wäre ich geliefert.

Neben mir raschelte es und ich fuhr herum. Hielt den Atem an. Schritte näherten sich. Ich schloss die Augen und presste mich näher an die Wand. Hoffte, nicht entdeckt zu werden. Er musste jetzt genau vor mir stehen. Ich konnte seinen Atem hören. Leise und gleichmäßig. Keine Spur von Nervosität oder Eile. Er wusste, dass ich hier war. Ich schluckte.

Meine Gedanken rasten. Sollte ich mich ducken? Doch ich stand so nah an der Wand, dass er es vermutlich hören würde. Wegrennen? Das Risiko, gefangen zu werden, war zu groß. Blieb nur ausharren und hoffen.

Um mich herum war alles ruhig. Nur ab und zu vernahm ich ein schwaches Kratzen oder Scharren. Jede Faser meines Körpers war bis zum Zerreißen gespannt. Ich wartete. Was würde er tun? Es nicht zu wissen, brachte mich fast um. Warum tat er nichts? Oder war er schon wieder weg? Ich konnte ja nichts sehen, rein gar nichts.

Plötzlich fühlte ich einen warmen Windhauch im Gesicht. Wo zur Hölle kam der her? Dann begriff ich, dass es sein Atem war. Mein Mund wurde trocken, meine Kehle schnürte sich zu. Mein Herz schlug so laut, dass ich dachte, er müsste es hören. Was passierte hier?

Etwas Weiches streifte meine Wange. Nur kurz, flüchtig. Dann tauchte es wieder auf, diesmal an meiner Nase. Wanderte zu meiner anderen Wange und dann hinab zu meinem Kinn. Auf meinem Körper breitete sich eine Gänsehaut aus. Ich schloss die Augen und wartete. Wartete darauf, was er als nächstes machen würde. Ich vertraute ihm. Vollkommen.

Ich spürte eine Hand, die nach meiner suchte und unsere Finger miteinander verschränkte. Leicht drückte ich sie. Der Druck kam zurück und ich konnte seine zweite Hand an meiner Wange spüren. Sanft strichen seine Finger über meine Haut, fuhren die Konturen meiner Lippen nach. Ich öffnete leicht den Mund und nahm seinen Daumen zwischen meine Zähne.

Ich merkte, wie er näher an mich heran trat. Mich zwischen sich und der Wand gefangen hielt. Es gefiel mir. Ich wollte mehr.

Eilig ließ ich seinen Finger wieder frei und tastete mich zu seinem Gesicht. Ich vergrub eine Hand in seinen Haaren und zog ihn zu mir herunter. Als unsere Lippen nur noch Millimeter voneinander entfernt waren, flüsterte er: „Später. Erst musst du mich finden…“

Er ließ von mir ab und verschwand aus meiner Reichweite. Frustriert ließ ich mich zurück gegen die Wand fallen und grummelte: „Ich bin.“

 

Ziel des Spieles war es, in einem vollkommen dunklen Raum eine andere Person zu finden. Diese musste dann laut Bescheid geben, dass sie jetzt dran war und musste ihrerseits wieder jemanden tippen.

Ich stand in meinem Wohnzimmer und versuchte mich zu orientieren. Irgendwo vor mir musste sich die Couchgarnitur befinden. Also stolperte ich, wenn ich geradeaus ging, über den Glastisch. Wo hatte sich Lele versteckt? Ich hatte mich bemüht, seinen Schritten zu lauschen, aber da er in Socken über unseren Teppich lief, war das nahezu unmöglich.

Später. Das Wort hallte in meinem Kopf nach. Der Gedanke, dass wir heute abermals rummachen würden, ließ eine gewisse Vorfreude in mit aufsteigen. Ein Grinsen breitete sich auf meinem Gesicht aus. Wir hatten bei der Planung der Party ausgemacht, dass er bei mir übernachten würde. Er und ich, eine Nacht lang in meinem Zimmer. Allein. Ich meine, klar, es war nicht das erste Mal, dass wir beieinander übernachteten, aber vorher hatten wir uns ja auch noch nie geküsst.

Ich tastete mich weiter vorwärts. Woher hatte er überhaupt gewusst, dass ich das an der Wand gewesen war? Ich wäre mir da nicht so sicher gewesen. Wenn wir nachher mal alleine waren, sollte ich ihn vielleicht darauf ansprechen. Aber erstmal musste ich irgendeinen Pfosten von meinen Freunden finden. Oder ihn.

Ich taumelte ein wenig. Wahrscheinlich wäre es besser, heute keinen Alkohol mehr zu trinken. Ein Schauder lief mir den Rücken hinunter, als ich an meine Tanzeinlage von vorhin zurückdachte. Gott, war das peinlich gewesen. Wie hatte ich es bloß fertig gebracht, mich so zum Affen zu machen? Und das vor Lele. Andererseits hatte er irgendwann mit gemacht und dabei so ausgesehen, als hätte er ziemlich viel Spaß gehabt. Naja, das Ende des Spektakels war, dass wir alle wie blöd über den Teppich gehüpft sind und dabei laut und schräg irgendwelche Lieder gesungen haben. Ich schüttelte den Kopf. Zu viel Alkohol. Eindeutig.

Ich stieß mit dem Fuß an etwas Hartes. Eine Flasche. Okay, also war ich in der Mitte des Wohnzimmers angekommen. Jetzt war rechts das Sofa und links der Sessel, in dem ich mit Laura rummachen musste.

Das Gespräch mit ihr kam mir wieder in den Sinn. Konnte es sein, dass sie auf mich stand? Ich hatte davon bis jetzt noch nichts mitbekommen. Aber so, wie sie sich vorhin an mich ran gemacht hatte… Ob Lele was davon mitbekommen hatte? Schließlich war er gleich darauf in meinem Zimmer erschienen. Eigentlich war es ja egal. Ich hatte Laura meine Meinung zu dem Thema gesagt und das war auch die Wahrheit gewesen. Sie war nett, aber ich wollte nichts von ihr.

Nach einer gefühlten Ewigkeit hörte ich endlich ein Geräusch. Ich bewegte mich langsam darauf zu, bedacht, keinen Laut zu verursachen. Mein Gefühl sagte mir, dass ich vor dem Fenster stand. Wir hatten die Jalousien zugezogen, damit auch wirklich kein Licht in den Raum kam.

Vorsichtig tastete ich mich an ihnen entlang, bis meine Hand auf etwas Weiches, Unförmiges stieß. Ein Kichern erklang und Nata lallte laut: „Nein, scheiße! Ich schaff da doch nie im Leb‘n en‘n von euch zu find‘n.“ Aus der gegenüberliegen Ecke des Raumes ertönte ein Lachen. Es klang so, als ob diejenige versuchte, es zu unterdrücken.

Natalie befreite sich aus der Gardine und grinste: „Isch hab disch gleich, Lea!“

Ich schüttelte grinsend den Kopf. Die war auf jeden Fall voll. Aber vor allem erstmal mit sich selbst beschäftigt, sodass ich mich in Ruhe auf die Suche nach Lele machen konnte.

 

„Au!“ Verdutzt blieb ich stehen. „Lele?“, fragte ich leise. „Ja, kein Grund, mir gleich ‘ne Kopfnuss zu verpassen!“, flüsterte er zurück. Ich grinste. „Sorry, hab dich nicht gesehen.“ „Ach was, hätte ich jetzt nicht gedacht.“

Vorsichtig ließ ich mich neben ihn gleiten. Wir saßen zwischen unserem Essentisch, der sozusagen in einer Nische stand, und der Wand. Und hatten ungefähr 75 cm Platz. Ich lehnte mich gegen die Heizung und streckte meine Beine unter dem Tisch aus. Neben mir saß Lele und pikte mich immer wieder in die Seite.

„Lass das, Alter! Oder willst du, dass die uns finden?“ „Sollen sie doch.“ Er neigte sich näher zu mir und seine Stimme bekam einen rauen Unterton. „Aber ich habe dir vorhin gesagt, was passiert, wenn du mich gefunden hast.“ Ich schluckte. „Lele“

Er kniete sich neben mich. „Was denn, Moritz? Macht dich das etwa an?“ „Nein“ Und wie mich das anmachte. Aber ich würde ihm diesen Sieg bestimmt nicht gönnen. Er war vorhin schon so frech gewesen…

„Und wie dich das anmacht. Ich kenn dich doch.“ Ja, leider. Viel zu gut. Ich seufzte. „Du bist unmöglich, weißt du das?“ Er beugte sich vor und verharrte kurz vor meinen Lippen. „Ich weiß.“ Dann überbrückte er den letzten Abstand zwischen uns.

In diesem Moment ging das Licht an und ich zuckte zurück und schlug dabei mit dem Kopf gegen die Heizung.

„Was genau macht ihr da?“, fragte Marie. Erschrocken sah Lele mich an. „Ähm, nichts. Ich hab Moritz nur grad nen bisschen gekitzelt.“ Er rückte ein Stück von mir ab. Der skeptische Blick von Lea zu ihm entging mir dabei nicht. Fuck! Ich rieb mir über die schmerzende Stelle am Hinterkopf.

Lele rappelte sich auf. „Warum habt ihr eigentlich das Licht angemacht?“ Gute Frage. Und noch besserer Themenwechsel.

„Es wurde langsam chaotisch und außerdem haben Lea und Natalie nur noch gelacht.“ Chrissi verschränkte seine Arme.

„Hey, das stimmt gar nicht!“, empörte sich Nata. „Und wie das stimmt. Kommt ihr?“, fragte Sina und ging zurück ins Wohnzimmer.

Lele drehte sich zu mir um und hielt mir eine Hand hin. Mit einem unsicheren Seitenblick zu Lea ergriff ich sie und ließ mich von meinem besten Kumpel auf die Beine ziehen. „Danke“ „Kein Problem.“

„Ähm, Lele? Kann ich kurz mit dir reden?“ Fragend sah Lea ihn an. Ich wurde nervös. Was würde er ihr sagen? So leicht wie vorhin konnte er sich bestimmt nicht nochmal rausreden.

„Ach, kommt schon! Hört mit dem scheiß Gerede auf, wir wollen Party machen!“ Heiner warf Lea einen vorwurfsvollen Blick zu. Sie seufzte. „Hast ja Recht.“ Mit einem letzten mahnenden Blick verschwand sie zu ihren Freundinnen. Erleichtert atmete ich auf. Das war knapp.

Ich folgte den anderen ins Wohnzimmer und grinste. Sina und Heiner standen nebeneinander und der Größenunterschied war einfach göttlich. Sina war ungefähr vier Köpfe kleiner als Heiner. Mindestens.

„Hey, Sina! Besorg dir mal nen paar Wachstumshormone!“ Er schenkte mir ein schiefes Lächeln. „Witzig“

Lele legte ihm von hinten einen Arm um die Schultern und in mir flammte einen kurzen Moment Eifersucht auf. Es war idiotisch, ich weiß, aber ich konnte nichts dagegen tun.

„Und? Was wollen wir jetzt machen?“ Er sah erwartungsvoll in die Runde. Chrissi zuckte ratlos mit den Schultern. „Keine Ahnung“, meinte Til. Sina schaute zu den Mädchen, die sich gerade ihre Schminke erneuerten. Typisch. „Sieht so aus, als ob die eine Beschäftigung gefunden hätten.“ „Kommt schon, wir haben noch ‘ne gute halbe Stunde, also lasst uns irgendwas machen.“ „Wie wär’s mit zocken?“ „Gute Idee!“ Lele ließ Sina los und zog sein Handy aus der Hosentasche. „Klar“, warf ich ein und holte ebenfalls mein iPhone raus.

„Moritz? Gehen wir in dein Zimmer?“ „Jap, können wir machen.“ Til wandte sich an die Mädels. „Wir sind dann mal in Moritz‘ Zimmer zocken. Also wenn ihr uns sucht…“ Marie nickte. „Okay“ Wow, anscheinend waren die alle echt in ihre Arbeit vertieft. Sonst beschwerten sie sich ja immer, wenn wir dauernd vor dem Handy hockten.

 

Die nächste dreiviertel Stunde verbrachten wir damit, eng aneinandergedrängt auf meinem Bett zu sitzen und zusammen Call of Duty 4 zu spielen. Irgendwann klingelte es an der Tür. Marie und Natalie wurden von Maries‘ Mutter mitgenommen. Es dauerte nicht lange, bis auch der Rest abgeholt wurde und irgendwann waren nur noch Chrissi, Lele und ich übrig.

„Viel Spaß euch beiden!“, rief dieser uns zu, als er ging und Lele grinste zurück: „Den werden wir haben.“ Ich wurde rot. Was hatte er vor?

„Ciao“ „Tschüss“ Er schloss die Tür und drehte sich mit einem Grinsen zu mir um. Langsam kam er näher. „Wo waren wir stehengeblieben?“

Ich musste ebenfalls grinsen. Meine Eltern waren noch auf der Geburtstagsparty von meiner Tante und würden erst kurz nach Mitternacht wiederkommen. Wir hatten die Wohnung also noch über zwei Stunden nur für uns. Keine Laura, keine Lea. Nur Lele und ich.

Ich ging ebenfalls auf ihn zu. „Weiß nicht. Worauf hättest du denn Lust?“ „Du könntest mir nochmal deine Tanzkünste demonstrieren. Die sahen vorhin echt heiß aus.“ Er zwinkerte mir zu und meine Wangen färbten sich erneut rot. „Ähm, da war ich aufgedreht. Ich kann das nicht so einfach und außerdem sah das total scheiße aus. Ich hab das nur gemacht, weil alle mitgemacht habe…“

Lele beendete meinen schwachsinnigen Redenschwall, indem er mich küsste. Sofort reagierte ich und zog ihn näher an mich heran. Ich leckte über seine Lippen, bis er den Mund öffnete. Neckisch stupste ich seine Zunge an und verwickelte sie in einen kleinen Kampf.

Lele schob mich rückwärts gegen die nächste Wand und pinnte mich dort fest. Doch so leicht würde ich mich nicht geschlagen geben. Ich drehte uns herum, sodass ich nun die Führung hatte und ließ meine Hände an seinen Seiten nach unten wandern. Ich fuhr mit einer Hand unter sein Shirt und er keuchte auf.

„Mann, Moritz! Du bist ja total kalt!“ „Dann mach mich doch heiß“, raunte ich an seinem Ohr und grinste, als er mich geschockt ansah. Doch leider gönnte er mir diesen Triumph nicht lange, denn er fing ebenfalls an zu grinsen und meinte: „Okay, dann wollen wir mal dafür sorgen, dass dir warm wird.“

Er zog mich wieder zu sich heran und begann nun seinerseits, seine Hände über meinen Körper wandern zu lasen. Am Saum meines T-Shirts hielt er kurz inne. War was passiert? Hatte er es sich anders überlegt? Doch bevor ich weiter zweifeln konnte, schob er mein Shirt hoch und zog es mir über den Kopf.

Gleich darauf spürte ich seine warmen Lippen auf meinem Hals und neigte meinen Kopf zur Seite, um ihm mehr Platz zu bieten. Gott, fühlte sich das gut an!

Er küsste sich an meinem Hals nach unten und biss sanft in mein Schlüsselbein. Ich stöhnte auf. „Sicher, dass ich so warm werde? So ganz ohne Oberteil?“ Ich hatte Mühe, die Worte ordentlich und in der richtigen Reihenfolge hervor zu bringen.

Statt einer Antwort ging Lele in die Knie und zog eine feuchte Spur von meiner Brust zu meinem Bauch. Ich krallte meine Hände in seine Haare und schob alle Gedanken daran, was wir hier eigentlich gerade machten, beiseite. Wollte nur, dass er damit niemals aufhörte.

Als er mit seinen Händen meine Kniekehlen umfasste, um sich abzustützen und mich damit kitzelte, lichtete sich der Nebel in meinem Hirn für einen kurzen Moment. Was genau MACHTEN wir eigentlich hier? Er würde doch nicht…

Im selben Moment schrie ich auf. Lele hatte mich an den Beinen gepackt und über die Schultern geworfen. Panisch versuchte ich mich, an seinem T-Shirt festzukrallen und war in diesem Augenblick froh, dass ich es ihm nicht ebenfalls ausgezogen hatte.

„Lele!“, schimpfte ich. „Was soll das? Lass mich sofort runter!“ „Ach, Moritz. Du bist so süß, wenn du dich aufregst. Dann klingst du immer wie ein Mädchen.“ Ich grummelte. „Das heißt, du stehst doch auf Mädchen, oder was? Ein Grund mehr, mich sofort runterzulassen!“ Ich wusste, dass ich schnippisch klang, aber wenn er nur seinen Spaß haben wollte, sollte er sich jemand anderen dafür suchen. Jemand weiblichen.

„So hab ich das doch nicht gemeint.“ Er ließ mich wirklich wieder runter. Enttäuscht wollte ich mich schon von ihm losmachen, als ich bemerkte, wo er mich abgesetzt hatte. Ich, oder besser wir, lagen auf meinem Bett und Lele war schon wieder dabei, auf meinen Oberkörper federleichte Küssen zu verteilen.

Lächelnd kam er auf Augenhöhe und sagte leise: „Wie könnte ich auf Mädchen stehen, wenn es auch dich gibt? Bei so einer Alternative wäre es doch dumm, sich mit einem gackerndem Etwas abzugeben.“

Ich wollte mir gar nicht vorstellen, wie verknallt ich gerade grinste. Doch zum Glück verschloss Lele meine Lippen mit seinen und erlöste mich somit von meinem Drama.

 

Keuchend lösten wir uns voneinander. „Was hältst du von ‘nem Film?“, fragte Lele atemlos und stützte sich neben mir ab. Ich nickte hastig, nicht fähig, im Moment zu reden. Was hatte dieser Kerl mit meinen Lippen angestellt?

Schwankend erhob er sich und zufrieden stellte ich fest, dass es ihm wohl nicht viel anders ging als mir. Mittlerweile hatte auch er sein Shirt verloren und seine Lippen waren geschwollen und wund geküsst. Wie meine dann erst aussehen mussten…

Vor der Tür blieb Lele stehen und drehte sich zu mir um. „Ich, ähm, geh mal Chips holen. Und Cola. Tust du … Suchst du nen Film raus?“ Aww, er war so niedlich, wie er da stand, mit freiem Oberköper und total verwuschelten Haaren. Ich hätte ihn am liebsten wieder auf’s Bett gezogen und erneut geküsst. Aber da wir das die letzte halbe Stunde schon gemacht hatten und unsere Lippen, Zungen und Hände erstmal eine Pause brauchten, ließ ich das wohl lieber. Vorerst…

„J…Ja, aber Cola ohne Alk. Ich hatte genug.“ Er nickte und verschwand im Flur.

Ich rappelte mich auf, nur um vor meinem DVD-Regal gleich wieder zusammenzubrechen. Meine Knie waren echt verdammt zittrig. Hatten wir wirklich eine halbe Stunde rumgemacht? Oder doch nur fünf Minuten? Ich hatte keine Ahnung, aber es war auf jeden Fall zu kurz gewesen. Ich wollte mehr. Mehr von Lele. Und üben sollten wir das auch dringend, denn wir waren mehrmals fast vom Bett gefallen.

Ich grinste. Gestern hätte ich nicht mal im Traum daran gedacht, dass so etws passieren würde. Also, in so manchen Tag- oder Nachtträumen haben Lele und ich uns schon geküsst, aber das wir so übereinander herfallen würden… Nee, auf keinen Fall.

Skeptisch sah ich auf die DVDs vor mir. Welche wollte ich sehen? Welche gefiel ihm? Thriller oder doch lieber Action? Und seit wann, verdammte Scheiße, machte ich mir so viele Gedanken darüber? Entnervt zog ich wahllos eine DVD heraus. Matrix. Passte doch.

„Hey, ähm, ich hab nur Barbecue Chips gefunden. Sind die okay?“ Lele stand etwas verloren mit einer Schüssel Chips in der Hand in meinem Zimmer. „Ja, klar.“ Ich erhob mich und legte die DVD ein. Lele machte es sich derweil auf meinem Bett bequem. Als ich neben ihn rutschte, musste ich wieder an das Versteckspiel denken, als wir so dicht beieinander hinter dem Tisch saßen.

„Wie hast du mich beim Verstecken eigentlich gefunden?“ Neugierig sah ich ihn an. Es interessierte mich wirklich, denn ich hatte keinen Schimmer, wie er gewusst haben konnte, dass ich das war. Hatte er es einfach darauf angelegt? So sah es eigentlich nicht aus.

„Keine Ahnung. Ich wusste es nicht.“ Er nahm einen Chip und drehte ihn gedankenverloren zwischen seinen Fingern. „Ich war einfach froh, jemanden gefunden zu haben, doch dann hab ich dein Deo gerochen und hab mir überlegt, dass es vielleicht lustig wäre, dich auf die Folter zu spannen.“

Ich entspannte mich und nahm ebenfalls einen Chip. Also war er sich sicher gewesen, wen er da vor sich hatte.

 

Mein eigentlicher Plan war es, dem Film mehr oder weniger gebannt zu folgen, doch er wurde nach den ersten zehn Minuten zunichte gemacht. Und das alles lag nur an einem gewissen Typen neben mir. Lele hielt mir nämlich urplötzlich einen Chip vor die Nase und hinderte mich so daran, weiter auf den Fernseher zu sehen. Also griff ich nach dem Ding, doch Lele war schneller und zog ihn weg. Mit gerunzelter Stirn sah ich ihn an.

„Was genau wird das, wenn’s fertig ist?“ Dreckig grinste er mich an und auf meinen Arm breitete sich eine Gänsehaut aus. „Nur mit dem Mund.“ Perplex sah ich ihn an. Das war jetzt nicht sein ernst, oder? Doch, anscheinend schon. Ich seufzte. „Du bist unmöglich.“ „Das erwähntest du bereits. Und jetzt hör auf zu reden, ich will den Film sehen!“

Nun vollends verwirrt wand ich mich wieder dem Bildschirm zu und versucht, aus meinem Sitznachbarn schlau zu werden. Was sollte das?

Nach weiteren fünf Minuten hatte ich die Antwort, denn wieder schwebte ein Chip vor meinen Augen. Ich lächelte und schnappte danach. Lele schien diesmal gnädig zu sein, denn er zog ihn nicht weg. Dafür hatte ich die Hälfte des Chips jetzt in Form von Krümeln in meinem Bett verteilt.

„Alter, ich hab keine Lust, die Nacht auf einem Krümelbett zu schlafen.“ Beschuldigend sah ich ihn an. Er zuckte nur mit den Schultern. „Dann pass halt besser auf.“ Genüsslich steckte er sich einen Chip in den Mund.

Das wirst du noch bereuen, das verspreche ich dir. Ich schnappte mir einen Chip und zerbröselte ihn über Leles Haaren. Geschockt sah er mich an. Der Chip, den er sich gerade in den Mund gesteckt hatte, schaute noch zur Hälfte heraus und ich biss ihn ab.

Grinsend blickte ich meinen Kumpel an. „Das hast du jetzt davon.“ Ich nahm mir noch eine Handvoll Chips und ließ mich wieder zurück gegen die Wand sinken.

Plötzlich wurde ich zur Seite geworfen. Erschrocken entfuhr mir ein Quietscher, als ich von Lele auf mein Bett gedrückt wurde. „Das hast du dir wohl so gedacht, was? Aber ich bin größer als du. Und stärker.“ „Was hat das eine denn mit dem anderen zu tun? Du bist nämlich überhaupt nicht stärker. Hast nur mehr Schwungmasse.“

Empört lockerte Lele für einen kurzen Moment seinen Griff und ich nutzte die Gelegenheit und drehte mich um. Ich lag auf dem Rücken und blickte zu ihm auf. Ein Chipsstück war in seinen Haaren hängen geblieben und vorsichtig zupfte ich es weg. Dabei fiel mir auf, dass ich in der anderen Hand immer noch den Rest von eben hatte. Kurz überlegte ich, ob ich ihn Lele wieder auf dem Kopf verteilen sollte, überlegte es mir dann aber anders, als er sich zu mir herunterbeugte und küsste.

 

Das schwache Licht der Straßenlaterne fiel herein und tauchte mein Zimmer in warmes Licht. Schemenhaft konnte ich die Bettdecke erkennen, die unsere Füße bedeckte. Wir lagen eng aneinander gekuschelt in meinem Bett. Ich hatte den Kopf auf Leles Brust gelegt und genoss das Gefühl, wenn seine Finger sanft durch meine Haare strichen.

Der Film war irgendwann zu Ende gewesen und meine Eltern, die vor einiger Zeit gekommen waren, waren anscheinend zu betrunken, um nochmal nach uns zu sehen. Mir war es recht. Für nichts in der Welt würde ich mich jetzt bewegen. Der Moment war einfach perfekt.

Sanft fuhr ich mit der Hand über Leles Bauch. Er sah gut aus. Doch momentan drängte mich nichts dazu, ihn zu küssen. Ich wollte einfach neben ihm liegen und seinen Herzschlag neben meinem spüren.

„Lele?“, fragte ich leise. „Hm?“ „Ich glaub, ich bin auch so ein ganz kleines bisschen in dich verliebt.“ Er lachte leise. „Nur ein ganz kleines bisschen?“ Nun war ich es, der lachte. „Na gut. Vielleicht ein etwas größeres kleines bisschen.“

Lele griff nach der Decke und zog sie über uns. „Schlaf gut, Moritz.“, flüsterte er. „Du auch.“ Ich kuschelte mich näher an ihn und schlief mit einem warmen Gefühl im Bauch ein.

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Texte: Alle Rechte liegen bei mir.
Lektorat: Danke BlackSheep! Du bist die Beste! ♥
Tag der Veröffentlichung: 11.11.2014

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