Cover

Gelb

 

 

ALEC

 

Alec hatte die Hände in seine Hosentaschen gesteckt und den Kopf eingezogen. Wie schon seit zwei Wochen lief er Isabelle hinterher, die ihn durch jedes Einkaufszentrum zerrte, um ihn „abzulenken“. Alec hatte den Verdacht, dass sie einfach nur shoppen wollte und ihn als Ausrede benutzte, um aus dem Institut herauszukommen. Klamotten interessierten ihn einfach nicht. Schon gar nicht, seit er sich von Magnus getrennt hatte. Magnus – er vermisste den Hexenmeister. Nie im Leben hätte er sich vorstellen können, jemanden mal so zum Leben zu brauchen. Warum musste er sich nur mit Camille einlassen? Er hätte sich ohrfeigen können.

„Alec, komm schon! Der Laden hier ist der Hammer! Da finden wir sogar etwas, dass dir gefallen könnte.“ Isabelle deutete ungeduldig auf ein grell leuchtendes Glitzer-Schild. Alec seufzte. Er war sich sehr sicher, dass sie auch dort nichts für ihn finden würden. „Dieser Laden noch, dann geh ich.“ Isabelle verdrehte die Augen. „An deiner Shoppingausdauer müssen wir echt noch arbeiten…“. Sie fasste ihn am Arm und zog ihn zum Eingang. Alec drehte sich noch einmal hilfesuchend um und genau in dem Moment, wo er sich ergeben und Isabelle in den Laden folgen wollte, entdeckte er etwas. Sein Herz machte einen Sprung. Diesen Stachelkopf hätte er überall wiedererkannt. Und er kam direkt auf ihn zu…

 

 

MAGNUS

 

„Das ist kein Kaschmir! Nein, garantiert nicht. Ich habe Kaschmir schon getragen. Auf meiner Italienrundreise direkt vom Hersteller. Ach, das war eine Zeit… Leider habe ich zum Schluss den schönen Pullover verloren. Ein ärgerliches Missgeschick! Und diesmal war es wirklich nicht meine Schuld. Aber ich schweife ab. Wissen Sie, wo es in diesem Center richtigen Kaschmir zu kaufen gibt?“ Magnus funkelte den Verkäufer mit seinen grünen Katzenaugen an.

Seit Stunden suchte er schon nach dieser weichen Wolle und dann kam so ein nichtsverstehender Mensch dahergelaufen und behauptete, das kratzige Ding dort wäre Kaschmir!

Eben dieser Mensch deutete jetzt auf einen Laden schräg gegenüber. Das Schild leuchtete in Pink und Blau und sah nach genau so einem Laden aus, der Magnus gefiel. Er dankte dem Mann mit einem abschätzigen Nicken und verließ das Geschäft.

 

 

ALEC

 

Magnus hatte ihn noch nicht gesehen, da war Alec sich sicher. Aber was sollte er jetzt tun? Er war sich nämlich ziemlich sicher, dass Magnus in den gleichen Laden wollte, in den Isabelle gerade verschwunden war. Er hatte die Wahl: Hier draußen bleiben und auf Magnus warten, in den Laden gehen und dort auf ihn treffen oder schleunigst in der Menge verschwinden. Im Moment war Letzteres die verlockendste Variante, auch wenn er sich danach sehnte mit dem Hexenmeister zu reden. Alec drehte sich auf dem Absatz um und wollte sich in das Café nebenan setzen, als Isabelle wieder auftauchte und ihn böse anschaute. „Alec! Wo bleibst du denn?“ Alec hätte sie in diesem Moment umbringen können. Warum musste sie seinen Namen so schreien? Er drehte sich um und suchte Magnus, in der Hoffnung, er habe seine Schwester nicht gehört. Doch der etwa 1,90 Meter große Hexenmeister stand wie vom Blitz getroffen in der Menge und starrte ihn leicht verwirrt an.

 

 

MAGNUS

 

Sein Magen knurrte. Er musste sich wohl nachher noch etwas zu essen suchen, zum Beispiel in dem lecker riechenden thailändischen Restaurant dort drüben. Tom Yam, eine würzige, sauer-scharfe Suppe, hatte er schon lange nicht mehr gegessen. Alec stand eher auf Chinesisch, weswegen Magnus‘ Vorliebe für Thailändisch etwas vernachlässigt worden war. Aber jetzt, da er nicht mehr mit ihm zusammen war, würde er sich einen großen Teller genehmigen und dazu Reis und Meeresfrüchte bestellen.  Einen Vorteil musste die Trennung ja haben. Aber zuerst den Kaschmirpullover. Magnus ging in letzter Zeit oft einkaufen. Er redete sich immer ein, dass er das nur machte, um im Trend zu bleiben, doch eigentlich ging er shoppen, um nicht die ganze Zeit an Alec denken zu müssen. Er vermisste seinen kleinen Schattenjäger. „Alec!“ Ja, genauso hieß er. „Wo bleibst du denn?“ Auch das fragte er sich jeden Tag. Warte, was? Alec? War das nicht Isabelles Stimme? Er blickte auf. Direkt vor dem Geschäft, auf das der Verkäufer gezeigt hatte, stand Alec und schaute ihn mit kreidebleichem Gesicht an.

 

 

ISABELLE

 

Der ist ja soo süß! Ein bisschen nervös vielleicht, aber das würde sie ihm schon noch austreiben. Isabelle konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Der Verkäufer wurde daraufhin noch eine Spur röter unter seiner braungebrannten Haut und Isabelle nutzte die Chance, in anzüglich zu mustern, so dass er ihr nicht mehr in die Augen sehen konnte. Normalerweise war diese Sorte Jungs nicht so ihr Typ, aber wie er da mit seinen blonden Haaren, der goldenen Haut und den Hawaii-Shorts vor ihr stand, hätte sie ihn am liebsten an ein Bett gefesselt… Nur dass er ihr nicht in die Augen sehen konnte, nervte Isabelle langsam. Und wo blieb eigentlich Alec? Da machte sie sich extra die Mühe, ihn etwas von seinem Liebeskummer abzulenken und dann nörgelte er die ganze Zeit rum. Das war so typisch Junge! Und einer der vielen Gründe, warum sie keinen Freund hatte.

„Hey Süßer, ich komm nachher nochmal wieder. Ich hol nur schnell jemanden…“ Isabelle drehte sich auf dem Absatz um und stolzierte aus dem Laden auf ihren Bruder zu. Dieser schien irgendetwas in der Menge zu fixieren, aber Isabelle machte sich nicht die Mühe, herauszufinden, was es war. „Alec! Wo bleibst du denn? Ich warte da drinnen schon seit Stunden auf dich. Na komm!“ Sie winkte ihn ungeduldig zu sich.

 

 

ALEC

 

Noch immer konnte er seinen Blick nicht von dem Hexenmeister abwenden. Magnus erregte, egal wo er auftauchte, immer Aufsehen und normalerweise hätte Alec einen Stich in der Magengrube gespürt, doch im Moment war ihm selbst das egal. Denn in seinem Kopf gab er gerade nur noch einen Gedanken, der sich in Endlosschleife darin abspielte: Wegrennen oder Stehenbleiben? Wegrennen oder Stehenbleiben? Was zum Teufel sollte er tun? Magnus kam direkt auf ihn zu, Izzy regte sich hinter ihm über seine mangelnde Dankbarkeit auf und seine Beine gehorchten ihm immer noch nicht. Alec atmete tief durch. Ich werde jetzt einfach in der Menge untertauchen und möglichst weit, weit weg gehen. Genau, das ist ein guter Plan, ein sehr guter Plan! Warum genau er sich dann umdrehte und an seiner Schwester vorbei in den Laden stürmte, wusste er selbst nicht so recht. Auf jeden Fall gab Izzy einen erleichterten Seufzer von sich und folgte ihrem Bruder, der sich auf die hinterste Ecke des Geschäftes zubewegte.

 

 

MAGNUS

 

Magnus sah dem davonlaufenden Schattenjäger hinterher. Er seufzte. Das Mittagessen bei Mai Tai konnte er jetzt wohl vergessen. Aber da er schon während seiner gesamten Beziehungszeit zu Alec auf dieses kulinarische Meisterwerk verzichtet hatte, kam es auf dieses eine Mal auch nicht mehr an. Entschlossenen Schrittes und mit einem leichtem Flattern im Magen folgte er seinem kleinen blauäugigen Goldstück.

 

Der Laden bot eine angenehme Abkühlung von der Hitze draußen. Magnus schloss für einen kurzen Moment die Augen und genoss den Geruch der Klamotten. Er musste grinsen, als er Isabells unverkennbare Stimme im hinteren Teil des Ladens hörte. Offensichtlich waren sie und Alec mal wieder nicht einer Meinung. Er folgte dem Gezeter. Anfangs konnte er das Mädchen nicht leiden, doch so langsam hatte er auch sie ins Herz geschlossen. Als Magnus näher kam, musste er erneut lächeln, da Isabelle ihrem Bruder gerade klarmachen wollte, wie süß sie den Verkäufer fände und dass sie ihn unbedingt mit nach Hause nehmen müsse. Von dieser Idee schien Alec überhaupt nicht begeistert zu sein, denn er erwiderte: „Ich find‘s ja gut, dass du keinen Schattenweltler anschleppst, aber dieser verblödete möchtegern Surfer? Ich weiß ja nicht…“ „Aber er ist so braun gebrannt… Und außerdem musst du ja nicht mit ihm schlafen.“ Isabelle zwinkerte Alec zu, dessen Wangen sich dunkelrot verfärbt hatten. Magnus liebte diesen Anblick. Er trat näher. „Was hast du denn? Ich finde den ganz süß. Auch wenn ein mit Pailletten besetztes Top seine Augen noch mehr zur Geltung bringen würden…“ Alec erstarrte und seine sowieso schon knallroten Wangen wurden noch röter. Isabelle konnte sich nicht mehr zurückhalten und prustete los. Damit fing sie sich fragende Blicke von den Angestellten und einen bösen Blick von Alec ein.

 

 

ALEC

 

Was zur Hölle machte Magnus hier und WARUM IN ALLER WELT fand Isabelle das auch noch so lustig? Alec hätte gedacht, zumindest seine Schwester würde ihn verstehen. Seine Gedanken rasten. Was sollte er jetzt tun? Er blickte sich fieberhaft um und entdeckte ein Stapel T-Shirts neben ihm. Sie waren knallig gelb und sahen verdammt eng aus, aber egal. Alec schnappte sich eins und rannte zu den Umkleiden. Dass Magnus ihn gerade etwas gefragt hatte, bekam er nur noch am Rande mit.

 

 

MAGNUS

 

„Können wir kurz miteinander reden? Alexander, ignorierst du mich etwa?“ Der Hexenmeister wollte Alec am Arm fassen, doch dieser hatte sich schon weggedreht und war mit einem scheußlich gelben Etwas in einer der Umkleiden verschwunden. Magnus warf Isabelle einen Blick zu, doch diese flirtete schon wieder mit dem Verkäufer und würdigte ihn keines Blickes. Der Hexenmeister, der es gar nicht gewohnt war, ignoriert zu werden, schaute etwas beleidigt drein. Da er sich aber sehr sicher war, dass dieses T-Shirt, welches Alec sich gegriffen hatte, diesem ganz und gar nicht stehen würde, folgte er dem Schattenjäger.

„Alexander?“ Magnus schob zögernd den Vorhang der Kabine ein Stück zur Seite. Alec schaute erschrocken auf und der Hexenmeister blickte direkt in zwei blaue, mit Tränen gefüllte Augen. „Alec?“, fragte er bestürzt. Mit sanfter Stimme redete der Hexenmeister auf seinen kleinen Schattenjäger ein und kam dabei langsam auf diesen zu. Er verstand nicht, warum Alec vor ihm davon rannte. Er hatte sich das Widersehen, denn es war klar, dass dieses früher oder später passieren würde, anders vorgestellt. Irgendwie hätte Magnus gedacht, dass Alec sich freuen würde, ihn wiederzusehen. Langsam ließ sich er neben dem Schattenjäger nieder und verkniff sich einen abfälligen Kommentar zu dem gelben Scheusal, welches zerknittert in einer Ecke lag. Wobei... Isabelles Verkäufer würde es vielleicht sogar stehen… Andererseits war der modetechnisch nicht mehr zu retten.

Eine warme Hand griff nach der Seinen und verschränkte wie selbstverständlich ihre Finger. Magnus schreckte hoch, sodass Alec beinahe auf den Boden fiel und knallrot im Gesicht wurde. Oh Nein! Jetzt denkt Alec bestimmt dass er ihn nicht mehr leiden kann! Erschrocken schmiss sich der Hexenmeister an den Hals des Schattenjägers und drückte ihn fest an sich. Warum mussten seine Gedanken auch zu diesem beschissenen Typen abschweifen? „Hey. Es tut mir leid…“ Nun vollends verwirrt starrte Alec ihn mit offenen Mund an. Was hätte Magnus nur dafür gegeben, ihn jetzt zu küssen. Warte. Was sprach denn dagegen? Ok, er ist sozusagen mein Exfreund aber wer hat was gegen Versöhnungssex? Oh Gott, seine Gedanken gehen gerade definitiv in die falsche Richtung! Und außerdem war Küssen ja nicht gleich Sex auch wenn er sich durchaus nicht beschweren würde, wenn es so wäre… Okay. NEIN! Nein, nein und nochmals NEIN! Mit einem mahnenden Bick, den er sich selbst durch den Umkleidespiegel zuwarf, umarmte er letztendlich nur sein kleines Goldstück, vergrub seine Hände in dessen Haaren und gab ihm einen Kuss auf den Kopf.

Nach einer Weile entspannte sich Alec schließlich und als Magnus anfing, langsam mit seinen Fingern über Alecs Rücken zu streichen, kuschelte sich der Schattenjäger noch enger in Magnus Arme. „Du weißt, dass das vorhin hätte schief gehen können…“ „Hä?“ konnte der Hexenmeister nur wenig einfallsreich erwidern und schlug sich in Gedanken selbst dafür. „Naja“, Alec wand sich aus seiner Umarmung und schaute in die katzenartigen Augen seines Gegenübers, „Als du in die Umkleide gekommen bist, hätte ich auch nackt sein können.“ Er wurde rot. Gott, wie er das vermisst hatte! Aber jetzt verstand der Hexenmeister was Alec meinte und grinste von einem Ohr bis zum anderen. „Wäre das denn so schlimm gewesen?“ Alec wurde noch eine Spur röter. „Naja“, sagte er wieder, „Wir sind ja nicht mehr zusammen und ich … also, du … wenn … weißt schon!“ Genervt beendete er den Satz und fuchtelte hilflos mit seinen Armen. „Ich weiß.“ sagte Magnus schlicht. Er ging einen Schritt auf den Schattenjäger zu und zog ihn wieder zu sich heran, so dass ihre Gesichter nur noch millimeterweit auseinander waren. Alecs Atem beschleunigte sich und sein Bick glitt zu den Lippen des Größeren. Dieser grinste erneut und nahm sein Gesicht zwischen seine schmalen Hände. „Komm mit, ich würde gern was Essen gehen und dann können wir reden.“ Wie zur Bestätigung knurrte sein Magen. Alec schaute ungläubig auf den Ursprung des Geräusches, so als ob er sich wundern würde, dass das bei Hexenmeistern ging. Magnus grinste. So viel wie seit Wochen nicht mehr. „Also?“, hob er an. „Ja, ist okay, aber ich muss Izzy noch Bescheid sagen.“ Bei diesen Worten verschwand Alec. Der Hexenmeister blickte ihm mit einem Lächeln hinterher. Wie hatte er nur mit ihm Schluss machen können? Alec war ja so niedlich! Gut, das mit Camille und seinem Leben war ein Fehler, aber wer machte die nicht? Magnus wusste, das er, sobald er nicht mehr in dieser Hochstimmung war, seine Gedanken bereuen würde, also musste er aufpassen was er sagte. Er zog den Vorhang zur Seite und suchte den Schattenjäger.

Dieser stand mitten im Laden und starrte aufgebracht zur Tür. Was war denn mit ihm passiert? Den konnte man ja wirklich keine zwei Sekunden aus den Augen lassen. Magnus trat heran und tippte in an der Schulter an. Alec fuhr herum und blinzelte in wütend an. „Was ist denn los? Alexander?“ Alec gab sich wohl innerlich einen Ruck, denn seine Züge wurden weicher. „Izzy, diese verdammte, verwöhnte, egoistische und …“ Der Hexenmeister unterbrach ihn. „Alec, was ist passiert?“ „Sie hat mich hier stehen gelassen und ist wahrscheinlich mit ihrem Verkäufer abgehauen, denn den sehe ich hier auch nirgendwo!“ Alec gestikulierte wie wild und seine Wangen hatten sich dunkelrot verfärbt, nur war es diesmal vor Wut. „Hey, lass sie doch.“ Magnus legte ihm beruhigend eine Hand auf den Arm. „Früher oder später wird sie ein schlechtes Gewissen haben und dann kann sie dich suchen wie sie will. Doch finden wird sie dich nicht können, weil du dann mit mir in einem gemütlichen Restaurant sitzt und einen schön heißen Kaffee trinkst. Na, wie klingt das?“ Alec schaute ihn an und nickte. „Gut“ murmelte er und warf noch einen bösen Blick in Richtung Tür. Der Hexenmeister schob ihn auf den Ausgang zu. „Was möchtest du denn essen?“

 

Unschlüssig stand Alec vor dem Geschäft. „Hast du irgendeinen bestimmten Wunsch?“ Fragend drehte er sich zu Magnus um. Wenn er schon so fragte… Sehnsüchtig schaute der Hexenmeister zu Mai Tai hinüber. Alec folgte seinem Blick und seine Miene hellte sich auf. Verwirrt runzelte Magnus die Stirn. Seit wann ging Alec freiwillig zum Thailänder? Gut, er würde sich nicht beschweren, ganz im Gegenteil. „Na dann, auf geht’s!“ Beschwingt mit dem Gedanken an seine Suppe gab der Hexenmeister dem Anderen einen kleinen Stups auf den Rücken, so dass dieser sich in Bewegung setzte und auf das Restaurant zusteuerte.

Eine große Schüssel, voll mit dampfender Suppe… Magnus seufzte. Er liebte es, nein er vergötterte es! Und das alles lag nur noch 20 m entfernt in diesem behaglich aussehendem Café dort drüben links. Warte, links? Der Hexenmeister war so in Gedanken versunken gewesen, dass er Alec einfach gefolgt war. „Äh, Alec?“ Magnus deutete auf das Café. Doch als der Schattenjäger sich umwandte, entdeckte Magnus hinter ihm ein anderes Restaurant. Natürlich, wie könnte es anders sein, einen Chinesen! Seine Hochstimmung war schlagartig verflogen. „Was ist denn?“, fragte Alec. „Nichts“ antwortete Magnus enttäuscht. Alec runzelte die Stirn, zuckte dann aber mit den Schultern und ging weiter. Magnus folgte ihm wiederwillig. Es war ja klar gewesen. So klar! Nein, nein, nein! Das konnte doch jetzt nicht wirklich sein Ernst sein! Und wie es sein Ernst war. Irgendjemand hatte ganz offensichtlich etwas dagegen, dass der Oberste Hexenmeister von Brooklyn thailändisch essen ging. Aber da er ja eben der Oberste Hexenmeister war, würde es dieser Jemand bitter bereuen. Sehr, sehr bitter.

„Magnus?“ erklang plötzlich eine unsichere Stimme. Mit dieser Masche würde er jetzt auch nicht mehr durchkommen, seine Entschuldigungen konnte er sich sonst wo hin schieben. Kultur war dem Hexenmeister eben sehr wichtig und deshalb … „Magnus! Hör mir endlich zu!“ Fassungslos starrte der Hexenmeister auf den Schattenjäger vor sich. Er wusste nicht genau wie er reagieren sollte, da dieser ihn unsanft aus seinen Racheplänen gerissen hatte. Und wenn der Hexenmeister Rachepläne sagte, dann meinte er auch Rachepläne… Er war sich nur noch nicht ganz sicher, ob er den Typen lieber bei lebendigen Leibe die Haut abziehen und ihn dann in Stücke häckseln oder ihn doch eher in ein Kolosseum werfen und sich mit Popcorn in die erste Reihe setzen sollte. „MAGNUS!!!“ Der Hexenmeister blinzelte ein paar Mal und kniff sich einmal kräftig in den Arm. „Aua!“ Mit schmerzverzogenem Gesicht sprang er zurück. „Oh Gott, Magnus! Das tut doch nicht weh.“ Leicht genervt aber behutsam legte Alec seine Hand auf die schmerzende Stelle und strich sanft darüber. „Ich jage halt nicht so wie du Dämonen. Mein kleiner Held.“ Magnus schmunzelte als Alec ihn wie vom Blitz getroffen losließ. „Kleiner Held? Ernsthaft?“ „Gewöhn dich dran.“ Erleichtert das Thema gewechselt zu haben, schob der Hexenmeister seinen kleinen, heißen Helden in das Restaurant. Jap, diese Gedankenrichtung war eindeutig besser!

... und punktig

 

 

ALEC

 

„Was machst du eigentlich hier?“ Alec steckte sich ein weiteres Stück seiner süß-sauren Ente in den Mund. Magnus kaute derweil auf einem Bissen seiner Chinesischen Hackfleischpfanne á la Bärchen herum und Alec kam wieder einmal nicht umhin, festzustellen, wie gut der Hexenmeister aussah, obwohl er höchst merkwürdiges Zeug aß. „Naja, ich wollte mir einen neuen Kaschmirpullover kaufen, aber anscheinend gibt es auf dieser Welt keine modebewussten Leute mehr. Außer dir natürlich - vorausgesetzt meine Wenigkeit berät dich bei deiner Entscheidung.“ Magnus grinste den Schattenjäger an. „Und was hast du dann gemacht?“, wollte dieser mit hochgezogenen Augenbrauen wissen. Er wusste genau, dass Magnus auf die nicht gerade große Auswahl in seinem Kleiderschrank anspielte. Er besaß halt nicht so eine bombastische Kleidervielfalt wie der Hexenmeister. Und eigentlich hatte er sogar mehr als nur zwei verschlissene Jeans und ein paar ausgewaschenen schwarzen Pullovern, wie der Hexenmeister immer zu behaupten pflegte, obwohl er genau wusste, dass das nicht stimmte.

„Ich wollte essen gehen…“ Alec hatte irgendwie das Gefühl, dass der Hexenmeister leicht sauer war. Doch als dieser seinen Blick auf ihn richtete und Alec den belustigten Ausdruck darin erkennen konnte, verdrängte er den Gedanken wieder. Sein Blick glitt von den Augen des Hexenmeisters weiter nach unten, zu dessen Lippen und blieb schließlich an dem dünnen Lederband hängen, welches über seiner Schulter hing. Das hatte er noch gar nicht bemerkt. „Was ist das?“ Alec deutete auf das Band. „Ach das. Meine Spezialtasche.“ Magnus zwinkerte ihm zu und legte die Tasche auf den Tisch. Fasziniert nahm Alec sie in die Hand und öffnete den Verschluss. „Darf ich?“ Der Hexenmeister nickte. Alec griff hinein und riss erstaunt die Augen auf. „Was…?“ Magnus grinste. „Sag ich ja – Spezialtasche.“ „Krass“ „Ich besorg dir auch eine! Dann können wir stundenlang shoppen gehen und haben immer nur dieses kleine, leichte Stück dabei.“ Magnus klatschte begeistert in die Hände. Alec verdrehte genervt die Augen und verkniff sich die Bemerkung, dass er im Gegensatz zu Isabelle nur sehr widerwillig in ein Shoppingcenter ging. Oder besser gesagt, man musste ihn schon dahin schleifen.

Aber Magnus‘ Tasche war sehr interessant! Sie war klein und schwarz und passte zum restlichen Outfit des Hexenmeisters (wen wundert‘s?), welches heute relativ schlicht gehalten war (das war dann schon ein Wunder). Doch das Erstaunlichste war, dass man seinen gesamten Arm hineinstecken konnte, ohne irgendwo anzustoßen. Alec schüttelte den Kopf. Was man mit Magie alles anstellen konnte… Irgendwie erinnerte ihn dieses Ding an Hermines Tasche aus „Harry Potter“. Warum kannte er diesen Film oder Buch oder was auch immer es jetzt war, überhaupt? Ach ja, richtig. Er hatte sich ja einen halbstündigen Vortrag von Jace darüber anhören müssen, dass die Zauberstäbe, welche die Figuren benutzten, eine billige Nachmache der Stelen wären. Und dass der Typ der die Hauptrolle spielte nicht annährend so attraktiv wäre wie Jace selbst. Mehr war bei Alec nicht hängen geblieben. Filme waren einfach nicht so sein Ding.

Gedankenverloren durchsuchte er die Tasche bis er plötzlich erschrocken aufquiekte. „Was ist DAS denn?“ Mit entsetztem Blick zog Alec ein pinkes Etwas mit knallgrünen Punkten aus Magnus Tasche. „Meine neue Pyjamahose. Gab’s bei New Yorker.“ Magnus zuckte mit den Schultern. „Ich musste sie einfach mitnehmen.“ „Ahja“ Alec schaute skeptisch auf das Kleidungsstück vor sich. Wie konnte man nur sowas tragen? Andererseits war es Magnus und Alec hatte das Gefühl, dass dieser einfach alles tragen konnte, sei es nun eine Lederjacke oder eben diese punktige Hose. Gegebenenfalls auch beides zusammen.

„Hör schon auf so doof zu gucken!“ Genervt riss Magnus ihm die Hose aus der Hand. Alec prustete los. „Was ist denn jetzt schon wieder?“ Der Schattenjäger versuchte verzweifelt sich zu beruhigen, doch sobald er auch nur ansetzte, etwas zu erwidern, musste er erneut loslachen. Verärgert stand der Hexenmeister auf, schnappte sich seine Tasche und stolzierte hoch erhobenen Hauptes aus dem Restaurant. Alec sah ihm immer noch schmunzelnd hinterher. Das war jetzt nicht sein Ernst! Er griff nach seinem Portemonnaie und drückte das Geld einem vorbeilaufenden Kellner in die Hand. Dann folgte er seinem erzürnten Tiger. Magnus hatte manchmal wirklich etwas von einer Raubkatze - sowohl im guten als auch im schlechten Sinne. Bei den Erinnerungen musste der Schattenjäger erneut grinsen.

Als Alec ins Tageslicht hinaustrat, blinzelte er erstmal, um sich an die Helligkeit zu gewöhnen. Nach einigen Augenblicken ortete er den Hexenmeister gute hundert Meter von sich entfernt und stellte fest, dass es dieser wirklich ernst zu meinen schien, denn er steuerte zielstrebig auf den Ausgang des Centers zu. Mit einem belustigten Blick setzte Alec sich in Bewegung und hatte Mühe, den Schwarzhaarigen einzuholen.

 

Neben dem Einkaufscenter war ein großer Park, in dem man im Sommer Skateboard fahren, baden oder auch nur auf einer Wiese sitzen konnte, um sich auszuruhen. Da sich am Vormittag das Wetter von seiner besten Seite gezeigt hatte, war der Park auch heute, Anfang Herbst, gut besucht. Alec blickte zum Himmel. Am Horizont waren mittlerweile jedoch dunkle Wolken aufgezogen, die sich langsam aber bedrohlich näherten. Es würde wohl bald anfangen zu regnen.

Magnus stand an einen Baum gelehnt und sah einem Dackel beim Spielen zu. Alec ging langsam auf ihn zu, darauf achtend, nicht zu lächeln. „Wenn ich dir hier so hinterherrennen muss, fühle ich mich, als ob ich die letzten sieben Jahre nur vor `nem Computer saß und nicht täglich darauf getrimmt worden bin, Dämonen abzuschlachten.“ Alec legte den Kopf schief und sah den Hexenmeister an.

 

 

MAGNUS

 

Er wusste, dass Alec ihm folgte. Immer noch wütend lief er in den Park und lehnte sich an einen Baum. Ein kleiner Dackel kam vorbei und schnüffelte interessiert in seine Richtung, bevor er leise anfing zu knurren und einen Bogen um den Hexenmeister machte. Dieser lächelte. Tja, genau aus diesem Grund hielt er sich eine Katze, weil Katzen mit Katzen einfach besser zurechtkamen. Auch wenn man wahrscheinlich eher sagen musste, das der verehrte Miau Tse Tung ihn hielt. Magnus schüttelte den Kopf. War er jetzt wirklich schon soweit gesunken, dass er darüber nachdachte, ob er seine Katze oder sie ihn hielt? Das war alles Alecs Schuld! Dieser keine, verteufelte Schattenjäger!

Er drehte den Kopf, als ihn genau dieser von der Seite her ansprach. Trotz seiner Wut musste er bei dessen Worten leicht lächeln, denn Alec war alles andere als unsportlich. Was man seinem Körper auch nur allzu gut ansehen konnte. Magnus grinste innerlich, als er daran dachte, wie es war, über Alecs Sixpack zu streichen und leckte sich automatisch über die Lippen. Aber was genau tat er eigentlich hier? Er war immer noch sauer, dass Alec seine neue Errungenschaft auslachte. Und wenn es um Klamotten ging, kannte der Hexenmeister keinen Spaß.

„Was willst du hier?“, fragte er deshalb in einem nicht ganz so freundlichen Ton. Er konnte sehen, wie in Alecs Augen ein kurzer Schmerz aufflackerte und bekam sofort ein schlechtes Gewissen. „Ich wollte mich entschuldigen.“, gab Alec zurück und ging in die Hocke, als der Dackel erneut angelaufen kam. Vor Alec machte er nicht Halt, sondern sprang freudig bellend an diesem hoch. Magnus zog eine Augenbraue hoch. „Seit wann magst du Tiere?“ „Eigentlich seit ich klein war. Keine Ahnung, ich hab mich nie sonderlich mit ihnen beschäftigt, aber irgendwie scheinen sie mich zu mögen. Aber vor deiner Katze hab ich Respekt.“ Er schaute auf und Magnus erwiderte kurz den Blick seiner eisblauen Augen, bevor er schnell auf den Boden sah. „Kater.“ Alec runzelte die Stirn. „Der große Vorsitzende ist ein Kater.“ Magnus stieß sich von dem Baum ab und machte einen Schritt auf den Schattenjäger zu. Sofort entfernte sich der Hund und Magnus streckte ihm die Zunge heraus. „Da scheint ja jemand eifersüchtig zu sein.“ Alec schmunzelte wieder.

Der Blick des Hexenmeisters verdüsterte sich. „Mit diesem Gefühl müsstest du ja bestens vertraut sein.“ Alec zuckte zusammen. Sein Grinsen wich einem verwirrten Stirnrunzeln. „W… Worauf willst du hinaus?“, fragte er, verwirrt von dem abrupten Themenwechsel. „Das weißt du doch ganz genau, Alexander.“, Magnus trat ein Schritt auf Alec zu. „Immerhin warst du es, der zu Camille gegangen ist und mich hintergangen hat.“ „Magnus… Ich… es tut mir leid.“ Die Stimme des Schattenjägers brach. „Ich wollte das doch nicht…“ „Warum hast du es denn dann getan, wenn du es doch angeblich überhaupt nicht wolltest?“ Er funkelte den, in sich zusammengesunkenen Kleineren wütend an.

 „Können wir das nicht einfach vergessen?“, fragte dieser flehend. „Ich kann so einen schwerwiegenden Fehler nicht einfach vergessen, geschweige denn vergeben und du solltest auch nicht vergessen, dass ich es war der mit dir deswegen Schluss gemacht hat.“ Magnus wusste, er hatte einen wunden Punkt bei Alec erwischt, was die Tränen in dessen Augenwinkeln belegten. Doch er hatte keine Lust, sich zu entschuldigen und setzte noch eins drauf. „Ich hatte dir ja gesagt, du sollst dich von Camille fernhalten. Bei meiner Lebenserfahrung weiß man irgendwann, wem man trauen kann und wem nicht. Aber du, Alexander, bist gerade mal 18! Da sollte man auf den Rat von Älteren hören und was hattest du dir eigentlich erhofft?“ Magnus wusste, er war fies, aber die gesamt aufgestaute Wut kam nun aus ihm heraus. Dass diese ihm selbst galt und er sich nichts sehnlichster wünschte, als wieder mit Alec zusammen zu sein, ignorierte er und funkelte den Schattenjäger an, der geknickt vor ihm stand.

„Du wirst älter, während ich so bleibe, wie ich jetzt bin und ich werde meine Unsterblichkeit garantiert nicht wegen einem Jungen wie dir aufgeben.“ „Magnus“ Alecs Stimme war schwach, fast nicht zu hören. „Bitte … bitte hör auf.“ „Warum? Weil ich Recht habe und du deinen Fehler nicht einsehen willst?“ Der Hexenmeister wurde lauter. „Du bist nicht meine erste Beziehung, Alexander. Ich bin es leid, immer wieder verletzt zu werden.“ Durch den Körper des Schattenjägers lief ein Zittern. Er öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch nur ein Schluchzen kam heraus.

Der Himmel hatte sich in der Zwischenzeit zugezogen und die ersten Regentropfen fielen. Eine davon landete auf Alecs Wange und vermischte sich mit seinen Tränen.  Automatisch trat Magnus einen Schritt auf den still weinenden Schattenjäger zu und hob seine Hand um die Tränen hinfortzuwischen. Irgendetwas an dem Anblick seines unglücklichen Exfreundes hatte seine gesamte Wut verrauchen lassen.

Ungläubig und zutiefst verletzt sah Alec zu ihm auf. „Was…?“ „Schhh“ Magnus legte zaghaft einen Finger an Alecs Lippen und beugte sich leicht zu ihm vor. „Es tut mir leid. So unendlich leid.“ Magnus lehnte seine Stirn an Alecs‘. „Es war nicht so gemeint. Ich war einfach so wütend auf mich selbst, weil ich so dumm war, dich einfach gehen zu lassen und … es tut mir leid.“ Er sah Alec an und versuchte, all seine Liebe und Schuldgefühle in diesen Blick zu legen. Der Schattenjäger schluckte schwer, räusperte sich und sagte: „Es muss dir nicht leid tun, du hast ja recht. Ich hätte auf dich hören sollen, ich hab’s versaut.“ Beim letzten Wort brach seine Stimme und er lehnte sich erschöpft gegen den Hexenmeister. Dieser hätte sich, wieder einmal, ohrfeigen können. Vorhin war sein Kleiner noch gut drauf gewesen und jetzt hatte er alle Schuldgefühle und Selbstzweifel zu Alec zurückgebracht. „Was kann ich tun, um dir zu beweisen, dass es mir Leid tut und du nichts dafür kannst?“, flüsterte er dem Schattenjäger zu. Schon als Magnus dachte, er würde keine Antwort mehr bekommen, hauchte Alec: „Küss mich.“

Sanft nahm der Hexenmeister das Gesicht des Schattenjägers zwischen seine Hände und strich mit dem Daumen leicht über dessen Unterlippe. Langsam beugte er seinen Kopf nach vorne und endlich berührten sich ihre Lippen. Alec schmeckte nach Vanille, mit einem Hauch süß-saurer Ente. Magnus musste bei dem Gedanken an das Mittagessen grinsen. „Was gibt’s denn da zu grinsen?“ Alec entzog sich ihm unsicher. „Nichts, ich habe nur gerade an das Essen zurückgedacht.“ „Du küsst mich und denkst an Essen?“ Alec zog eine Augenbraue nach oben. Diese Bemerkung ließ den Hexenmeister noch mehr schmunzeln und er war glücklich, dass Alec zu seinem alten Humor zurückgefunden hatte.

 

„Du schmeckst noch nach Ente, aber im Moment könnte ich dich wirklich auffressen.“ rechtfertigte er sein Grinsen augenzwinkernd. Alec wurde rot. „Magnus.“ „Ja, meine kleine Zuckerschnecke?“ Zufrieden stellte er fest, wie Alecs Wangen sich noch röter verfärbten. Jap, ihm ging‘s eindeutig wieder besser. „Erstens, hör auf mich so zu nennen, du weißt, dass ich das nicht mag und zweitens, hast du gerade gesagt, dass du nichts mehr mit mir zu tun haben willst.“ Okay, so ganz auf der Höhe war er dann wohl doch noch nicht. „Ich habe nie behauptet, nichts mehr mit dir zu tun haben zu wollen!“, empörte sich der Hexenmeister. „Du hast es aber gedacht oder zumindest waren deine Worte so zu verstehen.“ „Alec!“ jammerte er. „Ich weiß, dass ich gerade Scheiße gebaut habe und dass dich das verletzt hat, aber ich versuche dir doch zu erklären, dass ich das nicht so meinte.“ Verzweifelt warf Magnus seine Hände in die Luft.

„Dann küss mich doch einfach nochmal.“ meinte Alec leise und sah zu Boden. Überrascht ließ Magnus seine Hände sinken. „Du…?“ „Nein, das war ein blöder Gedanke, vergiss es.“ Alec drehte sich um und wollte anscheinend gehen, da hielt ihn der Hexenmeister am Handgelenk fest und zog ihn zu sich heran. „Nein, Alec. War es nicht. Ganz im Gegenteil.“ Mit großen Augen sah ihn der Schattenjäger an und Magnus grinste. „Wie sollte dich zu küssen je eine schlechte Idee sein?“ Mit diesen Worten beugte er sich zu Alec hinunter und küsste ihn. Erst sanft und fragend, doch dann immer fordernder und mit zunehmender Leidenschaft. Alec griff in die zu Stacheln hochgegelten Haare und presste sich an den schlanken Körper des Hexenmeisters. Dieser stöhnte wohlig auf und zog Alec an den Hüften noch dichter zu sich heran. Alec drückte sich an Magnus, schob ihn auf den nächsten Baum zu, ohne den Kuss zu unterbrechen und ließ seine Hände an den Seiten des Hexenmeisters hinuntergleiten. Magnus‘ Hände hatten derweil einen Weg unter Alecs T-Shirt gefunden und strichen über dessen Bauchmuskeln. Alec seufzte auf und drängte sich wieder näher an den Hexenmeister. Magnus Zunge fuhr fragend über Alecs Lippen und dieser öffnete sie nur zu bereitwillig. Grinsend verwickelte der Hexenmeister seinen süßen Schattenjäger, oder besser gesagt, dessen Zunge, in einen kleinen Kampf und genoss das Gefühl, Alec wieder zu schmecken, zu riechen und seine Wärme zu spüren.

Schwer atmend lösten sie sich schließlich voneinander. Alec grinste ihn an und Magnus‘ Herz machte einen Hüpfer. Als er dann auch noch seine Hände in Magnus‘ Hosentasche steckte und an sein Ohr raunte: „Ich hab dich so vermisst.“ wurde aus diesem Hüpfer ein Salto und Magnus musste aufpassen, dass er nicht vor Glück auf der Stelle tot umfiel.

Immer mehr Regentropfen fielen auf die beiden. Magnus schaute zum Himmel. Die Wolken, die am Vormittag noch klein gewesen waren, hatten sich jetzt zu riesigen Gewitterwolken aufgebaut und ein eisiger Wind fegte durch den Park. Den hatte er dank Alec überhaupt nicht bemerkt, schlang aber jetzt seinen Mantel fester um seinen Körper. „Ist dir kalt?“, fragte Alec und rückte näher an den Hexenmeister heran. „Was hältst du davon, wenn wir zu mir gehen und da weitermachen, wo wir aufgehört haben?“, stellte dieser die Gegenfrage und Alec nickte. „Gerne.“ Seine Augen leuchteten dunkelblau und Magnus versank für einen kurzen Moment in ihnen. „Na komm.“ Alec zog ihn Richtung Ausgang und Magnus‘ Apartment. Der Park lag verlassen vor ihnen und der Hexenmeister war dem Wetter unendlich dankbar, denn Alec hatte immer noch Probleme, in der Öffentlichkeit rumzuknutschen. Doch der immer stärker werdende Regen hatte die Leute zum Glück in ihre Häuser getrieben.

Seeehr heiß

 

 

ALEC

 

Die Straße, das Haus, ja selbst die Stufen zu seiner Wohnung waren ihm so unendlich vertraut. Erinnerungen überschwemmten Alec, als er durch die Tür von Magnus‘ Behausung geschoben wurde. Die Dielen, der Geruch, der so typisch für den Hexenmeister war, das Bett, auf welches Magnus ihn zielstrebig drängte und die Katze. Nein, der Kater. Das Fellknäul thronte auf Magnus‘ Kissen und starrte Alec mit seinen beängstigend grünen Augen an. Schwer atmend schob der Schattenjäger Magnus von sich und wies auf das Bett. „Da liegt was und starrt mich an.“ Der Hexenmeister sah sich nach dem Störenfried um und bedachte diesen mit einem missbilligenden Blick. „Tja, da muss er jetzt durch.“ Achselzuckend und anzüglich grinsend wand sich Magnus wieder Alecs Hals zu und begann sich an diesem festzusaugen. „Magnus, ich finde das Viech da aber gruselig. Und es fixiert mich immer noch.“ „Ach, komm schon! So langsam müsstest du dich doch an den großen Vorsitzenden gewöhnt haben!“ „Naja, einen Heidenrespekt hatte ich vor ihm schon immer…“ Entschuldigend sah Alec den Hexenmeister an. Auf dessen Gesicht breitete sich ein Grinsen aus und er erwiderte: „Für dich tu ich doch alles, meine kleine Zuckerschnecke.“ Alec verdrehte über seinen neuen Spitznamen die Augen und nahm erleichtert zur Kenntnis, wie der Hexenmeister auf das Bett zuging, den sich wehrenden und um sich tretenden Kater hochhob und ihn vor der Schlafzimmertür wieder absetzte, bevor er diese mit einem, für ihn nicht untypischen, Schwung zuknallen ließ.

Von draußen klang ein anklagendes Miauen an seine Ohren und Magnus, der inzwischen wieder vor ihm stand, stöhnte genervt auf und drehte sich zur Tür. „Sei doch endlich still, du dämliches Vieh!“ Belustigt sah Alec ihm hinterher, wie er zur Tür ging und musste an sich halten, um nicht loszuprusten, als er Magnus leises Gemurmel hörte. „Kann man hier denn nicht mal mehr in Ruhe seine Exfreunde verführen…?“

Von der Tür her erklang ein empörtes Kratzen und der Hexenmeister riss sie auf und erstarrte. Alec wollte gar nicht wissen, was der Kater jetzt schon wieder angestellt hatte. „Du …! Du mieser… Arrgh! Das war Tropenholz! Da, siehst du die dunkle Maserung? Das ist feinstes Holz, teuer wie sonst was und nicht wieder zu bekommen. Das war eine Sonderlieferung!“ Der Hexenmeister raufte sich die Haare und Alec musste sich wegdrehen. Er hatte Mühe, ein Lachen zu unterdrücken. „Willst du mir mal erklären, wie du das wieder gut machen willst?“ Böse funkelte Magnus den Kater an. Doch dieser tat ganz unbeteiligt und leckte sich über das weiße Pfötchen.

„Magnus?“ Alec räusperte sich. Der Hexenmeister drehte ich verwirrt zu ihm um und sah aus, als ob er aus einer anderen Welt wieder auftauchen würde. „Oh, entschuldige Darling! Aber diese Katze macht mich fertig.“ Er drehte sich wieder zu eben jener herum und nahm sie hoch. „Du kommst jetzt in die Küche und lässt uns endlich in Ruhe, sonst…“ Er überlegte. „Wird das ein böses Ende für dich nehmen. Darauf kannst du dich verlassen!“ Alec gluckste, als der Hexenmeister seinen Kater förmlich in die Küche warf und dann die Tür von außen abschloss. „Meinst du nicht, dass er jetzt deine Küche auseinander nimmt?“ Magnus zuckte mit den Schultern. „Ist egal. Ich muss wegen diesem verrückten Vieh eh dauernd neue Kühlschränke besorgen. Ich weiß nicht, warum sich der große Vorsitzende gerade dieses Hobby „Wie zerlege ich am effektivsten einen Kühlschrank?“ ausgesucht hat. Da gibt es nichts zu lachen, er ist der Teufel in Person!“ Gespielt beleidigt verschränkte der Hexenmeister die Arme vor der Brust und blieb im Türrahmen stehen. Alec konnte nicht anders, er musste einfach grinsen. Der Kater war halt einfach nur so verrückt wie sein Herrchen…

 

 

MAGNUS

 

 „So… wo waren wir eigentlich stehengeblieben?“, fragte er sein allerliebstes Goldstück, in der Hoffnung damit das Thema wechseln zu können. „Ach ja, genau.“ Mit diesen Worten kam er langsam auf den Schattenjäger zu und verschloss dessen, zu einem schiefen Grinsen verzogenen, Lippen mit den seinen. Genüsslich wanderten die Hände des Hexenmeisters an Alecs Seite entlang, verharrten an dessen Hüfte und schoben, nicht zum ersten Mal an diesem Tag, sein T-Shirt etwas hoch, um über die makellose Haut des Schattenjägers zu streichen. Es gab nur einen Unterschied - sowohl Alecs, als auch Magnus Klamotten waren total durchnässt von dem Regen und klebten jetzt etwas unangenehm an ihren Körpern. Er löste sich kurz von Alec, um diesem etwas umständlich sein Shirt auszuziehen.

Der Schattenjäger keuchte auf, als Magnus ihm über die rechte Brustwarze strich und vergrub seine Hände noch mehr in den Haaren des Hexenmeisters. Wie hatte er nur ganze zwei Wochen ohne sein süßes Häschen überleben können? Der Hexenmeister verstand sich selbst nicht mehr. Er drängte Alec immer weiter zu seinem überdimensional großen Bett, welches ja jetzt nicht mehr von seiner unverschämten Katze belagert wurde, und kniete sich dann über den Schattenjäger. Dessen Hände hatten inzwischen einen Weg unter Magnus T-Shirt gefunden und der Hexenmeister genoss die Berührung. Nur allzu willig zog er es sich über den Kopf und begann, Alecs Oberkörper mit kleinen Küssen zu übersähen. Als er dessen Brustwarze erreicht und spielerisch hineinbiss, klammerte der Schattenjäger sich an seinem Rücken fest und hinterließ ein paar rote Striemen. Doch das störte den Hexenmeister reichlich wenig. Was gab es schöneres, als von dem Menschen den man liebt, als seins markiert zu werden? Er hielt kurz inne. Was hatte er da eben gedacht? Er liebte den Schattenjäger, keine Frage. Aber änderte das etwas?

„Was ist?“, fragte Alec unsicher. „Nichts, alles in Ordnung, Darling.“ Alec verdrehte die Augen und der Hexenmeister beugte sich lächelnd zu ihm hinunter und saugte sich an seinem Hals fest. Damit entlockte er diesem wohlige Laute. Zufrieden betrachtete er sein Werk und grinste. „Jetzt muss ich wieder einen Schal tragen...“, brummte Alec, schmunzelte jedoch dabei. „Oh, du armer geplagter Junge!“ Mit einem gespielt mitleidigem Blick neigte Magnus sich zu dem Schattenjäger hinunter, sodass nur noch Millimeter ihre Lippen voneinander trennten. „Soll ich dich entschädigen?“, raunte er. Magnus hob eine Augenbraue und grinste den Schattenjäger schmutzig an. Er wusste genau, dass Alec dies unmöglich fand. Eben jener schluckte auch schon schwer und richtete sich mit glasigen Augen auf, sodass Magnus nun auf dem Schoß des Schattenjägers saß. „Wenn du es schaffst…“, forderte dieser ihn heraus. Nun, diese Herausforderung nahm der Hexenmeister nur zu gerne an…

 

 

ALEC

 

Er lagauf dem Rücken und träumte von einem rosa Plüschknäul, welches grüne Punkte hatte und sich einen Spaß daraus machte, ihm immer und immer wieder über die nackte Brust zu kratzen. Entnervt schob er die Katze von sich runter und musste mit Bedauern feststellen, dass das Kratzen nicht aufhörte. Alec schlug die Augen auf und grinste, als er sah, dass Magnus an ihn gekuschelt da lag und mit seinen Fingernägeln rote Striemen auf Alecs Brust hinterließ. Er drehte seinen Kopf und blickte in das Gesicht des Hexenmeisters. Er sah so süß aus. Eine Haarsträhne fiel ihm ins Gesicht und seine Lippen waren leicht geöffnet. Unwillkürlich musste Alec daran denken, was Magnus mit seiner Zunge so alles anstellen konnte und erschauderte.

Darauf bedacht, den Hexenmeister nicht zu wecken, stand er auf und zog sich seine Boxershorts an. Grinsend machte er sich auf den Weg in die Küche, um sich ein Glas Wasser zu holen. In Gedanken war er immer noch bei dem, was er und Magnus vor ein paar Stunden alles angestellt hatten. Als er den Hexenmeister in der Stadt getroffen hatte, hätte er nicht damit gerechnet, dass es soweit kommen würde. Verträumt rüttelte er an der Küchentür und runzelte die Stirn, als sich diese nicht öffnen ließ. Als von drinnen ein Knall erklang, erinnerte er sich wieder, dass Magnus ja seine Katze darin eingesperrt hatte. Wollte er wirklich da rein? Der Kater war garantiert nicht in bester Stimmung und Respekt hatte Alec ja eh schon vor ihm. Andererseits hatte er Durst und es war ja nur eine Katze. Er drehte den Schlüssel um und in diesem Moment dröhnte ein wütendes Fauchen aus der Küche. Alec zuckte erschrocken zusammen und überlegte es sich anders. Irgendwas sagte ihm, dass er nicht wissen wollte, wie es jetzt da drin aussah. Er machte auf dem Absatz kehrt und steuerte auf das Bad zu, um dort aus dem Wasserhahn zu trinken.

Als er zurück in Magnus Bett krabbelte, zog dieser ihn sofort fest an sich. Alec verschränkte seine Finger mit Magnus‘, wobei er dessen manikürte Fingernägel mit einem skeptischen Blick bedachte. Jeder einzelne war rosa lackiert und wurde von einem fein säuberlich aufgemalten Kringel geziert. Selbstverständlich hatten diese eine funkelnde Note - das war so typisch für Magnus. Zufrieden lächelnd kuschelte er sich an die Brust des Hexenmeisters und schlief wieder ein.

 

Ein paar Sonnenstrahlen fielen ihm ins Gesicht und Alec schlug lächelnd die Augen auf. Mit einem Seufzend drehte er sich auf den Rücken und streckte sich ausgiebig. Dass der Herbst nochmal so schön werden würde… Erinnerungen an letzte Nacht kamen hoch und Alec musste noch breiter grinsen. Magnus hätte ihn jetzt wahrscheinlich als ein Honigkuchenpferd bezeichnet. Entschädigt wurden war er auf jeden Fall ausreichend…

Wo war der Hexenmeister eigentlich? Alec lag noch immer in dessen Bett und konnte sich nicht daran erinnern, dass Magnus in der Nacht verschwunden wäre. Er ist wahrscheinlich einfach nur schon aufgestanden, ihm Gegensatz zu ihm war Magnus ja ein Frühaufsteher. Alec setzte sich auf. Er musste ja nicht gleich panisch werden. Immerhin war er immer noch nur Magnus‘ Exfreund – leider. Daran würde die letzte Nacht wohl auch nichts geändert haben, aber die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt.

Mit einem Seufzer suchte Alec seine, über den Boden zerstreuten, Sachen zusammen und zog sich an. Er streifte sich gerade sein Hemd über den Kopf, als er vor der Tür Magnus Stimme hörte. Offensichtlich unterhielt sich der Hexenmeister gerade mit seiner Katze. Wahrscheinlich hatte er gerade die demolierte Küche entdeckt. Alec schmunzelte und lauschte. „Ja, ich weiß! Jetzt schau mich nicht schon wieder so anklagend an! Ja, genau dich meine ich. Blöder Kater.“, grummelte Magnus und Alec sah das eingeschnappte Gesicht nur allzu bildlich vor sich.

„Nein, das war kein Fehler. Das war eine der besten Nächte in meinem Leben! Ha, da schaust du! Ich bereue nichts. Auch wenn es echt schade ist, dass das nichts ändert. Aber diesen Fehler kann ich ihm einfach nicht verzeihen, zumindest noch nicht… Außerdem hast du mir gar nichts zu sagen, nachdem was du hier angestellt hast!“ Alecs Gefühle waren bei dem Gesagten von Glück zu einer aussichtlosen Enttäuschung gewechselt, aber bei Magnus‘ letztem Satz keimte neue Hoffnung in ihm auf. War der Hexenmeister bereit, ihm zu vergeben? Wenn ja, dann… „Aua!“ Ein empört aufschreiender Magnus unterbrach seine Gedanken und Alec entschloss sich, sich dem Unausweichlichem zu stellen und verließ das schützende Schlafzimmer.

Den Anblick würde er wohl sein Leben lang nicht vergessen können: Der Hexenmeister stand mit einer Tasse Kaffee in der Hand mitten in einer völlig verwüsteten Küche und starrte entsetzt auf das weiße Plüschknäul, welches sich an seinem Bein festgebissen hatte. Mit der anderen Hand zauberte er eine neue Kücheneinrichtung herbei und beseitigte den Müll. „Miau Tse Tung! Nimm deine hoheitlichen Pfoten von meinem königlichen Bein und lass mich meinen wohlverdienten Kaffee trinken! Wir reden, wenn Alec weg ist, bis dahin will ich meine Zeit sinnvoll verbringen.“ „Na da bin ich ja gespannt.“ Amüsiert lächelnd betrat Alec die Küche und nahm sich ebenfalls eine Tasse von dem schwarzen Gesöff.

Magnus fing sich schnell wieder und befreite sich von seinem Anhängsel, bevor er sich mit einem „Einen wunderschönen guten Morgen, Darling! Die Sonne scheint heute nur für dich und natürlich meine Wenigkeit!“ dem Schattenjäger zuwandte. Er legte seine Hände an Alecs Wangen und drückte ihm einen fetten Schmatzer auf. „Morgen“, erwiderte dieser und nahm einen Schluck von seinem Kaffee. „Also?“, schnurrte der Hexenmeister. Alec zog eine Augenbraue nach oben und meinte scheinheilig: „Was ist denn?“ „Ach, komm schon! Ich will meine Zeit mit dir nicht damit verbringen, Kaffee zu trinken, wenn ich schon keine Bezahlung dafür verlange.“ Mit einem verschmitzten Grinsen stellte Magnus Alecs Tasse auf den Tisch und zog ihn zum Sofa.

... und nicht mehr ganz so heiß

 

 

MAGNUS

 

„Magnus, meinst du nicht, dass wir erst reden sollten?“ Alec löste sich von ihm und schob ihn von sich runter. Mit geröteten Wangen und leicht geöffneten Lippen sah der Schattenjäger zu ihm hoch. „Dein Körper sieht nicht so aus, als ob er reden wollte.“, warf der Hexenmeister ein und fuhr damit fort, kleine Kreise über Alecs Oberkörper zu malen. „War ich das eigentlich?“, fragte er unschuldig und deutete auf die Kratzer auf Alecs Brust. „Ja, warst du, aber du lenkst vom Thema ab.“ „Das hatte ich gar nicht bemerkt, tut’s weh?“ „Magnus!“ Überrascht über die Härte in der Stimme des Schattenjägers schaute dieser auf.

„Ich will nicht schon wieder mit dir rumknutschen, um mir dann anhören zu müssen, das war zwar schön, aber auch nicht mehr als notgeiler Sex, also verpiss dich!“ Etwas ruhiger setzte er hinzu: „Ich möchte einfach wissen, was das zwischen uns jetzt ist, oder auch nicht ist.“ Traurig blickten Magnus zwei eisblaue Augen an. Er wusste, dieses Gespräch war unausweichlich, trotzdem hätte er es am liebsten gaaanz weit nach hinten geschoben. Mit einem Seufzen setzte sich der Hexenmeister auf und seine schlanken Finger spielten mit den Fransen eines Kissens.

„Also“, hob Alec an. „Was war die Nacht für dich?“ Magnus sah in nachdenklich an und antwortete schließlich: „Kein Fehler… Denke ich.“ Er bemerkte, wie Alec leicht zusammenzuckte. „Nein, so war das nicht gemeint.“, warf er schnell ein und legte seinem süßen Schattenjäger beruhigend eine Hand auf das Knie. „Ich meine damit nur, dass es sein könnte, dass wir dadurch alles nur noch schlimmer gemacht haben. Ich kann dir diesen Fehler nicht einfach so verzeihen. Ich hoffe, du verstehst das, Alexander.“ Dieser nickte. „Ja, schon, aber…“ Er seufzte. „Ich würde dich so gerne wieder öfter sehen. Nicht nur mal ab und zu durch Zufall, sondern wieder richtig.“ Der Schattenjäger sah Magnus verzweifelt an und fügte dann leise hinzu: „Ich fand diese Nacht wirklich unglaublich.“ Aww, war das niedlich! Alecs Wangen färbten sich leicht rot und der Hexenmeister hätte sich am liebsten auf ihn geworfen und ihn durchgeknuddelt. Doch er rief sich gerade noch rechtzeitig in Erinnerung, dass er ja gerade ein ernsthaftes Gespräch führte. Manchmal war Alec echt unmöglich. Am frühsten Morgen verlangte er von einem, dass man sich auf so was konzentrierte, wenn er selbst so unglaublich süß vor einem saß und verlegen unsichtbare Fusseln von seiner Jeans zupfte.

„Für mich war diese Nacht auch etwas Besonderes. Ich würde sogar sagen, sie war eine der besten meines Lebens, schon allein aus dem Grund, weil ich sie mit dir verbringen durfte.“ Magnus sah aus, als wäre er weit weg. In einer anderen Welt mit anderen Erinnerungen. Er seufzte. „Nach so langer Zeit endlich wieder…“ Überrascht hob Alec den Kopf. „Wirklich?“, hauchte er. Mit einem Lächeln im Gesicht wand sich der Hexenmeister wieder seinem Gegenüber zu. „Ja, wirklich. Dennoch… Ich weiß es auch nicht, Alexander. Was soll ich deiner Meinung nach jetzt tun?“

Alec zuckte hilflos mit den Schultern. „Ich weiß es nicht.“ Wie viel hätte Magnus in diesem Moment dafür gegeben, die Trauer aus den strahlend blauen Augen des Schattenjägers zu vertreiben.

„Vielleicht… wenn du mich immer noch liebst und…“ Alec holte tief Luft. „Vielleicht könntest du versuchen, mir nach und nach zu verzeihen.“ Scheu blickte er zu Magnus hinüber. Dieser überlegte und nickte dann leicht. „Vielleicht könnte ich das, ja.“ Er bemerkte, wie Hoffnung in Alecs Augen zurückkehrte und musste unwillkürlich wieder lächeln. „Ich kann dir nichts versprechen, doch ich wünsche mir auch, wieder regelmäßig mit dir zusammen zu sein. Deshalb: Bleibst du zum Frühstück?“ Erwartungsvoll sah er Alec an und hoffte, dass er dieses Thema zumindest erstmal ruhen lassen würde.

Er schien Glück zu haben, den Alecs Magen gab ein grummelndes Geräusch von sich. „Würde ich sehr gerne.“ „Super!“ Magnus klatschte in die Hände. „Was soll’s denn sein? Ganz normal oder mal etwas Ausgefallenes?“ Er wackelte bedeutungsvoll mit den Augenbrauen und grinste in sich hinein, als Alec rot anlief. Er war aber auch niedlich!

„Ähm, ganz normal, denke ich.“ „Bist du dir sicher, Darling? Du kannst alles haben. Von gerösteten Vogelspinnen, über Tintenfische bis hin zu Tofu. Such dir was aus.“ Der Schattenjäger verzog das Gesicht. „Normal.“ Magnus ließ enttäuscht die Schultern sinken. Null Experimentierfreude! Na, die würde er seinem Goldstück schon noch beibringen…

„Magnus? An was genau denkst du gerade?“ Hach, Alec kannte ihn einfach zu gut. „An nichts, mein Süßer. Ich habe nur wieder einmal festgestellt, wie unvariabel du bist.“ Alec schnaubte. „Klar. Es kann sich halt nicht jeder täglich ein neues Outfit leisten.“ „Das meine ich nicht.“, schnurrte der Hexenmeister und rutsche näher an Alec heran. „Ich weiß. Deshalb hab ich es ja gesagt.“ Seine blauen Augen funkelten Magnus belustigt an. „Oh, Alec. Ich habe deine schräge Art Humor schon vermisst…“ Die Wangen des Angesprochenen leuchteten wieder in einem zarten Rot und der Hexenmeister konnte nichts anders, als seine Hände an Alecs Wangen zu legen und ihm einen sanften Kuss auf die Lippen zu hauchen.

Der Schattenjäger seufzte auf und Magnus musste schmunzeln. Wenn Alec da war, hatte er irgendwie ständig ein Grinsen im Gesicht. Der Junge tat ihm eindeutig gut. Magnus war sich mittlerweile sehr sicher, dass er ihm früher oder später verzeihen konnte. Doch zu einfach würde er es seinem Darling nicht machen. Auch ein noch so bezauberndes Lächeln konnte nicht rückgängig machen, was er getan hatte…

 

„Also, wollen wir zu Starbucks oder es uns hier gemütlich machen?“ Abwartend sah der Hexenmeister Alec an. Dieser überlegte nur einen Sekundenbruchteil und antwortete: „Wenn wir zu Starbucks gehen, kannst du nichts Exotisches essen, also würde ich vorschlagen, wir bleiben hier.“ Entzückt blickte Magnus den Schattenjäger an. „Wie du immer mitdenkst! Das hatte ich schon wieder völlig verdrängt. Aber bei deinen strahlenden Augen ist das ja kein Wunder, oder Darling?“ Alecs Wangen färbten sich rot. Magnus wusste genau, dass der Schattenjäger seine Augen nicht sonderlich leiden konnten, obwohl dieser eigentlich überhaupt keinen Grund dazu hatte.

„Alec“ Sein kleines Sternchen hob den Kopf. „Deine Augen sind wirklich wunderschön. Du brauchst dich für nichts zu schämen.“ Magnus beugte sich vor und strich seinem Schattenjäger über die Wange. „Sie leuchten so strahlend und klar, sie spiegeln deine Charakterstärke wieder. Und ich steh auf Männer, die Charakter haben.“ Der Hexenmeister wackelte mit den Augenbrauen. Alec grinste. „Wollten wir nicht frühstücken?“ Enttäuscht, dass der Schattenjäger auf seine Anspielung nicht näher eingegangen war, ließ Magnus von ihm ab und erhob sich galant.

„Ich werde dann mal den Kaffee wieder warm machen. Ich nehme an, du möchtest ein Schoko-Croissant?“ Alec nickte. „Danke“ Magnus schenkte ihm noch ein mildes Lächeln, ehe er in der Küche verschwand und derweil mit einem Finger wedelte. Blaue Funken umspielten seine Hand und der Hexenmeister schloss für einen Moment die Augen. Er liebte das Gefühl von Magie auf seiner Haut. Doch leider hatte der hohe Rat ihm verboten, „ständig herum zu hexen“, wie sie es ausdrückten, sodass der Hexenmeister mit solchen Kleinigkeiten wie dem Frühstücksherbeizaubern Vorlieb nehmen musste.

In seiner Hand erschien eine duftende Tüte welche Magnus auf den Küchentisch stellte und dann nach dem mittlerweile kalten Kaffee griff. Er musste schmunzeln, als er daran dachte, was der Grund für das Erkalten des Getränkes war und fragte sich augenblicklich auch wieder, wo denn sein verehrter Kater hinverschwunden war. Magnus konnte sich nicht so recht vorstellen, dass der große Vorsitzende seine Niederlage einfach so hingenommen hatte.

„Miau Tse Tung, beweg deine samtigen Pfoten hierher und wir reden darüber oder aber, du bleibst verschwunden, bis Alec wieder weg ist. Du hast die Wahl.“ Abwartend sah Magnus sich um. Als sich nach zwei Minuten immer noch nichts regte, beschloss er, sein Haustier vorerst zu verdrängen und wandte sich wieder dem Kaffee zu. Er goss die braune Flüssigkeit in zwei Tassen, schnappte sich die Tüte mit dem Gebäck und ging zurück zum Wohnzimmer.

Dort angekommen, erblickte er den Grund für das Fernbleiben seines Katers. Der große Vorsitzende hatte es sich auf Alecs Brust bequem gemacht und wurde unablässig von diesem gestreichelt.

„Muss ich eifersüchtig werden?“, fragte Magnus und stellte das Frühstück ab. Alec sah überrascht zu ihm hoch und setzte sich automatisch auf. Der Kater versuchte sich verzweifelt an dessen T-Shirt festzukrallen, war aber zu unvorbereitet auf die plötzliche Untergrundveränderung gewesen, sodass er nicht gerade elegant auf den Schoß des Schattenjägers plumpste. Magnus warf ihm einen spöttischen Blick zu und setzte sich neben Alec. „Schon fertig?“, fragte dieser. „Natürlich, Darling. Wie lange, glaubst du, brauche ich, um Frühstück herbeizuzaubern?“ Belustigt sah der Hexenmeister in zwei peinlich berührt dreinblickende, blaue Augen. „Sorry, ich wollte dich nicht beleidigen.“ „Ist schon okay, Alec. Wenn der große Vorsitzende einmal angefangen hat, seine Spielchen mit einem zu spielen, vergisst man schnell die Zeit.“ Magnus warf seinem Kater noch einen bösen Blick zu, der sich daraufhin aus dem Wohnzimmer trollte.

„Hunger?“ Alec nickte und griff nach der Tüte. Er lugte vorsichtig hinein, als ob er sich nicht sicher wäre, dass der Hexenmeister ihm wirklich nur Schoko-Croissants mitgebracht hätte, bevor er hineinlangte und sich eben ein solches herausnahm. „Guten Appetit“, meinte Magnus und biss beherzt in sein Vanillecremetörtchen.

 

 

ALEC

 

„Die sind echt lecker! Wo hast du die her?“ „Coffee & Cakes. Den Laden hab ich neulich durch Zufall gefunden und bin der neuste Stammkunde. Die haben da alles! Von belegten Brötchen über Bagels, Kuchen, Kekse, eine riesige Kaffeevielfalt, bis hin zu einer ganzen Schnapsbar.“ Alec beobachtete amüsiert, wie sein Gegenüber immer mehr ins Schwärmen geriet. Er konnte sich schlecht vorstellen, wie ein solcher Laden so lange von Magnus unentdeckt bleiben konnte.

„Und weil du Stammkunde bist, beklaust du sie jetzt, indem du dir alles nach Hause zauberst?“ Alec grinste. Der Hexenmeister hielt abrupt in seiner Rede inne und sah ihn empört an. „Weißt du, wie viel die in der kurzen Zeit, in der ich dort essen gehe, an mir verdient haben? Von meinem großzügigen Trinkgeld mal ganz abgesehen.“ Er nahm einen Schluck von seinem Kaffee. „Da fallen die paar Sachen hier locker unter den Tisch. Du kannst also beruhigt weiteressen.“ Alec hob eine Augenbraue. „Gut, ich dachte schon, ich muss es wieder auskotzen und zurückgeben.“ „Nein! Bitte nicht, um Gottes willen!“ Magnus sprang auf. „Das gute Essen! Dann leg ich lieber das nächste Mal, wenn ich dort bin, etwas mehr auf den Tisch.“ Entsetzt sah der Hexenmeister Alec an.

„Das war ein Scherz, Magnus. Du kannst dich wieder hinsetzen.“ Er hatte Mühe, nicht lauthals loszulachen, so wie der Hexenmeister da vor ihm stand. Er sah aus, als hätte Alec ihm gerade erklärt, dass er kein Vanilletörtchen, sondern eine blau gestreifte Maus gegessen hätte.

Nur langsam schien Magnus die Information zu verarbeiten und ließ sich mit einem noch immer geschockten Gesichtsausdruck neben Alec zurück auf die Couch fallen. Dieser unterdrückte einen erneuten Lachanfall und rückte näher an seinen Nachbarn heran, bis sie sich leicht berührten. Etwas zaghaft legte der Schattenjäger seine Arme um den Hexenmeister und zog ihn zu einer Umarmung noch näher an sich heran. Vielleicht würde ihn das etwas beruhigen, schließlich wollte er nicht dafür verantwortlich sein, wenn der Hexenmeister noch einen Herzinfarkt bekam.

 

 

MAGNUS

 

Verblüfft schaute er auf. Dass Alec ihn umarmen würde, überraschte den Hexenmeister nun doch ein wenig. Normalerweise zeigte sein geliebtes Goldstück nicht so viel Eigeninitiative. Innerlich grinste Magnus und lehnte sich leicht gegen Alecs starke Brust. Er schloss die Augen und genoss das Gefühl der Wärme, die von dem Körper neben ihm ausgestrahlt wurde.

Plötzlich runzelte er die Stirn und setzte ich ruckartig auf. Alec hatte ihn ja beleidigt. Mal wieder. Nun ja, nicht direkt beleidigt, aber trotzdem hatte er den Hexenmeister geärgert. Auskotzen. Also wirklich! Nur weil er ab und zu mal nicht den vollen Preis für das Essen bezahlte. Dabei war es mit dem Gegenwert in Form von seiner Magie ja eigentlich wieder ausgeglichen. Schließlich gab es die ja auch nicht umsonst. Er schüttelte den Kopf.

„Denk ja nicht, dass du mich einfach mal so umarmen kannst und die Sache damit gegessen ist.“ Magnus grinste innerlich bei der Ironie der Worte. Getroffen ließ der Schattenjäger ihn los und wich ein Stück von Magnus zurück. Dieser verfluchte sofort die Leere, die Alecs Verschwinden auf seiner Haut hinterlassen hatte. Aber er konnte ja schlecht wieder zu seinem verteufelten Schattenjägerchen heranrutschen. Damit würde er seine Niederlage eingestehen und das ging ja mal gar nicht. Ein oberster Hexenmeister verlor nicht. Höchstens gegen seinen Kater, doch den ignorierte Magnus jetzt einfach mal. Das hier war Alec. Sein Alec und… Ach, zum Teufel mit den Niederlagen!

Er beugte sich zu dem Schattenjäger hinüber, der daraufhin fragend aufsah. „Ich werde mich jetzt nicht bei dir entschuldigen, denn ich hab absolut nichts falsch gemacht, aber… Ja, hör auf, so zweifelnd zu gucken, Alexander. Ich klaue nicht, ich… borge… Ich… ach, ist doch egal, ich will jetzt einfach mit dir kuscheln, ja?“ Entnervt schaute Magnus seinen Gegenüber an. Dieser erwiderte den Blick ruhig und näherte sich langsam dem Gesicht des Hexenmeisters. Magnus zog fragend eine Augenbraue hoch und begann zu grinsen.

„Was ist?“, fragte Alec misstrauisch. „Nichts, du hast nur so große Augen.“ Der Schattenjäger runzelte die Stirn. „Und so große Ohren.“ Der Hexenmeister beugte sich vor und küsste Alecs Ohrläppchen. „Magnus? Was wird das?“ Magnus wanderte mit seinen Lippen weiter über dessen Wange hin zu seinem Mund. „Und so ein großes Maul.“ Er hauchte dem Schattenjäger einen Kuss auf die Lippen und zog sich grinsend wieder ein Stück zurück. Vollkommen verdattert starrte Alec ihn an. „Was, zum Erzengel, war das?“

Der Hexenmeister kugelte sich fast vor Lachen. „Ach Alec, du bist so süß wenn du verwirrt bist.“ „Das ist nicht lustig.“, erwiderte dieser entrüstet. „Doch, Darling, das ist es. Ich meine, du kannst mir jetzt nicht wirklich erzählen, dass du Rotkäppchen nicht kennst!“ Betreten sah Alec zu Boden und schüttelte schon fast zögerlich den Kopf. „Ich hab keine Ahnung, wer oder was das sein soll.“ Entsetzt sog der Hexenmeister die Luft ein. „Ich fass es nicht! Das ist eine Lücke in der Allgemeinbildung. Ich meine, wie kann man Rotkäppchen nicht kennen? Das ist einfach so unfassbar, ich…“ Magnus holte tief Luft und versuchte, sich zu beruhigen. Er sah auf und direkt in Alecs gekränkte blaue Augen und bekam sofort ein schlechtes Gewissen.

„Hey“ Er zog seinen Schattenjäger in eine Umarmung. „Ist nicht schlimm. Man muss Rotkäppchen nicht kennen.“ „Rot…was?“ „Rot-käppchen. Das ist die Hauptfigur aus einem Märchen der Gebrüder Grimm. Sie hat von ihrer Großmutter eine rote Kappe geschenkt bekommen und wird deshalb Rotkäppchen genannt.“ „Ahj…ja?“ Alec sah nicht gerade überzeugt aus. „Naja, und dann geht Rotkäppchen zu ihrer Großmutter, um ihr Kuchen zu bringen und trifft dabei auf einen bösen Wolf, der dann die Großmutter frisst und…“ Magnus schluchzte auf. Das war einfach so unfair! Der böse, gemeine Wolf konnte doch nicht einfach die arme Oma fressen.

„Magnus?“ Er drehte sich zu Alec um. „Hm?“ „Nicht traurig sein, ja?“ Brav nickte der Hexenmeister. Warum machte er das? Warum benahm er sich gerade wie ein Hündchen? Er war der oberste Hexenmeister von Brooklyn, da konnte er sich nicht wie ein Schoßhund benehmen! Das war… entwürdigend. Und außerdem, was sollte der große Vorsitzende denn bitte sagen, wenn sein Herrchen plötzlich zum Hund mutierte? Auf die Kommentare konnte er getrost verzichten.

Er ließ sich in die Arme des Schattenjägers ziehen und kuschelte sich an ihn. „Wie geht es denn aus?“, fragte Alec leise. Magnus hatte das Gefühl, dass er nur ihm zuliebe fragte, antwortete jedoch gleich begeistert: „Der Jäger tötet den Wolf und Rotkäppchen und ihre Oma werden befreit.“ „Ist doch schön.“, murmelte Alec und begann kleine Küsse auf Magnus‘ Nacken zu verteilen. Dieser erschauderte wohlig und drehte sich zu seinem niedlichen Goldstück um. „Wir müssen uns den Film unbedingt mal zusammen anschauen.“ Alec zog eine Augenbraue nach oben. „Muss das wirklich sein?“, fragte er missmutig. „Und ob das sein muss. Wie alt bist du? 19? Und in dem Alter kennst du kein einziges Märchen? Alec, das geht nicht! Das müssen wir unbedingt ändern!“ Magnus rückte ein Stück von dem Schattenjäger ab.

„Was ist eigentlich mit anderen Märchen?“, fragte er nachdenklich. „Sowas wie Dornröschen, Schneewittchen oder Frau Holle?“ Wieder schüttelte Alec den Kopf und auch das letzte Fünkchen Hoffnung verließ den Hexenmeister. Wie konnte man denn bitte gar kein Märchen kennen?

Plötzlich erhellte sich sein Gesicht. „Weißt du was, Darling? Ich habe eine grandiose Idee!“ „Oh Gott, bitte nicht!“, murmelte Alec leise. Empört hielt der Hexenmeister inne und warf seinem Gegenüber einen empörten Blick zu. Dieser verschwand jedoch sofort wieder, als er in Alecs unschuldige blaue Augen sah. Was machte der Junge nur mit ihm? Er sollte dringend seine Hormone in den Griff bekommen. Das konnte ja so nicht weitergehen…

Sanft legte er seine Hände an die Wangen des Schattenjägers und sagte: „Was hältst du von einem DVD-Abend mit Märchenmarathon? So als Nachholestunden für deine fragmentarische Kindheit.“ Seine Augen funkelten vor Begeisterung. Alec hingegen brummte nur unbestimmt. „Ich bin doch schon lange aus dem Märchenalter raus und in meiner fragmentarischen Kindheit wurde mir beigebracht, welche Dämonen wie aussehen und wie ich sie am effektivsten töten kann. Da war keine Zeit für sowas.“ Der Hexenmeister schnaubte empört. „Das ist mal wieder so typisch Schattenjäger! Keinen Sinn für Kultur! Eine Schande ist das.“ „Magnus.“ „Hm?“ Der Hexenmeister sah sein Gegenüber fragend an. „Wir können es ja mal versuchen, okay? Aber nur, wenn wir jetzt aufhören darüber zu reden und du dich nicht beschwerst, wenn ich mittendrin einschlafe.“ Dabei zog er den Hexenmeister wieder näher zu sich heran und fuhr mit Fingern über Magnus‘ Rücken.

Dieser wollte protestieren, doch als er bemerkte, was Alec da gerade machte, breitete sich ein Grinsen auf seinem Gesicht aus. „Ach, Darling. Du weißt halt, wie du mich weich kriegst. Oder sollte ich eher sagen hart?“ Er wackelte anzüglich mit den Augenbrauen. Der Schattenjäger errötete. „Halt die Klappe.“ „Du siehst so niedlich aus, wenn du rot wirst. Fast so wie Rotkäppchen…“ „Magnus! Wir wollten nicht mehr darüber reden, schon vergessen?“ „Ist ja gut, ist ja gut. Komm her!“ Er zog Alecs Gesicht an seines heran und strich mit den Lippen federleicht über die Wange des Schattenjägers. Dieser seufzte leise auf und drehte seinen Kopf so, dass Magnus Lippen auf seinen lagen. Willig erwiderte der Hexenmeister den Kuss und fuhr mit einer Hand unter Alecs T-Shirt. Dieser drängte sich daraufhin noch näher an ihn und öffnete die Lippen, um Magnus‘ Zunge in seinen Mund zu lassen. Sanft saugte der Hexenmeister an Alecs Unterlippe und drängte ihn langsam immer weiter zurück, bis dieser auf dem Rücken lag. Magnus schob das Shirt des Schattenjägers weiter nach oben und wanderte mit den Lippen gleichzeitig in Richtung Alecs Hals.

Plötzlich zerriss ein schriller Ton die Stille und der Hexenmeister schreckte überrascht auf und wäre dabei fast von der Couch gepurzelt. „Wer zur Hölle ist das denn jetzt?“ Verärgert starrte er auf das schwarze Gerät, welches Alec aus seiner Hosentasche gezogen hatte. „Izzy. Da sollte ich rangehen, sonst lebe ich nachher nicht mehr.“ Grummelnd setzte sich der Hexenmeister auf und warf dem Handy immer wieder böse Blicke zu. Irgendwann würde diese Göre dafür bezahlen. Sie hatte das Talent immer in den ungünstigsten Momenten aufzukreuzen.

 

 

ALEC

 

Innerlich verfluchte er seine Schwester. Sie sollte echt mal ihr Timing überdenken. Wahrscheinlich hatte sie das sogar und rief mit Absicht jetzt an. Genervt nahm Alec das Gespräch an. „Was?“ „Oh, na da ist aber jemand schlecht gelaunt. Schlecht geschlafen, Brüderchen?“ Ihre ungetrübte Fröhlichkeit regte ihn gerade noch mehr auf. „Izzy, was willst du? Ich bin beschäftigt.“ „Mit was bist du denn bitte beschäftigt?“, fragte sie skeptisch. „Oh“, machte sie plötzlich. Alec konnte förmlich hören, wie es in ihrem Kopf ratterte. „Bist du zufällig bei Magnus?“ Scheinheilig wie immer. „Ja“, grunzte Alec ins Telefon. „Ups, ich wollte euch nicht stören, womit auch immer ihr beschäftigt wart.“ „Izzy!“ „Schon gut, schon gut. Kein Grund, sich gleich aufzuregen.“ So langsam ging seine Schwester ihm auf die Nerven. Eigentlich mochte er sie ja wirklich, aber manchmal…

„Was willst du?“ „Ähm, also Mama hat gesagt, es wurde eine wichtige Ratssitzung einberufen und sie will dich dabei haben.“ „Scheiße.“ „Alles okay? Soll ich ihr sagen, dass ich dich nicht erreicht habe?“ Jetzt könnte er sie wieder umarmen. So nervig sie auch manchmal war, auf seine Schwester konnte er immer zählen. „Nee, ist schon in Ordnung. Ich komme.“ „Na, das hoffe ich doch. Sonst bist du nachher wieder so unentspannt…“, grinste Isabelle. Hastig fügte sie hinzu: „Okay, ‘schuldigung. Ich sag ihr Bescheid, dass du gleich da bist. Also beeil dich!“ „Ja, ist gut. Ich mach mich gleich auf den Weg.“ „Gut. Richte Magnus liebe Grüße aus! Und Alec, mach es. Ich kenn dich doch.“ Und sie hatte aufgelegt. Etwas irritiert schaute Alec sein Handy an. Er wurde einfach nicht schlau aus seiner Schwester.

„Alles okay?“, kam von hinter ihm die Frage. Stimmt ja, er war nicht allein. Er drehte sich zu Magnus um. „Ja, ich muss los und viele, nein liebe, Grüße von Isabelle.“ Sein Gegenüber nickte. „Danke. Ich hoffe, du bekommst keinen Ärger.“ Alec schüttelte den Kopf. „Nee, muss nur zu einer Ratssitzung. Meine Mutter will mich da unbedingt dabei haben.“ Unschlüssig, was er jetzt machen sollte, sah Alec den Hexenmeister an. Dieser lächelte ihn an und erhob sich. „Dann wünsche ich dir viel Spaß, Alexander.“ Er beugte sich zu ihm hinunter und hauchte einen Kuss auf seine Lippen.

Alec verspürte nicht die geringste Lust, mit anderen Schattenjägern stundenlang zu debattieren, ohne letzten Endes eine Entscheidung zu fällen, wenn er auch bei Magnus bleiben konnte. Er schlang seine Arme um den Hals des Hexenmeisters und zog ihn zu einem erneuten Kuss zu sich heran. Alec wollte nicht gehen. Nicht jetzt. Wer wusste, wann er Magnus wiedersehen würde.

Atemlos löste er sich schließlich von Magnus und nuschelte: „Ich will nicht gehen.“ „Ich weiß.“ Der Hexenmeister lehnte seine Stirn gegen Alecs‘. „Ich will auch nicht, dass du gehst. Aber so wie ich deine Schwester kenne, würde sie auch persönlich hier vorbei kommen und dich holen. Und dabei nicht viel ganz lassen. Ich hänge an meiner Zimmermöbelierung.“ Magnus zuckte ein wenig hilflos mit den Schultern. Bei dem Anblick musste Alec lächeln. Man sah selten einen niedergeschlagenen Hexenmeister. „Nein, ist okay. Ich muss dann auch los.“ Er küsste Magnus noch einmal flüchtig und verließ das Wohnzimmer.

An der Haustür drehte er sich noch einmal zu dem Hexenmeister, der ihm gefolgt war, um. „Wir sehen uns?“ Magnus nickte. „Ich ruf dich an.“ Ein Lächeln schlich sich auf das Gesicht des Schattenjägers und erleichtert ging er die Treppe hinunter. Magnus war bereit ihm zu verzeihen, nur darauf kam es im Moment an.

Draußen schlang er seine Jacke enger um seinen Körper. Trotz der strahlenden Sonne wehte ein eisiger Wind, der wohl nur ein Vorbote eines kalten Herbstes war… Seine Gedanken wanderten wieder zu dem Hexenmeister, der jetzt in seiner warmen Wohnung saß und sich wahrscheinlich schon wieder mit seinem Kater stritt. Er war schon irgendwie drollig. Alec schmunzelte. Für nichts auf der Welt würde er auf Magnus verzichten wollen. Die letzten Wochen hatten gezeigt, dass er das nicht überleben würde. 

Impressum

Texte: Alle Recht liegen bei uns (bis auf die Idee mit dem Kühlschrank)
Bildmaterialien: Alle Recht liegen bei uns
Lektorat: Danke BlackSheepi!!! Ohne dich wäre ich aufgeflogen!
Tag der Veröffentlichung: 21.07.2014

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Für alle, die genauso Malecvernarrt sind wie wir.

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