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Wahrheit und Lüge im Kampf um Realität in das Bewusstsein erzwungen.


Wieder hatte eine Organisation beschrieben, wie die Welt untergeht. Sekte oder Kirche, beide Arten suchten danach, den Menschen besondere Rezepte zu vermitteln, wie die Wege zur letzten Rettung zu erkennen seien.
Die Spitze des Eisbergs; Tausende standen - und stehen noch heute - wie Gewehr bei Fuß, um den Frieden am Horizont sichtbar werden zu lassen durch Bücher, Filme, Missionswerke und Ansprachen.
Selbst der Koran erklärt, dass scheinbar viele große Schiffe auf den Meeren unterwegs sind, um zu prüfen, welcher Mensch sich nicht in der Windstille dem Widersacher Gottes anschließt. Noah konnte sich auch hier einen deutlichen Namen machen, der sogar bis ans Ende der Welt reichen sollte.
Oder auch die Menschen, die sich besonders der Tiefe des Mystischen bewusst werden wollen, oder der natürlich anmutenden Berührung des Transzendentalen; Buddhisten, Hindus und und und ringen um Erleuchtung und Verständnis zur Wahrheit.
Wahrheit, aber was ist das, etwa nur aus einer Perspektive heraus, von einem Berg, oder auf dem Meer bei Sturm oder im Flugzeug, wenn es abstürzt? Sind die Sichtweisen durch Emotionen besonders getragen, weil sich Spitzenwerte im Botenstoffsystem und in der Hormonausschüttung Betäubung und Erregungen an der Grenze des Ertragbaren zeigen?
Das Gehirn jedes Menschen hat seinen eigenen Fingerabdruck der Wahrnehmung, hierin liegt auch der Blickwinkel in das Bewusstwerden einer berührten Situation, ein eigener Fingerzeig mit dem Blick auf die eigene Erkenntnis und damit auch auf subjektive Wahrheit.
So erlebte ich selbst wie unter der Zuckerpeitsche der Worte, interpretiert durch die Laien der Erkenntnis den tiefen Abgrund der Möglichkeiten des zweiten Todes, obwohl der erste eigentlich schon genügt.
Ein Buch versprach ewiges Leben, ein anderes tausend Jahre Frieden, wieder ein anderes versprach
die direkte Natur des lebendigen Gottes. Aber dazwischen gibt es tausende andere auf Niveau abzielende Scheinwahrheiten mit dem mehr oder weniger gerichteten Blick auf ein Teilchen der Wahrheit.
Es war die Sprache, das Versprechen, die Drohung, der Trost und die vielen Rettungsringe und gezückten Schwerter zum Tode, die ein heilloses Durcheinander in meinem Botenstoff- und Hormonsystem loslösten.
Es sollte ein tiefer Blick in die Ordnung des Universums werden, aber auch auf ein Himmlisches Jerusalem, auf einen sich anbahnenden Atomkrieg, und auf den Irrtum irgend eines Verantwortlichen, einen solchen ABC-Anschlag durch den Erstschlag abzuwehren.
Da fielen mir die Sprüche ein, dass unter einer Linde nur sieben Leute den Weltuntergang überstanden haben. Oder dass die Welt durch andere vom Menschen erzeugte Untergangsysteme
und die daraus resultierende Restbevölkerung in manchen geschriebenen Büchern oder Bildern der Filmwelt ihren realitätsbezogenen Ausdruck fanden.
Ein Chaos breitete sich in mir aus, mit einer unbeschreiblichen Bedrohung assoziiert, zwischen der inneren Welt der eigenen Umgebung gradezu hypnotisch und einer darin neu erkannten Wahrheit.
Ritter, Tod und Teufel; Bilder drängten in den Sinn und vergifteten die eigene Sichtweise zu einer Angst durch alle möglichen Überängste genährt.
Da ich gerade geheiratet hatte, die Bundeswehr überstanden war und meine Existenz sich durch die kaleidoskopartig gewürfelten Verzerrungen zu einer Psychose auszubilden drohte, hatte sich mir eine Stummheit aufgedrängt, um dem sich, wie ein Phantom ankündigenden Untergang zu begegnen.
Die Realität hatte sich nahezu aufgelöst, Gasgeruch und andere Halluzinationen täuschten meine Sinne, und gab es wirklich keinen Ausweg mehr aus dieser Irritation?
Die Betäubungsspritze eines Psychiaters hatte den Boden geebnet für noch tiefere Täuschungen des Geistes. Das Gehirn hatte unter dieser Art von Tiefschlaf weitere Phantasien-Kapazität zum Untergang in sich selbst erobert und scheinbar vom Ich-empfinden abgelöst.
Die Angst war einer neuen gewichen, es war nun Angst ohne eine Erklärung. Einfach nur unbändige
Vorstellungen, emotional vergiftete Bilder ohne etwas wirklich zu sehen. Es war eine Finsternis, die keine innere Sprache oder Wirklichkeit zuließ.
Das Wort Finsternis hatte in mir einen Wert erreicht, der wohl durch nichts mehr zu überbieten war.

Ich flüsterte meine Angst.
Dass ich in der Zwischenzeit in einer Klinik gelandet war, hatte ich kaum erkannt. Es waren weitere Spritzen, welche vernebelten, und kein wirkliches Erkennen mehr zu ließen.
„Jetzt können wir Ihnen helfen“, konnte ich nach meinem Flüstern zum Thema Angst erleichtert vernehmen.
Es standen einige Untersuchungen meiner nervlichen Verfassung auf dem Plan. Dann kam der Tag einer unwirklichen Begegnung im Arztzimmer des verantwortlichen Mediziners/Professors.
„Ich brauche noch Ihre Unterschrift, dass Sie freiwillig sich unseren Behandlungsmethoden unter-ziehen. Ein Bogen mit der Erklärung wurde mir zugeschoben, nun fragte ich, selbst etwas erstaunt über diese eigenen Worte, worin denn die therapeutische Hilfe für mich bestünde.
Der Arzt schaute mich etwas erstaunt an und heute weiß ich, hier war Unsicherheit auf Seiten des Mediziners. Ungläubig schaute er auf den Bogen und dann auf mich und meinte dann, es geht auch ohne Ihre Erlaubnis.
Diesen Zusammenhang konnte ich aber erst viele viele Jahre später erkennen und war damals in der Hand eines unglaublich entschlossenen Teams medizinischer Versuchsanordnungen.
Niemand aus meiner Verwandtschaft oder Familie, auch meine eben geheiratete Frau hatten auch nur eine Ahnung von dem, was da für mich auf Jahrzehnte zukommen sollte.
Ich war völlig ahnungslos und wurde in keinster Weise eingeweiht in dieses Vorhaben, das mein ganzes Leben verändern sollte.
Schon am nächsten Tag nach der verweigerten Unterschrift oder Zustimmung in eine unbekannte medizinische Methode fuhr man mich in einen Behandlungsraum.
Noch gefärbt von den Gedanken eines Ziels der Vorsehung aus den heiligen Büchern erkannte ich an der Wand ein großes Poster mit dem Thema: Bibel und Jesaja, wo Lamm und Löwe beisammen sind.
Schon wenige Sekunden später, ich lag auf einer Liege und wurde zu meinem Schrecken fest verschnallt, bekam ich einen Holzknochen zwischen die Zähne.
Nun machte ich doch Anstalten einer Gegenwehr und durch Befreiung von dem Holzklotz in meinem Mund konnte ich jetzt sprechen.
„Was machen Sie eigentlich mit mir, was soll der Keil in meinem Mund und warum bin ich festgeschnallt?“
Es kam zu ein paar beruhigenden Erklärungen, die ich unter den betäubenden Medikamenten eben so wahr nehmen konnte. Doch dann sagte die assistierende Ärztin zum Herrn Professor, der die Behandlung leitete:“ Er kann ja sprechen und sich sogar normal äußern, ist das Risiko nicht zu groß, dass das Herz des Patienten zum Stillstand kommt? Ist diese Behandlung denn wirklich notwendig, oder kann man humaner therapieren?“
Der Professor zeigte sich ärgerlich und meinte sich auf die Akte berufend, was geschrieben ist, ist auch durchzuführen; wenn das Herz zum Stillstand kommt, können wir immer noch reanimieren.
Damit bekam ich meinen Beißknochen wieder in den Mund und eine Spritze mit Opiaten beförderten mich in einen Tiefschlaf, in dem ich nichts von den elektrisch gepulsten Strömen in die künstliche Epilepsie spürte. Bald danach erfuhr ich, dass es sich dabei um Elektroschocks handelte. Es waren insgesamt – ich weiß es nicht mehr genau - zwischen 10 und 15.
Einmal wurde ich so halb bewusst wach, ich bekam nur noch die Hälfte von allem mit und es schien mir vieles im Krankenzimmer zu fehlen; eine Erfahrung wie das Verkümmern des Gehirns, bevor die Prozedur jeweils erneut an mir und über mehrere Tage wiederholt erging.
Scheinbar am letzten inneren Bereich angekommen fühlte ich mein Selbst in völliger Dunkelheit.
Das Denken war ganz unbehindert und scheinbar unter normaler Plastizität. Tiefe Zufriedenheit innerlich und in der dunklen Umgebung breitete sich aus. Jeder Gedanke förderte das Gewünschte in die begreifbare Nähe, wobei nichts zu fehlen schien. Die Insel tiefsten Friedens und des Reichtums einer elementaren Welt ohne Fehl zeigte sich nur in einem kurzen Zeitfenster.
Ein dicker Wattebausch mit schwarzem Tee berührte meine trockenen aufgeplatzten Lippen und konnten einen neuartigen unbändigen Durst langsam stillen. Mein Körper fand keine Koordination und jede Bewegung entgleiste in ungewollte Bereiche der motorischen Kontrolle.
Tagelang lernte ich wieder die Beine und Arme zu gebrauchen, wobei noch Wochen später manches, ob Kartoffel oder Nudel, durch falsche Bewegung Effet erhielt und ein Stück durch die Luft flog.
Plötzliche Blitze organisierten neben dem Willen ihre eigene Bewegungsverteilung und störten das Muster der täglich neu gewonnen Sicherheit im Gang und in der Haltung.
Damit die Nerven nicht völlig in ihren Freiheitsbestrebungen überschießen sollten, sorgte das medizinische Personal mit betäubender Rezeptur für geistige Lähmung.

Zig Jahre sind vergangen seitdem. Zig Jahre oder ein großer Teil einer relativ normalen Jugend fehlen mir gänzlich. Zig Jahre, in denen ich nicht wusste, wie das Danach aussehen würde, wie sich anfühlen, und ob es überhaupt ein Danach geben würde.
Jetzt bin ich an diesem Danach angekommen. Sollte ich lernen zu versuchen zu lachen, mich zu freuen, dankbar zu sein? Ja.
Zumindest kann ich jetzt darüber reden, darüber schreiben...

Impressum

Texte: kosmogen.ethik
Tag der Veröffentlichung: 17.06.2012

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