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Schwamm drüber

Schwamm drüber

 

Die Autowäsche ist mein Leben,

ihr bin ich unbedingt ergeben.

Ich bohner, wische und poliere,

bis ich ganz den Verstand verliere.

 

Ja, meine liebe Ehefrau,

der ich sonst liebesblind vertrau,

sagt mir, ich soll mal halblang machen.

Na, die erzählt ja dolle Sachen.

 

Wie soll das gehen, bitte schön?

Wenn ich mein Baby nicht verwöhn,

dann kriegt es noch der Müller mit,

der übern Zaun sein Fernglas schiebt

 

und observiert und inspiziert,

was um ihn rum so grad passiert.

Da kann ich mich nicht lumpen lassen

und werd's ihm ordentlich verpassen,

 

 

Von hassen ist hier nicht die Rede,

weil ich human zu handeln pflege.

Vom Hörensagen weiß ich sicher,

der mag mich nicht, der bied're Stricher.

 

Aber auch er hat Dreck am Stecken,

ich bin mir sicher, um's verrecken,

denn seine Niedertracht ist tief,

weiß ich dank meinem Detektiv.

 

Ich hab da nämlich was gehört,

was diesen fiesen Müller stört.

Sein Tochterherz, wurd mir erzählt,

verdient seit kurzem schnelles Geld.

 

Und ganz zufällig, wirklich wahr,

hab ich grad ihre Nummer da.

Ein Anruf reicht, der Preis ist top

und schon sind wir in einem Boot.

 

In ein paar Tagen ist sie da,

wo sie so vorher noch nie war.

Und nicht nur Müller wird da staunen,

der ganze Block wird lautstark raunen.

 

 

Da ist er nun, der große Tag,

ich hab die Videocam parat,

die Sonne scheint, wohl 30 Grad.

Ob es wohl jemals heißer ward?

 

Mein Baby steht groß vor der Tür,

wohl glänzend und bereitet für

das Schauspiel epochalen Maßes.

Schau hin, mein Freund, oder verpass es.

 

Doch glaub mir, du wirst es bereuen

und dich des Lebens nicht mehr freuen,

aber selbst dann, kannst du es lesen

in diesem Dichterwerk hohen Wesen'.

 

Denn fort spinn ich nun die Geschichte,

auf dass ich Müller bald vernichte.

 

Sein Tochterherz, nur knapp bekleidet, –

ob sie wohl Miley Cirus neidet? –

klingelt bei mir, ich mach ihr auf

und führe sie zum Wagen rauf.

 

Sie trägt nur einen Minirock,

so kurz, dass mir der Atem stockt,

doch ich bin rein beruflich hier,

auf dass ich nicht mein Ziel verlier.

 

In ein paar kurzen Sätzen nur

erklär' ich ihr des Plans Natur

und schmeiße meine Sony an

auf dass die Show beginnen kann.

 

Das Mädel nimmt nen Schwamm und wischt,

auf dass das Seifenwasser zischt

und Stück um Stück wird er nun nass,

mein schöner Porsche, welch ein Spaß.

 

Nach einer Weile – paar Minuten,

hör ich schon ein paar Autos hupen,

die von dem Schauspiel angeregt

zum Gruße fühlen sich bewegt.

 

Erregt? Nein, ich bin konzentriert

und warte filmend, was passiert.

Da seh ich schon an Müllers Zaun

sein Fernglas blitzen – welch ein Traum,

 

ich glaub es kaum, dass es so flott

geklappt hat nun mit dem Komplott.

Und Müller guckt, und Müller gafft,

mit ihm die halbe Nachbarschaft,

 

bis er dann endlich doch kapiert,

wer da mein Baby nass poliert.

Da springt er hinterm Zaun hervor

und sprintet hechelnd an mein Tor,

 

das gelbgefleckte Unterhemd,

das seinen Wohlstandsbauch beschränkt,

ist nun von Angst- und Zornschweiß nass

und sein Gesicht vor Schrecken blass.

 

„Wie kann denn das? Was machst 'en du?

Wieso denn hier? Mein Gott wozu?“,

schreit er dem Carwash-Girl entgegen

und will sie nun zum Gehn bewegen.

 

Er zerrt an ihre Unterarm

und gradlings landet schon der Schwamm

in an seiner wohlgenährten Backe –

was ich geschickt auf Video packe.

 

Das Mädel schreit und rennt davon,

der Müller folgt ihr hastig schon

und ich verfolg sie mit der Cam,

zu ihrem Haus – die Tür macht bäm!

 

Von drinnen hör ich laute Schreie

und nicht nur ich, denn mittlerweile

steht schon die ganze Nachbarschaft

und glotzt aus voller Leibeskraft.

 

Ich drück auf Stopp, mein Meisterwerk,

mit dem ich Oscars scheffeln werd,

ist nun vollbracht, welch eine Pracht.

Es lief perfekt – wer hätts gedacht?

 

Zufrieden lachend geh ich heim.

Kann dieses Leben schöner sein?

Ich denke, nein, das ist wohl eben

das echte Glück in diesem Leben.

 

Beseelt entriegle ich die Tür,

als ich ein kaltes Schweigen spür.

Ich luchse vorsichtig hinein –

das kann nun wirklich gar nicht sein,

 

doch ja, sie ist es, meine Frau,

der ich sonst liebesblind vertrau,

steht da und schaut mich fordernd an.

Ob ich ihr das erklären kann?

 

 

 

 

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 08.12.2014

Alle Rechte vorbehalten

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