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C'était en septembre


C'était en septembre


Heute ist unser fünfter Besichtigungstermin. Das Haus ist geräumig und ich würde es am liebsten kaufen, aber meine Frau hat wieder etwas auszusetzen. Die Küche sei zu klein, das Wohnzimmer nicht hell genug und der Klodeckel zu oval. Ich versteh sie nicht mehr, aber Widersprechen ist tödlich, ich habe schließlich noch vor, mein Restleben mit ihr zu verbringen. Ich bin verliebt und ein hoffnungsloser Romantiker. Mein Pech eben ...
Der Makler lässt uns in Ruhe, damit wir es uns noch einmal überlegen können. Dazu setzt er seinen letzten Trumpf ein und bietet uns an, im Garten, der an einem nahen Waldstück liegt, uns etwas Zeit zu nehmen. Der Garten ist tatsächlich sehr schön und gemütlich. Meine Frau setzt sich erschöpft auf die Veranda und lässt lautstark einen Seufzer vernehmen. „Das wird nie was, irgendwas fehlt hier. Und der Makler hat auch Dreck am stecken. Ich habe kein gutes Gefühl.“
Während Sie ihr Jammerkonzert abhält, sehe ich über den Zaun und entdecke plötzlich etwas, was ihr und mir unsere Suche deutlich erleichtern wird. Lächelnd und davon überzeugt, dass unsere Odyssee endlich ein Ende findet, rufe ich: „Schatz, komm mal her. Ich muss dir was zeigen.“

Vor einigen Jahren

Erneut öffnete ich die Tür und ging hinaus. An der Kreuzung blieb ich stehen und schaute zu allen Seiten: wieder nichts! Nun wartete ich schon seit über einer halben Stunde und sie kam nicht. Ich fragte mich, wie lange ein Gentleman eigentlich warten sollte, bevor er ruhigen Gewissens sagen kann: „Pech gehabt. Soll sie sich nen anderen suchen. Ich gehe.“ Doch ich wartete weiter. Nach weiteren 10 Minuten an der Kreuzung schleppte ich mich wieder zurück zum Eingang. Ein großes Plakat verkündete mir: „Liebe auf den zweiten Tritt“. Darauf war ein berühmter Schauspieler abgebildet, der falsch herum auf einem Esel saß und scheinbar, ohne Kontrolle über das Tier zu haben, von diesem davon getragen wurde. Links von ihm stand eine Frau, die ihrer Körpersprache nach verärgert und enttäuscht war, was auch ihr Gesichtsausdruck unmissverständlich klar machte.
Im Kino verkündete mir eine große, unübersehbare Uhr nichts Gutes: 17.10. Der Film hatte bereits vor 10 Minuten begonnen und es war die letzte Vorstellung für heute. Ich griff nach meinem Handy und rief sie noch einmal an. Keine Antwort. Ihre Mailbox sagte mit der gleichen fröhlichen Stimme: „Ich bin grad nicht zu hause. Babbel mir was nach dem Piepton. Danke!“
Na gut, dachte ich mir, mal wieder eine Enttäuschung. Mal wieder versetze mich eine Frau beim ersten Date. Später würden dann billige Ausreden wie „Mein Hund hatte Fußpilz“ oder „Mein Goldhamster hat sich mit dem Nachbarsmeerschweinchen geprügelt“ kommen.
Als ich im Begriff zu gehen war, sah ich dann plötzlich das, was mir vor 50 Minuten so viel Freude bereitet hätte: Sie kam durch die Eingangstür. Ihr Gesicht war von den Minusgraden draußen gerötet und ihr braunen Locken bedeckte eine schwarze Baskenmütze.
„Hi, sorry, dass ich so spät komme, aber du glaubst mir nie!, was mir passiert ist.“
Ohne auf eine Antwort zu warten, fuhr sie fort: „Mein Auto wollte nicht anspringen, und als es dann nach einer halben Ewigkeit doch ging, stand ich im Stau. Mein Handy hab ich auch zu Hause vergessen, sonst hätte ich dich natürlich angerufen. Sorry, tut mir voll leid, du musst mir bestimmt auf die Mailbox gequatscht haben. Oh, du Armer. Dass du so lange wartest, hätte ich nicht gedacht. Wie lange bist du schon hier?“
„Eine Stunde, aber ... „
„Ach herrjemine, verdammt, sorry, echt, wie kann ich das nur wieder gutmachen?“
„Lass uns doch einfach das Beste daraus machen“, schlug ich vor. Dabei waren meine Augenbrauen nach oben geschnellt, sodass mein Gesicht einen fragend hoffenden Ausdruck vermittelte.
„Ja, du hast Recht, sorry, ich rede wieder zu viel. Was wollen wir machen?“
„Hier laufen keine Filme mehr. Lass uns ein anderes Kino suchen oder wir könnten auch was trinken. Sehen wir mal, was passiert.“

Es wurde langsam dunkel und der müde Wintertag beendete seine kurze Tagesschicht. Der Wind frischte auf, was uns die niedrigen Temperaturen noch mehr spüren ließ. Wir liefen durch die Fußgängerzone auf der Suche nach einem geeigneten Ort, um der bissigen Kälte entkommen zu können.
„Lass uns irgendwo reingehen, ich spüre meine Füße kaum noch“, jammerte meine Begleitung.
„Wir sind gleich da. Ich kenne hier ein kleines Kino in der Nähe; die haben immer alte, schöne Filme im Programm, es wird dir gefallen.“
Im Kino angekommen fragten wir an der Kasse, welche Filme auf dem Programm standen.
„Das ist ganz schlecht“, verkündete und der Kassierer mit einer sauren Miene. „Unser Vorführer ist schon gegangen, da der letzte Film keine Besucher hatte.“
„Können Sie keine Ausnahme machen?“, flehte ihn meine Begleitung an. „Ich hatte heute einen schrecklichen Tag; zuerst wollte mein Auto nicht anspringen, dann stand ich im Stau und mein Hamster wurde...“
"Okay, okay“, unterbrach sie der Kassierer und guckte konzentriert auf seinen Monitor. „Wenn ihr wollt, bekommt ihr eine Privatvorstellung, ich schmeiß die Maschine nochmal für euch an.“
„Super!“, rief meine Begleitung euphorisch. „Vielen lieben Dank.“
Wir gingen zusammen die Treppe hoch, der Kassierer öffnete uns die Tür und ließ meine Begleitung zuerst rein. Als ich an ihm vorbeiging, hielt er mich an der Schulter und zwinkerte mir vielsagend zu.
Das Licht ging aus und der Filmvorspann setze ein.
„Echt super von ihm, uns eine Privatvorstellung zu bieten.“
„Ja, voll romantisch irgendwie.“
Die ersten paar Minuten schwiegen wir uns an und starrten nach vorne. Ich weiß nicht, ob sie genau so nervös war wie ich oder den Film so gut fand. Nach einer gefühlten Ewigkeit fragte sie: „Was soll dieser Jägerstand symbolisieren, ich versteh das nicht.“
„Ich hab keine Ahnung, vielleicht, dass der Film zum Erschießen langweilig ist?“, antwortete ich scherzhaft.
„Vielleicht“, sagte sie und lächelte herzlich süß.
Ich weiß nicht mehr viel von der Handlung, die Schauspieler waren auch nicht besonders gut. Wir redeten viel mehr, als dass wir den Film schauten und wir verstanden uns gut. An einem Punkt, als ich irgendetwas erzählte, schnellte ihr Mund zu meinem und wir küssten uns plötzlich. Das war der Anfang unserer Beziehung, unserer Ehe, unseren Glücks. Beim Rausgehen nahm ich noch eine Film Brochure mit, die den Titel unseres Filmes trug: „C'était en septembre„.
Darauf war ein Jägerstand abgebildet der im Sonnenuntergang auf einem Feld stand. Oben links stand in einfacher Schrift der Titel des Filmes geschrieben.

Heute

„Oh toll, Schatz, das ist ein Zeichen, ganz sicher! Wir sollten das Haus kaufen“, verkündete meine Frau euphorisch und klatschte in die Hände.
„Bist du dir sicher, dass du das Haus nur wegen diesem Jägerstand kaufen willst? Was ist mit all den Mängeln, die du gefunden hast?“
„Naja, dich hab ich damals ja auch trotz all der Mängel genommen“, erwidert sie mit einem bösen Lachen im Gesicht.

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Tag der Veröffentlichung: 14.02.2012

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